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Les Fleurs du Mal

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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unter Les Fleurs du Mal (Begriffsklärung) aufgeführt.
Ausgabe der Fleurs du Mal von 1857, Probeabzug der Titelseite mit Anmerkungen Baudelaires.

Les Fleurs du Mal (traditioneller deutscher Titel: Die Blumen des Bösen)[1] ist ein Gedichtband Charles Baudelaires, der von 1857 bis 1868 in drei Fassungen wachsenden Umfangs und unterschiedlicher Anordnung herausgegeben worden ist. Die Erstausgabe führte zu einem gerichtlichen Verfahren: Baudelaire wurde wegen Verletzung der öffentlichen Moral verurteilt und die weitere Veröffentlichung von sechs als anstößig bezeichneten Gedichten verboten.

Das dichterische Hauptwerk Baudelaires handelt vom Großstadtmenschen und dessen Ennui, einer mit Widerwillen, Unlust und Verdruss verbundenen Entfremdung gegenüber dem Dasein. Es beeinflusste, nach einer Phase versiegender Wahrnehmung, später stark das Schaffen Arthur Rimbauds, Paul Verlaines und Stéphane Mallarmés und gilt in der Literaturgeschichte als Ausgangspunkt der modernen europäischen Lyrik.

Werk

Die äußerst ausgefeilten, oft kurzen Gedichte sind in fünf (1857), beziehungsweise in sechs (1861/68) quasi metaphorisch betitelten Abteilungen (Spleen et Idéal, Tableaux parisiens, Le Vin, Fleurs du Mal, Révolte, La Mort) angeordnet und bilden derart, statt einer einfachen Anthologie, ein durchkomponiertes Ganzes. Die Grundstimmung dieser Stücke ist, wie oft in der vorangegangenen Romantik, Überdruss, Mutlosigkeit, Melancholie – der Weltschmerz. Die Welt, bei Baudelaire ganz im Sinne des aufkommenden Realismus die Großstadt, aber ist anders dargestellt als in der romantischen Literatur: Überwiegend hässlich und morbide, der Mensch erscheint hin- und hergerissen zwischen den christlich-platonisch aufgefassten Tendenzen Idéal und Spleen, zwischen den Mächten des Hellen und Guten und denen des Dunklen und sogar Satanischen. Dem bei Baudelaire ebenfalls zentralen und eng verwandten Begriff des großstädtischen Ennuis gleich, hat Spleen den Charakter einer Sünde der Verdrossenheit, der Faszination am Ekelhaften und Bösen. Im Gegensatz dazu steht als Tugend das Ideal und die Sehnsucht danach.

Entstehung

Die Datierung der einzelnen Gedichte ist umstritten oder unmöglich. Aufgrund der Zeugnisse von Bekannten und Freunden Baudelaires wird angenommen, dass die meisten Texte der ersten Ausgabe zwischen 1840 und 1850 entstanden sind. Fast die Hälfte der Gedichte in der Erstausgabe war schon zuvor veröffentlicht worden, 1851 elf Stücke unter dem Titel Les Limbes (dt. Vorhölle, Zwischenwelt, Schwebezustand) und 1855 weitere 18 Stücke in der Revue des Deux Mondes. Diese Publikation trug bereits den späteren Titel Les Fleurs du Mal, der allerdings von dem Kritiker Hippolyte Babou stammte. Baudelaire hatte ursprünglich neben Les Limbes (den später das 1852 erschienene Werk des Schriftstellers Georges Durand trug) auch den Titel Les Lesbiennes (dt. Die Lesbierinnen) ins Auge gefasst, der bereits in einer nicht realisierten Publikationsankündigung von 1845 erwähnt wurde.

Frontispiz der Sammlung Les Épaves mit den sechs zensierten Gedichten der Erstausgabe. Symbolisiert wird der aus den sieben Todsünden erwachsende Verfall der Menschheit.

Die Erstausgabe gelangte in einer Auflage von rund 1100 Exemplaren am 25. Juni 1857 in den Verkauf. Bereits am 7. Juli 1857 leitete die Staatsanwaltschaft eine Strafverfolgung wegen Gotteslästerung und Beleidigung der öffentlichen Moral ein. Der letzte Vorwurf war im Februar des gleichen Jahres bereits gegen Gustave Flaubert bezüglich seines Romans Madame Bovary erhoben worden. Am 20. August 1857 verurteilte das Gericht Baudelaire gemäß dem zweiten Anklagepunkt zu einer Strafe von 300 Francs. Eine Geldbuße erhielt zudem sein bevorzugter Verleger, Auguste Poulet-Malassis. Sechs inkriminierte Gedichte – Lesbos, Femmes damnées, Le Lèthe, À celle qui est trop gaie, Les Bijoux, Les Métamorphoses du vampire – mussten aus den Fleurs du Mal entfernt und durften nicht weiter veröffentlicht werden. Durch einen Bittbrief an Kaiserin Eugénie erreichte Baudelaire 1858 eine Reduzierung der Strafe auf 50 Francs. Das Urteil wurde 1949 formal aufgehoben.[2]

Das Vorhaben einer zweiten Ausgabe entwickelte Baudelaire ab Ende 1857, da die urteilsbedingte Zensur die Komposition der Erstausgabe schwer beschädigt hatte und er ohnehin mit der Publikation nicht zufrieden gewesen war. Am 9. Februar 1861 erschien die zweite Fassung der Fleurs du Mal in 1500 Exemplaren, ohne die sechs zensierten, aber mit 32 weiteren, seit 1857 an anderer Stelle publizierten Gedichten und unter inhaltlicher Neuordnung. Baudelaire bezeichnete dieses Buch im Gegensatz zu anderen, von ihm im Nachhinein stark kritisierten eigenen Werken als „beinahe wohlgeraten“.

In Brüssel, wo die französische Justiz keinen Zugriff hatte, und wohin Poulet-Malassis vor drohenden Geld- und Haftstrafen geflüchtet war, bemühte sich Baudelaire um eine vollständige Neuausgabe der Fleurs du Mal als édition définitive, scheiterte aber mit diesem Vorhaben. 1866 erschien in einer Liebhaberausgabe die Sammlung Les Épaves (dt. Strandgut) mit den sechs zensierten Gedichten und 17 neuen. Das Frontispiz zeigte ein Bild Félicien Rops’, das wahrscheinlich einen von Félix Bracquemond für die zweite Ausgabe geschaffenen, aber nicht verwendeten Entwurf zum Vorbild hatte. Auch diese Publikation wurde in Frankreich strafrechtlich verfolgt. Nach Baudelaires Tod gab Théodore de Banville auf der Grundlagen von schwer interpretierbaren Notizen des Dichters eine um weitere 25 Gedichte ergänzte Neufassung heraus, darunter elf aus den Épaves und dreizehn anderweitig veröffentlichte. Diese Ausgabe erschien im Dezember 1868 als erster Band der Œuvres complètes. 1869 kam in Brüssel ein Complément aux Fleurs du Mal de Charles Baudelaire heraus, das die weiterhin verbotenen und die nicht aufgenommenen Stücke der Épaves enthielt. Da die postumen Ergänzungen, bzw. Einschübe in Baudelaires originale Anordnung, mittlerweile als wenig gelungen oder gar als missglückt betrachtet werden, gilt für die Literaturkritik spätestens seit der maßgeblichen Neuedition der Œuvres complètes von 1975 die Fassung von 1861 mit einem Anhang der zensierten und späteren Gedichte als Referenz.

Rezeption

Victor Hugo schrieb kurz nach Erscheinen der Erstausgabe, am 30. August 1857, Baudelaire einen begeisterten Brief: « Vos fleurs du mal rayonnent et éblouissent comme des étoiles. Continuez. Je crie bravo de toutes mes forces à votre vigoureux esprit. » (deutsch: „Ihre Blumen des Bösen strahlen und funkeln wie Sterne. Machen Sie weiter so. Ich rufe Ihrem energischen Geist mit aller Kraft ein Bravo zu.“) Es wurden positive Rezensionen geschrieben, etwa von Jules Amédée Barbey d’Aurevilly, doch kam auch Kritik auf wie im Figaro. Neben den strafrechtlich verfolgten Vorwürfen stand Baudelaire unter dem Verdacht sozialistischer Neigungen wegen des unverkennbar zeitkritischen Tonfalls seiner Gedichte und der politischen Positionierung seines Verlegers Poulet-Malassis. Insgesamt war die öffentliche Reaktion verhalten; dem tonangebenden Juste Milieu des Zweiten Kaiserreiches blieben Autor und Werk suspekt, ebenso linken Kreisen, die in den Gedichten jeden politischen Protest vermissten. Im Februar 1866 bezeichnete Baudelaire Les Fleurs du Mal, die nur einem kleinen Leserkreis bekannt waren, als „vergessenes Buch“.

Seine Wirkung entfaltete Les Fleurs du Mal erst in der eine Generation jüngeren symbolistischen und impressionistischen Dichtung Arthur Rimbauds, Paul Verlaines und Stéphane Mallarmés, als diese nach 1880 aus dem Schatten Victor Hugos traten. Die erste deutsche Teilübersetzung stellte Stefan George 1891 in einer faksimilierten Handschrift von 25 Exemplaren her. Die Tragweite der Fleurs du Mal zeigte sich schließlich an der Wende zum 20. Jahrhundert, als ein Paradigmenwechsel in der Lyrik evident wurde: Der Lyriker erscheint von da an typologisch als am Rand der Gesellschaft stehender Poète maudit (dt.: verfemter Dichter), welcher der Vulgarität der Welt leidenschaftliche Verachtung und Widerrede entgegenstellt und deren Erscheinungen (Anonymität der Massengesellschaft, Anti-Natur der Großstadt) thematisiert.

1977 bezog sich der Schriftsteller und Zeichner Robert Gernhardt mit seiner Sammlung von Nonsensgeschichten unter dem Titel Die Blusen des Böhmen scherzhaft auf Les Fleurs du Mal, indem er einen Schüttelreim aus der deutschen Übersetzung des Titels bildete.

Ausgaben und Übersetzungen

  • Claude Pichois (Hg.): Charles Baudelaire: Œuvres complètes Gallimard, Paris 1975. Kommentierte Gesamtausgabe
  • Charles Baudelaire: Les Fleurs du Mal - Die Blumen des Bösen Reclam, Stuttgart 2011. Vollständig revidierte Übersetzung von Monika Fahrenbach-Wachendorf. ISBN 978-3-15-010797-3
    • Vorherige Ausgabe: Les Fleurs du Mal - Die Blumen des Bösen Übersetzung von Monika Fahrenbach-Wachendorff. RUB, Stuttgart 1998 ISBN 3-15-009973-0 [3]
  • Charles Baudelaire: Die Blumen des Bösen. Übersetzung von Friedhelm Kemp, dtv, München 2004 ISBN 3-423-12349-4 [4]

Siehe auch

Literatur

  • Karl Heinz Bohrer: Baudelaires Melancholie als Zeitbewußtsein. In: Karl Heinz Bohrer: Der Abschied. Theorie der Trauer. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-518-40807-0, S. 40–319.
  • Thorsten Greiner: Charles Baudelaire: „Les Fleurs du Mal“. In: Martha Kleinhans, Klaus Stierstorfer (Hrsg.): Lektüren für das 21. Jahrhundert. Schlüsseltexte europäischer Literatur: England, Frankreich, Irland, Italien, Portugal, Russland (Ringvorlesung an der Universität Würzburg 2000). Königshausen & Neumann, Würzburg 2001, ISBN 382601944X, S. 61–78.
  • Harald Weinrich: Baudelaire-Lektüre. In: Harald Weinrich: Literatur für Leser. Essays und Aufsätze zur Literaturwissenschaft. Dtv, München 1986, ISBN 3-423-04451-9, S. 101–131.

Weblinks

 Wikisource: Die Blumen des Bösen – Quellen und Volltexte

in der Übersetzung von Stefan George

Einzelnachweise

  1. In der zweisprachigen Reclam-Ausgabe (1980), die Monika Fahrenbach-Wachendorff übersetzt hat, führt ein von Kurt Kloocke verfasstes Nachwort zur Frage des Titels folgendes aus: "Fleurs, das im Französischen sowohl Blumen als auch Blüten bedeutet, [wäre] sehr wohl auch für den Titel des Werkes selbst in Erwägung zu ziehen. Die Übersetzerin [Monika Fahrenbach-Wachendorff] hätte dem Titel Die Blüten des Bösen gerne den Vorzug gegeben, zumal dadurch die Beziehung von fleur und Mal noch verdeutlicht würde: durch die Kunst wird das Böse in Schönheit verwandelt, es blüht gleichsam aus dem Bösen hervor; mit Mal wiederum ist nicht nur das moralisch Böse gemeint, sondern das Elend, das Verderben und Leiden an der Endlichkeit. Wenn das Werk [bei Reclam] dennoch unter dem Titel Die Blumen des Bösen erscheint, so vor allem aufgrund einer nun schon fest etablierten Übersetzertradition, die zu durchbrechen nicht unproblematisch wäre" (Nachwort: S. 391).
  2. Walther Skaupy: Moral, Unmoral und Religionsdelikte in den Prozessen gegen die Dichter Gustave Flaubert und Charles Baudelaire. In: Grosse Prozesse der Weltgeschichte. Emil Vollmer Verlag, ISBN 978-3-88400-101-1, S. 99–136.
  3. Zweisprachig, mit Anmerkungen
  4. Zweisprachig, mit Anmerkungen. Im Internet-Handel online les- und durchsuchbar
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