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Lina Heydrich

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Lina und Reinhard Heydrich besuchen ein Konzert im Prager Waldsteinpalast anlässlich der Prager-Musikwoche (Mai 1942)

Lina Heydrich, geborene Lina Mathilde von Osten, in 2. Ehe verheiratete Lina Manninen (* 14. Juni 1911 auf Fehmarn; † 14. August 1985 ebenda) war die Ehefrau des späteren Obergruppenführers, Leiters des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) und Stellvertretenden Reichsprotektors in Böhmen und Mähren, Reinhard Heydrich.

Leben

Herkunft

Lina von Osten war die Tochter eines verarmten deutschen Aristokraten dänischer Herkunft, der als Dorfschullehrer in Lütjenbrode arbeitete. Sie trat mit 19 Jahren in die NSDAP (Mitgliedsnr. 1.201.380) ein. Sie war bereits in jungen Jahren eine „überzeugte Nationalsozialistin und glühende Antisemitin“.[1] Ihre Familie war gleichfalls stark rechts orientiert, ihr Bruder Hans wurde 1928 Mitglied der SA.

Lina von Osten schloss in Oldenburg die Schule 1927 mit der Mittleren Reife ab und begann 1928 in Kiel in einer Berufsschule für Mädchen eine Ausbildung zur Gewerbelehrerin.[2]

Zusammentreffen mit Reinhard Heydrich

Lina lernte Reinhard Heydrich im Dezember 1930 kennen. Bereits nach zwei Wochen waren Heydrich und von Osten verlobt, nachdem Heydrich bei ihrem Vater um sie angehalten hatte.[3]

Unter ihrem Einfluss - und dem ihrer zutiefst nationalistischen Familie - näherte sich der parteipolitisch anfangs indifferente Heydrich dem Nationalsozialismus an, dazu hatte Lina Heydrich ihren zukünftigen Mann gedrängt, ein eigentlich bereits abgesagtes Vorstellungsgespräch bei Heinrich Himmler in München dennoch wahrzunehmen, womit eine steile Karriere ihren Anfang nahm.[4] Am 26. Dezember 1931 – ihr Mann war zu diesem Zeitpunkt dann bereits Nationalsozialist und für Himmler tätig – fand in Großenbrode die Hochzeit nach evangelischem Ritus und unter Absingen des Horst-Wessel-Liedes statt.[5] Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor; zwei Söhne (Klaus, * 17. Juni 1933, starb am 24. Oktober 1943 bei einem Verkehrsunfall, Heider, * 23. Dezember 1934)[6] und zwei Töchter (die ausgebildete Opernsängerin Silke,[7] * 9. April 1939, Marte, * 23. Juli 1942).

Leben an der Seite Reinhard Heydrichs im Dritten Reich

Die Machtergreifung durch die NSDAP und Karrieresprünge ihres Mannes begleitete sie mit Freude und politischer Anteilnahme. Nach der Übernahme der politischen Polizei in Bayern beschrieb sie in einem Brief ihren Eltern triumphierend die Entmachtung der bayerischen Regierung und die laufenden Verhaftungswellen

„Abends hatte die SA und SS ihr besonderes Vergnügen. Sie hatten die Aufgabe, alle politischen Gegner, soweit sie bekannt waren, zu verhaften und ins braune Haus zu bringen. Das war was für die Jungs. Endlich einmal Rache nehmen dürfen für all das Unrecht, was man ihnen zufügte, für all die Schläge und Verwundungen, und Rache zu nehmen dürfen für ihre gefallenen Kameraden. Über 200 sitzen jetzt, KPD, SPD, Juden und Bayerische Volkspartei... In Socken und Nachthemd steht der Herr Innenminister in der Halle, umgeben von einer Menge SA und SS, die vor lachen nicht wissen wohin. Dann kommen sie und treten dem weinenden Innenminister mit ihren schweren Stiefeln auf die große Zehe, daß er zwischen ihnen hopst von einem Bein aufs andere. Ihr könnt Euch das Bild wohl vorstellen. Als nächster wird der Jude Lewy eingeführt. Mit dem machen sie kurzen Prozeß. Sie hauen ihn mit Hundepeitschen durch, ziehen ihm Schuh und Strümpfe aus und so muß er barfuß in Begleitung von SS seiner häuslichen Behausung zuwandern...“[8]

Mit Margarethe Himmler, der Frau von Heinrich Himmler, verstand sie sich nicht.[9] Sie warf ihr unter anderem Geiz vor, der sich in einer zu einfachen Haushaltsführung ausdrückte. Lina Heydrich selbst genoss den gehobenen Lebensstil, den die aufsteigenden Positionen ihres Mannes ihnen beiden einbrachten.[10] Dennoch war ihre Ehe nicht frei von Problemen. Nicht nur Reinhard Heydrich, auch sie selbst soll einige Affären gehabt haben.[11]

Nach der Ernennung ihres Mannes zum stellvertretenden Reichsprotektor von Böhmen und Mähren übersiedelte die Familie zu Lina Heydrichs Genugtuung auf das luxuriöse und idyllische Anwesen Schloss Jungfern Breschan, das bereits nach Einmarsch der Deutschen seinem jüdischen Eigentümer Ferdinand Bloch-Bauer weggenommen worden war und nun nach ihren Wünschen umgestaltet wurde.[12]

Nach dem Tode ihres Mannes

Nach dem Attentat und dem darauf folgenden Tod von Reinhard Heydrich am 4. Juni 1942 lebte Lina Heydrich mit ihren Kindern bis 1945 weiterhin auf Schloss Jungfern Breschan bei Prag, das sie erst kurz vor der anrückenden Sowjetarmee Richtung Bayern auf persönlichen Ratschlag Heinrich Himmlers verließ.[13] Ihr zur Verfügung gestellte jüdische Zwangsarbeiter behandelte sie schlecht. Nach späteren Zeugenaussagen habe sie die Arbeiter mit einem Fernglas beobachtet und diejenigen, die ihr zu langsam arbeiteten, von SS-Wachen peitschen lassen. „Jüdische Zwangsarbeiter, deren Verhalten ihr nicht gebührend respektvoll erschien, bespuckte oder schlug sie.“[14] Die jüdischen Zwangsarbeiter wurden 1944 gegen Nichtjuden ausgetauscht und in Vernichtungslager deportiert.

In den Folgejahren lebte sie in ihrer Herkunftsregion in Burg auf Fehmarn.[15] Ein Auslieferungsersuchen der tschechoslowakischen Regierung wurde 1947 von der britischen Militärverwaltung abgelehnt.[16]

1954 gewährte ihr der Bund auf eine Petition ihrerseits hin eine Ausbildungsbeihilfe und Lehrstelle für ihren Sohn.[17] Nachdem ihr die Bundesrepublik Deutschland anfangs eine Witwenrente verweigert hatte, prozessierte sie von 1956 bis 1959 erfolgreich. Sie erhielt danach rückwirkend von 1950 bis zu ihrem Tod 1985 die Rente der Witwe eines Polizeigenerals, „der im Felde gefallen war“.[18] Heydrichs Witwe betrieb nun auf der Ostseeinsel Fehmarn die Pension Imbria Parva, die häufig „ehemalige SS-Kameraden ihres Mannes zu Wiedersehensfeiern“ beherbergte, die dort Erinnerungen an „bessere Zeiten“ austauschten.[19] Von 1965 bis 1969 war sie mit dem finnischen Maler und Theaterdirektor Mauno Manninen verheiratet.[20][21][22] Im Februar 1969 brannte das Hotel Imbria Parva bei Schweißarbeiten unterm Reetdach ab.[23]

Die Verantwortung ihres 1. Ehemannes Heydrich für die zahllosen Opfer des Nationalsozialismus verharmloste sie, unter anderem in ihren apologetischen Memoiren, die unter dem ironischen Titel Leben mit einem Kriegsverbrecher erschienen. In ihnen beschrieb sie ihren Mann als einen aufrechten Ehrenmann, der in einer ihm vorgesetzten Situation und Zwangslage nicht anders hätte handeln können, als er es tat. „Die durch den deutschen Steuerzahler gut versorgte Lina Heydrich sollte niemals ein Wort des Bedauerns über die Taten ihres Mannes äußern“, sondern „starb im August 1985, voller Verachtung für eine Gesellschaft, die es ablehnte, die Opfer zu würdigen, die ihre Familie während des Krieges gebracht hatte.“[24]

Literatur

Wissenschaftliche Literatur:

  • Uwe Danker: NS-Opfer und Täter. Versorgung mit zweierlei Maß - Lina Heydrich und Dr. Norbert L. mit Rentenangelegenheiten vor Gericht. In: Jahrbuch Demokratische Geschichte, Band 10, 1996, online unter [1]
  • Mario R. Dederichs: Heydrich. Das Gesicht des Bösen. Piper, München 2005, ISBN 3-492-04543-X.
  • Robert Gerwarth: Reinhard Heydrich. Biographie. Siedler, München 2011, ISBN 978-3-88680-894-6.
  • Anna Maria Sigmund: Die Frauen der Nazis II. Ueberreuter/Heyne, Wien/München 2000, ISBN 3-8000-3777-7. Rezensionsnotiz von Sabine Fröhlich in der NZZ vom 15. März 2001, wiedergegeben im Online-Kulturmagazin Perlentaucher.[25]

Autobiographische Darstellung:

  • Lina Heydrich; mit Kommentaren von Werner Maser: Leben mit einem Kriegsverbrecher. Ludwig, Pfaffenhofen 1976, ISBN 3-7787-1025-7; Neuauflage herausgegeben von Heider Heydrich unter dem Titel: Mein Leben mit Reinhard. Die persönliche Biographie. Druffel & Vowinckel, Gilching 2012, ISBN 978-3-8061-1228-3.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Abstoßend ist vor allem seine antrainierte Kälte. Interview mit Robert Gerwarth. In: einestages vom 21. September 2011; es handelt sich um die Schrift Lina Heydrich: Leben mit einem Kriegsverbrecher. Mit Kommentaren von Werner Maser, Verlag W. Ludwig, Pfaffenhofen 1976, ISBN 3-7787-1025-7.
  2. Robert Gerwarth: Reinhard Heydrich. Biographie. Siedler, München 2011, S. 60.
  3. Robert Gerwarth, Reinhard Heydrich. Biographie. Siedler, München 2011, S. 61.
  4. Robert Gerwarth: Reinhard Heydrich. Biographie. Siedler, München 2011, S. 62 ff.
  5. Robert Gerwarth: Reinhard Heydrich. Biographie. Siedler, München 2011, S. 79.
  6. Heydrich-Sohn will Ex-Familiensitz renovieren.
  7. Silke Heydrich, Der Spiegel, 27. Juni 1962
  8. Brief Lina Heydrichs, zitiert nach Robert Gerwarth: Reinhard Heydrich. Biographie. Siedler, München 2011, S. 90.
  9. Robert Gerwarth: Reinhard Heydrich. Biographie. Siedler, München 2011, S. 63.
  10. Robert Gerwarth: Reinhard Heydrich. Biographie. Siedler, München 2011, S. 137 ff.
  11. Robert Gerwarth. Reinhard Heydrich. Biographie. Siedler, München 2011, S. 142.
  12. Robert Gerwarth: Reinhard Heydrich. Biographie. Siedler, München 2011, S. 288.
  13. Robert Gerwarth: Reinhard Heydrich. Biographie. Siedler, München 2011, S. 350.
  14. Robert Gerwarth: Reinhard Heydrich. Biographie. Siedler, München 2011, S. 349.
  15. Epilog: Verdrängung, Vertuschung und Vergebung, stern.de, 2011
  16. Robert Gerwarth: Reinhard Heydrich. Biographie. Siedler, München 2011, S. 350.
  17. Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages betreffend Petitionen vom 3. Juli 1954
  18. Robert Gerwarth: Reinhard Heydrich. Biographie. Siedler, München 2011, S. 350. unter Verweis auf das IfZ und Uwe Danker.
  19. Robert Gerwarth: Reinhard Heydrich. Biographie. Siedler, München 2011, S. 350.
  20. Wie Heydrich und Himmler am Südstrand feierten, fehmarn24.de, 23. Februar 2010
  21. LINA MANNINEN, Der Spiegel, 11. Juli 1966
  22. Heydrich: The Face of Evil. S. 174; Online
  23. Verdrängung, Vertuschung und Vergebung, stern.de vom 6. November 2002, abgerufen am 18. September 2015
  24. Robert Gerwarth: Reinhard Heydrich. Biographie. Siedler, München 2011, S. 351.
  25. Anna Maria Sigmund: Die Frauen der Nazis. Band 2
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