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Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom
Klassifikation nach ICD-10 | ||
---|---|---|
Q52.8 | Sonstige näher bezeichnete angeborene Fehlbildungen der weiblichen Genitalorgane | |
Q51.8 | Sonstige angeborene Fehlbildungen des Uterus und der Cervix uteri – Hypoplasie des Uterus und der Cervix uteri | |
ICD-10 online (WHO-Version 2013) |
Das Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom (MRKHS), kurz Rokitansky-Küster-Syndrom,[1] Küster-Mayer-Syndrom[2] oder Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom genannt, ist eine angeborene Fehlbildung des weiblichen Genitals durch Hemmungsfehlbildung der Müller-Gänge im zweiten Embryonalmonat. Die Ätiologie ist unbekannt. Höchstwahrscheinlich liegt eine Chromosomenstörung vor, die vor allem eine Fehlbildung der Müllerschen Gänge hervorbringt. Die Ovarialfunktion (Östrogen- und Gestagensynthese) ist nicht gestört, was die normale Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale erlaubt. Das MRKH-Syndrom ist eine angeborene Fehlbildung, die nur Frauen betrifft. Über die Häufigkeit gibt es widersprüchliche Angaben, oft sogar auf derselben Webseite. Beispielsweise schreibt Orphanet auf derselben Website, dass die Häufigkeit zwischen 1 und 5 aus 10.000 liegt und „mindestens 1 von 4.500 Frauen ist betroffen“.[3]
Normalerweise verbindet die Vagina (Scheide) als ca. acht bis zwölf Zentimeter langes und zwei bis drei Zentimeter breites, schlauchförmiges Organ das äußere Genital mit der Gebärmutter.[4] Bei Frauen mit MRKHS befindet sich etwa an der Stelle, an der normalerweise die Gebärmutter und die Vagina liegen, nur ein Gewebestrang. Bei einigen ist eine etwa 0,5–3 cm große Grube am Eingangsbereich der Scheide vorhanden. Ohne chirurgische Korrektur oder Therapie ist kein penetrativer vaginaler Geschlechtsverkehr möglich.
Einteilung
Folgende Unterteilung des Syndromes ist gebräuchlich:
- Isoliertes MRKHS (Typ I): Synonyme: Kongenitales Fehlen von Uterus und Vagina; MRKH-Syndrom Typ 1; Rokitansky-Sequenz[5][6]
- MRKHS mit weiteren Fehlbildungen (MRKHS Typ II oder MURCS-Assoziation): Synonyme: Klippel-Feil-Syndrom – Schallleitungsschwerhörigkeit – Fehlen der Vagina; MRKH-Syndrom Typ 2; Müller-Gang-Aplasie – Nierenaplasie – Dysplasie der zerviko-thorakalen Somiten[7][8]
- Atypisches MRKHS: Synonyme: MRKH-Syndrom, atypisches; Rokitansky-Syndrom, atypisches; WNT4-Mangel, Autosomal-dominanter Erbgang mit Mutationen am WNT4-Gen auf Chromosom 1, Genort p36.12[9][10]
Symptome
Klinische Manifestation:Scheide
- Vaginalaplasie
- Uterus bicornis (zweigeteilter Uterus), der nur aus einem dünnen Gewebestrang besteht (Uterusleiste) und kein funktionsfähiges Endometrium aufweist
- hochstehende Ovarien (Eierstöcke)
- primäre Amenorrhoe
- primäre Sterilität
- Vaginalverkehr kaum möglich
- assoziiert:
- Begleitfehlbildung der Nieren (dystope Einzelniere, Nierenaplasie) und der Harnwege (30–40 %)
- Hernien
- Schallleitungsschwerhörigkeit
- in 10–20 % Skelettanomalien, die meist die Wirbelsäule betreffen[11]
Weitere Befunde:
- normales Hormonprofil, ovulatorischer Zyklus
- normaler weiblicher Phänotyp (sekundäre Geschlechtsmerkmale)
- Genetik: 46XX, unauffällig
- häufig Leistenbruchoperationen in der Kindheit[12]
Therapie
Zur Therapie stehen verschiedene operative (Kolpopoese) und konservative Verfahren zur Verfügung.
Als konservatives Vorgehen ist die Dehnung nach Frank zu nennen. Hierbei wird die Scheide durch Dilatatoren, die eigenen Finger und/oder Geschlechtsverkehr selbst gedehnt. Dieses Vorgehen erfordert ein hohes Maß an Bereitschaft der Patientin, erweist sich aber für die Entwicklung des Selbstwertgefühls und Körperbewusstseins weit überlegen, so dass sie bei geeignetem Befund mittlerweile als Methode der ersten Wahl empfohlen wird. Bei allen operativen Verfahren können Verletzungen von Scheide und Rektum entstehen, außerdem ist die psychosoziale Nachsorge oft unzureichend. Die gängigsten Methoden sind die Epidermisscheide nach McIndoe, die Darmscheide, die Peritonealscheide und die Neovagina nach Vecchietti.[13][14]
Bei der laparoskopisch modifizierten Vecchietti-Operation wird in das meist vorhandene Scheidengrübchen ein sogenanntes Phantom eingebracht. Laparoskopisch werden an diesem Phantom zwei Fäden befestigt, die durch die Bauchdecke zu einem Spannapparat geführt werden. Der Spannapparat verbleibt nun vier bis sechs Tage auf dem Bauch. Durch Zug an den Fäden zieht er die Scheide in die Bauchhöhle und verlängert sie bis auf zehn bis zwölf Zentimeter. Anschließend werden zur Dehnung Dilatatoren eingesetzt. Das Operationsziel, der Patientin ein normales Sexualleben zu ermöglichen, wird meist erreicht.[15] Vorteil dieses Verfahrens ist, dass die Neovagina wie eine normale Scheide reagiert. Sie wird, wie bei jeder anderen Frau, feucht und weit beim Geschlechtsverkehr.[4]
Bei allen operativen Methoden (mit Ausnahme der Darmscheide) ist postoperativ das Tragen eines Phantoms nötig, um Schrumpfungen vorzubeugen.[13]
2014 wurde im Fachjournal The Lancet ein Artikel veröffentlicht über vier Frauen von damals 13 bis 18 Jahren, welche vor acht Jahren eine aus eigenen Körperzellen aus dem Genitalgewebe gezüchtete Vagina eingesetzt bekamen. Sie soll voll funktionsfähig sein und von einer herkömmlichen Vagina nicht zu unterscheiden sein. Durchgeführt haben dies Wissenschaftler um Anthony Atala vom Wake Forest Baptist Medical Center für Regenerative Medizin in North Carolina.[16]
Im März und im Mai 2019 haben zwei Frauen, die vom MRKHS betroffen waren, am Universitätsklinikum Tübingen per Kaiserschnitt ein Kind geboren, nachdem ihnen die Gebärmutter ihrer Mutter transplantiert wurde.[17]
Siehe auch
Literatur
- Karine Morcel, Laure Camborieux, Daniel Guerrier: Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser (MRKH) syndrome. In: Orphanet J Rare Dis., 2007 Mar 14;2:13. PMID 17359527 PMC 1832178 (freier Volltext)
- Michael K. Hohl: Modernes Management der angeborenen (Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser, MRKH-Syndrom) und erworbenen Vaginalaplasie. (PDF; 1,3 MB; 8 Seiten) In: Frauenheilkunde aktuell, Nr. 1, 2007.[18]
- Anietta Schüürmann: Mutterschaft und Unfruchtbarkeit bei Frauen mit Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser Syndrom. Dissertation, Universität Hamburg, 19. Juni 2013, Betreuer: Hertha Richter-Appelt. Staats- und Universitätsbibliothek, Hamburg 2014, DNB 1051935539, (uni-hamburg.de, PDF; 405 kB)
- Liana Stephan: Diagnostik hormoneller Veränderungen und Korrelation mit dem Phänotyp bei Patientinnen mit dem Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser Syndrom. Dissertation, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) 2015, 103 Seiten, Gutachter: Andreas Müller, Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg, Erlangen 2015, DNB 1076166369. kobv.de (PDF; 817 kB).
Weblinks
- Frauenklinik Kantonsspital Baden (PDF; 1,3 MB)
- Neovagina.de
- Endlich eine richtige Frau auf nzz.ch
- Endlich eine ganz normale Frau auf news.de
- Mayer Rokitansky Küster Hauser Syndrom FRAUEN*GRUPPE Österreich. mrkhaustria.wordpress.com
Einzelnachweise
- ↑ unter diesem Stichwort eigener Eintrag in: Peter Reuter: Springer Lexikon Medizin. Springer, 2004
- ↑ unter diesem Stichwort eigener Eintrag im Pschyrembel, 261. Auflage, Walter de Gruyter 2007
- ↑ Orpha.net - Portal für seltene Krankheiten März 2007. Abgerufen am 22. November 2013
- ↑ 4,0 4,1 Claudia Arthen: Scheidenaplasie - Endlich eine ganz normale Frau 23. Februar 2010. Abgerufen am 22. November 2013
- ↑ Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom Typ 1. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten).
- ↑ MAYER-ROKITANSKY-KUSTER-HAUSER SYNDROME. In: Online Mendelian Inheritance in Man (englisch)
- ↑ Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom Typ 2. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten).
- ↑ MURCS. In: Online Mendelian Inheritance in Man (englisch)
- ↑ Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom, atypisches. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten).
- ↑ MULLERIAN APLASIA AND HYPERANDROGENISM. In: Online Mendelian Inheritance in Man (englisch)
- ↑ M. Stauber, T. Weyerstahl: Duale Reihe Gynäkologie und Geburtshilfe, 2. Aufl., 2005, Mayer-v. Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom S. 113
- ↑ Universitätsklinikum Tübingen: Informationsbroschüre - Seltene Erkrankungen(PDF; 1,3 MB)
- ↑ 13,0 13,1 Marlene Heinz: Konservatives Vorgehen bei Vaginalplasie (Memento vom 2. Dezember 2013 im Internet Archive)(PDF; 384 kB) 2006.
- ↑ Das Erlanger MRKH Portal (Memento vom 18. Mai 2010 im Internet Archive) aufgerufen am 14. März 2010
- ↑ L. Fedele, S. Bianchi, G. Frontino, E. Fontana, E. Restelli, V. Bruni: The laparoscopic Vecchietti’s modified technique in Rokitansky syndrome: anatomic, functional, and sexual long-term results. In: Am. J. Obstet. Gynecol.. 198, Nr. 4, April 2008, S. 377.e1–6. doi:10.1016/j.ajog.2007.10.807. PMID 18241821.
- ↑ Organe aus dem Labor: Künstliche Vagina hilft erkrankten Frauen. Spiegel Online, 11. April 2014
- ↑ Uterus-Spende: Zwei gesunde Kinder zur Welt gekommen. BR24.de, 23. Mai 2018
- ↑ Siehe auch Die klinische Bedeutung der Müllerschen Fehlbildungen. (PDF; 871 kB; 7 Seiten) In: Frauenheilkunde Aktuell, Nr. 1, 2009.
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