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Massaker von Abtnaundorf

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Am Lagerzaun des Buchenwalder Außenlagers Leipzig-Thekla liegender toter Häftling mit Brille. Aufnahme vom April 1945. Margaret Bourke-White schrieb in ihrem Buch „Dear Fatherland Rest Quietly“ 1946 zu diesem Foto: „Ein paar waren der Freiheit so nahe gekommen, daß mir das Herz blutete, als ich sie sah. Ein polnischer Professor, von dem man uns sagte, er sei Flugzeugingenieur gewesen, hatte sich halb durch den äußeren Zaun gezwängt. Der geschrumpfte untere Teil seines Körpers lag zu Asche verbrannt innerhalb der Einzäunung, daneben seine verkohlte Krücke, aber der schöne, kahlgeschorene Kopf eines Intellektuellen lag draußen, er war nicht einmal verunstaltet, sogar die Brille saß noch. Sie müssen ihn sehr geliebt haben, die Überlebenden vergossen viele Tränen um ihn.“[1]
Zwei Soldaten der US-Armee machen sich nach der Ankunft in Abtnaundorf im Außenlager Leipzig-Thekla Notizen. Vor ihnen liegt ein Opfer des Massakers. Aufnahme vom April 1945.

Das Massaker von Abtnaundorf war ein Endphaseverbrechen, bei dem am 18. April 1945 in Abtnaundorf mindestens 80 KZ-Häftlinge des KZ-Außenlagers Leipzig-Thekla bei lebendigem Leib verbrannten oder erschossen wurden.

Verlauf des Massakers

Etwa 300 kranke Häftlinge befanden sich nach der am 13. April 1945 durchgeführten Räumung des KZ-Außenlagers Leipzig-Thekla noch im Standort Theklaer Straße/Heiterblickstraße. Viele von ihnen stammten aus dem Evakuierungstransport des Außenlagers Gassen des KZ Groß Rosen. Die zurückgelassenen marschunfähigen Häftlinge mussten am Mittag des 18. April 1945 auf Weisung von SS-Männern die Fensteröffnungen der KZ-Baracke abdunkeln und zunageln. Diese Holzbaracke wurde mit Brandbeschleuniger übergossen und durch etwa zwölf SS-Angehörige und Volkssturmmänner u.a. mit Panzerfäusten sowie MGs beschossen. Die Baracke begann abzubrennen und gehunfähige kranke Häftlinge verbrannten auf ihren Strohsäcken. Aufgrund der starken Rauchentwicklung konnten viele Häftlinge aus dem Lager entweichen und flüchteten sich in ein nahe gelegenes Arbeiterlager, wo polnische Zivilisten sie versteckten. Etliche Häftlinge wurden aber bei dem Fluchtversuch erschossen und/oder starben als lebende Fackeln bei dem Versuch den Stacheldraht zu überwinden. Mindestens 80 Häftlinge verbrannten bei lebendigem Leib oder starben an Schussverletzungen und Verbrennungen. Weitere Häftlinge erlagen später ihren schweren Verletzungen.[2][3]

Unter den Häftlingen brach Panik aus. Einige waren wie von Sinnen und sprangen ins Feuer. Andere versuchten durch die Tür und durch die Fenster zu entkommen. Die SS-Leute schossen auf alle Häftlinge, die aus der Baracke flüchteten. Aus Angst vor dem Feuer habe ich mir ein Fenster ausgesucht, das direkt zum Zaun führte, der das Lager umgab. Weil ich zu schwach und zu krank war, kam ich nicht aus dem Fenster heraus, obwohl das Fensterbrett nicht allzu hoch war. Ich hing mit dem Kopf nach draußen. Meine Hände berührten bereits den Boden. Aber meine Beine waren noch im Innern der Baracke. Ich fühlte, wie meine Holzschuhe und die Hosenbeine brannten. Plötzlich packte mich jemand am Kragen und zog mich aus der Baracke. Ich kam zu mir, als ich bereits hinter dem Zaun des Lagers war, und stellte fest, dass mich mein Kamerad Tadeusz Maciejewskiaus der Baracke und aus dem Lager herausgezerrt hatte.

Der Überlebende des Massakers von Abtnaundorf Eugeniusz Wroniecki[4]

Befreiung und Nachkriegszeit

Deutsche Zivilisten werden nach der Befreiung Leipzigs mit dem Verbrechen im Außenlager Leipzig-Thekla konfrontiert

Nach der Besetzung von Leipzig durch Truppen der US-Armee wurde der Ort des Verbrechens durch Angehörige des U.S. Army Signal Corps gefilmt. Ausschnitte aus dieser Dokumentation bildeten die erste Sequenz des Dokumentarfilms Nazi Concentration Camps, der während des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher gezeigt wurde.[3] Die Opfer des Massakers wurden am 27. April 1945 auf dem Südfriedhof in Leipzig im Rahmen einer Trauerfeier beigesetzt.[2]

Die US-Armee ermittelte zum Massaker von Abtnaundorf und schaltete auch die Leipziger Kriminalpolizei mit ein. Der Personalchef der Erla-Maschinenwerke Leipzig, SA-Führer Walter Wendt, sowie zwei am Massaker beteiligte SS-Männer wurden durch Angehörige der US-Armee verhaftet. Wendt wurde im Buchenwald-Hauptprozess zu 15 Jahren Haft verurteilt, die Haftstrafe wurde jedoch später auf fünf Jahre reduziert. Über weitere Verurteilungen im Zusammenhang mit dem Massaker von Abtnaundorf ist nichts bekannt.[3].

Am Ort des Verbrechens erinnert seit 1958 ein Obelisk an die Opfer des Massakers von Abtnaundorf.[2] Dessen Inschrift lautet: „An dieser Stelle wurden am 18. April 1945 80 Widerstandskämpfer von SS-Mördern lebendig verbrannt“.[3] Im Zuge der Errichtung des Mahnmals erschien 1958 auch eine Schrift mit dem Titel: „Was geschah in Abtnaundorf?“, die jedoch bald vergriffen war.[3] An diesem Ort finden jährlich Gedenkfeiern für die NS-Opfer statt.[2]

In amerikanischen, französischen und polnischen Archiven befinden sich Akten zu dem Massaker. Von 67 Überlebenden das Massakers gibt es Zeugenaussagen.[3].

Literatur

  • Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors: Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 3: Sachsenhausen, Buchenwald. Beck, München 2006. ISBN 978-3-406-52963-4.
  • Karl-Heinz Rother: Das Massaker von Abtnaundorf. In: Leipzigs Neue – Linke Monatszeitschrift für Politik, Kultur und Geschichte, Ausgabe 1 vom 23. Januar 2009, S. 7 (pdf)

Einzelnachweise

  1. Zitiert bei: Karl-Heinz Rother: Das Massaker von Abtnaundorf. In: Leipzigs Neue – Linke Monatszeitschrift für Politik, Kultur und Geschichte, Ausgabe 1 vom 23. Januar 2009, S. 7
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors: Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 3: Sachsenhausen, Buchenwald. Beck, München 2006, S. 504f
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 Karl-Heinz Rother: Das Massaker von Abtnaundorf. In: Leipzigs Neue – Linke Monatszeitschrift für Politik, Kultur und Geschichte, Ausgabe 1 vom 23. Januar 2009, S. 7
  4. Zitiert bei: Karl-Heinz Rother: Das Massaker von Abtnaundorf. In: Leipzigs Neue – Linke Monatszeitschrift für Politik, Kultur und Geschichte, Ausgabe 1 vom 23. Januar 2009, S. 7
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