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Livland
Livland, veraltet Liefland,[1] auch Eifland, lat. Livonia, pol. Liwonia, liv. Līvõmō, lett. Livonija, russ. Ливония (Liwonija), est. Liivimaa, ist die Bezeichnung für eine historische Landschaft im Baltikum. Der Name leitet sich vom finno-ugrischen Volksstamm der Liven ab.
Livland im weiteren Sinne umfasst vollständig die Gebiete der heutigen Staaten Estland und Lettland im damaligen Meistertum Livland des Deutschordensstaates; Livland im engeren Sinne bezeichnet nur die Landschaft nördlich von Riga bis zum Peipussee, was territorial der lettischen Region Vidzeme mit der Südhälfte Estlands entspricht. Heutzutage wird oft auch nur Vidzeme mit Livland gleichgesetzt, was einer nochmaligen Bedeutungsverengung entspricht.
Geschichte
Vorgeschichte
Erste Ansiedlungen auf dem Gebiet der heutigen baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland gehen vermutlich auf die Zeit des ersten vorchristlichen Jahrhunderts zurück. Neben den baltischen Stämmen der Kuren, Semgallen, Selonen, Lettgallen und weiterer fanden sich an deren Stammesgebiete grenzend auch die finno-ugrischen Liven. Ihr Siedlungsgebiet umfasste um 1200 u. Z. die Dünamündung um das heutige Riga und erstreckte sich entlang der Ostseeküste in nördlicher und westlicher Richtung. Das besiedelte Gebiet reichte bis in den Süden des heutigen Estlands. Die Zahl der Angehörigen livischer Stämme wird für diese Zeit auf 20.000 geschätzt.[2]
Mittelalter und Frühe Neuzeit
Deutsche Herrschaft
Im Spätmittelalter wurde mit Livland (damals auch Eifland) das gesamte Territorium des Schwertbrüderordens bezeichnet, also das heutige Lettland und Estland (zunächst ohne den dänischen Teil im Norden Estlands). Das Gebiet wurde im 13. Jahrhundert vom Schwertbrüderorden unter Führung des aus Bremen stammenden Bischofs von Riga Albert I. von Buxhöveden unterworfen (und insofern als territoriales Gebilde erst geschaffen); der Schwertbrüderorden ging 1237 als Livländischer Orden im Deutschen Orden auf. Anders als in Preußen konnte sich der Deutsche Orden in Livland – auch nach der Schlacht bei Tannenberg (1410) – als der führende Landesherr Livlands durchsetzen. Diese Leistung verdankte der Orden den Landmeistern Johann Freytag von Loringhoven (1483–1494) und Wolter von Plettenberg (1494–1535). Unter Plettenberg, der als Deutschmeister selbst katholisch blieb, setzte sich in Livland ab 1524 die Reformation durch, ohne dass es zu Gewalt zwischen Katholiken und Protestanten kam. Nach dem Untergang Altlivlands 1561 zeigte sich, dass der Protestantismus zum entscheidenden Bindeglied zwischen Deutschen, Esten und Letten Altlivlands geworden war. Protestantische Pastoren trugen Außerordentliches dazu bei, dass es zu einer zunehmenden Annäherung zwischen ihren Völkern kam, auch kulturell. In den verschiedenen staatlichen Konstruktionen – und selbst in der Zeit der lettischen und estnischen Emanzipation – konnte dieser Zusammenhalt bisher niemals nachhaltig zerstört werden.
Polnische, dänische und schwedische Herrschaft
Auf dem Augsburger Reichstag von 1530 wurde Livland – ohne praktische Konsequenzen – zum Bestandteil des Heiligen Römischen Reiches erklärt. 1558 begann mit dem Einmarsch russischer Truppen der Livländische Krieg; einige Landesteile blieben bis 1582 besetzt. Um sich gegen die russische Bedrohung abzusichern, unterstellten sich Kurland und Livland, vertreten durch ihre Ritterschaften, 1561 polnischer Oberhoheit: Aus Kurland wurde – unter polnischer Lehnshoheit – das weltliche Herzogtum Kurland und Semgallen unter dem letzten Landmeister des Deutschen Ordens in Livland, Gotthard Kettler, während das eigentliche Livland direkt zu Litauen kam und im späteren Staat Polen-Litauen eine Art Kondominium der beiden Staatsteile bildete. Estland und die Insel Ösel (Saaremaa) unterstellten sich aus demselben Grunde und ebenfalls vertreten durch ihre Ritterschaften dänischer bzw. schwedischer Oberhoheit. Durch diese Aufteilung auf unterschiedliche Herrschaftsgebiete verengte sich die Bedeutung des Namens Livland auf die Gebiete nördlich der Düna und südwestlich des Peipussees.
1629 kam der größte Teil Livlands durch Eroberungen Gustav II. Adolfs zu Schweden; nur die Gegend um Dünaburg (Daugavpils) blieb – ebenso wie Kurland – polnisch und wurde „Polnisch Livland“ genannt.
Russische Ostseeprovinz 1721–1919
Im Jahre 1721 fiel die Gegend durch Eroberungen Peters des Großen an Russland und bildete mit dem damaligen Estland (dem heutigen Nordteil der Republik Estland) und Kurland (seit 1795) eines der drei Ostseegouvernements, die vom deutsch-baltischen Adel jeweils autonom verwaltet wurden. Das von 1721 bis 1919 bestehende kaiserlich russische Gouvernement Livland mit der Hauptstadt Riga (die vorher unter wechselnden Oberherrschaften eine gewisse Autonomie genossen hatte) und der Universitätsstadt Dorpat (Tartu) umfasste in etwa das heutige Südestland (mit Dorpat) und das nordöstliche Lettland bis zur Düna. Der lettische Teil dieses waldreichen Gebiets ist (unter dem einheimischen Namen Vidzeme) eine der vier historischen Landschaften dieses Landes. Sie nimmt die Gegend um Valmiera (Wolmar), Sigulda (Segewold) und Cēsis (Wenden) sowie um den Fluss Gauja (Livländische Aa) ein.
Der bei Polen verbliebene Teil Livlands kam erst 1772 im Zuge der Ersten Polnischen Teilung zum Russischen Reich und wurde Teil des Gouvernements Witebsk. Dieses Gebiet kam 1919 an Lettland, wo es mit dem Landschaftsnamen Lettgallen (lett. Latgale) bezeichnet wurde.
Großgrundbesitz und Stadtbürgertum Livlands (und damit auch die Geistlichkeit und das Erziehungswesen) waren weitgehend deutschsprachig dominiert.
Nach dem Ersten Weltkrieg
Da Livland keine ethnisch einheitliche Bevölkerung hatte, sondern vielmehr von Esten und Letten bewohnt wurde, wurde es 1918 in Estland und Lettland aufgeteilt. Die zu Estland gekommene Region hat dort keinen eigenen Namen, während die zu Lettland gekommene Region Vidzeme genannt wird – daraus ergibt sich die weitere Bedeutungsverengung in neuerer Zeit, in der sehr oft Livland und Vidzeme gleichgesetzt werden.
Mittelalterliche Städte in Livland
Um 1561 existierten folgende Städte (Jahr des Stadtrechts):
Freie Stadt Riga
- Riga, lettisch: Rīga, (1201) – erste und größte Stadt Livlands, Freie Hansestadt und Sitz des Erzbischofs und Landmeisters.
Ordensgebiet
- Wenden Cēsis (1224) – Sitz des Landmeisters.
- Reval Tallinn (1248) – eine der drei größten Städte Livlands.
- Pernau Pärnu (1265)
- Fellin Viljandi (1283)
- Weißenstein Paide (1291)
- Wesenberg Rakvere (1302)
- Wolmar Valmiera (1323)
- Narva Narva (1345)
- Goldingen Kuldīga (1347)
- Mitau Jelgava (1376)
- Windau Ventspils (1378)
Erzbistum von Riga
Fürstbistum von Dorpat
- Dorpat Tartu (1230) – Hauptsitz der Furstbischof von Dorpat, eine der drei größten Städte Livlands.
Fürstbistum von Oesel-Wiek
- Hapsal Haapsalu (1279)
Fürstbistum von Kurland
Moderne Städte
Im heute lettischen Teil
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Im heute estnischen Teil
Siehe auch
- Livische Sprache
- Hanse
- Herzogtum Baltikum
- Liste der Landmeister in Livland
- Liste der Landmarschälle von Livland
Literatur
- Sonja Birli: Livland, Liven. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 18, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2001, ISBN 3-11-016950-9, S. 533–535.
- Friedrich Konrad Gadebusch: Abhandlung von Livländischen Geschichtsschreibern. Hartknoch, Riga 1773, 282 Seiten, books.google.de
- Johann Bernhard von Fischer: Versuch einer Naturgeschichte von Livland, Friedrich Nicolovius, 2. Auflage, Königsberg 1791 (Anhang enthält u. a. unaufgeklapptes Faltbild der Stadt Narva), books.google.de
- Johann Karl Bähr: Die Gräber der Liven. Rudolf Kuntze, Dresden 1850, books.google.de
- Kurd von Schlözer: Livland und die Anfänge deutschen Lebens im baltischen Norden. Wilhelm Hertz, Berlin 1850, books.google.de
Weblinks
- Fakten zu Lettland
- Fakten zu Livland
- Die Livländiche Ritterschaft auf der Internetseite des Verbandes der Baltischen Ritterschaften e.V.
- Uldis Balodis: Livonian History (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Charles Knight: Penny Cyclopaedia of the Society for the Diffusion of Useful Knowledge. London 1839, Google books
- ↑ Ralph Tuchtenhagen: Geschichte der baltischen Länder. Beck, München 2005.
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