Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Mizrachim

Aus Jewiki
(Weitergeleitet von Misrachim)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Mizrachim oder Misrachim[1] /mizra'xim/ (von hebräisch מזרחי Mizrachi, deutsch ‚östlich, orientalisch‘, plur. מזרחים Mizrachim) auch Adot ha-Mizrach (Gemeinden des Ostens, des Orients) ist der in Israel gebräuchliche Name für aus Asien und Afrika und besonders aus dem Nahen Osten stammende jüdische Bevölkerungsgruppen. Zu den Mizrachim zählen die Juden der arabischen Welt und anderer muslimischer Länder wie die persischen, bucharischen, kurdischen Juden sowie die indischen Juden, die Bergjuden aus dem Kaukasus und die Juden aus Georgien.

Bezeichnung und Geschichte

Die Bezeichnung „Mizrachim“ entspringt dem israelischen Gebrauch der Gegenwart. Vor Errichtung des Staates Israel wurde sie in diesem Sinne, also für die orientalischen Juden, nicht verwendet. Vorher war sie eine Selbstbezeichnung der Mizrachi-Aktivisten. Das israelische Zentralbüro für Statistik definiert Mizrachim weitreichender als „aus Asien und Afrika Stammende“ Jüdinnen und Juden.[2]

Viele Mizrachim identifizieren sich eigentlich mit ihrem Geburtsland bzw. dem ihrer Vorfahren, so die „irakischen Juden“, „tunesischen Juden“, „persischen Juden“ etc. Die Mizrachim werden auch als orientalische Juden (in wörtlicher Übersetzung von „Mizrachi“) bezeichnet.

Häufig werden die Mizrachim auch mit den Sfaradim (Sepharden, was auf Hebräisch Spanier bedeutet) zusammengefasst, die sich nach der Vertreibung der Juden aus Spanien im Jahre 1492 in Nordafrika (Maghreb) und im Nahen Osten niederließen. Die Sfaradim wollen jedoch nicht zu den Mizrachim gezählt werden.

Vor dem Aufkommen dieser Bezeichnung wurde „Mizrachi“ gelegentlich als Fremdbezeichnung für in arabischen Staaten beheimatete Juden verwendet. Wenige akzeptierten die Bezeichnung als arabische Juden oder Araber, da sie die erduldete Feindseligkeit der arabischen Staaten und ihre Lebensbedingungen in Erinnerung rief. Diese Bezeichnung wird hauptsächlich in der arabischen Welt verwendet. Wie bei den arabischen Christen geht die Entstehung der meisten dieser Gemeinden auf die arabisch-muslimische Eroberung zurück, während der einige angestammte christliche und jüdische Gemeinden in Nordafrika und dem Nahen Osten ihren angestammten Glauben beibehielten.

Sprache

Die Mizrachi-Gemeinden sprachen zahlreiche judäo-arabische Dialekte, wie das heute hauptsächlich als Zweitsprache dienende Moghrabi. Andere von Mizrachim verwendete Dialekte sind Dzhidi, Judäo-Georgisch, Judäo-Tadschikisch (Buchori), Judäo-Berberisch, Juhuri und Judäo-Aramäisch.

Die meisten der zahlreichen bedeutenden philosophischen, religiösen und literarischen Werke der Mizrachim wurden auf Arabisch mit geändertem hebräischem Alphabet verfasst.

Geschichte nach 1948

Die meisten Mizrachim verließen ihre muslimisch dominierten Geburtsländer nach der Proklamation des Staates Israel. Israelische Abgesandte hatten zudem im Vorfeld durch zionistische Propaganda, hebräische Sprachkurse und Ähnliches bei den Mizrachim die Bereitschaft befördert, die Heimat zu verlassen. Die arabischen Muslime verschärften ihrerseits die Situation, indem sie ihre jüdischen Nachbarn gewaltsam attackierten. Weitere antijüdische Aktionen arabischer Regierungen in den 1950er und 1960er Jahren, einschließlich der Vertreibung von 25.000 Juden aus Ägypten im Zuge der Suez-Krise 1956, machten zahlreiche Mizrachim zu Flüchtlingen, von denen die meisten nach Israel gingen. Algerische Juden besaßen seit dem Décret Crémieux von 1870 die französische Staatsbürgerschaft, weshalb die meisten von ihnen in Folge des Algerienkrieges nach Frankreich zogen. Infolge der Pogrome von Oujda und Jerada begannen marokkanische Juden 1948, ihr Land zu verlassen; der größte Teil der Gemeinschaft zog jedoch erst in den 1960er Jahren nach Frankreich, Kanada und Israel. Tausende Juden aus Syrien und Ägypten leben heute in den Vereinigten Staaten.

Im Jahr 2012 lebten über 40.000 Mizrachim in Gemeinden der nicht-arabischen muslimischen Welt, hauptsächlich im Iran, aber auch in Usbekistan, Aserbaidschan und der Türkei.[3] Von den in der arabischen Welt Verbliebenen leben über 5.000 in Marokko und weniger als 2.000 in Tunesien, in anderen Ländern jeweils weniger als 100. Gegenwärtig ist eine Auswanderungsrate hauptsächlich nach Israel und in die USA zu verzeichnen. Die Angaben über die Situation der iranischen Mizrachim sind widersprüchlich, da die islamisch ausgerichtete Regierung des Iran Christen und Juden als Angehörige einer „Buchreligion“ toleriert, diese aber auch als ideologische Gegner einschätzt. Während einheimische Juden von einem weitgehend friedlichen Miteinander der Religionen berichten, dokumentieren zum Beispiel israelische Quellen antisemitische Übergriffe.[4]

In den arabischen Ländern, 1948–2008

Im Jahr 1948 existierten jüdische Gemeinden noch in der gesamten arabischen Welt. Die gesamte jüdische Bevölkerung umfasste etwa 758.000 bis 881.000 Personen (siehe Tabelle). Heute sind es weniger als 8.600. In einigen arabischen Staaten, wie etwa Libyen, gibt es praktisch keine Juden mehr; in anderen Ländern verbleiben noch einige Hundert.

Jüdische Bevölkerung der arabischen Länder: 1948, 1972, 2000 und 2008
Land oder Gebiet jüdische
Bevölkerung
1948
jüdische
Bevölkerung
1972
jüdische
Bevölkerung
2001[5]
jüdische
Bevölkerung
2008
Aden 8.000[6] ~0 ~0
Algerien 140.000[6][7] 1.000[8] ~0 ~0
Bahrain zwischen 550 und 600[9] 36 etwa 50[10]
Ägypten zwischen 75.000[6] und 80,000[7] 500 ~100 100 im Jahr 2006[11]
Irak zwischen 135.000[6] und 140.000[7] 500[8] ~200 weniger als 100[12]
7 bis 12 in Baghdad[13][14][15]
Libanon zwischen 5.000[6] und 20.000[16] 2.000[8] < 150 zwischen 20 und 40, ausschließlich in Beirut
Libyen zwischen 35.000[7] und 38.000[6] 50 0 0
Marokko zwischen 250.000[7] und 265.000[6] 31.000 5.230 3.000 im Jahr 2006
Mandatsgebiet Palästina (jordanischer Teil) 10.000 0 (West Bank neu besiedelt) 0 (West Bank neu besiedelt) 0 (West Bank neu besiedelt)
Sudan 350 ~0 ~0
Syrien zwischen 15.000[7] und 30.000[6] 4.000 ~100 100 im Jahr 2006
Tunesien zwischen 50.000[7] und 105.000[6] 8.000 ~1.000 geschätzte 1.100 im Jahr 2006
Jemen zwischen 45.000[7] und 55.000[6] 500 zwischen 400 und 600 zwischen 330[17] und 350[18]
Insgesamt zwischen 758.350 und 881.350 weniger als 7.300 weniger als 6.400

Mizrachim im heutigen Israel

Seit ihrer Ankunft in Israel war die kulturelle Kluft zwischen Mizrachim und aschkenasischen Juden hinsichtlich Brauchtum, Gewohnheiten, Sprache etc., unübersehbar und teilweise unüberbrückbar. Die aus Nordafrika kommenden Juden sprachen arabische Dialekte, die Muttersprache der iranischstämmigen war Persisch, die Bagdad-Juden aus China sprachen Englisch, die Gruzinim Georgisch, weitere Sprachen waren Tadschikisch, Juhuri sowie zahlreiche weitere Sprachen je nach Herkunftsland. Teilweise sprechen israelischen Mizrachim heute noch hauptsächlich diese Sprachen. Vor der Auswanderung sahen zahlreiche Mizrachim Hebräisch nur als Gebetssprache.

Die Mizrachim wurden anfangs in armselige, eilig errichtete Zeltstädte einquartiert und später zum Städtebau abkommandiert. Die Ansiedlung in Moschawim (Landwirtschaftskooperativen) scheiterte im Wesentlichen, da zahlreiche Mizrachim Handwerker und Kaufleute ohne landwirtschaftliche Erfahrung waren.

Die Mizrachim unterschieden sich in hohem Grad von den Aschkenasim, was die Assimilation in die israelische Gesellschaft zu einem schwierigen und jahrzehntelangen Prozess machte. Soziologen haben zahlreiche Faktoren ausgemacht, die die Integration beeinträchtigten, darunter der Ausbildungsgrad vor der Ankunft im Land und das Vorhandensein bzw. Fehlen von einer beruflichen Klasse innerhalb der Gemeinschaft, aber auch Rassismus vonseiten des aschkenasischen Establishments. Jedoch haben die verbreiteten Mischehen von Aschkenasim und Mizrachim in Israel sowie der allgemeine Gebrauch des Hebräischen so nachhaltig unter der jungen Generation gewirkt, dass Neuankömmlinge wie etwa äthiopische und Juden aus dem postsowjetischen Raum die Mizrachim inzwischen für einen Teil des israelischen Establishments halten.

Wohl lag 2004 das Durchschnittseinkommen der Aschkenasim um 36 Prozent höher als das der Mizrachim,[19] aber dieser Unterschied wird mit der Vermischung der Gruppierungen geringer.

Die religiöse Schas-Partei in Israel versteht sich insbesondere auch als Wahrerin der sephardischen Glaubensausprägung. Neben den Aschkenasim stellen die Sepharden in Israel einen eigenen Oberrabbiner.

Siehe auch

Literatur

  • Orit Bashkin: Impossible Exodus Iraqi Jews in Israel. Stanford University Press, Redwood 2017, ISBN 978-0-8047-9585-2.
  • Yfaat Weiss: Wadi Salib. In: Dan Diner (Hrsg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK). Band 6: Ta–Z. Metzler, Stuttgart/Weimar 2015, ISBN 978-3-476-02506-7, S. 315–319.
  • Omar Kamil: Die Wüstengeneration. Die „arabischen Juden“ in der zionistischen Ideologie von den Anfängen bis in die 1950er Jahre. In: Klaus-Gerd Giesen (Hrsg.): Ideologien in der Weltpolitik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004, S. 211–226 (Vorschau).
  • Ella Shohat: The Invention of the Mizrahim. In: Journal of Palestine Studies. Band 29, 1999, Nr. 1, S. 5–20, doi:10.2307/2676427, JSTOR 2676427.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Meir Amor, Chen Bram: Misrachim. In: Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK). 4, J. B. Metzler, Stuttgart/Weimar 2013, ISBN 978-3-476-02504-3, S. 200-204.
  2. Zvi Ben-Dor Benite: Zwischen Ost und West - Die Mizrachim. Rosa-Luxemburg-Stiftung Israel, 9. Oktober 2016, abgerufen am 17. Februar 2017.
  3. Sergio Della Pergola: World Jewish Population, 2012. In: Current Jewish Population Reports. Nr. 7, 2013 S. 61, doi:10.1007/978-94-007-5204-7_6 (Studie zum Download bei der Berman Jewish DataBank).
  4. Jews in Islamic Countries: Iran. In: Jewish Virtual Library. American-Israeli Cooperative Enterprise, 2014, abgerufen am 3. Januar 2017.
  5. Jacqueline Shields: Jewish Refugees from Arab Countries. Jewish Virtual Library. Abgerufen am 22. Mai 2006.
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 6,4 6,5 6,6 6,7 6,8 6,9 Aryeh L. Avneri: The claim of dispossession: Jewish land-settlement and the Arabs, 1878-1948. Yad Tabenkin Institute 1984, ISBN 0878559647
  7. 7,0 7,1 7,2 7,3 7,4 7,5 7,6 7,7 The Encyclopedia of World History, Sixth Edition, Peter N. Stearns (general editor), © 2001 The Houghton Mifflin Company, 2001, S. 966. (Englisch)
  8. 8,0 8,1 8,2 Leon Shapiro, World Jewish Population, 1972 Estimates. American Jewish Year Book vol. 73 (1973), S. 522–529. (englisch)
  9. The Virtual Jewish History Tour - Bahrain. Abgerufen am 5. Dezember 2011. (Englisch)
  10. Bahrain Names Jewish Ambassador. , BBC News, 29. Mai 2008. (Englisch)
  11. Jewish Virtual Library (Englisch)
  12. Jerusalem Post (Memento vom 13. Juli 2011 im Internet Archive) (Französisch)
  13. Baghdad's last rabbi to leave Iraq, Haaretz (Englisch)
  14. Baghdad Jews Have Become a Fearful Few, The New York Times (Englisch)
  15. Van Biema, David: The Last Jews of Baghdad. In: Time, 27. Juli 2007. Abgerufen am 5. Dezember 2011. (Englisch)
  16. Jews of Lebanon. Abgerufen am 5. Dezember 2011. (Englisch)
  17. Haaretz.com
  18. Yemenite Jews {Note: On November 1, 2009, The Wall Street Journal reports in June 2009 that an estimated 350 Jews were left—of whom by October 2009–60 had immigrated to the United States and 100 were considering to leave}
  19. מרכז אדוה. (PDF) In: Adva-Center. 2005, archiviert vom Original am 17. Dezember 2005; abgerufen am 25. Mai 2017 (עברית).
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Mizrachim aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.