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Prostitution in Deutschland
Die Prostitution in Deutschland ist legal. Die Prostitution gilt seit 2002 auch nicht mehr als sittenwidrig.
Geschichte
Die Einrichtung von offiziellen Frauenhäusern begann in Deutschland im 13. und vor allem dann im 14. Jahrhundert. Auf dem Konstanzer Konzil (1414–18) sollen 1500 Dirnen in der Stadt gewesen sein, auf dem Basler Konzil (1431) 1800.
Die Chronisten verzeichnen 1492 einen Aufstand ehemaliger Huren im Kloster St. Maria Magdalena zur Buße in Köln-Eigelstein, vermutlich wegen Zwangsarbeit.[1]
1794 wurde im § 999 des Preußischen Allgemeinen Landrechts festgelegt, dass sich „liederliche Weibspersonen ... in die unter Aufsicht des Staates geduldeten Hurenhäuser“ zu begeben hätten. Als „liederliche Weibspersonen“ galten Frauen, „welche mit ihrem Körper ein Gewerbe betreiben“ wollen. Dagegen wurde erst im sogenannten Bremer Reglement von 1852 festgelegt, dass die Prostitution „kein Gewerbe im eigentlichen Sinne“ sei. Durch diese Unterscheidung zwischen Prostitution und erlaubtem Gewerbe wurde die Sittenwidrigkeit unmittelbar juristisch verankert.[2]
20. Jahrhundert
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt die Prostitution als gemeinschaftsschädlich. Als Maßstab für die guten Sitten diente „das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ nach einer vom Reichsgericht 1901 entwickelten Formel (RGZ 48, S. 114, 124).[3]
Dennoch bestanden beziehungsweise entstanden im 20. Jahrhundert verschiedene Bordell- und Laufhausviertel wie die Herbertstraße in Hamburg, die Helenenstraße in Bremen (seit 1878), die Lessingstraße in Bremerhaven, die Reitwallstraße in Hannover, die Bruchstraße in Braunschweig, das Rampenloch in Minden (seit 1908), die Linienstraße in Dortmund (seit 1904), Im Winkel in Bochum, die Stahlstraße in Essen (seit etwa 1900), die Vulkanstraße in Duisburg, die Flaßhofstraße in Oberhausen (seit 1963), die Antoniusstraße in Aachen, die Lupinenstraße in Mannheim, das Rotlichtviertel in Frankfurt, die Brunnenstraße in Karlsruhe, die Hasengasse in Augsburg und die Frauentormauer in Nürnberg.
Im Jahre 1927 wurde das Geschlechtskrankheitengesetz[4] diskutiert und verabschiedet, es ging mit einer Entkriminalisierung der Prostitution einher.
Während des Zweiten Weltkriegs richtete die deutsche Wehrmacht in den besetzten Gebieten rund 100 Wehrmachtsbordelle ein, unter anderem in Frankreich, Polen, Italien und Norwegen. Lothar-Günther Buchheim beschrieb seine Eindrücke aus Brest:[5] „Wenn ein Dickschiff eingelaufen war, blieben die Nutten zwischen den Nummern einfach liegen.“ Die Militärprostitution war geregelt: „Nur das von der Truppenführung freigegebene Bordell darfst Du besuchen. Benutze stets ein Kondom (Gummischutz) und lasse Dich nach dem Geschlechtsverkehr sanieren.“ Für die deutschen Soldaten gab es eine Desinfektionsspritze in die Harnröhre.
Im Nachkriegsdeutschland war Prostitution legal, aber sittenwidrig. Im Frankfurt der 1950er Jahre war die Edelprostituierte Rosemarie Nitribitt lokal bekannt, bundesweit fand ihre Ermordung im Jahre 1957 Aufmerksamkeit. Zu ihrem Kundenkreis zählten auch Prominente.
Das Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten (GeschlKrG) von 1953 ermächtigte die Gesundheitsämter, zum Zweck der Bekämpfung sexuell übertragbarer Erkrankungen die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person einzuschränken.[6] Personen mit häufig wechselndem Geschlechtsverkehr (frühere amtsdeutsche Bezeichnung für Prostituierte) mussten sich bei den Amtsärzten auf dem gynäkologischen Untersuchungsstuhl (Bock) dem erforderlichen vaginalen Abstrich unterziehen. Einige Bundesländer ermächtigten auch die einzelnen Gesundheitsämter zu selbstverantwortlichen Regelungen, so dass in manchen Kommunen die Zwangsuntersuchungen bereits in den 1980er Jahren abgeschafft wurden.[7]
Die Einstufung der Prostitution als gemeinschaftsschädlich wurde durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 1965 bestätigt, in der die Prostitution mit der Betätigung als Berufsverbrecher gleichgestellt wurde (BVerwGE 22, S. 286, 289).[8]
Das Bundesverwaltungsgericht entschied am 15. Juli 1980, dass die Prostitution als sittenwidrige und in verschiedener Hinsicht sozialwidrige Tätigkeit nicht Teil des Wirtschaftslebens im Sinne des EG-Vertrages sei und damit kein gemeinschaftsrechtliches Freizügigkeitsrecht begründen könne.[9]
Von Seiten der Sexarbeiter wurden Beratungsvereinigungen wie Hydra, Madonna und Huren wehren sich gemeinsam sowie der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen gegründet.
Felicitas Schirow erreichte 2000 ein Urteil für ihr Café Pssst! in Berlin, mit dem die Richter die Prostitution vom Stigma der Sittenwidrigkeit befreiten; das zuständige Bezirksamt hatte ihr Café wegen Förderung der Prostitution schließen wollen.[10]
21. Jahrhundert
Am 1. Januar 2001 trat das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten außer Kraft und wurde durch das Infektionsschutzgesetz (IfSG) ersetzt, das in Bezug auf die Bekämpfung von Infektionskrankheiten statt behördlicher Kontrolle und Zwangsmaßnahmen auf freiwillig wahrzunehmende Hilfsangebote der Gesundheitsämter setzt. Kurz nach Abschaffung des Bockscheins führte Bayern in seiner Verordnung zur Verhütung übertragbarer Krankheiten mit Wirkung zum 16. Mai 2001 einen Kondomzwang für weibliche wie männliche Prostituierte und deren Freier ein.[11]
Im September 2001 rief das Bundesverwaltungsgericht in der Sache einer Ausweisung einer Prostituierten aus einem anderem EU-Mitgliedstaat, hier Niederlande, aus Deutschland den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an (BVerwG 1 C 17.00 – Beschluss vom 18. September 2001).[12] Der EuGH machte mit seiner Entscheidung vom 20. November 2001 deutlich, das er die Prostitution als selbstständige Erwerbstätigkeit gemäß Artikel 43 EGV, 44 Europa-Abkommen EG/Polen, 45 Europa-Abkommen EG/Tschechien anerkenne und als Teil des gemeinschaftlichen Wirtschaftslebens gemäß Artikel Art. 2 EGV ansehe.[13]
Die folgenden Reformen aus dem Jahre 2001 (insbesondere Prostitutionsgesetz vom 20. Dezember 2001) in Deutschland hoben die Sittenwidrigkeit weitgehend auf. Das Gesetz wurde am 14. Dezember 2001 mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und PDS gegen die Stimmen von CDU/CSU angenommen. Unter anderem besteht seitdem ein Entgeltanspruch der Prostituierten laut Gesetz. Die gesetzlichen Krankenversicherungen nehmen seitdem auch Prostituierte auf, da sie als Mitarbeiterinnen ihres Arbeitgebers entweder als Arbeitnehmerinnen oder als Scheinselbständige gelten. Die privaten Krankenversicherungen hatten hier oft Vorbehalte. Das Angebot der Krankenversicherung wurde mit Stand 2013 von 44 Personen genutzt.[14]
Im Zuge der Liberalisierung entstanden neue Großbordelle (so genannte „Sauna- und FKK-Clubs“) mit einer jeweils großen Zahl an Prostituierten, wie etwa das Artemis in Berlin (3000 m², eröffnet 2005) und das Paradise in Stuttgart (5.800 m², eröffnet 2006). Als Sonderform entstanden auch „Flatrate-Bordelle“ oder Pauschalclubs genannte Großbordelle, in denen über den Eintrittspreis hinaus für die sexuellen Dienstleistungen keine weiteren Entgelte verlangt werden. Im Juli 2009 kam es zu einer bundesweiten Razzia mit 700 Beamten in vier „Flatrate-Bordellen“, darunter in Fellbach bei Stuttgart, in Heidelberg und in Wuppertal.[15] Dabei kam es zu Schließungen. Im Zusammenhang mit dem Aufkommen dieser Bordelle, wurde in Medienberichten die These vertreten, Deutschland sei zu einem Reiseziel des internationalen Sextourismus geworden.[16][17]
Spätestens seit der Veröffentlichung des Berichts der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes 2007[18] kam es auch zu einer verstärkten politischen Debatte der Liberalisierung seit 2002. Der Bundesrat diskutierte 2011 den Antrag der Länder Baden-Württemberg und Saarland, eine „Stärkere Reglementierung des Betriebs von Prostitutionsstätten“ vorzunehmen, um mehr Kontrollmöglichkeiten zu haben.[19]
Die Koalition von CDU, CSU und FDP im Bundestag legte im Juni 2013 den Entwurf eines „Gesetzes zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten“ vor (Drucksache 17/13706).[20] Er wurde von den eingeladenen Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses vom 25. Juni 2013 aus verschiedenen Gründen abgelehnt[21] und von der rot-grünen Bundesratsmehrheit kurz vor Ende der Legislaturperiode gestoppt.[22]
Im November 2013 zeugten der Appell gegen Prostitution und der Appell für Prostitution von einer Kontroverse über die Notwendigkeit neuer Regelungen im Bereich der Prostitution.
Im zwischen der CDU/CSU und der SPD nach den Bundestagswahlen 2013 ausgehandelten Koalitionsvertrags der 16. Wahlperiode wurde eine „umfassende Überarbeitung“ des Prostitutionsgesetzes angekündigt. In diesem Zusammenhang sollte die gesetzliche Grundlage für Kontrollen von Prostitutionsstätten durch die Ordnungsbehörden verbessert werden. Im selben Abschnitt des Koalitionsvertrags, wenn auch ohne direkten rechtlichen Zusammenhang zum Prostitutionsgesetz, kündigten die Regierungsparteien auch Maßnahmen gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel an. So sollten die Opfer besser geschützt und entsprechende Straftäter konsequenter bestraft werden. Auch sollte künftig gegen Menschen vorgegangen werden, „die wissentlich und willentlich die Zwangslage der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution ausnutzen und diese zu sexuellen Handlungen missbrauchen“.[23][24]
Die CSU legte für ihre Klausurtagung im Wildbad Kreuth am 7. bis 9. Januar 2014 ein 10-Punkte-Papier mit dem Titel „Der Mensch ist keine Ware: Prostitution regulieren – Menschenhandel bekämpfen“ vor, nach dem in Deutschland unter anderem das Mindestalter für Prostitutierte auf 21 heraufgesetzt werden solle.[25]
Umfang
Es gibt zur Prostitution in Deutschland keinerlei wissenschaftlich zuverlässige Angaben, weder zur Anzahl der Prostituierten noch zu der Zahl der Kundinnen und Kunden.[26] Nach einer Schätzung von Hydra könnte es 400.000 oder auch mehr oder weniger Prostituierte in Deutschland geben.[27][28][29] Hierin eingeschlossen sind Gelegenheitsprostituierte, deren Zahl je nach Definition unterschiedlich angegeben wird. Wohl etwa 95 % der der Prostitution nachgehenden Personen sind weiblich. Nach Schätzungen der Prostituiertenvertretung Hydra e.V. und anderer (Selbst)Hilfsorganisationen stammen vermutlich mehr als die Hälfte der Prostituierten aus dem Ausland, zumeist aus Osteuropa, insbesondere den EU-Ländern Bulgarien und Rumänien.
Genaue Zahlen liegen nicht vor. Angaben unterliegen Schätzungen und sind nicht repräsentativ für die Realität aller Prostituierten, da Beratungsstellen keineswegs Kontakt zu allen Betroffenen haben. Es ist unklar, ob hier eine Verzerrung dahingehend vorliegen könnte, dass insbesondere Frauen in Problemsituationen sich an Beratungsstellen wenden, oder ob Frauen in besonders prekären Situationen hier sogar unterrepräsentiert sein könnten. Problematisch ist auch die hohe Fluktuation, da viele nur zeitweilig in der Prostitution arbeiten.
Nach einer empirischen Untersuchung von Dieter Kleiner und Doris Velten aus dem Jahr 1994 waren 18 Prozent der männlichen Bevölkerung in Deutschland zwischen 15 und 74 Jahren zu den regelmäßigen Prostitutionskunden zu rechnen.[30]
Gesetzliche Regulierung
Nach dem Prostitutionsgesetz (ProstG) ist die Ausübung der Prostitution in Deutschland legal. Prostitution ist mit Personen unter 18 Jahren strafbewehrt. Eine Rechtsverordnung kann ein Verbot beinhalten, der Prostitution an bestimmten Orten überhaupt oder zu bestimmten Tageszeiten nachzugehen. Dagegen zu verstoßen ist strafbar: § 120 Ordnungswidrigkeitengesetz und § 184e Strafgesetzbuch, also die Zuwiderhandlung gegen eine auf Grundlage von Art. 297 EGStGB erlassene Sperrbezirksverordnung.
Situation von ausländischen Prostituierten
Nach § 55 [Ermessensausweisung] Abs. 2 Nr. 3 des Aufenthaltsgesetzes kann ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn er „gegen eine für die Ausübung der Gewerbsunzucht geltende Rechtsvorschrift oder behördliche Verfügung verstößt“.
Jugendschutz
Eine Reihe von Gesetzen schützt Kinder und Jugendliche vor Gefährdungen durch Prostitution. § 4 Abs. 3 Jugendschutzgesetz (JuSchG) untersagt Personen unter 18 Jahren den Aufenthalt in Nachtbars, Nachtclubs und vergleichbaren Vergnügungsbetrieben. § 8 JuSchG verbietet Minderjährigen den Aufenthalt an „jugendgefährdenden Orten“; dazu gehören unter anderem alle Orte, an denen Prostitution ausgeübt wird. Nach § 184f StGB macht sich strafbar, wer der Prostitution in der Nähe einer Schule oder einer anderen Örtlichkeit, die zum Besuch durch Minderjährige bestimmt ist, oder in einem Haus, in dem Minderjährige wohnen, nachgeht und die Minderjährigen dadurch sittlich gefährdet.
Zum Schutz der Jugend erlaubt es Art. 297 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB), in Kommunen Sperrbezirke zu schaffen bzw. in kleineren Kommunen die Prostitution sogar ganz zu untersagen.
Wer eine Person unter 18 Jahren zur Prostitution bestimmt oder der Prostitution einer Person unter 18 Jahren durch Vermittlung Vorschub leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft (§ 180 Abs. 2 StGB). Nach § 180a StGB wird mit Freiheitsstrafe bis drei Jahre oder Geldstrafe bestraft, wer einer Person unter 18 Jahren zur Ausübung der Prostitution Wohnung beziehungsweise gewerbsmäßig Unterkunft oder Aufenthalt gewährt. Mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bedroht sind Personen über 18 Jahren, die mit einer Person unter 18 Jahren gegen Entgelt sexuelle Handlungen ausüben (§ 182 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Ist die missbrauchte Person nicht nur unter 18, sondern auch unter 14 Jahre alt, tritt § 176 oder § 176a ein; hier beträgt die Mindestfreiheitsstrafe zwei beziehungsweise (in schwerem Fall) fünf Jahre. Eine 16- oder 17-jährige Person für sexuelle Dienstleistungen zu entlohnen, ist dabei erst seit dem 6.November 2008 strafbar, als das diesbezügliche Schutzalter von 16 auf 18 Jahre angehoben wurde.[31]
Sozialversicherung
Die gesetzlichen Krankenversicherungen nehmen seit 2002 auch Prostituierte auf, da sie als Mitarbeiterinnen ihres Arbeitgebers entweder als Arbeitnehmerinnen oder als Scheinselbständige gelten. Grundsätzlich könnten sich Prostituierte auch privat krankenversichern; allerdings werden sie von privaten Krankenversicherungen in der Regel wegen zu hoher Risiken abgelehnt. Vom Angebot der gesetzlichen Krankenversicherung wird jedoch wenig Gebrauch gemacht. Zu den Gründen, aus denen Prostituierte ihr Beschäftigungsverhältnis bisher nicht bei der Sozialversicherung angemeldet haben, gehört nach Befragungen im Auftrag des Bundesfamilienministeriums, dass nur sehr wenige Prostituierte einen Arbeitsvertrag besitzen und eine große Mehrheit dies auch nicht als attraktive Option ansieht. Außerdem werde von Sexarbeitern häufig ein mit offizieller Registrierung verbundener Verlust der Anonymität befürchtet, der aufgrund der fortbestehenden gesellschaftlichen Stigmatisierung der Prostitution dauerhafte Nachteile mit sich brächte.[32]
Steuern
Der Bundesfinanzhof entschied, dass die Einkünfte einer Prostituierten gewerbesteuerpflichtig sind (BFH, 23. Juni 1964 – GrS 1/64 S). Er nahm von der Entscheidung 1964 Abstand, Einkünfte aus „gewerbsmäßiger Unzucht“ seien „sonstige Einkünfte“ und daher nicht gewerbesteuerpflichtig.
Unterschiedliche Regulierungen auf Ebene der Bundesländer und Kommunen
Eine große Rolle in der behördlichen Praxis der Kontrolle der Prostitution spielen die in den einzelnen Bundesländern unterschiedlichen Polizeigesetze. Hier bestehen insbesondere unterschiedlich weit reichende Befugnisse der Polizei, Prostitutionsstätten zu betreten, zu durchsuchen und die Personalien sich dort aufhaltender Personen aufzunehmen.[33] Kommunen haben insbesondere über Bebauungspläne, Sperrgebietsverordnungen und das Steuerrecht individuelle Regulierungsmöglichkeiten im Bereich der Prostitution.[34] In einem deutschlandweiten Präzedenzfall hob das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen im März 2013 das 2011 von der Stadt Dortmund für das gesamte Stadtgebiet erlassene Verbot der Straßenprostitution auf.[35] Mehrere deutsche Städte haben inzwischen das sogenannte „Utrechter Modell“ eines streng kontrollierten Straßenstrichs mit „Verrichtungsboxen“ eingeführt, um begleitende Kriminalitätserscheinungen zurückzudrängen.[36] In Köln, wo dies 2001 zuerst geschah, wurden die ersten drei Jahre des Modells von den beteiligten Parteien, darunter Prostituierte, Polizei, Ordnungsamt und Beratungsstellen, als Erfolg bewertet.[37]
Köln war 2004 ebenfalls die erste deutsche Stadt, die eine kommunale „Sexsteuer“ auf Prostitution einführte. Nach 1,16 Millionen Euro im Jahr 2006 nahm die Stadt auf diesem Weg 2011 nur noch 750.000 Euro ein.[38] Das inzwischen in mehreren Bundesländern eingeführte sogenannte „Düsseldorfer Verfahren“, das bereits Jahrzehnte vor Legalisierung der Prostitution praktiziert wurde, besteht in einer pauschalen (umsatzunabhängigen) steuerlichen Vorabzahlung pro Arbeitstag an das zuständige Finanzamt, das von den Bars und Bordellen für jede dort tätige Prostituierte automatisch überwiesen wird. Aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlage ist die Teilnahme an diesem Verfahren, das von der Pflicht zu einer jährlichen Steuererklärung der tatsächlich erzielten Einkünfte nicht entbindet, jedoch freiwillig. In Hessen wurden 2011 auf diesem Weg rund zwei Millionen Euro eingenommen.[39] Die in Bonn Anfang 2011 eingeführte Prostitutionssteuer können Straßenprostituierte dort seit Mitte 2011 an einem Steuerticket-Automaten entrichten – einem eigens umgebauten Parkscheinautomaten, der für maximal zehn Stunden gültige Sexsteuer-Tickets zum Preis von sechs Euro ausgibt.[40] 2012 führte die Stadt Stuttgart eine neue Steuer auf für die Prostitution genutzte Wohnungen ein, die monatlich zehn Euro pro Quadratmeter betrug.[41]
Siehe auch
- Prostitutionsgesetz
- Prostitution nach Ländern
- Machtverhältnisse im deutschen Rotlichtmilieu
- Hurenbewegung
Literatur
- Ilya Hartmann: Prostitution, Kuppelei und Zuhälterei. Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870. BWV Verlag, 2006, ISBN 978-3830511021.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Carl Dietmar: Aufstand der „bekehrten Sünderinnen“. In: Chronik Köln, Gütersloh, 1991, Seite 143
- ↑ Romina Schmitter: Prostitution – Das älteste Gewerbe der Welt? In Aus Politik und Zeitgeschichte 9/2013, S. 23 f.
- ↑ http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung4/Pdf-Anlagen/PRM-15321-Begrundung,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf
- ↑ http://www.zaoerv.de/01_1929/1_1929_2_b_536_2_541.pdf
- ↑ http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40749007.html
- ↑ http://www.gapinfo.de/gesundheitsamt/alle/gesetz/seuche/gkg/index.htm Autopsie 1. Juli 2007.
- ↑ http://www.bmfsfj.de/doku/prostitutionsgesetz/03020304_print.html Autopsie 1. Juli 2007.
- ↑ http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung4/Pdf-Anlagen/PRM-15321-Begrundung,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf
- ↑ http://www.bverwg.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.php?jahr=2001&nr=26
- ↑ http://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/article122772519/Sexarbeiterinnen-wehren-sich-gegen-neues-Prostitutionsgesetz.html
- ↑ http://www.gapinfo.de/gesundheitsamt/alle/gesetz/seuche/hyv/dv.htm Autopsie 2. Juli 2007.
- ↑ http://www.bverwg.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.php?jahr=2001&nr=26
- ↑ EuGH v. 20. November 2001 – Rs. C-268/99
- ↑ http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/faz-net-fruehkritik/tv-kritik-guenther-jauch-wie-freiwillig-ist-freiwillig-12657973.html
- ↑ Großrazzia gegen "Flatrate-Bordell" in Wuppertal. In: WAZ, 27. September 2009 [1]
- ↑ Sextouristen reisen nach Stuttgart, Stuttgarter Zeitung vom 9. Juni 2013
- ↑ Willkommen im Paradies für Freier, Webseite von ntv vom 20. Juni 2013
- ↑ Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (PDF; 584 kB) vom 25. Januar 2007
- ↑ Deutscher Bundestag: Drucksache 314/10 (PDF)
- ↑ http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/137/1713706.pdf
- ↑ Experten rügen Gesetzentwurf gegen Menschenhandel In: Bundestag.de vom 25. Juni 2013, abgerufen am 5. Januar 2014
- ↑ Bundesrat stoppt Gesetz gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel. In: Der Westen vom 20. September 2013, abgerufen am 5. Januar 2014
- ↑ Der Koalitionsvertrag im Wortlaut: 4.1 Zusammenhalt der Gesellschaft – Miteinander stärken. In: Focus Online vom 27. November 2013, abgerufen am 29. Dezember 2013
- ↑ Eva Högl: Neuregelung der Prostitution in Deutschland: Nicht verboten. In: The European, 18. Dezember 2013
- ↑ http://www.pnp.de/nachrichten/bayern/1156314_CSU-fordert-besseren-Schutz-fuer-Prostituierte.html#plx807200872
- ↑ Caroline von Bar: Prostitution: Nebel im Sperrbezirk. In: Die Zeit vom 5. Dezember 2013
- ↑ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 1. Empirische Daten zu Prostitution in Deutschland, 2. Januar 2010
- ↑ Bundestag, Drucksache 14/5958, 8. Mai 2001 (PDF; 163 kB)
- ↑ Monatszeitschrift Deutscher Frauenrat 5/97, zitiert nach GSA
- ↑ Udo Gerheim: Motive der männlichen Nachfrage nach käuflichem Sex. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 9/2013, S. 44.
- ↑ http://mybordell24.de/entlohnung-sexueller-dienstleistungen-an-16-oder-17-jahrige-personen-ist-seit-dem-november-2008-strafbar.html Autopsie 25. September 2006
- ↑ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Fragen und Antworten zum Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes. (Stand: 2. Januar 2010), Webseite des BMFSFJ, abgerufen am 30. Dezember 2013
- ↑ Frauenforschungsinstitut der Kontaktstelle für praxisorientierte Forschung der Evangelischen Fachhochschule: Untersuchung „Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes“. S. 68. Berlin und Freiburg 2005. Abgerufen von der Webseite des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
- ↑ Christiane Howe: Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes. Anmerkungen und Empfehlungen für den KOK und seine Mitgliedsorganisationen (PDF) S. 5f, 17–20. Hrsg. vom Bundesweiten Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess e.V., Berlin 2008
- ↑ Skandal im Dortmunder Sperrbezirk: Prostituierte erstreitet sich Recht auf Straßenstrich. In: Focus Online vom 21. März 2013, abgerufen am 5. Januar 2014
- ↑ Konstantin Marrach: Liebes-Garagen bald auch in Berlin? In: BZ vom 5. April 2013, abgerufen am 5. Januar 2014
- ↑ Anschaffen ist auch unter den Augen der Polizei beliebt. In: Taz.de vom 25. Februar 2005, abgerufen am 5. Januar 2014
- ↑ Christoph Schlautmann: Lustlos im Rotlichtbezirk. In: Handelsblatt vom 20. November 2013, S. 18.
- ↑ Wer sind die wirklichen Profiteure der Prostitution? In: DasErste.de o. D., abgerufen am 6. Januar 2014
- ↑ Prostitution: Sexsteuer-Automat beschert Bonn 35.000 Euro. In: Spiegel Online vom 24. August 2012, abgerufen am 6. Januar 2014
- ↑ Cedric Rehman: Sex-Steuer: Stuttgart macht Kasse mit der Lust. In: Stuttgarter Zeitung vom 21. August 2012, abgerufen am 6. Januar 2014
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