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Raimundtheater
Das Raimundtheater (offiziell Raimund Theater) ist ein Theater im 6. Wiener Gemeindebezirk Mariahilf in der Wallgasse 18–20, das heute zu den Vereinigten Bühnen Wien gehört und hauptsächlich Musicals als Spielstätte dient.
Geschichte
Das nach dem österreichischen Dramatiker Ferdinand Raimund benannte Theater wurde im Jahr 1893 von einem Verein von 500[1] Bürgern des Gemeindebezirks Mariahilf gegründet, nach Entwürfen des Architekten Franz Roth (1841–1909)[2] errichtet und, vollständig elektrisch beleuchtet,[3] am 28. November 1893 (erste Vorstellung am 27. November 1893)[1] mit Raimunds Zauberspiel Die gefesselte Phantasie[4] feierlich eröffnet (Prolog verfasst von Alfred von Berger)[5].[Anm. 1]
Bis zum Jahr 1896 stand das Theater unter der Leitung von Adam Müller-Guttenbrunn.[6] Er und sein künstlerischer Beirat Hermann Bahr machten das Theater zu einer Sprechbühne mit klassischen Volksstücken, die ein Gegengewicht zur großbürgerlichen „Operettendekadenz“ darstellen sollten. Alexander Girardi, Eleonora Duse, Max Reinhardt, Louise Dumont und Adele Sandrock traten hier auf.
1907 übernahm der jüdische Regisseur und Theaterdirektor Sigmund Lautenburg (1851–1918) die Leitung des Raimund-Theaters, jedoch nur für kurze Zeit. Er beauftragte für eine neue Inszenierung des Schauspiels "Die Nibelungen" von Friedrich Hebbel Carl Otto Czeschka, die Bühnenbilder und Kostüme zu entwerfen. Auf die Aufführung wurde aus verschiedenen Gründen verzichtet, aber ein unmittelbares Ergebnis der intensiven Beschäftigung Czeschkas mit dem Nibelungenthema für das Raimund-Theater waren die Zeichnungen, die dem kleinen Buch "Die Nibelungen" im Verlag Gerlach & Wiedling als Grundlage dienten. [7] [1] [8]
Unter Direktor Wilhelm Karczag hielt ab 1908 die Operette Einzug, etwa durch die Eigenproduktion „Der Zigeunerbaron“ von Johann Strauß im Jahre 1908 oder Robert Stolz' „Glücksmädel“ und dem auf Franz Schuberts Musik beruhenden Dreimäderlhaus. Von 1921 bis 1924 wurden unter Direktor Rudolf Beer wieder vor allem Sprechstücke gespielt.
Nach 1945 erlebte unter Rudolf Marik (1900–1976), der das Haus von 1948 bis 1976 leitete, die Operette mit Johannes Heesters, Marika Rökk, Zarah Leander und anderen bekannten Darstellern und Sängern einen Höhepunkt. Am Raimund Theater begannen viele berühmte Schauspieler ihre Karriere, wie zum Beispiel Hansi Niese, Paula Wessely, Attila Hörbiger, Karl Skraup.
Im Dezember 1968 beging das Raimundtheater sein 75-Jahr-Jubiläum mit der Aufführung der Operette "Der Bettelstudent" von Carl Millöcker.
Als Festwochenpremiere am 23. Mai 1969 wurde die Operette Giuditta von Franz Lehár gegeben, in der Gretl Schörg (1914–2006) nochmals glänzend in Erscheinung trat,[9] bevor sie sich wenig später ganz vom Bühnenleben zurückzog.
Nach 1976 wurden bereits sporadisch Musicals gespielt. In den Jahren 1984 und 1985 wurde das Theater generalsaniert. Seit 1987 gehört es gemeinsam mit dem Theater an der Wien und dem Ronacher zu den Vereinigten Bühnen Wien (GmbH) und ist seither hauptsächlich Spielstätte für Musicals.
Bekannte Musicals in deutscher Sprache wie zum Beispiel Die Schöne und das Biest mit Ethan Freeman und Caroline Vasicek in den Hauptrollen, Tanz der Vampire mit Steve Barton und Cornelia Zenz, Wake Up mit Alexander Goebel und Rainhard Fendrich und zuletzt auch Barbarella mit Nina Proll in der Titelrolle und Eva-Maria Marold, hatten jeweils am Raimund Theater ihre Uraufführung. Im Februar 2005 fand die Premiere der deutschsprachigen Erstaufführung von Romeo und Julia mit Lukas Perman und Marjan Shaki in den beiden Titelrollen statt. In weiteren Rollen waren unter anderem Carin Filipčić als Amme, Mark Seibert als Tybalt, Rasmus Borkowski als Mercutio und Mathias Edenborn als Benvolio sowie Thomas Mülner als Graf Paris zu sehen.
Das Musical Elisabeth wurde anlässlich dessen 20. Geburtstag von 2012 bis 2014 gespielt. Dabei wurden im Saal vier LED-Übersetzungstafeln angebracht, auf denen seither die Stücke in Englisch übersetzt werden.
Die Verleihung des im Jahr 2000 initiierten Nestroy-Theaterpreises fand 2011 zum ersten Mal im Raimund Theater statt.
Das Raimund Theater umfasst derzeit 1.193 Sitzplätze und 40 Stehplätze.
Uraufführungen
- Der Kellermeister, Operette von Carl Zeller, am 21. Dezember 1901
- Das Glücksmädel, Operette von Robert Stolz, am 28. Oktober 1910
- Das Zirkuskind, Operette von Edmund Eysler, am 18. Februar 1911
- Casimirs Himmelfahrt, Operette von Bruno Granichstaedten, 25. Dezember 1911
- Das Dreimäderlhaus, Operette von Heinrich Berté, am 15. Jänner 1916
- Das alte Lied, Operette von Bruno Granichstaedten, 21. Dezember 1918
- Die Liebe geht um, Operette von Robert Stolz, am 22. Juni 1922
- Das Bergwerk. Drama von Hans Kaltneker, 6. Februar 1923
- Das Schwalbennest, Operette von Bruno Granichstaedten, 2. September 1926
- Der Reiter der Kaiserin, Operette von August Pepöck, am 30. April 1941
- Bel Ami, Musical von Peter Kreuder, am 25. Mai 1960
- Die Jungfrau von Paris, Operette von Friedrich Schröder, 19. Dezember 1969
- Tanz der Vampire, Musical von Jim Steinman und Michael Kunze, am 4. Oktober 1997 (bis 15. Jänner 2000, 677 Vorstellungen mit 805.000 Besuchern)
- Wake Up, Musical von Rainhard Fendrich, am 29. September 2002 (bis 1. Jänner 2004)
- Barbarella (Musical), Musical von Dave Stewart und Rudi Klausnitzer, am 11. März 2004 (bis 1. Jänner 2005)
- Rebecca, Musical von Michael Kunze und Sylvester Levay, am 28. September 2006 (bis 31. Dezember 2008, 405.000 Besucher)
- Rudolf, Musical von Frank Wildhorn und Jack Murphy, von 26. Februar 2009 bis 24. Jänner 2010, (deutschsprachige Erstaufführung/Uraufführung der Wiener Fassung, bzw Ko-Produktion mit Operettenhaus Budapest, 210 Show mit 180.984 Besucher)
Weitere Aufführungen
- A Chorus Line, Musical von Marvin Hamlish und Michael Bennett, von 16. Oktober 1987 bis 1. Juli 1988 (225 Vorstellungen, 235.000 Besucher, österreichische Erstaufführung)
- Les Misérables, Musical von Alain Boublil & Claude-Michel Schönberg, von 15. September 1988 bis 31. März 1990 (400 Vorstellungen, 420.000 Besucher, deutschsprachige Erstaufführung)
- Phantom der Oper, Musical von Andrew Lloyd Webber, von 9. Juni 1990 bis 30. Juni 1993 (zuvor von Dezember 1988 bis Juni 1990 im Theater an der Wien; 1.363 Vorstellungen, 1.4 Mio. Besucher, deutschsprachige Erstaufführung)
- Kuss der Spinnenfrau, Musical von John Kander und Fred Ebb, Premiere 28. November 1993 bis 1994 (deutschsprachige Erstaufführung)
- Rocky Horror Show, Musical von Richard O’Brien, 1994 , (siebenwöchiges Zwischenspiel, nicht von den VBW)
- Grease, Musical von Warren Casey und Jim Jacobs, 1994 bis Juni 1995, (deutschsprachige Erstaufführung)
- Disney’s Die Schöne und das Biest, Musical von Alan Menken, Howard Ashman & Tim Rice, von 28. September 1995 bis 29. Juni 1997 (560 Vorstellungen, ca. 600.000 Besucher, deutschsprachige Erstaufführung)
- Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat, Musical von Andrew Lloyd Webber, von 3. März 2000 bis 14. Jänner 2001 (236 Vorstellungen, ca. 251.000 Besucher, österreichische Erstaufführung)
- Hair, Musical von Galt MacDermot, Gerome Ragni & James Rado, von 10. März 2001 bis 30. Juni 2002 (385 Vorstellungen, ca. 395.000 Besucher, österreichische Erstaufführung)
- Romeo und Julia, Musical von Gérard Presgurvic, von 24. Februar 2005 bis 8. Juli 2006 (deutschsprachige Erstaufführung)
- We Will Rock You, Musical von Queen und Ben Elton, von 16. Jänner 2008 bis 13. Juli 2008 (203 Vorstellungen, ca. 250.000 Besucher, österreichische Erstaufführung)
- Ich war noch niemals in New York, Musical mit den Songs von Udo Jürgens, 17. März 2010 bis 15. Juni 2012 (592 Vorstellungen, ca. 630.000 Besucher, österreichische Erstaufführung (Wiener Fassung))
- Elisabeth, Musical von Michael Kunze und Sylvester Levay, 5. September 2012 bis 1. Februar 2014 (381 Vorstellungen, ca 412.000 Besucher, leicht überarbeitete Wiener Version)
- Mamma Mia!, Musical von Benny Andersson, Björn Ulvaeus und Catherine Johnson, 19. März 2014 bis 28. Juni 2015 (360 Vorstellungen, ca 360.000 Besucher)
- Mozart!, Musical von Michael Kunze und Sylvester Levay, seit 24. September 2015 (+7 Previews)
Literatur
- Gustav Andreas Ressel: Das Raimund-Theater. Eine Denkschrift. Reisser, Wien 1892.
- Satzungen des Raimund-Theater-Vereines. Gorischek, Wien 1892.
- Adam Müller-Guttenbrunn: Die gefesselte Phantasie. Gelegenheitsschrift zur Eröffnung des Raimund-Theaters. (Beigefügte Werke: —: Zur Geschichte der Gefesselten Phantasie). Honegen, Wien 1893.
- Oscar Friedmann: Zur Krise im Raimundtheater. August Schulze, Leipzig 1896.
- Adam Müller-Guttenbrunn: Das Raimund-Theater. Passionsgeschichte einer deutschen Volksbühne. Neue Revue, Wien 1897.
- 70 Jahre Raimund-Theater. 28. November 1893 – 28. November 1963. Wiener Theaterbetriebsgesellschaft, Wien 1963.
- Maria Kinz: Raimund Theater. Jugend und Volk, Wien (u.a.) 1985, ISBN 3-224-16003-9.
- Eva Marlene Drnek: Entstehung des Wiener Raimund-Theaters. Burgtheater für das Volk. Diplomarbeit. Universität Wien, Wien 2007.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Raimund-Theater. In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 10514/1893, 28. November 1893, S. 5 f. (Online bei ANNO) .
- ↑ Franz Roth. In: Architektenlexikon Wien 1770–1945. Herausgegeben vom Architekturzentrum Wien. Wien 2007.
- ↑ Raimund-Theater. In: Josef Kareis (Red.): Zeitschrift fur Elektrotechnik. Organ des Elektrotechnischen Vereins in Wien. XI. Jahrgang (1893). Selbstverlag, Wien 1893, S. 561. – Volltext online.
- ↑ Volltext online.
- ↑ Alfred Freiherr von Berger: Prolog zur Eröffnungs-Vorstellung im Raimund-Theater. Steyrermühl, Wien 1893.
- ↑ Adam Müller-Guttenbrunn: Der suspendierte Theaterdirektor. Rede des Direktors —. Gehalten am 24. Februar 1896 in der außerordentlichen General-Versammlung des Raimund-Theater-Vereins in Wien. Zweite Auflage. Meyer, Leipzig 1896.
- ↑ "Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950", 1970 - Seite 52
- ↑ Senta Siller, Carl Otto Czeschka - Leben und Werk, Dissertation 1990, Seite 77
- ↑ Harald Sterk: „Giuditta“ als Festwochenpremiere im Raimundtheater: Lehars unglückliche Liebe zur Oper. In: Arbeiter-Zeitung. Wien 25. Mai 1969, S. 6, Mitte links.
Weblinks
- Das Raimund-Theater in Wien. In: Der Architekt, Jahrgang 1895, I. Jahrgang, S. 44. (Online bei ANNO) .
- Das Raimund-Theater in Wien. In: Der Architekt, Jahrgang 1895, I. Jahrgang, S. 65 ff. (Bildteil). (Online bei ANNO) .
- Die Neuformung des Raimund-Theaters in Wien. In: Neue Freie Presse, Sonntagsausgabe, Nr. 26652 S/1938, 20. November 1938, S. 15. (Online bei ANNO) .
- Das Raimundtheater auf den Seiten der Vereinigten Bühnen Wien
Anmerkungen
- ↑ Bei der Eröffnungsvorstellung waren unter anderem zugegen: k.k. Innenminister Bacquehem, Bürgermeister Prix sowie Statthalter von Niederösterreich Kielmansegg – der beim nachfolgenden Festbankett im Hotel Goldenes Kreuz, Mariahilfer Straße 99, als Ranghöchster das Wort ergriff. — Siehe: Raimund-Theater. In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 10515/1893, 29. November 1893, S. 7, Mitte links. (Online bei ANNO) .
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