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Mnemotechnik

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Mnemotechnik [mnemoˈtɛçnɪk], auch Gedächtnistraining (von griech. μνήμη mnémē ‚Gedächtnis‘, ‚Erinnerung‘ und τέχνη téchnē ‚Kunst‘) ist ein Kunstwort, das seit dem 19. Jahrhundert für ars memoriae und ars reminiscentiae („Gedächtniskunst“) benutzt wird, meist gleichbedeutend mit Mnemonik (griech. μνημονικά mnēmoniká). Die Mnemotechnik entwickelt Merkhilfen (Eselsbrücken), zum Beispiel als Merksatz, Reim, Schema oder Grafik. Neben kleinen Merkhilfen gehören zu den Mnemotechniken aber auch komplexe Systeme, mit deren Hilfe man sich an ganze Bücher, Listen mit Tausenden von Wörtern oder tausendstellige Zahlen sicher erinnern kann.

Geschichte

Es ist überliefert, dass sich die Redner des antiken Griechenlands und Roms oftmals mnemotechnischer Mittel bedienten. Der Dichter, Staatsmann und Weltweise Simonides von Keos galt allgemein als Erfinder der Gedächtniskunst. Diesbezügliche Aussagen finden sich bei Cicero, Quintilian, Plinius, Aelianus, Ammianus Marcellinus, Suidas und in der Parischen Chronik. Die Parische Chronik ist eine Marmortafel von etwa 264 vor Christus, die im siebzehnten Jahrhundert auf Paros gefunden wurde und die legendären Daten von Entdeckungen verzeichnet, wie die der Flöte, der Einführung des Getreides durch Ceres und Triptolemos und der Veröffentlichung von Orpheus Dichtungen, sowie in der geschichtlichen Zeit vor allem Feste und die dabei verliehenen Preise verzeichnet. Darunter gibt es auch einen Passus über Simonides: „Seit der Zeit, da der Keaner Simonides, Sohn des Leoprepes, der Erfinder des Systems der Gedächtnishilfen, den Chorpreis in Athen gewann und Statuen zu Ehren des Harmodios und des Aristogeiton errichtet wurden 213 Jahre.“ (das wäre 477 vor Christus).

Die Geschichte, wie Simonides die Gedächtniskunst erfand, schildert Cicero recht anschaulich in seinem Rhetoriklehrbuch De oratore, einer der drei Hauptquellen über die antike Gedächtniskunst: „Bei einem Festmahl, das von einem thessalischen Edlen namens Skopas veranstaltet wurde, trug Simonides zu Ehren seines Gastgebers ein lyrisches Gedicht vor, das auch einen Abschnitt zum Ruhm von Kastor und Pollux enthielt. Der sparsame Skopas teilte dem Dichter mit, er werde ihm nur die Hälfte der für das Loblied vereinbarten Summe zahlen, den Rest solle er sich von den Zwillingsgöttern geben lassen, denen er das halbe Gedicht gewidmet habe. Wenig später wurde dem Simonides die Nachricht gebracht, draußen warteten zwei junge Männer, die ihn sprechen wollten. Er verließ das Festmahl, konnte aber draußen niemanden sehen. Während seiner Abwesenheit stürzte das Dach des Festsaals ein und begrub Skopas und seine Gäste unter seinen Trümmern. Die Leichen waren so zermalmt, dass die Verwandten, die sie zur Bestattung abholen wollten, sie nicht identifizieren konnten. Da sich aber Simonides daran erinnerte, wie sie bei Tisch gesessen hatten, konnte er den Angehörigen zeigen, welcher jeweils ihr Toter war. Die unsichtbaren Besucher, Kastor und Pollux, hatten für ihren Anteil an dem Loblied freigebig gezahlt, indem sie Simonides unmittelbar vor dem Einsturz vom Festmahl entfernt hatten“.

Die anderen beiden Hauptwerke sind Institutio oratoria, ein Rhetoriklehrbuch von Quintilian, und das anonyme Ad C. Herennium libri IV. Letzteres, Ad Herennium, im Mittelalter fälschlich Cicero zugeschrieben, bildete das Muster, an dem sich die zahlreichen mittelalterlichen Texte zur Gedächtniskunst – immer als Teil der Rhetorikausbildung – orientierten.

Zwischen 410 und 430 n. Chr. verfasste Martianus Capella die Schrift De nuptiis Philologiae et Mercuriae (Von der Heirat der Philologie mit Mercurius), die die Grundzüge der sieben freien Künste des antiken Bildungssystems (Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie) darstellt und damit zu einer Grundlage des mittelalterlichen Bildungssystems wurde. In dieser Schrift bildet die memoria einen Teil der Rhetorik. Die Kirchenlehrer Albertus Magnus in De Bono (vom Guten) und Thomas von Aquin in seiner Summa Theologiae behandelten die Gedächtniskunst dagegen im Zusammenhang der Tugendlehre, und zwar als Teil der Prudentia (Weisheit), ein Bezug, der die Gedächtniskunst späterhin vor theologischen Angriffen schützte. Auf Thomas von Aquin beriefen sich nämlich später fast alle Autoren zur Rechtfertigung und Begründung ihrer Schriften.

Einfaches Beispiel

Mit dem folgenden Satz kann man sich die Planetenreihenfolge, von der Sonne aus, einprägen: „Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unseren Nachthimmel.“ Dabei steht jeder der Anfangsbuchstaben für einen Planeten mit dem gleichen Anfangsbuchstaben. Das M in Mein für Merkur (sonnennächster Planet), das V in Vater für Venus (zweitnächster Planet von der Sonne aus), und so weiter für Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Die Merkhilfe setzt voraus, dass man die Planetennamen kennt. Erleichtert wird das Lernen, genau wie bei den komplexen Systemen, wenn man sich den Inhalt der fiktiven Szene, die der Satz beschreibt, möglichst anschaulich, lebendig und farbig vorstellt. Es wäre von Vorteil, wenn man sich den Vater vorstellt, wie er die Planeten mittels einer Zeichnung in einem großen Buch oder einer Wandtafel erklärt. Natürlich mit dem eigenen Vater, in der Atmosphäre und der Umgebung, die in der eigenen Erinnerung sonntags für die eigene Familie typisch ist oder war. Das innere Wiederholen des Satzes sollte betont auf jedes einzelne Wort erfolgen.

Dieses Beispiel für eine einfache Mnemotechnik enthält bereits die beiden Grundelemente auch der kompliziertesten mnemotechnischen Universalsysteme, nämlich Ordnung/feste Reihenfolge auf der einen und anschauliche Bilder sowohl für das Ordnungssystem als auch für das gemerkte Wissen.

Ein weiteres Beispiel ist: „Klio/me/ter/thal/Eu/er/ur/po/kal“ für die 9 Musen des klassischen Altertums: Klio, Melpomene, Terpsichore, Thalia, Euterpe, Erato, Urania, Polyhymnia und Kalliope.

Kettenmethode, Assoziationsketten

Bei typischen Methoden der Mnemotechnik werden die zu lernenden Begriffe wie die Glieder einer Kette so aneinander gehängt, dass die richtige Reihenfolge erhalten bleibt. Man denkt sich einfach eine Geschichte aus, in der die Begriffe vorkommen. Die Gefahr besteht darin, dass, wenn ein Kettenglied verloren geht, die gesamte Assoziationskette sozusagen „reißt“. Es gibt aber auch spezifische Methoden, bei denen diese Gefahr minimiert werden kann.

Die Methoden lassen sich auf Wissensgebiete anwenden, bei denen es auf Stichworte und deren Vollständigkeit und richtige Reihenfolge ankommt. Die verbreitetsten davon sind Zahlen-Symbol-Systeme, das Buchstaben-System sowie die Loci-Methode, die auch das älteste System ist.

Sprachen- und Vokabellernen

Ein bekanntes Wort, das ähnlich klingt wie die zu lernende Vokabel, ist das Schlüsselwort. Aus dem Schlüsselwort und der Bedeutung der Vokabel wird im Geist ein Bild erstellt.

Notennamen lernen

Vor allem Kinder leiden häufig unter den Schwierigkeiten des relativ abstrakten Erlernens der Notennamen. Ein bekanntes Beispiel für das Erlernen des Quintenzirkels ist der Satz: „Geh Du Alter Esel, Hol Fische“. Hilfe leistet durch mnemotechnischen Ansatz ein visueller Vergleich mit kindgerechten Abbildungen. Wichtig ist dabei auch die Wahl von Bildern mit phonetisch treffender Aussprache, also zum Beispiel „Elefant“ und nicht „Eimer“.

Zahl-Symbol-System

Weitere Zahlenordnungssysteme sind das Zahl-Reim-System sowie das umfassendere Major-System, bei dem den Ziffern Konsonanten zugeordnet werden.

Alphabet-Methode

Bei der Alphabet-Methode bilden die Buchstaben des Alphabetes mit je einem damit fest verknüpften Bild das Erinnerungsgrundgerüst, wobei auch hier die zu merkenden Wörter in Bilder umgewandelt und jeweils mit je einem Bild verbunden werden, das fest für einen Buchstaben steht.

Die Bilder für jeden Buchstaben werden aber nicht wie bei der einfachen Zahlen-Methode aus der Form (für 1 steht eine Kerze, ein Füller oder ein Lineal) sondern aus einem Wort mit dem gleichen Anfangsbuchstaben gebildet. Beim Aufbau des Systems kann sich der Nutzer z. B. dafür entscheiden, sich für Z das Wort und Bild Zitrone zu merken. Ist wieder das Wort „Relativitätstheorie“ in der Liste der Wörter, die man sich gerade merken will und steht es neben „Z“, dann könnte man sich wieder Einstein vorstellen mit einer Tafel auf der Formeln stehend, während er in eine halbe Zitrone beißt und das Gesicht verzieht. Gerade dieses Bild, in das man noch Geruch und Geschmack einbezieht, ist ein gutes Beispiel für ein Bild, das kaum vergessen wird, weil das Gehirn lebendige Bilder gut speichert. In Kombination mit einem Ordnungsmerkmal, hier der Buchstabe Z, der die Erinnerung aufrufbar macht, ist es leicht möglich eine Liste von Wörtern auswendig lernen und auch in Reihenfolge wiederzugeben oder bei Nennung eines Buchstabens das jeweilige dazu gemerkte Wort wiederzugeben.

Loci-Methode

Eine bekannte und verbreitete mnemotechnische Assoziationstechnik ist die Loci-Methode (von lateinisch locus für Ort/Platz). Es war die Hauptmethode in der Antike und im Mittelalter. Um diese Technik zu beherrschen, braucht es nur sehr wenig Aufwand. Wenn man sich auf herkömmliche Weise eine Abfolge von Dingen zu merken versucht, gerät oft vieles im Gehirn durcheinander. Mithilfe der Loci-Technik werden die Lerninhalte geordnet „encodiert“.

In der Loci-Technik wird für jeden Begriff ein eigener Platz reserviert, quasi Variablen geschaffen, die mit verschiedenen Inhalten belegt werden können. Diese Variablen liegen in einer übergeordneten, fixen Struktur, sodass es möglich wird, bei der Wiedergabe die genaue Reihenfolge einzuhalten. Die fixe Struktur, von der vorher die Rede war, kann ein wohlbekannter Weg sein, aber auch ein Raum. Es muss im zweiten Falle nicht unbedingt ein realer Raum sein. Man kann sich selbst seinen eigenen Raum schaffen, dies muss jedoch in größtmöglicher Detailgenauigkeit geschehen. Bei beiden Varianten ist es notwendig, ganz eindeutige Plätze auszuwählen, wo später die zu merkenden Dinge abgelegt werden können. Anschließend kann man auf die geistig vorbereiteten Plätze das zu Merkende in Form lebendiger Bilder ablegen; besonders günstig ist es, wenn man mehrere Dinge zuerst zu einem Assoziationsbild verknüpft und dann erst gedanklich ablegt. So wird „Platz gespart“ und man erinnert sich obendrein noch leichter. Man kann den Weg oder das Zimmer immer wieder benutzen, quasi neu „beschreiben“.

Einprägung per Spaziergang

  1. Man schreibt den Lernstoff auf Merkzettel.
  2. Man begibt sich mental auf einen Spaziergang (eine bestimmte Tour) und hält dann an bestimmten Orten an (beispielsweise auf einer Bank, an einer Bushaltestelle, bei einem Brunnen, bei einem Restaurant, bei einem markanten Baum) und merkt sich den Stoff eines bestimmten Merkzettels.
  3. Auf dem Merkzettel wird notiert, an welchem Ort der Inhalt gelernt wurde.
  4. Man wiederholt den Spaziergang (mit immer denselben Stationen) so lange, und vertieft dadurch die Information der Merkzettel, bis man das Thema beherrscht.
  5. In einer Prüfungssituation reicht es dann, sich gedanklich auf den Spaziergang zu begeben und man erinnert sich verhältnismäßig mühelos an das Gelernte.

Bekanntes Beispiel

Die Gliederung einer typischen frei gesprochenen Rede kann man sich mit der Frontansicht eines griechischen Tempels merken. Die Einleitung der Rede wird mit den Treppenstufen assoziiert, die rechte, sonnenbeschienene Säule mit den Pro-Argumenten und die linke, schattige Säule mit den Kontra-Argumenten. Die mittlere, halbschattige Säule führt Gemeinsamkeiten beziehungsweise unvereinbare Gegensätze zusammen. Das spitz zulaufende Dach des Tempels wird mit dem Endergebnis (beispielsweise ein Kompromiss oder eine Synthese) assoziiert.

Gedächtnispalast

Ein Gedächtnispalast ist ein fiktives, im Kopf existierendes Gebilde, das dazu dient, Wissen langfristig abzuspeichern bzw. durch seine örtliche Struktur Logik in ein im Kopf bereits vorhandenes Wissen zu bringen. Er baut im Wesentlichen auf dem Prinzip der Loci-Methode auf, jedoch gibt es bei seinem „Bau“ einige grundlegende Unterschiede.

Gedächtnisprinzipien

Das Gedächtnis funktioniert nach gewissen Prinzipien, welche man für eine effiziente und möglichst langfristige Abspeicherung anwenden sollte.

Mnemotechnische Mentalfaktoren

Es gibt sieben so genannte mnemotechnische Mentalfaktoren:[1][2][3]

1. Fantasie
Das unwillkürliche Vorstellen von Dingen. Ein eher kreativer und ausschweifender Akt.
2. Visualisierung
Das bewusste Vorstellen eines bestimmten Prozesses.
3. Logik
Das Erkennen von Systemen, Sinn in einem bestimmten Komplex erkennen.
4. Emotion
Der wohl wichtigste Gedächtnisfaktor, dem man auch nichts weiter hinzuzufügen braucht.
5. Transformation
Das „Übersetzen“ von abstrakten Informationen in Bilder. Dazu sei auch der Abschnitt Gedächtnistechniken empfohlen.
6. Lokalisation
Ganz speziell: Das Verwenden der Loci-Methode.
7. Assoziation
Das freie Assoziieren. Die Fähigkeit, Dinge miteinander zu verknüpfen.

Die mnemotechnischen Mentalfaktoren lassen sich mit Hilfe folgenden Merksatzes (Akrostichon) leicht einprägen:

"All Factors Lead To Very Efficient Learning"

(Assoziation, Fantasie, Logik, Transformation, Visualisierung, Emotion, Lokalisation)

Allgemeine Gedächtnisprinzipien

Die folgenden Prinzipien sind, was die Wortwahl anbelangt, so benannt, dass sie zusammen das Wort Farbenpracht ergeben:

Fantasie
Alle Sinne einsetzen
Reihenfolge und Ordnung (Das Belegen und Ordnen mit Zahlen bzw. Bildern)
Bewegung (Das Vorstellen eines lebhaften Videos, anstatt eines bloßen Bildes)
Erotik (Das Einsetzen sexueller Vorstellungen)
Nummerierung (Das Verwenden von Zahlen)
Positive Vorstellungen (Wir neigen dazu, Negatives zu verdrängen)
Reichtum an Farben
Assoziation
Codes
Humor
Tiefere Eindrücke (Das bewusste und konzentrierte Wahrnehmen; ein genauer Vorgang)

Hilfe zur Anwendung

Der wichtigste Schritt bei der Mnemotechnik besteht darin, sich die generierten Bilderkombinationen oder Filme auf seiner inneren Leinwand vorzustellen. Also Augen zu und vor den inneren Augen sehen. Erst damit erreicht man das beste Ergebnis.

Siehe auch

Literatur

Anleitungen/Lehrbücher

Geschichte der Mnemotechnik

  • Frances A. Yates: Gedächtnis und Erinnern. Mnemonik von Aristoteles bis Shakespeare. 3. Auflage. Akademie Verlag, Berlin 1994. ISBN 978-3-05-002617-6.
  • Jörg Jochen Berns, Wolfgang Neuber (Hrsg.): Documenta Mnemonica. Text- und Bildzeugnisse zu Gedächtnislehren und Gedächtniskünsten von der Antike bis zum Ende der Frühen Neuzeit. Band II: Das enzyklopädische Gedächtnis der Frühen Neuzeit. Enzyklopädie und Lexikonartikel zur Mnemonik. (Frühe Neuzeit 43) Niemeyer, Tübingen 1998. ISBN 978-3-484-36543-8.
  • Ulrich Voigt: Esels Welt. Mnemotechnik zwischen Simonides und Harry Lorayne. Likanas Verlag, 2001. ISBN 978-3-935498-00-5.

Weblinks

Fußnoten

  1. Dr. Gunther Karsten: Erfolgsgedächtnis: Wie Sie sich Zahlen, Namen, Fakten, Vokabeln einfach besser merken. Goldmann, München 2002. ISBN 978-3-442-39035-9.
  2. Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer: Lernen. Gehirnforschung und die Schule des Lebens. Spektrum, Ulm 2003. ISBN 978-3-8274-1396-3.
  3. Friedrich Rost: Lern- und Arbeitstechniken für das Studium. VS Verlag, Wiesbaden 2004. ISBN 978-3-531-34454-6.
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