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Fahrradfahren

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Radfahrer in den Niederlanden
Radrennfahrer nahe Aviano in Italien
Fahrradkurier in London

Der Ausdruck Fahrradfahren – auch Radfahren – bezeichnet die Fortbewegung auf einem Fahrrad, sei es als Verkehrsmittel im Radverkehr oder als Sportart Fahrradfahren, die als Freizeitbeschäftigung, zur Erhaltung der Gesundheit oder als sportlicher Wettkampf bis hin zum Leistungssport betrieben wird.

Ohne Eingriffe durch den Fahrer würde ein Rad innerhalb kürzester Zeit umfallen. Der Fahrer hält das System Fahrrad/Fahrer mit kleinen Lenkausschlägen im Gleichgewicht. Er wird dabei durch den Gyroskopischen Effekt unterstützt.

Geschwindigkeiten

Die Durchschnittsgeschwindigkeiten beim Fahrradfahren liegen für gewöhnlich bei 10 bis 20 Kilometer pro Stunde (km/h). Ein Fahrrad mit limitierter Tretunterstützung unterstützt den Fahrer bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h (Pedelec). Bestimmte Modelle sogar bis 45 km/h (S-Pedelec). Bei der Tour de France liegt die höchste Durchschnittsgeschwindigkeit eines Fahrers bei 41 km/h. Ohne Höhenunterschiede geht es schneller: Der Stundenweltrekord für normale Fahrräder liegt seit 2005 bei 50 km/h, mit besonders aerodynamischen Fahrrädern bei 56 km/h.

Das Fahrrad im labilen Gleichgewicht

Ein Fahrrad berührt den Boden an zwei Stellen – den Auflageflächen der Reifen. Eine auch nur geringe Neigung der senkrecht zur Fahrbahn stehenden Rahmenebene führt beim stehenden Fahrrad zum Umkippen. Sobald der Schwerpunkt nicht mehr über der die Auflageflächen umfassenden und verbindenden Unterstützungsfläche liegt, kippt das Rad um.

Durch extremes Einschlagen des Lenkers lässt sich die Unterstützungsfläche für den Schwerpunkt vergrößern. Nur geübte Menschen können auf einem stehenden Fahrrad für längere Zeit einen Sturz vermeiden. Da diese Probleme beim Geradeausfahren nicht bestehen, muss die Fahrdynamik dafür ausschlaggebend sein.

Das Gleichgewicht während der Fahrt

Einem Umkippen in eine Richtung während der Fahrt wird dadurch entgegengewirkt, dass der Lenker in die gleiche Richtung ausschlägt, eine kurze Kurve einleitet und das Fahrrad nun durch die Zentrifugalkraft zur anderen Seite aufgerichtet wird. Dabei lässt sich ein Überkippen kaum vermeiden, der Lenker muss wiederum in die andere Richtung gelenkt werden und so weiter.

Eine Geradeausfahrt kommt daher einem kaum merkbaren Pendeln um die Gleichgewichtslage zwischen Kippen und Wiederaufrichten gleich. Bei langsamer Fahrt äußert sich das Pendeln durch starke, abwechselnde Lenkausschläge.

Bei freihändigem Fahren hilft das seitliche Neigen des Körpers zur Erzeugung eines entgegengesetzten Schweremoments. Freihändiges Fahren ist daher bei langsamer Fahrt nahezu unmöglich. Erst der weiter unten beschriebene Nachlauf und die Kreiselkräfte ermöglichen dies, indem sie bei einer Radneigung einen kontrollierbaren Lenkausschlag auslösen und so das Rad wieder in die gerade Fahrlinie zurückbringen, beziehungsweise eine stabile Kurvenfahrt ermöglichen. Kleinere, aber abrupte Höhenunterschiede (Schlaglöcher, Hügelchen bis 1 m Durchmesser) sind allerdings fatal beim freihändigen Fahren und führen in der Regel zum Umfallen vom Fahrrad und eventuellen Verletzungen (Helm ist deswegen beim freihändigen Fahren, wie auch allgemein, wichtig).

Die Laufräder als Kreisel

Bei zunehmender Geschwindigkeit haben sowohl Lenkbewegungen als auch Körperschwerpunktverlagerungen (Balancieren) eine sekundäre Bedeutung: Entscheidend sind Kreiseleffekte und das dabei auftretende, durch das Symbol x gekennzeichnete sogenannte Kreuzprodukt. Das gilt grundsätzlich für die Geradeausfahrt wie für Kurven. Ab einer Geschwindigkeit von etwa 20 km/h werden die auf die Laufräder wirkenden Kreiselkräfte so stark, dass ein stabiles Geradeausfahren und ein großer Teil der Lenkmanöver auch freihändig möglich sind. Der Drehimpuls des Systems Fahrradfahrer plus Fahrrad befindet sich dann in Querrichtung (x-Richtung) und kann vom Radfahrer durch geringe Gewichtsverlagerungen nach links bzw. rechts, entsprechend einer positiven bzw. negativen Zusatzkraft δF in z-Richtung, δF~±ez, eine zusätzliche y-Komponente erhalten (gyroskopischer Effekt), entsprechend einem positiven bzw. negativen Abweichen von der „Geradeaus-Richtung“: ±ezx ex=±ey; ex= Einheitsvektor in x-Richtung; ey und ez: analog.

Der Beitrag der rotierenden Laufräder als Kreisel zur Stabilisierung der Fahrt liegt also darin, die zuvor geschilderten nötigen Lenkausschläge zu unterstützen bzw. beim Freihändigfahren auszulösen. Dadurch werden sowohl kleine bei der Geradeausfahrt notwendige Korrekturen „automatisch“ ausgelöst als auch die länger benötigten Lenkausschläge bei Kurvenfahrten.

Kreiseleffekte – Stabilisation und Präzession

Das Vorderrad stellt einen symmetrischen, nutationsfreien Kreisel dar; die Drehimpuls-, Rotations- und Figurenachsen sind identisch. Durch ein seitliches Neigen des Vorderrades wirkt ein Drehmoment, das senkrecht zum Drehimpuls steht. Dies führt zu einer Drehimpulsänderung und damit zu einer Präzessionsbewegung (s. a. Gyroskopischer Effekt bei Zweirädern): Der Lenker dreht sich in die Richtung der Neigung. Umgekehrt führt eine Drehung des Vorderrades um die Lenkachse zu einem Neigen des Fahrrades in die entgegengesetzte Richtung aufgrund der Präzession.

Das Hinterrad präzediert nicht, trägt aber zur Kreiselwirkung bei, indem seine Neigung auf das Vorderrad übertragen wird, was zu einer Verstärkung der Kreiselwirkung führt und das Rad insgesamt stabilisiert.

Zur dauerhaften Erhaltung des Gleichgewichts ist der Beitrag des Fahrers notwendig

Wie Experimente bestätigen (s. u.), kann ein Fahrrad wie ein über eine Fläche gerollter, schmaler Autoreifen seine Geradeausfahrt ohne Fahrereinwirkung eine Weile beibehalten. Diese dem Fahrrad bzw. seinen Laufrädern innewohnende Eigenschaft lässt sich durch die Kreiselkräfte erklären. Bei einmaligem Auftreten von Störkräften und bei Verlangsamung der Geschwindigkeit nach einer bestimmten Zeit wird das Rad instabil, der gerollte Reifen beginnt zu taumeln und fällt schließlich um. Dies liegt überwiegend am Zeitverzug der Reaktion (s. o.: Präzession). Dadurch beginnen entgegengesetzte, rhythmische Neigungen und Drehungen, die aufschwingen und schließlich unkontrollierbar werden. Durch den Nachlauf (s. u.) wird die wechselseitige Verstärkung der Kräfte zwar gedämpft, aber es verbleibt ein entscheidender Rest an Instabilität.

Der Fahrer kann durch ein geschultes Gleichgewichtsempfinden, ein ruhiges Sitzen auf dem Sattel bzw. eine saubere Tretbewegung auch beim sportlichen Radfahren diese Instabilität in der Geradeausfahrt kompensieren. Bei der Kurvenfahrt unterstützt er die Stabilität durch seine Fahrtechnik (siehe Abschnitt Kurvenfahrt). Er bleibt die entscheidende Kraft – ohne ihn gerät jedes Fahrrad irgendwann aus der Kontrolle.

Dies wird im Folgenden vertieft:

Experimente und Theorien zur Bedeutung der Kreiselkräfte

David E. H. Jones (* 1938) fand experimentell, dass mit Fahrer der Einfluss der Kreiselwirkungen bei normalen Geschwindigkeiten sehr klein ist, wogegen sie bei Bewegungen ohne Fahrer das angeschobene oder einen Hügel hinunterfahrende freilaufende Rad stabilisieren. Er montierte knapp oberhalb des Bodens ein drittes Laufrad neben das Vorderrad und drehte dieses in Rückwärtsrichtung, mit dem Ziel, die Kreiselwirkungen beider Vorderräder in etwa aufzuheben. Er konnte jedoch normal fahren, auch freihändig. Ohne Fahrer dagegen fiel das der Kreiselwirkungen beraubte Fahrrad auf der Stelle um.[1]

Felix Klein und Arnold Sommerfeld haben in ihrer Theorie des Kreisels eine erschöpfende theoretisch-analytische Abhandlung über die Kreiselwirkungen beim Fahrrad geliefert. Sie stellen fest, dass sich zwischen 16 und 20 km/h ein stabiler Bereich befindet, in dem allein die Kreiselwirkungen die Stabilisierung zu generieren vermögen, trotz der geringen Radmassen. Es ist dem Fahrer hier möglich, freihändig zu fahren. Unterhalb davon reicht der Lenkausschlag, den die Kreiselwirkung verursacht, nicht aus, um eine ausreichend große aufrichtende Zentrifugalkraft hervorzurufen; der Fahrer muss lenkend eingreifen. Fährt man sehr viel schneller, werden keine Kreiselwirkungen mehr spürbar. Die Hinterradspur nähert sich so schnell der Vorderradspur an, dass sich beide zusammen wie ein starres System verhalten. Das Fahrgefühl gleicht dem Fahren in einer schmalen Schiene; das Lenken und damit das Aufrechtbleiben ist erschwert.

Klein und Sommerfeld erkennen aber an, dass ein Fahrrad eher auf Energieersparnis und Leichtigkeit als auf Optimierung der Kreiselwirkungen konstruiert und durch die ausgleichenden Bewegungen eines Fahrers die Eigenstabilisierung „nicht gerade [..] erforderlich [..] ist“. Sie ziehen dennoch als Fazit, dass „[..] es doch kaum von der Hand zu weisen [ist], daß die Kreiselwirkungen zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts bei der Fahrt beitragen, wir möchten sagen, in besonders intelligenter Weise beitragen; sind sie es doch, die vermöge der Phase ihrer Wirkung zuerst ein Überfallen des Rades spüren und die dann die viel stärkeren, aber etwas langsamen Centrifugalwirkungen in den Dienst der Stabilität spannen.“[2]

Aus der Sicht der Kreiseltheorie lässt sich vereinfacht dazu sagen, dass das System niemals durch den idealen Fall eines symmetrischen Kreisels (von den drei extremalen Trägkeitsmomenten sind zwei gleich), sondern durch einen realistischen Trägheitstensor mit drei verschiedenen Hauptträgheitsmomenten beschrieben wird.[3] Von Bewegungen um das „mittlere Trägheitsmoment“ ausgehend entwickeln sich Störungen bei Nicht-Eingreifen des Fahrers nach einer Zeit, die von den drei Hauptträgheitmomenten und von der „Störung“ abhängt, zu einer unkontrollierbaren Taumelbewegung.

Genauer: Die freie Bewegung erfolgt zunächst in Vorwärtsrichtung (Drehimpulsachse ex) und ist gegenüber kurzzeitigen schwachen „Störungen“ stabil (die Bewegungslinen sind kleine Ellipsen). Bei größeren Ausschlägen bzw. längerfristig, unterstützt durch die Schwerkraft, wird die freie Bewegung dagegen zur (positiven oder negativen) y-Achse hingezogen, d. h. es erfolgt ein Ausweichen nach Rechts oder Links. Von dort aus wird die Drehimpulsachse bei vernachlässigbarer Schwerkraft anschließend in (-z)-Richtung abgestoßen, bei dominierender Schwerkraft dagegen in (-x)-Richtung, entsprechend einer verspäteten „Kompensationsmöglichkeit“, eyx(-ez)=(-ex).

Die Linien der freien Bewegung auf dem Drehimpuls-Ellipsoid sind also bei der „mittleren“ Drehimpulsachse, der y-Achse, nicht etwa kleine Ellipsen, sondern Hyperbeln (in einer Richtung anziehend, in der Querrichtung abstoßend). Dieses „hyperbolische Verhalten“ der Bewegung um die mittlere Achse ist mathematisch der wesesentliche Punkt und ergibt letztlich das „chaotische Endverhalten“ der freihändigen Gesamtbewegung. „Erschwert“ wird die Mathematik zusätzlich durch die Schwerkraft, sodass man es mit dem kompliziertesten Fall der Kreiseltheorie zu tun hat, dem nicht integrablen „schweren“ asymmetrischen Kreisel.[3]

Kurvenfahrt

Eine Kurve wird nicht direkt durch ein Drehen des Lenkers in die gewünschte Richtung eingeleitet. Radspuren auf Sand oder Schnee zeigen, dass zunächst eine leichte Lenkbewegung in die entgegengesetzte Richtung erfolgt. Schlüge man für eine Linkskurve einfach nach links ein, dann bewegte sich die Auflagefläche des Reifens nach links unter dem Schwerpunkt weg. Dies bewirkt eine Schräglage nach rechts, die im Folgenden durch die Schwerkraft noch verstärkt wird. Um eine Linkskurve zu fahren, ist aber grundsätzlich eine Neigung nach links notwendig, damit das Rad nicht nach außen kippt.

Zur Einleitung einer Linkskurve muss es aus dem senkrechten Gleichgewicht in eine Schräglage nach links gebracht werden. Dies geschieht durch eine kurze Lenkbewegung nach rechts. Anschließend wird die Schräglage durch Lenkung nach links stabilisiert. Damit wird ein neues Gleichgewicht erreicht, in dem sich das Kippmoment durch die Zentrifugalkraft und das Kippmoment durch die Schwerkraft ausgleichen.

Bestimmung des Neigungswinkels

Eine Kurve kann als Teil einer Kreisbahn betrachtet werden. Legt sich der Fahrer in die Kurve, ist der Neigungswinkel, bei dem er nicht stürzt, abhängig von Fahrgeschwindigkeit und Kurvenradius. Je schneller die Fahrt und je enger die Kurve, desto größer muss der einzunehmende Neigungswinkel sein. Dieser ist eindeutig bestimmbar: Die Verbindungslinie zwischen Schwerpunkt und Unterstützungsfläche muss nämlich in Richtung der Resultierenden von Fliehkraft und Anziehungskraft verlaufen. Für den Neigungswinkel zwischen der Resultierenden und der Senkrechten gilt daher:

Dabei ist die Geschwindigkeit, der Kurvenradius und die Schwerebeschleunigung.

Für einen ruhenden Beobachter wirkt auf das Fahrrad eine zum Kreismittelpunkt gerichtete Zentripetalkraft, die durch die Haftreibung der Laufräder aufgebracht wird. Der Haftreibungskoeffizient bestimmt nun den maximalen Neigungswinkel, dessen Überschreitung zum Wegrutschen des Vorderrades und zum Sturz führt. Vor engen Kurven und auf schmierigen, schotterigen oder glatten Bodenbelägen ist also ein Abbremsen notwendig, weil die Reibung sonst nicht ausreicht, eine der Fliehkraft betragsgleiche Zentripetalkraft aufzubringen.

Kreiselkräfte und Fahrereinfluss bei Kurvenfahrten

Wie schon beim Geradeausfahren, so sind es auch hier wieder die Kräfte der sich drehenden Laufräder, die die Fahrt durch Kurven entscheidend unterstützen. Haben die Räder durch die Präzession beim Kippen in der Geradeausfahrt einen Lenkeinschlag bewirkt, der korrigierend wirkte, so unterstützen sie nun den für die Kurvenfahrt notwendigen Einschlag des Vorderrades. Der Nachlauf (s.u.) dämpft diesen Einschlag, wobei kürzere Nachläufe bessere Kurveneigenschaften und schlechtere Geradeauslaufeigenschaften, größere Nachläufe die umgekehrten Eigenschaften bewirken.

Dem Fahrer ist auch hier die Feinabstimmung überlassen, ohne die eine kontrollierte Fahrt nicht möglich wäre. Beim sportlichen Radfahren (Radrennsport) sind zum erfolgreichen Durchfahren von Kurven weitere Techniken unerlässlich. Beispielsweise muss der Fahrer eine Körperspannung aufbauen, was durch Durchdrücken des fast gestreckten kurvenäußeren Beines (Pedale im tiefsten Punkt) bewirkt wird. Im Mountainbikesport hingegen, wo es eher um schnelle Verlagerung des Körperschwerpunktes aufgrund der Bodenbeschaffenheiten geht, hat sich eine Waagrechtstellung der Pedale als eher zweckmäßig erwiesen.

Überhöhung

Der Kurvenradius kann erheblich verkleinert werden, wenn die Fahrbahn nicht eben, sondern in Richtung Kurvenmittelpunkt nach unten geneigt ist (Überhöhung). Diese Hilfe machen sich sowohl Cyclo-Cross-Fahrer und Mountainbiker als auch Bahnradfahrer zunutze:

  • Im Cyclocross- und Mountainbike-Sport nutzt man z. B. ausgefurchte Kurven, die hierdurch eine Überhöhung aufweisen, um Kurven schneller zu durchfahren.
  • Im Bahnradsport weisen die Radrennbahnen grundsätzlich in den Kurven Überhöhungen zwischen 30 Grad (lange Freiluft-Zementbahnen mit größerer Haftreibung) und gewöhnlich 45 Grad Überhöhungswinkel auf (in Ausnahmefällen sogar darüber: die nicht mehr existierenden Bahnen in Münster und Frankfurt am Main hatten Überhöhungen von über 55 Grad).

Ausweichmanöver

Bei Kurven, die im Zuge von kurzen Ausweichmanövern gefahren werden, ist die Technik des Gegenlenkens, um das Kippen einzuleiten, nicht notwendig, wenn der Fahrer anschließend die Fahrt auf der ursprünglichen Fahrlinie fortsetzen möchte. Statt der beschriebenen Technik lenkt der Fahrer das Fahrrad an dem Hindernis vorbei, während sein Körperschwerpunkt sich fast geradeaus weiterbewegt. Demzufolge ist diese Technik auch nur zum Ausweichen vor bodennahen Hindernissen, Schlaglöchern usw. geeignet. Wird sie in der falschen Situation angewandt, führt sie zu schweren Stürzen. Die Entscheidung über die Technik trifft der Fahrer nicht bewusst, sondern in Zehntelsekundenschnelle intuitiv.

Konstruktionsmerkmale eines Fahrrads, die das Fahren beeinflussen

Nachlauf und Radstand

Nachlauf

Als Nachlauf wird der Abstand zwischen dem Vorderradaufstandspunkt und dem Punkt, in dem die gedachte Verlängerung der Lenkachse den Boden trifft, dem so genannten Spurpunkt, bezeichnet. Geometrisch festgelegt wird der Nachlauf durch Laufradradius, Steuerkopfwinkel (zwischen Lenkachse und Boden) und der Gabelbiegung (senkrechter Abstand von Nabe zur Lenkachse). Der Name rührt daher, dass das Rad bei Lenkbewegungen dem Spurpunkt „hinterherläuft“. Ist der Nachlauf positiv, so befindet sich der Spurpunkt wie in der Abbildung dargestellt in Fahrtrichtung vor dem Aufsetzpunkt. Die Größe des Nachlaufs liegt meist zwischen fünf und siebeneinhalb Zentimeter.

Nachlauf beim Einkaufswagen

Der Nachlauf ist wohl die wichtigste bauliche Unterstützung im Bemühen gegen das Umfallen während des Geradeausfahrens. Er wirkt auf folgende Arten:

  1. Droht ein Sturz, bewirkt die bei Radneigung in der Vorderachse angreifende Schwerkraft des Vorderrades einen Lenkereinschlag in Richtung der Neigung. Wie oben beschrieben greift nun die Fliehkraft ein und richtet das Rad auf. Dieser Effekt ist gut sichtbar, hält man den Sattel fest und neigt das Rad. Prompt dreht sich das Vorderrad.
  2. Die Richtkraft versucht das Rad in Radflucht auszurichten. Anschaulich ist dieser Effekt bei Teewagen oder Einkaufswagen, deren Radachsen nicht unterhalb der Lenkachsen liegen, sodass ein Kräftepaar auftritt. Lagerkraft und Rollwiderstand (Reibung) lassen das Rad auf der Stelle verharren. Bewegt sich z. B. der Einkaufswagen, rotieren die Räder zunächst auf der Stelle. Erst wenn ein positiver Nachlauf erreicht ist, folgt das Rad der Bewegung hinterher. Ohne den Nachlauf wäre diese Richtkraft nicht vorhanden.

Der Nachlauf ergibt sich aus dem Lenkwinkel und der Gabelvorbiegung; wie er sich aufs Fahrverhalten auswirkt, ist immer von diesen zwei Faktoren abhängig. Ein Nachlauf von 60 mm ergibt sich etwa bei einem Lenkwinkel von 74° und einer Gabelvorbiegung von 40 mm, ebenso jedoch bei 71° Lenkwinkel und 63 mm Vorbiegung. Beim ersten Beispiel (Kriteriumsrennrad) ergibt sich ein agiles Lenkverhalten, beim zweiten (Tourenrad) ist die Lenkung richtungsstabiler, allerdings auch empfindlicher beim Einspuren in Längsrillen.

Dass ein Fahren mit einem negativen Nachlauf nur schwer möglich ist, zeigt das Experiment des Chemikers David E. H. Jones. Er versuchte im Jahr 1970 ein Fahrrad zu konstruieren, das unfahrbar ist. Die meisten entwickelten Radtypen waren jedoch mehr oder weniger trotzdem nutzbar. Erst ein Rad mit negativem Nachlauf war „sehr knifflig“ zu steuern und besaß vernachlässigbare Selbststabilisierung.[1]

Radstand

Radstand und Schwerpunktsweg

Ein Fahrrad mit zwei Laufrädern berührt den Boden in zwei Punkten. Der Abstand dieser Punkte heißt Radstand. In einer Kurve neigt sich das Rad in Kurvenrichtung, der Schwerpunkt wandert dabei in dieselbe Richtung. Je größer der Radstand, desto größer ist der Weg des Schwerpunkts bei der Gewichtsverlagerung und damit die Zeit, um die für eine Kurvenfahrt nötige Neigung zu erreichen. Das etwas träge Verhalten von Rädern mit langem Radstand, etwa Tandems, lässt sich hierdurch erklären.

Ein Fahrrad mit weit auseinanderstehenden Laufrädern ist weniger wendig, bleibt aber der Richtung treu. Mit nahe beieinanderstehenden Laufrädern reagiert es schneller auf Lenkbewegungen, dabei stellt sich aber ein eher nervöser Geradeauslauf ein. Seine Wendigkeit wird beim Rennrad genutzt.

Vor allem nicht betont sportlich konstruierte Fahrräder haben einen Radstand von deutlich über einen Meter, ein Tandem gar zwei. In Wettbewerben verwendete Rennräder weisen i. d. R. einen Radstand von 97 bis 100 Zentimeter auf.

Um den Radstand zu messen, misst man die Entfernung der Radmittelpunkte (Nabenachsenmittelpunkt) bei geradeaus ausgerichtetem Lenker, die die gleiche Entfernung haben wie die Aufstehpunkte am Boden, sofern Vorder- und Hinterrad den gleichen Radius besitzen.

Laufradgröße und -gewicht

Je größer im Durchmesser und schwerer die Räder sind, desto größer sind die Kreiselmomente. Bei einem normalen Gebrauchsrad (Laufraddurchmesser 60 cm, Masse 1 kg) sind die Kreiselwirkungen etwa fünfmal so groß wie bei einem Kinderrad (30 cm; 0,4 kg). Korrekterweise hängt das Kreiselmoment natürlich nicht von der Masse des Laufrades, sondern von der Verteilung der Masse im Laufrad (Trägheitsmoment bzgl. der Achse) ab; beispielsweise hat ein Laufrad mit einer „schweren“ Felge ein größeres Kreiselmoment als ein gleich schweres Laufrad mit einer „leichten“ Felge mit einer „schweren“ Nabenschaltung. Konstruiert werden Fahrräder aber eher unter dem Gesichtspunkt des Energiesparens und daher so leicht wie möglich.

Abrollfläche

Bei Geradeausfahrt entspricht die Form der Abrollfläche der Reifen einem Zylindermantel, bei einer Radneigung einem Kegel. Ein gerollter Kegel kreist um sein spitzes Ende. So ist ein Steuern durch Schräglage möglich, der Effekt ist jedoch gering. Bedeutend ist er, wenn freihändig mit „eingeschlagenem“ oder klemmend schwergängigem Steuerlager gefahren wird. Bei genügender Geschwindigkeit kann mit Hüftknick auf seitlich nicht geneigter Fahrbahn knapp ausreichend gelenkt und damit geradeaus balanciert werden.

Vorderradabsenkung

Einen sehr geringen Einfluss haben der Vorbau und Lenkkopf. In Geradeausstellung hat er die höchste Lage und damit größte potentielle Energie. Der Zustand niedrigster Energie wird angestrebt, daher werden Lenkeinschläge durch die Vorderradabsenkung verstärkt. Bei einem Lenkwinkel von 8° beträgt diese nur 0,15 Millimeter.

Sitzposition

Verlagert der Fahrer sein Gewicht auf das Hinterrad, sind geringere Lenkkräfte nötig. Dies führt allerdings zu Übersteuern und flatterigem Fahrverhalten aufgrund zu weiter oder zu schneller Richtungskorrekturen. Beugt man sich vor und belastet das Vorderrad, sind größere Lenkkräfte nötig. Man untersteuert und erreicht ein schwankendes Fahrverhalten wegen zu später und geringer Korrekturen.

Als Erfahrungswert gilt, dass ein ausgewogenes Fahrverhalten gewährleistet ist, wenn 55 bis 60 % des Gesamtgewichts von Fahrrad und Fahrer auf dem Hinterrad lasten.

Rahmengröße

Die optimale Rahmengröße ist ebenfalls entscheidend für das Fahrverhalten. Für jeden Fahrradtyp gibt es hierzu eigene Richtlinien, für die die eigene Schrittlänge zu beachten ist. Zu empfehlen ist bei sportlicher Fahrweise die Wahl eines kleineren, bei tourenorientierter Fahrweise die Wahl eines größeren Rahmens.

Medizinische Aspekte

In den letzten Jahren wurden durch die Zunahme des Radfahrens auch vermehrt die medizinischen Aspekte des Fahrradfahrens untersucht. Generell gilt Fahrradfahren als sehr gesund (Herz- und Kreislauftraining)[4] und gelenkschonend.[5][6] Dabei kommt es aber darauf an, eine gute Ergonomie für den gesamten Körper herzustellen. Nicht alle Arten des Radfahrens erreichen dies in gleicher Weise. Untersuchungen unter anderem des ADFC haben ergeben, dass die Haltung auf dem sogenannten Reiserad bei richtiger Rahmengröße und richtigem Sattel die Haltung ist, die der menschlichen Anatomie am stärksten entgegenkommt.[7] Wichtig ist, beim Fahrradfahren eine möglichst gleichmäßige Belastung der Kontaktpunkte des Fahrers mit dem Fahrrad gemäß der natürlichen Anatomie des Menschen zu erreichen.

Dabei trägt naturgemäß der Fuß mit dem Kontaktpunkt Pedale die größte prozentuale Last des Körpergewichtes, wobei der Fuß von Natur aus auch dafür geschaffen ist, die gesamte Körperlast zu tragen. Um die ergonomischste Rückenhaltung zu erreichen, sollte die Sitzhaltung idealerweise so sein, dass die imaginäre Linie zwischen Schulterblatt und höchstem Punkt des Pedals senkrecht ist.[8] Um eine optimale Versorgung der Füße und eine möglichst geringe Belastung der Knie zu erreichen, sollte die Sattelhöhe so eingestellt werden, dass man beim Treten der Pedale am tiefsten Punkt das Bein immer noch leicht angewinkelt hat.

Als zweitgrößte Belastungszone ist der Kontakt zwischen Gesäß und Sattel anzusehen. Dieser Berührungspunkt kann insbesondere daher problematisch werden, da das menschliche Becken mit seinen Sitzbeinhöckern und dem Schambein (bzw. den Schambeinkufen, auch Schambeinkamm genannt) durch den Kippwinkel des Beckens Auswirkungen auf die Biegung der gesamten Wirbelsäule hat. Somit kann eine falsche Beckenhaltung (z. B. um Missempfindungen aufgrund des Sattels zu vermeiden) zu einer starken Belastung der Wirbelsäule führen.[9] Gleichfalls problematisch wird ein falscher Beckenwinkel auf dem Sattel für den gesamten Beckenbereich, da dieser Bereich stark mit Blut- und Nervenbahnen durchzogen ist, die auf der Innenseite der Oberschenkel liegen und die die unteren Gliedmaße zu versorgen haben. Werden diese Versorgungsbahnen durch ein Aufliegen des Schambeins bzw. der Schambeinkufen / des Schambeinkamms auf dem Sattel längere Zeit eingeengt oder gar gequetscht, können dadurch Schädigungen der entsprechenden Gefäße und Versorgungsbahnen entstehen[10] Daher ist es notwendig, die Hauptbelastung dieses Kontaktpunktes auf die Sitzhöcker zu bringen und möglichst wenig Druck auf den Bereich der Schambeinkufen, des Damms, der Genitalien und der innenliegenden obersten Teile der Oberschenkel auszuüben.[11][12]

Schließlich bilden die Hände mit dem Lenker den dritten Kontaktpunkt zwischen Radfahrer und Fahrrad. Auch hier sind medizinische Aspekte zu beachten, um eine optimale Blut- und Nervenversorgung der Hände und Finger zu gewährleisten. Dabei spielt die Entfernung des Lenkers zum Gesäß des Radfahrers genauso eine wichtige Rolle wie die Lenkerform (Biegung) und die Höhe des Lenkers, der optimalerweise in gleicher Höhe wie die Mitte der Beckenknochen sein sollte. Die Arme sollten nicht gestreckt, sondern leicht angewinkelt sein,[13] um Bodenunebenheiten besser abfedern zu können. Der Abstand zwischen beiden Händen (gemessen vom kleinen Finger der einen zum kleinen Finger der anderen Hand) sollte nur unwesentlich den Abstand der Schulterblätter übersteigen.[14] Die Hand sollte die gerade Verlängerung des Unterarms bilden und weder nach oben noch nach unten geknickt werden um so durch das Handgelenk eine permanente und ungehinderte Blutversorgung der gesamten Hand sicherzustellen.

Als grobe Richtlinie sollten die imaginären Verbindungslinien der drei Kontaktpunkte und des Schulterblattes eine Raute darstellen, deren Seitenlängen möglichst etwa gleich lang sein sollten.[15]

Darüber hinaus stellt aus medizinischer Sicht das Tragen eines Helmes während des Radfahrens eine vorbeugende Maßnahme gegen Sturzverletzungen dar.

Pannen

Ein bekanntes Problem sind Reifenpannen, der Fahrradbereifung.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Wiktionary: Rad fahren – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Commons: Fahrradfahren – Sammlung von Bildern
Wikibooks Wikibooks: Fahrrad fahren lernen – Lern- und Lehrmaterialien

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 David E. H. Jones: The Stability of the Bicycle. In: Physics Today 23 (April 1970) S. 34–40. (PDF, 9 MB, englisch).
  2. Sommerfeld, S. 863–884 (1897).
  3. 3,0 3,1 Siehe alle Darstellungen der Theoretischen Mechanik, insbesondere die von Landau-Lifschitz
  4. Huang V, Munarriz R, Goldstein I., Institute for Sexual Medicine, Department of Urology, Boston University School of Medicine, 720 Harrison Avenue, Boston, MA 02118, USA., September 2005.
  5. http://www.orthopaede.com/klinik/bunte.html.
  6. http://www.mcgesund.de/fitness/sport/fahrrad-und-gesundheit/
  7. http://www.fa-technik.adfc.de/Ratgeber/Sitzen/
  8. http://www.fa-technik.adfc.de/Ratgeber/Sitzen/
  9. http://www.fa-technik.adfc.de/Ratgeber/Sitzen/
  10. Huang V, Munarriz R, Goldstein I., Institute for Sexual Medicine, Department of Urology, Boston University School of Medicine, 720 Harrison Avenue, Boston, MA 02118, USA., September 2005
  11. http://www.orthopaede.com/klinik/bunte.html.
  12. Huang V, Munarriz R, Goldstein I., Institute for Sexual Medicine, Department of Urology, Boston University School of Medicine, 720 Harrison Avenue, Boston, MA 02118, USA., September 2005.
  13. http://www.ahano.de/gesundheit/gesundheitsmagazin/202-Gesunde-Bewegung-Fahrradfahren.html.
  14. http://www.ahano.de/gesundheit/gesundheitsmagazin/202-Gesunde-Bewegung-Fahrradfahren.html
  15. http://www.fa-technik.adfc.de/Ratgeber/Sitzen/
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