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Konkurrenz (Recht)
Die Frage der Konkurrenz beschreibt in der Rechtswissenschaft die Regelung der Fälle, in denen mehrere Rechtsnormen den gleichen Sachverhalt regeln. In derartigen Fällen können Anwendbarkeit und Rechtsfolgen der Normen miteinander vereinbar sein oder unvereinbar; in jedem Falle bedarf es einer Bestimmung der im konkreten Fall anzuwendenden Norm.
Um Unvereinbarkeiten zu vermeiden, gibt es Vorrangregeln (Kollisionsregeln). So kann etwa das speziellere Gesetz das allgemeinere verdrängen oder das neuere das ältere. Im Internationalen Privatrecht können ganze Rechtsordnungen kollidieren.
Zivilrecht
Im Zivilrecht bedeutet Anspruchskonkurrenz, dass ein Gläubiger mehrere inhaltsgleiche Ansprüche auf selbständige verschiedene Anspruchsgrundlagen stützen kann. Da der Gläubiger die Leistung nur einmal verlangen kann, muss er eine Anspruchsgrundlage wählen. Bei der sogenannten Anspruchsgrundlagenkonkurrenz kann der Gläubiger seinen Anspruch auf mehrere Anspruchsgrundlagen stützen. Jedoch führen diese zu ein und demselben Anspruch, sodass der Gläubiger letztlich nicht zu wählen braucht.
Strafrecht
Die strafrechtliche Lehre von den Konkurrenzen befasst sich mit dem Verhältnis, in dem mehrere Gesetzesverletzungen eines Täters zueinander stehen.
Handlungseinheit und Handlungsmehrheit
Grundlegend für die Klärung der Konkurrenzen ist die Frage, ob eine Handlungseinheit oder Handlungsmehrheit vorliegt. Ist eine Handlungseinheit gegeben, kommt bei den Gesetzeskonkurrenzen Spezialität, Subsidiarität oder Konsumtion in Betracht. Bei Handlungsmehrheit unterscheidet man zwischen mitbestrafter Vortat und mitbestrafter Nachtat. Auch für die Beurteilung von Tateinheit und Tatmehrheit hat die Frage, ob Handlungsmehrheit oder Handlungseinheit vorliege, maßgebliche Bedeutung.
Von einer Handlungseinheit spricht man, wenn entweder eine Handlung im natürlichen Sinn, eine natürliche Handlungseinheit, oder eine juristische Handlungseinheit vorliegen. Im Übrigen liegt eine Handlungsmehrheit vor.
Handlung im natürlichen Sinne
Von einer Handlung im natürlichen Sinn geht man aus, wenn ein Handlungsentschluss eine Willensbetätigung zur Folge hat.
Natürliche Handlungseinheit
Eine natürliche Handlungseinheit liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn von einem einheitlichen Willensentschluss mehrere räumlich und zeitlich eng verknüpfte Tätigkeitsakte ausgehen. x Handlungen führen dabei zu einem Erfolg. Beispiel: A gibt B mehrere Ohrfeigen; diese führen zu einer Körperverletzung. Andere Spielarten sind ebenso denkbar: Eine Handlung führt zu x Erfolgen, wie dies bei einem Terroranschlag zu beklagen ist, der zu einer Mehrheit von Toten führt.
Juristische (rechtliche) Handlungseinheit
Eine juristische (rechtliche) Handlungseinheit wird bei mehraktigen Delikten, Dauerdelikten und verklammerten Delikten konstruiert. Mehraktige Delikte zeichnen sich dadurch aus, dass Ausführungshandlungen tatbestandlich teilidentisch sind im Verhältnis zweier oder mehrerer Straftaten untereinander. Will jemand einen anderen berauben, so ist die dabei ausgeübte Gewalt relevant für den Raubtatbestand einerseits. Zeitgleich andererseits aber auch für die ausgeübte Körperverletzung (Teilidentität). Im nächsten Handlungsakt wird dann die begehrte Sache weggenommen (Diebstahlskomponente innerhalb des Raubtatbestandes). Dauerdelikte verklammern zur rechtlichen Handlungseinheit insoweit, als sie den „Unrechtsrahmen“ für eine andere Straftat stellen. Klassische Delikte sind die Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) und der Hausfriedensbruch (§ 123 StGB). Tateinheitlich sind diese Delikte mit unterschiedlichem Wechselbezug auf eine andere Straftat. Bsp: So geht A bei B unerlaubt in dessen Haus (Hausfriedensbruch), um ihn zu überfallen und zu verletzen, wenn er nach Hause kommt (Körperverletzung). Genauso könnte A den B vor dessen Haustür überfallen und verletzen, um danach unbefugt in sein Haus einzudringen.
1994 vollzog der BGH einen Bruch mit der zu diesem Zeitpunkt im Rahmen der rechtlichen Handlungseinheit diskutierten Version des sogenannten „fortgesetzten Handlungs-zusammenhangs“. Mit Beschluss vom 3. Mai 1994 hat der BGH den sogenannten „Fortsetzungszusammenhang“ abgeschafft und damit Erleichterung in der Literatur ausgelöst. Teile der Lehre wie der Rechtsprechung forderten hierzu zuvor, dass subjektiv durch Vorsatz geklammert gleiche geschützte Rechtsgüter durch gleichartige Begehformen verletzt wurden. Die Rechtsfolgen waren uneinheitlich argumentiert und ließen judikativen Missbrauch zu. Probleme mit dieser dogmatisch unzureichend fassbaren Rechtsfigur stellten dabei Gestaltungen um Probleme wie: Serientäter, Banden, den Grundsatz ne bis in idem, Mengen im Sinne des BtMG, Verjährungsbeginn, Wechselverhältnis von Inlandstatteilen zu Auslandstatteilen. Der Große Senat des BGH stellte seinerzeit folgenden Leitsatz auf:
„Die Verbindung mehrerer Verhaltensweisen, die jede für sich einen Straftatbestand erfüllen, zu einer fortgesetzten Handlung setzt voraus, dass dies, was am Straftatbestand zu messen ist, zur sachgerechten Erfassung des verwirklichten Unrechts und der Schuld unumgänglich ist[1]“
Liegen mehrere selbstständige Handlungen vor, spricht man von Handlungsmehrheit.
Gesetzeskonkurrenzen
Fälle der Gesetzeskonkurrenz (auch sog. unechte Konkurrenz) sind:
Gesetzeskonkurrenzen bei Handlungseinheit
Spezialität
Das speziellere Gesetz geht dem allgemeineren vor. Spezialität heißt: Ein Tatbestand enthält sämtliche Merkmale eines anderen und darüber hinaus mindestens ein weiteres Merkmal, so besonders im Falle von Qualifikation, Privilegierung und Sonderdelikt. Diese sind gegenüber dem Grunddelikt, zusammengesetzte Delikte gegenüber den Tatbeständen, aus denen sie zusammengesetzt sind, spezieller (z. B.: § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB (Einbruchdiebstahl) ist spezieller als § 242 StGB (einfacher Diebstahl); § 249 StGB (Raub) ist spezieller als § 240 StGB (Nötigung) und § 242 StGB (Diebstahl)).
Subsidiarität
Subsidiär ist ein Tatbestand, der nur hilfsweise angewandt wird, wenn nicht ein anderer Tatbestand greift. Greift der vorrangig anzuwendende Tatbestand ein, tritt der subsidiäre Tatbestand dahinter zurück. Man unterscheidet formelle Subsidiarität: z. B. § 246 Abs. 1, § 248b Abs. 1. StGB, hier ist die hilfsweise Anwendung im Gesetz vorgeschrieben, und materielle Subsidiarität, bei der sich der Vorrang aus der Systematik der Tatbegehung ergibt. Versuch tritt hinter Vollendung zurück; Teilnahme hinter Täterschaft; Beihilfe hinter Anstiftung, das Gefährdungsdelikt hinter das Verletzungsdelikt, das abstrakte hinter das konkrete Gefährdungsdelikt.
Konsumtion
Ein Tatbestand wird typischerweise bei der Begehung eines anderen mitverwirklicht und wird durch die Bestrafung aus dem vorrangigen Delikt mitabgegolten. Beispielsweise konsumiert der unbefugte Gebrauch eines Fahrzeuges (§ 248b StGB) den Diebstahl beziehungsweise die Unterschlagung (§ 242, § 246 StGB) am verbrauchten Benzin und Öl. Der Wohnungseinbruchsdiebstahl § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB konsumiert den Hausfriedensbruch nach § 123 StGB.
Gesetzeskonkurrenzen bei Handlungsmehrheit
Bei Handlungsmehrheit können bei der Gesamtstrafenbildung einzelne Delikte als mitbestrafte Vor- oder Nachtat zurücktreten:
- mitbestrafte Vortat
Die Strafbarkeit einer früheren Tat entfällt, wenn deren Unrechtsgehalt von der späteren Tat mitumfasst ist (z. B. Schlüsseldiebstahl als mitbestrafte Vortat bei Kfz-Diebstahl mitumfasst; § 30 Abs. 2 StGB bei versuchtem oder vollendetem Verbrechen)
- mitbestrafte Nachtat
Die Strafbarkeit einer Nachtat entfällt, wenn sie im Verhältnis zur früheren Tat keinen selbständigen Unrechtsgehalt aufweist. Voraussetzungen dafür sind, dass
- die Nachtat der Sicherung, dem Ausnutzen oder Verwerten des durch die frühere Tat erlangten Vorteils dient,
- die Nachtat gegen denselben Rechtsgutträger und dasselbe Rechtsgut gerichtet ist und
- kein neuer Vermögensschaden entstanden ist.
Tateinheit und Tatmehrheit
Zweck der Konkurrenzenregelungen, die sich in den §§ 52 bis § 55 StGB finden, ist es, beim Zusammentreffen mehrerer Gesetzesverletzungen eine der jeweiligen Schuld angemessene Strafe zu bilden und nicht lediglich die Strafen der einzelnen Tatbestände zu addieren.
Das Strafgesetzbuch gibt mit Tateinheit (Idealkonkurrenz, § 52 StGB) und Tatmehrheit (Realkonkurrenz, § 53 StGB) zwei Verfahren vor, um aus den Strafdrohungen der einzelnen Straftatbestände eine angemessene Strafe zu entwickeln (Differenzierungsprinzip). Jeder Tateinheit liegt eine Handlungseinheit und jeder Tatmehrheit eine Handlungsmehrheit zu Grunde. Der Umkehrschluss ist nicht zulässig, weil die Verwirklichung mehrerer Straftatbestände bereits auf der Ebene der Gesetzeskonkurrenz ausscheiden kann.
Bei Tateinheit (eine Handlung verletzt mehrere Gesetze, die sich nicht durch Spezialität, Subsidiarität oder Konsumtion verdrängen, § 52 StGB), wird auf eine Strafe erkannt, die sich nach dem schwersten der begangenen Delikte richtet (Einschluss- oder Absorptionsprinzip). Bei Tatmehrheit (mehrere Handlungen verletzen mehrere Gesetze, die sich nicht im Wege der mitbestraften Nachtat oder Vortat verdrängen, § 53 StGB) wird aus den im Gesetz vorgesehenen Einzelstrafen eine Gesamtstrafe gebildet. Dabei wird die schwerste Strafdrohung (Einsatzstrafe) erhöht, wobei die Gesamtstrafe unter der Summe der möglichen Einzelstrafen liegen muss („Strafrabatt“). Der Unterscheidung zwischen Tateinheit und Tatmehrheit liegt die Überlegung zugrunde, dass dem Täter bei Tatmehrheit eine höhere Schuld anzulasten ist (Verschärfungs- oder Asperationsprinzip). Eine nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe zwischen zwei Straftaten ist selbst dann noch möglich, wenn der Täter die spätere Straftat noch vor der Verurteilung der früheren Straftat begangen hat. Grund für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung ist, dass in Ansehung der späteren Straftat dem Täter die Verurteilung noch nicht zur Warnung gereichte. Daher ist die Gewährung eines „Strafrabatts“ durch eine Gesamtstrafenbildung gerechtfertigt. Die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe ist nur möglich, wenn die Strafe aus dem Urteil für die frühere Straftat noch nicht vollstreckt wurde.
Im Jugendstrafrecht wird dagegen immer eine Einheitsstrafe gebildet (§ 31 Abs. 1 JGG).
Auch das österreichische (§ 28 öStGB) und das schweizerische (Art. 49 sStGB) StGB folgen dem Einheitsstrafenprinzip.
Öffentliches Recht
Neben dem Strafrecht können auch in anderen Gebieten des Öffentlichen Rechts Fälle der Konkurrenz auftreten. So konkurriert regelmäßig die polizeiliche Generalklausel mit speziellen Eingriffsbefugnissen der Polizeigesetze. Existiert für einen bestimmten Sachverhalt (z. B. die Sicherstellung einer Sache) eine Spezialvorschrift, so geht diese innerhalb ihres Anwendungsbereichs der Generalklausel immer vor, siehe dort. Auch bei Grundrechten kann es zu einer Konkurrenz kommen. So geht das Telekommunikationsgeheimnis in seinem Anwendungsbereich dem Auffanggrundrecht der Allgemeinen Handlungsfreiheit vor.
Einzelnachweise
- ↑ BGH NJW 1994, 1663 ff. = BGH GSSt 2/93, GSSt 3/93 - Beschluss vom 3. Mai 1994
Literatur
- Claus Roxin: Strafrecht. Allgemeiner Teil. Band II: Besondere Erscheinungsformen der Straftat. Beck, München 2003. ISBN 3-406-43868-7, S. 795–882.
- Johannes Wessels, Werner Beulke: Strafrecht. Allgemeiner Teil: Die Straftat und ihr Aufbau. 37. Auflage. Müller, Heidelberg 2007. ISBN 978-3-8114-9221-9.
Weblinks
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