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Reichsrat (Deutschland)
Der Reichsrat war die Vertretung der Gliedstaaten (Länderkammer) in der Weimarer Republik (1919–1933). Gemäß Artikel 60 der Weimarer Reichsverfassung war er das Organ „zur Vertretung der Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung“ auf Reichsebene. Er trat an die Stelle des Bundesrates im Deutschen Kaiserreich.
Zusammensetzung
Der Reichsrat setzte sich aus Vertretern der deutschen Länder zusammen. Sie wurden von den Landesregierungen entsandt und hatten ein imperatives Mandat. Nur in Preußen wurden die Hälfte der Reichsratmitglieder nicht von der Landesregierung bestimmt, sondern von der Provinzialverwaltung. Die Zahl der Vertreter eines Landes war abhängig von seiner Einwohnerzahl: Jedes Land hatte mindestens eine Stimme und damit Anspruch auf ein Mitglied. Bei größeren Staaten entfiel auf jeweils 700.000 Einwohner eine Stimme (zuvor auf 1 Millionen Einwohner, geändert durch ein Reichsgesetz 1921), ein Rest von mindestens 350.000 Einwohnern (vormals 500.000) wurde mit 700.000 gleichgerechnet. Kein Staat durfte aber mehr als 2/5 (= 40 %) aller Stimmen bzw. Mitglieder auf sich vereinen. Die Mitglieder wurden von den Landesregierungen ernannt, in Preußen mussten ab dem 14. Juli 1921 13 von ihnen von den Provinzialverwaltungen gestellt werden.
Die Stimmverteilung im Reichsrat sah folgendermaßen aus:
15.8.1919 | 1.5.1920 | 14.7.1921 | 15.5.1926 | 1.4.1929 | |
---|---|---|---|---|---|
Preußen | 25 | 22 | 26 | 27 | 26 |
Bayern | 7 | 7 | 10 | 11 | 11 |
Sachsen | 5 | 5 | 7 | 7 | 7 |
Württemberg | 3 | 3 | 4 | 4 | 4 |
Baden | 3 | 3 | 3 | 3 | 3 |
Hessen | 2 | 2 | 2 | 2 | 2 |
Thüringen1 | 7 | 2 | 2 | 2 | 2 |
Hamburg | 1 | 1 | 2 | 2 | 2 |
Mecklenburg-Schwerin | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 |
Oldenburg | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 |
Braunschweig | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 |
Anhalt | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 |
Bremen | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 |
Lippe | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 |
Lübeck | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 |
Mecklenburg-Strelitz | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 |
Waldeck2 | 1 | 1 | 1 | 1 | - |
Schaumburg-Lippe | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 |
insgesamt | 63 | 55 | 66 | 68 | 66 |
1 Thüringen 1919: Die für Thüringen vermeldeten Sitze verteilten sich auf die thüringischen Länder wie folgt: je ein Sitz für die Länder Reuß, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Weimar-Eisenach, Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen.
2 Am 1. April 1929 vereinigte sich der Freistaat Waldeck mit Preußen, seine Stimme fiel damit weg.
Organisation
Der Reichsrat trat wie zuvor der Bundesrat in einem von Paul Wallot eigens dafür vorgesehenen Saal des Reichstagsgebäudes zusammen.
Obwohl der Reichsrat neben dem Reichstag das zweite Gesetzgebungsorgan auf Reichsebene war, oblag seine Einberufung der Reichsregierung. Auch den Vorsitz des Reichsrates hatte jeweils ein Mitglied der Reichsregierung inne. Der Reichsrat teilte sich in Fachausschüsse, innerhalb derer die Mitglieder in ihrer Stimmenzahl gleichberechtigt waren. Innerhalb des Reichsrates durfte jedes Mitglied sowie die Mitglieder der Reichsregierung Anträge stellen. Über diese wurde mit einfacher (relativer) Mehrheit entschieden.
Rechte
Der Reichsrat hatte das Recht,
- die Einbringung eines Gesetzes zu verlangen, wobei die Reichsregierung hierzu Stellung nehmen durfte,
- sich von der Reichsregierung über laufende Regierungsgeschäfte unterrichten zu lassen,
- gegen vom Reichstag beschlossene Gesetze ein Veto einzulegen, das allerdings mit 2/3-Mehrheit des Reichstags überwunden werden konnte und
- im Falle einer durch den Reichstag beschlossenen Verfassungsänderung einen Volksentscheid herbeizuführen.
Anders als zum Beispiel der Bundesrat nach 1949 konnte der Reichsrat keine eigenen Gesetzesentwürfe einbringen.
Besonderheiten
Preußen durfte im Reichsrat nur vierzig Prozent der Mitglieder stellen, obwohl seine Einwohnerzahl allein einen Stimmenanteil von über sechzig Prozent gerechtfertigt hätte. Eine zusätzliche Schwächung der immer noch starken preußischen Position war die zwangsweise Zusammensetzung der preußischen Reichsratsmitglieder: Die Hälfte wurde nicht von der Staatsregierung, sondern von den Preußischen Provinzen entsandt. Auf diese Weise sollte ein zu starkes Einwirken der Staatsregierung verhindert und zugleich eine gewisse Fairness gegenüber den kleineren, stimmschwächeren Staaten erreicht werden.
Statt des preußischen Ministerpräsidenten (sofern Reichskanzler zugleich Vorsitzender des Bundesrates) bzw. des Kaisers war es jetzt die Reichsregierung, die einen direkten Einfluss auf den Reichsrat hatte. Aufgrund des offensichtlichen Einflusses der Reichsregierung in die rechtliche Vertretung der Länder spricht man auch vom Weimarer Scheinföderalismus.
Beurteilung
Insgesamt hatte der Reichsrat gegenüber seinem Vorgänger, dem Bundesrat, massiv an Bedeutung verloren. Obwohl er ein Mitsprache- und Vetorecht bei der Gesetzgebung hatte, konnte der Reichstag mit verfassungsändernder Mehrheit jeden Beschluss des Reichsrates überstimmen und war somit das eindeutig stärkere der beiden parlamentarischen Organe. Der Vorsitz durch die Reichsregierung beschnitt den Reichsrat ebenfalls in seinen Souveränitätsrechten, da er sich weder selbst einberufen (außer wenn 1/3 der Mitglieder das gegenüber der Reichsregierung forderten) noch selbst leiten konnte. Somit kann man den Reichsrat nicht als rein legislatives Organ bezeichnen, da die Gewalten der Exekutive und Legislative in ihm zusammenliefen.
Im Prinzip erfüllte der Reichsrat vor allem eine repräsentative Funktion, da er die Interessen der deutschen Länder gegenüber dem Reich vertrat und somit die Tradition des Föderalismus in Deutschland fortsetzte. Man kann sagen, dass diese Organisation nötig war, da einige der Länder (insbesondere Bayern) in der Weimarer Republik separatistische Tendenzen zeigten und der Reichsrat ihnen das Gefühl gab, eine Interessenvertretung gegenüber der Reichsregierung zu haben. Somit half der Reichsrat bei der Integration des deutschen Föderalismus in die Demokratie.
Verbleib des Reichsrates nach dem Untergang der Republik
Als die nationalsozialistische Reichsregierung durch das „Vorläufige Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ vom 31. März 1933 die Souveränität der Länder aufhob, wurde der Reichsrat bedeutungslos. Mit dem „Gesetz über den Neuaufbau des Reichs“ vom 30. Januar 1934 wurden die Landesparlamente abgeschafft. Der Reichsrat wurde am 14. Februar 1934 formal aufgelöst. Im zentralstaatlich organisierten „Dritten Reich“ gab es keinen Platz mehr für eine Länderkammer.
In der Bundesrepublik Deutschland übernimmt der Bundesrat die Funktion der Vertretung der Länder.
Literatur
- Joachim Lilla: Der Reichsrat - Vertretung der deutschen Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Reichs 1919-1934. Droste Verlag. 2006. ISBN 978-3-7700-5279-0.
Weblinks
- Joachim Lilla, Reichsrat, 1919–1934, in: Historisches Lexikon Bayerns
- Das Ende des Reichsrates, auf: Shoa.de
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Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Reichsrat (Deutschland) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |