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Konstitutionalismus
Konstitutionalismus ist ein Begriff aus der Verfassungsgeschichte und beschreibt eine bestimmte Staatsform, in der eine Verfassung eine bestimmte Rolle spielt. Je nach Land und Sprache kann damit im Einzelnen etwas Unterschiedliches gemeint sein.
In der Geschichte Deutschlands versteht man unter Konstitutionalismus vor allem die Phase von 1814 bis 1918, als es zwar bereits Verfassungen gab, aber die parlamentarische Regierungsweise sich noch nicht rechtlich oder faktisch durchgesetzt hatte. Man spricht auch von einer Abfolge absolutistische Monarchie, konstitutionelle Monarchie, parlamentarische Monarchie. In der konstitutionellen Monarchie muss sich ein Monarch, anders als in der absolutistischen Monarchie, an eine Verfassung halten, in der parlamentarischen kommt hinzu, dass die Regierung letztlich vom Vertrauen des Parlaments abhängt.
Deutsche Geschichte
Im Heiligen Römischen Reich gab es einige wichtige Entscheidungen, die man heute als Verfassungsdokumente bezeichnet, und während der Zeit der französischen Herrschaft (etwa ab 1793 bis 1814) in Deutschland gab es einige Staaten mit Verfassungen. Diese gelten heute aber nicht als eigentliche Repräsentativverfassungen. Mit einer solchen Verfassung ist gemeint, dass die Bürger oder zumindest ein Teil der Bürger eine Volksvertretung wählen, die an der Gesetzgebung teilnimmt. Laut der Bundesakte von 1815, die den Deutschen Bund begründete, sollte ein deutscher Staat eine landständische Verfassung haben. Eine genaue Definition dafür fehlte aber.
Nach 1815 entstanden Verfassungen zunächst in Süddeutschland, unter anderem in Bayern am 26. Mai 1818, in Baden am 22. August 1818 in Württemberg am 25. September 1819. Dann kam es nach 1830, ausgelöst durch die Juli-Revolution in Frankreich, zu Verfassungen in einigen norddeutschen Staaten, unter anderem in Hessen am 5. Januar 1831, in Sachsen am 4. September 1831[1], in Braunschweig am 12. Oktober 1832[2] und in Hannover am 26. September 1833[3]. In den neu entstandenen Verfassungen finden sich dabei Zugeständnisse an das Volk (zum Teil Abschaffung der Leibeigenschaft gegen einmalige Zahlungen, Land etc.), denn diese wurden nicht oktroyiert, sondern in Vereinbarung mit den Ständen bzw. deren Vertretungen in Versammlungen erarbeitet.
Allerdings gab es auch nach 1830 noch oktroyierte Verfassungen. Der größte Staat in Norddeutschland, Preußen, oktroyierte am 5. Dezember 1848 eine Repräsentativverfassung als Reaktion auf die vorangegangene Märzrevolution, welche eine solche Verfassung forderte. Österreich gab sich sogar erst (nach einigen früheren Ansätzen) endgültig 1867 eine vom Herrscher auferlegte Verfassung (Dezemberverfassung).
Monarchisches Prinzip
Die Herrschaft des Monarchen beruht auf dem monarchischen Prinzip. Dieses rechtfertigt die herausragende und unverletzliche Stellung des Monarchen und führt diese wie zu Zeiten des Absolutismus auf das Gottesgnadentum zurück (Friedrich Julius Stahl, 1845). Das monarchische Prinzip besagt, dass der Monarch die Rechtfertigung für sein Handeln in sich selbst trägt. Sie kommt ihm kraft seiner Stellung zuteil und ist ihm weder durch die Verfassung noch durch das Volk oder Dritte eingeräumt. Der König ist Herrscher nicht auf dem Boden der Verfassung, sondern vor der Verfassung. Die Verfassung ist daher nicht Grundlage der Herrschaftsgewalt des Königs, sondern nur deren Beschränkung. Damit ist der Monarch selbst die verfassungsgebende Gewalt (s. unten, Verfassungsgebung), also pouvoir constituant und nicht bloß verfasste Gewalt, pouvoir constitué. Im Hinblick auf die Stellung des Volkes und der Volksvertretung lässt sich zusammenfassend sagen: Während Volk und Volksvertretung für jedes politische Handeln eines verfassungsrechtlichen Titels bedürfen, trägt der Monarch diesen Titel, also die Berechtigung zum Handeln in sich selbst. Anders als jedoch im Absolutismus treten Staat und Staatsoberhaupt förmlich auseinander. Das Staatsgebiet wird der rechtsgeschäftlichen Verfügungsmacht des Herrschers entzogen, sein Privatgut wird vom Staatsgut getrennt.
Typisches Beispiel hierfür ist die Formulierung im Titel II § 1 der bayerischen Verfassung von 1818: „Der König ist Oberhaupt des Staats, vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt und übt sie unter den von ihm gegebenen, in der gegenwärtigen Verfassungsurkunde festgesetzten Bestimmungen aus“.
Das monarchische Prinzip, das auf die Schlussakte des Wiener Kongress zurückgeht, diente in Reaktion auf revolutionäre und liberale Bestrebungen der Abwehr von jeder Form der Volksrepräsentation.
Verfassungsgebung
Trotz der von ihm ausgehenden Staatsgewalt unterlag der Herrscher in deren Ausübung den Bindungen der Verfassung. Diese wurde entweder von ihm selbst erlassen (oktroyierte Verfassung) oder im Einvernehmen mit den Vertretern der Stände vereinbart. Entscheidendes Kennzeichen des Konstitutionalismus war, dass die auch einseitig vom König oktroyierte Verfassung nicht mehr einseitig abänder- oder rücknehmbar war. Eine Änderung musste von Monarch und Volksvertretung gemeinsam beschlossen werden, ähnlich wie bei gewöhnlichen Gesetzen. Als beispielsweise der König von Hannover 1837 einseitig die Verfassung außer Kraft setzte, wurde dies als Rechtsbruch angesehen und entsprechend am 18. September 1837 durch sieben Professoren der Landesuniversität Göttingen proklamiert. Diese postulierten in der Folge zum ersten Mal in deutscher Geschichte unter dem Risiko des eigenen Existenzverlustes eine Weitergeltung der damaligen Verfassung (das Staatsgrundgesetz als eine der landesständischen Verfassungen der Bundesakte).
Legislative
Die Gesetzgebung konnte nur durch gemeinsame Zustimmung von König und Volksvertretung erfolgen. Dem König stand daher neben der alleinigen Inhaberschaft der Exekutive eine Teilhabe an der Legislative zu. Für den Umfang der Beteiligung der Volksvertretung war daher entscheidend, inwieweit eine Angelegenheit durch Gesetz geregelt werden musste. Nur in diesem Fall war die Zustimmung der Volksvertretung zwingende Voraussetzung, in allen anderen Fällen oblag dem König als Träger der Regierung die alleinige Zuständigkeit. Als Kriterium für die Beteiligung der Legislative wurde der Vorbehalt des Gesetzes herangezogen.
Eine gesetzliche Regelung war immer dann erforderlich, wenn Eingriffe in Eigentum und Freiheit im Raum standen. Der Volksvertretung stand dabei jedoch kein Selbstversammlungsrecht zu, sie konnte auch keine Gesetzesinitiative ergreifen. An diese Stelle trat die Einberufung durch den Monarchen und die Gesetzespetition als Appell an den Monarchen, eine entsprechende gesetzliche Regelung zu erlassen.
Exekutive
Regierung und Verwaltung blieben dem Monarchen vorbehalten. Die Minister standen dem Monarchen nicht als Abgesandte der Volksvertretung gegenüber, sondern waren seine, von ihm ernannten Gehilfen. Die Regierung war damit personell und institutionell von der Volksvertretung unabhängig.
Die Kompetenz des Monarchen war unbeschränkt, insbesondere in der Außenpolitik, der Heeresverfassung und der Organisation der Verwaltung. Es gab zwar einen Gesetzesvorbehalt, der die Macht des Monarchen einschränkte. Allerdings bestimmte der Monarch allein über Verordnungen, die oft wichtiger waren als ein Gesetz, weil sie Details und damit die Anwendung regelten.
Allerdings konnte die Volksvertretung Gesetze ablehnen und damit den Monarchen dazu bewegen, die Wünsche der Volksvertretung zu berücksichtigen. In manchen Ländern führte diese Entwicklung dazu, dass ein Monarch seine Regierung nicht mehr im Amt halten konnte, wenn die Volksvertretung die Regierung ablehnte. Auf diese Weise konnte sich das parlamentarische Prinzip durchsetzen, egal, ob es in der Verfassung förmlich verankert worden ist oder nicht. Aus diesem Grund wird in manchen Ländern, etwa in Großbritannien und den Niederlanden, nicht so scharf zwischen konstitutioneller und parlamentarischer Monarchie unterschieden.
Von Bedeutung war außerdem die Ministerverantwortlichkeit. Wenn auch der Monarch selbst unantastbar war, so achtete die Volksvertretung darauf, ob sich die Minister an Recht und Gesetz hielten. Indirekt konnte so eventuell auch das Handeln des Monarchen kontrolliert werden. Was die Ministerverantwortlichkeit im Einzelnen bedeutete, hing von der jeweiligen Verfassung, aber auch von der Verfassungswirklichkeit ab. Gängig war es, dass die Volksvertretung die Minister herbeizitieren und befragen durfte (Rechenschaftspflicht der Minister). Die württembergische Verfassung kannte auch eine Anklage der Minister vor dem Staatsgerichtshof. Die Verfassungsgeber des 19. Jahrhunderts (auch die liberalen) schreckten meist aber davor zurück, der Volksvertretung formell das Recht zu geben, die Regierung zum Rücktritt zu zwingen.
Oberbefehl über das Heer
Dem Monarchen stand der Oberbefehl über das Heer zu. Auf diesen - und nicht etwa die Verfassung - wurde es normalerweise auch vereidigt. Akte, die aus dem Oberbefehl folgten, galten als gegenzeichnungsfrei, unterlagen also nicht der Zustimmung durch die Volksvertretung.
Siehe auch
Literatur
- Giovanni Bianco: Questioni e teorie sul costituzionalismo, Utet, Torino, 2012, ISBN 9788859809098.
- Dietmar Willoweit: Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. Auflage, 2005, C.H.-Beck-Verlag, München.
Weblinks
- Eintrag in der Stanford Encyclopedia of Philosophy (englisch, inklusive Literaturangaben)
Einzelnachweise
- ↑ Verfassungsurkunde für das Königreich Sachsen, Volltext
- ↑ Neue Landschaftsordnung für das Herzogtum Braunschweig auf verfassungen.de
- ↑ Grundgesetz des Königreiches Hannover auf verfassungen.de
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Konstitutionalismus aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |