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Lesesteinhaufen
Lesesteinhaufen (schwedisch Röjningsröse) wurden vom Menschen aus Steinen aufgeschichtet, die bei der Bestellung der landwirtschaftlichen Nutzflächen störten und besonders durch das Pflügen an die Oberfläche „wandern“ und daher von den Bauern per Hand abgesammelt (gelesen) und zu Haufen aufgeschichtet wurden (Lesesteine).
Diese Ablagerungen wurden bisweilen über Generationen hinweg platzsparend an den Rändern der Äcker, Wiesen und Wälder gebildet und zugleich als Abgrenzung der Flächen genutzt. Linienhaft aufgestapelt ergeben sich Lesesteinriegel.
Nach dem Abschmelzen der Gletscher aus den bekannten Eiszeiten, wie zum Beispiel Elster-Saale- und Weichseleiszeit, ließ das Geschiebe in großen Mengen Steine unterschiedlichster Größenordnung (Findlinge mit mehr als einem Kubikmeter) zurück. In manchen Regionen wird von „Steinrücken“ oder Steinriegeln gesprochen, die zum Teil bewachsen sein können. Die „Pocheln“ in der Umgegend von Bad Dürkheim bestehen aus Kalksteinen des Tertiärs.
In Regionen, die nicht von Gletschern der Eiszeiten bedeckt waren, sind die Lesesteine Verwitterungsprodukte des anstehenden Gesteins.
Lebensraum
Der Lesesteinhaufen findet sich häufig auf Endmoränen, beispielsweise in der Geest. Steinhaufen sind extrem trockene und warme Lebensräume. Sie bieten ähnliche Standortfaktoren wie Trockenmauern: Intensive Sonneneinstrahlung und geringes Wasserhaltevermögen, so dass sie von wärme- und trockenheitsliebenden Pflanzen besiedelt werden. Da die Steine die Sonnenwärme speichern und nachts abgeben, sind sie nachts warm und Ruhe- und Jagdplatz vieler Insekten und Kriechtiere. Steinrücken, die im Zuge der Sukzession mehr oder weniger bewachsen sind, sind mit den feuchteren Knick- oder Wallhecken im Norden Deutschlands und sonnenexponierten (natürlichen und teilweise anthropogenen) Schutthalde oder Schotterflächen der Mittelgebirge oder der Alpen verwandt. Die Kleinstrukturen bieten in ihren geschützten Hohlräumen und Nischen vielen Pflanzen Schutz und kleineren Tieren Unterschlupf.
Tierwelt
Als typische Fauna sind anzutreffen:
- Vollständiger oder bevorzugter Lebensraum:
- Wolfspinnenarten
- Raubspinnen
- Springspinnen
- Winkelspinnen (Tegenaria): T. picta, T. campestris, T. silvestris.
- In Gebieten mit lehmigen und tonigen Böden (Börde- und Marschgebiete) sind Erdhummeln, Ackerhummeln mörtelbewohnende Wildbienen (z. B. Mauerbiene) möglich (Brutplatz)
- Als komplementäres Habitat (Aufsuchen als Gast), thermophile und heliophile Arten in sandigen Gebieten sowie deren Feinde
- Zauneidechse, die benachbarte, sandige Gebiete zur Eiablage nutzt, und andere wechselwarme Reptilien, wie die Waldeidechse, Kreuzotter, Blindschleiche und Amphibien, die hier in der Sonne rasten und Schutz vor Feinden in den Zwischenräumen der Steine finden. Das gilt insbesondere, wenn Biotope der Gewässer und Wälder in der Nähe sind
- Mauswiesel
- Erdhummeln, Ackerhummeln, mörtelbewohnende Wildbienen (z. B. Mauerbiene)
- sowie weitere Grabwespen (vornehmlich Sandwespe), Solitärbienen, Holzwespe als Gäste benachbarter Hecken oder Totholzhaufen (siehe: Hummeln)
- Die relative Sicherheit der Steinhaufen nutzen auch Ameisen
- Eine schwer zu überschauende Anzahl von Käfern bewohnen Lesesteinhaufen, -riegel und Steinrücken, oder sind in deren Nachbarschaft mit deren Bewohnern vergesellschaftet, z. B. Puppenräuber der Grabwespe.
- Sandlaufkäfer (Cicindelidae)
- Laufkäfer (Carabidae)
- Hügel-Laufkäfer (C.arcrensis, C. arvensis)
- Kurzgewölbter Laufkäfer (C. convexus)
- Körniger Laufkäfer (C. granulatus)
- Körnerwarze (C. cancellatus)
Pflanzenwelt
Als typische Flora sind anzutreffen:
- Strauchschicht (Gehölze) der Steinrücken:
- Krautschicht der Steinrücken und Lesesteinhaufen
Gefährdung und Schutz
Als wertvolles Biotop werden Lesesteinhaufen heute zunehmend geschützt, beispielsweise in Brandenburg, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern. Im Biotopverbund mit einer Hecke wird ein räumlicher Kontakt zu weiteren Arten hergestellt und die wertvolle ökologische Wirkung noch verstärkt. Um eine Überwucherung zu verhindern, sollten sie nicht höher als einen Meter aufgeschichtet und mit kleineren Steinen abgeschlossen werden. Das Zerstören oder erhebliche bzw. nachhaltige Beeinträchtigen eines Lesesteinhaufens wird mit Geldbußen bis 10.000,- Euro (Bbg) bzw. bis 100.000,- Euro (MV) geahndet. (§ 73 Abs. 1 Nr. 9, 74 NatSchG BBg, § 43 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 NatSchAG M-V)
Nach der „Roten Liste Biotoptypen“ Baden-Württembergs sind Lesesteinhaufen „gefährdete Biotope“ nach Gefährdungsrungskategorie 3 und werden naturschutzfachlich als Biotoptyp „von geringer bis mittlerer Bedeutung“ bewertet.[1]
Kulturdenkmal
Lesesteinhaufen und Steinriegel sind häufig wichtige historische Quellen zur früheren Besiedlung einer Landschaft. Oft sind alte Feldfluren einer Wüstung unter Wald erhalten. Lesesteinhaufen sind dabei oft über Jahrhunderte gewachsen und zeigen altes Wirtschaftsland an. Sie sind auf Flächen entstanden, die überwiegend mit der Hacke bearbeitet wurden; sie können aber auch alte Weideflächen anzeigen, auf denen man zur Förderung des Graswuchses die Steine auf Haufen zusammen geworfen hat.
Siehe auch
Literatur
- Hermann Benjes: Die Vernetzung von Lebensräumen mit Benjeshecken. 5., überarbeitete Auflage. Natur & Umwelt-Verlag, Bonn 1998, ISBN 3-924749-15-9.
- Grüne Liga Osterzgebirge: Naturführer Ost-Erzgebirge. Band 2: Natur des Ost-Erzgebirges im Überblick. Sandstein Verlag, Dresden 2007, ISBN 978-3-940319-17-3 (Digitalisat Kapitel „Steinrücken – die besonderen Biotope“. (pdf; 758 KB)).
- Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landesentwicklung – Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie (Hrsg.): Besonders geschützte Biotope in Sachsen (= Materialien zu Naturschutz und Landschaftspflege. 2, ZDB-ID 1325314-1). 2. Auflage, unveränderter Nachdruck. Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landesentwicklung – Radebeul u. a., Dresden 1995.
- Uwe Wegener (Hrsg): Naturschutz in der Kulturlandschaft. Schutz und Pflege von Lebensräumen. G. Fischer, Jena u. a. 1998, ISBN 3-437-35250-4.
- Jiří Zahradník: Käfer Mittel- und Nordwesteuropas. Ein Bestimmungsbuch für Biologen und Naturfreunde. Paul Parey, Hamburg u. a. 1985, ISBN 3-490-27118-1.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ lubw.baden-wuerttemberg.de: Rote Liste der Biotoptypen Baden-Württemberg – Liste (PdF, Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg, 2002. S. 5, 23.00 Morphologische Sonderformen anthropogenen Ursprungs, 23.30)
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