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Remdesivir

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Strukturformel
Strukturformel von Remdesivir
Allgemeines
Freiname Remdesivir
Andere Namen
  • 2-Ethylbutyl-(2S)-2-{[(S)-{[(2R,3S,4R,5R)-5-(4-amino­pyrrolo[2,1-f][1,2,4]triazin-7-yl)-5-cyan-3,4-dihydroxy­tetrahydro-2-furanyl]methoxy}(phenoxy)phosphoryl]­amino}propanoat (IUPAC)
  • (2-Ethylbutyl)(N-{(S)-[2-C-(4-amino­pyrrolo[2,1-f][1,2,4]triazin-7-yl)-2,5-anhydro-D-altrononitril-6-O-yl]phenoxy­phosphoryl}-L-alaninat) (WHO)
  • GS-5734 (Gilead Sciences)
  • RDV
Summenformel C27H35N6O8P
CAS-Nummer 1809249-37-3
PubChem 121304016
DrugBank DB14761
Kurzbeschreibung

Weißer bis cremefarbener oder gelber, nicht hygroskopischer, kristalliner Feststoff[1]

Eigenschaften
Molare Masse 602,585 g·mol−1
pKs-Wert

3,3[1]

Löslichkeit

Leicht löslich in Methanol, löslich in Ethanol, praktisch unlöslich in Wasser[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [2]
08 – Gesundheitsgefährdend

Achtung

H- und P-Sätze H: 373
P: ?
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Remdesivir (Hersteller: Gilead Sciences) ist ein Arzneistoff, der seit Februar 2020 in der klinischen Erprobung zur Behandlung der durch das SARS-CoV-2 Virus ausgelösten Erkrankung COVID-19 ist. Nachdem der Einsatz zunächst in Compassionate-Use-Anwendungen erfolgte, bestehen inzwischen in den USA, Japan und in der EU Sonderzulassungen. Für diese Indikation wird es seit Mitte 2020 unter der Marke Veklury vertrieben.

Remdesivir ist seit Oktober 2020 die erste in den Vereinigten Staaten zugelassene reguläre Behandlung für COVID-19.[3]

Das Nukleosidanalogon wurde wegen seiner virostatischen Eigenschaften ursprünglich zum Einsatz gegen Ebolafieber und Marburgfieber entwickelt, erreichte dort aber nicht die Reife für den therapeutischen Einsatz. Während der Ebolafieber-Epidemie 2014 bis 2016 wurde dem Medikament zunächst in den USA[4] und Anfang 2016 in der EU[5] der Status eines Orphan-Arzneimittels („Arzneimittel für seltene Leiden“) zugewiesen.

Pharmakologie

Wirkungsspektrum

Die Substanz Remdesivir wurde von Gilead Sciences erstmals synthetisiert. Während der Ebolafieber-Epidemie 2014 bis 2016 erprobte Gilead die Substanz an Primaten in Labors der biologischen Schutzstufe IV des USAMRIID. Dabei fiel auf, dass der Wirkstoff in die der Virusreplikation als Rückzugsort dienenden Gewebe des Gehirns, Auges und Hodens vordringt. Bei klinischen Tests an mit dem Ebolavirus infizierten Affen wurde durch intravenöse Gabe des Wirkstoffs in sechs von sechs Fällen die Replikation des Virus unterdrückt. Laborchemische und klinische Krankheitszeichen gingen zurück und es kam zu keinem tödlichen Verlauf der Erkrankung.[6] Im Jahr 2019 folgte eine weitere Studie an Primaten. Der Wirkstoff verhinderte eine Infektion durch das Nipah-Virus, während die Tiere der Kontrollgruppe daran starben.[7] In Zellkulturen zeigte Remdesivir eine Aktivität gegen andere humanpathogene RNA-Viren. Darunter waren das Marburgvirus, Lassavirus, MERS-CoV, SARS-CoV, das Influenzavirus A,[6][8] Paramyxoviridae (wie Humanes Parainfluenzavirus 3, Nipah-Virus, Hendra-Virus, Masernvirus und Mumpsvirus) und Pneumoviridae (wie Respiratory-Syncytial-Virus[9]).[10] Daneben wirkt es gegen das Murine Hepatitis-Virus (MHV), das Mäuse infiziert.[8] Ebenso konnte eine Hemmung der Virusreplikation von SARS-CoV-2 in Zellkulturen nachgewiesen werden.[11]

Wirkmechanismus

Remdesivir ist ein 1′-Cyano 4-aza-7,9-didesazaadenosin-C-Analogon des Adenosins.[12][8] Es ist ein Monophosphoramidat-Prodrug („ProTide“), das vom Stoffwechsel in die aktive Form GS-441524 überführt wird.[8] GS-441524 hemmt die virale RNA-Polymerase und verhindert durch Kettenabbruch bei der RNA-Replikation die weitere Vermehrung des Virus in den infizierten Zellen.[6][9] Die EC50 von Remdesivir liegt bei 0,03 μM für das murine Hepatitis-Virus (MHV) in Zellkultur von DBT-Zellen.[8]

Chemie

Eigenschaften

Remdesivir hat sechs chirale Zentren. Es wird als einzelnes Stereoisomer hergestellt. Bei der von Gilead angewendeten Synthese sind zwei Stereoisomere als potentielle Verunreinigungen möglich. Die Wasserlöslichkeit der Substanz ist pH-abhängig. Sie steigt mit abnehmendem pH-Wert an. In reinem Wasser ist sie praktisch unlöslich, in mit Salzsäure auf pH 2 eingestelltem Wasser ist sie sehr schwer löslich. Wegen der äußerst schlechten Wasserlöslichkeit wird Remdesivir für die medizinische Anwendung mit einem Lösungsvermittler wie etwa Sulfobutylbetadex-Natrium (SBECD-Natrium,[1] Hexakis- und Heptakis-O-(4-sulfobutyl)cyclomaltoheptaose-Natriumsalz) versetzt.

Synthese

Die Synthese wird in der Literatur beschrieben:[13] Remdesivir entsteht in einem mehrstufigen Prozess, dessen wesentliche Prozessschritte die Glykosylierung der 4-Amino-pyrrolo[2,1-f][1,2,4]triazin-Base, die Einführung der Cyanogruppe durch stereoselektive Addition an die 1'-Position des entstandenen Ribosids, die Entfernung von Schutzgruppen und eine Kupplungsreaktion sind. Es gibt verschiedene Prozessvarianten,[13][1]. Das ursprüngliche Schema war aufgrund der Variabilität der Ausbeute, der unzureichenden Selektivität, häufig kryogener Reaktionstemperaturen und der Notwendigkeit der chromatographischen Abtrennung des Remdesivirs vom mitentstehenden Diastereomer für eine Großproduktion ungeeignet. Ein abgewandeltes Syntheseschema ermöglicht die diastereoselektive Synthese von Remdesivir und eine gleichbleibende und vergleichsweise deutlich höhere Ausbeute.[13]

Analytik

Die qualitative und quantitative Bestimmung von Remdesivir gelingt nach angemessener Probenvorbereitung durch Kopplung der HPLC mit der Massenspektrometrie.[14][15]

Therapeutischer Einsatz

Ebolafieber

2016 wurde eine schottische Pflegekraft, die sich in Westafrika mit dem Ebolavirus infiziert hatte, mit Remdesivir erfolgreich behandelt. Nach neun Monaten hatte sie einen Rückfall mit erneuter Virusreplikation, der sich klinisch als Meningoenzephalitis äußerte. Das nur in zwei nicht-codierenden Basenpaaren mutierte Virus konnte erneut erfolgreich mit der Substanz und Kortikosteroiden behandelt werden.[16]

In einer randomisiert-kontrollierten Studie, die während eines Ebolaausbruchs in der Demokratischen Republik Kongo zwischen November 2018 und August 2019 stattfand, zeigte sich eine Kombination aus ZMapp und Remdesivir gegenüber der Kombination der Antikörper MAb114 und REGN-EB3 deutlich unterlegen. In der ZMapp/Remdesivir-Gruppe starb rund die Hälfte der Patienten, in der Gruppe mit den beiden Antikörpern rund ein Drittel. Daher führte man aus ethischen Gründen die Studie nur mit den beiden Antikörpern weiter.[17]

COVID-19

Out of date clock icon.svg Dieser Abschnitt beschreibt ein aktuelles Ereignis. Die Informationen können sich deshalb rasch ändern.

In einer Expertenbefragung der WHO wurde Remdesivir Ende Januar 2020 als aussichtsreichste Therapiemöglichkeit genannt.[18] Eine Forschergruppe stufte Remdesivir in In-vitro-Tests Anfang Februar als hoch antiviral wirksam ein.[19] Laut einer Ende März vorgelegten Veröffentlichung hemmt Remdesivir an Insekten nicht nur die Polymerasen von SARS-CoV und MERS-CoV, sondern auch die von SARS-CoV-2 („neues Coronavirus“) effektiv.[20] In einer im April 2020 vorgelegten Vergleichsstudie an 2x6 Rhesusaffen war die mit Remdesivir behandelte Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe weniger von Kurzatmigkeit betroffen, zeigte eine geringere Lungeninfiltration, eine signifikant niedrigere Virusmenge und geringere Lungenschäden. In allen zwölf Tieren wurden nach einer Woche, unabhängig von der Behandlung, virale Antigene nachgewiesen.[21]

Klinische Prüfungen

Die chinesische Behörde National Medical Products Administration ließ Remdesivir im Februar 2020 für die Erprobung an 761 am neuen Coronavirus SARS-CoV-2 erkrankte Patienten zu. Die randomisiert-kontrollierte klinische Studie bewertete schwer erkrankte, eine weitere mild bis moderat erkrankte Patienten.[22][23] Aufgrund fehlender neuer Fälle wurde die Studie mit schwer erkrankten Patienten mit 237 teilnehmenden Patienten am 10. April beendet.[24] Zwei Drittel erhielten Remdesivir über zehn Tage, ein Drittel ein Placebo. Bewertet wurde der klinische Zustand nach bis zu 28 Tagen. Die mit Remdesivir behandelte Gruppe erholte sich etwas schneller, doch war der Effekt bei gleicher Mortalität nicht signifikant.[25] Die Teilstudie mit letztlich 308 moderat erkrankten Patienten wurde unterbrochen; Ergebnisse wurden für den 27. April 2020 erwartet.[26]

Remdesivir ist Teil der im März 2020 begonnenen „Solidarity“-Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO), in deren Rahmen auch Chloroquin/Hydroxychloroquin, Lopinavir/Ritonavir (teils in Kombination mit Beta-Interferon) getestet werden.[27] Laut im Oktober 2020 vorgelegten Zwischenergebnissen konnte keine oder allenfalls geringfügige Heilwirkungen durch Remdesivir nachgewiesen werden.[28][29] In die Studie wurden bis dahin 11.266 Erwachsene in 30 Staaten eingeschlossen, wovon 2750 Patienten Remdesivir erhalten hatten.[28][30] Gilead kritisierte die Veröffentlichung der noch nicht einem Peer-Review unterzogenen Ergebnisse, zumal unklar sei, ob das Studiendesign belastbare Ergebnisse erlaube.[31]

In der SIMPLE-Studie verglich Gilead Sciences fünf- und zehntägige Behandlungen zweier Phase-III-Studien.[32][33] Die Food and Drug Administration (FDA) genehmigte dies Ende Februar im Schnellverfahren. Diese multizentrischen Studien laufen an etwa 1000 Patienten vor allem in Asien. Jeweils der Hälfte von etwa 400 schwer sowie etwa 600 moderat erkrankten Erwachsenen sollen Remdesivir über fünf oder zehn Tage intravenös verabreicht werden. In einer Gruppe von etwa 400 schwer Erkrankten sollten alle Remdesivir ergänzend zur bisherigen Standardbehandlung erhalten. In der Gruppe moderat Erkrankter erhält je ein Drittel Remdesivir über fünf bzw. zehn Tage als Ergänzung zur Standardbehandlung, ein Drittel nur die Standardbehandlung. In beiden Gruppen werden Verträglichkeit und Wirkung 14 Tage nach der ersten Verabreichung bewertet.[34] Bis Mitte April wurden 2400 schwer Erkrankte an 152 Orten in die Studie aufgenommen, die Gruppe der moderat Erkrankten umfasste 1600 Patienten an 169 Einrichtungen weltweit.[35] Stand Mitte April ist eine Erweiterung auf 6000 bzw. 1600 Erkrankte vorgesehen.[36][37] Gilead veröffentlichte am 29. April 2020 erste Ergebnisse aus der Gruppe schwer Erkrankter und kündigte eine peer-reviewte Publikation an.[38] Der Hersteller erwartete Ergebnisse aus der Studie mit moderat erkrankten Patienten im Mai 2020.[32]

Ergebnisse einer vom US-amerikanischen National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) koordinierten, Placebo-kontrollierten Studie wurden Ende April vorgelegt.[33] Die Studie hatte zu diesem Zeitpunkt laut Angaben von Gilead ihren primären Endpunkt erreicht.[39] Am 29. April 2020 veröffentlichte das NIAID eine Pressemitteilung über vorläufige Ergebnisse der ACTT-Studie.[40] Am 8. Oktober 2020 erschienen die Endergebnisse der Studie an 1062 überwiegend schwer erkrankten Patienten. 541 erhielten Remdesivir und 521 ein Placebo.[41] In der Remdesivir-Gruppe erholte man sich um rund 29 % schneller als in der Placebo-Gruppe. Die mediane Erholungszeit betrug 10 Tage in der Remdesivir-Gruppe gegenüber 15 in der Placebo-Gruppe. In den 15 Tagen ab Behandlungsbeginn starben 6,7 % der Patienten mit Remdesivir und 11,9 % in der Kontrollgruppe.[41]

Remdesivir ist Teil der "Discovery"-Großstudie, die ab Ende März 2020 Remdesivir, Hydroxychloroquin und Lopinavir/Ritonavir mit der bisherigen Behandlung an mehr als 3000 Covid-19-Patienten in acht Ländern Europas vergleicht.[27]

Remdesivir soll nicht zugleich mit Chloroquin bzw. Hydroxychloroquin angewendet werden, da In-vitro-Untersuchungen antagonistische Effekte von Chloroquin auf die intrazelluläre Stoffwechselaktivierung und antivirale Aktivitäten von Remdesivir ergaben.[42]

In Deutschland genehmigte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) am 10. März 2020 zwei Phase-III-Prüfungen mit Remdesivir als Prüfpräparat an Patienten mit schwerer bzw. mittelschwerer COVID-19-Erkrankung.[43] In Deutschland sind daran acht klinische Zentren beteiligt, darunter die München Klinik Schwabing, das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und das Universitätsklinikum Düsseldorf.[44][45] Bis 10. April hatte das BfArM drei klinische Prüfungen genehmigt. Alle drei schließen moderat bis schwer erkrankte und stationär behandelte Patienten ein.[43] Daneben soll Mitte April die Durchführung einer Studie der Weltgesundheitsorganisation in Deutschland durch das BfArM genehmigt werden, um die Wirksamkeit von Remdesivir mit Hydroxychloroquin zu vergleichen.[44]

Das Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten macht im Rahmen einer Studie Remdesivir Soldaten und zivilen Mitarbeitern zugänglich.[46][47]

Anfang Juli 2020 informierte Gilead über die Einleitung einer Phase-1-Studie mit einer inhalativen Darreichungsform an etwa 60 gesunden Freiwilligen.[48] Die FDA hatte die Studie im Juni genehmigt. Man erhofft sich größeren Nutzen von Remdesivir bei einer Anwendung im Frühstadium einer Covid-19-Erkrankung, wenn Patienten noch nicht hospitalisiert sind. Die inhalative Gabe ist ambulant möglich.[49]

Gilead gab im Juli 2020 bekannt, dass Remdesivir in retrospektiven Kohortenstudien auch die Sterblichkeit (Mortalität) senke.[50][51]

Individuelle Heilversuche

Abseits klinischer Studien stellt der Hersteller, Gilead Sciences, Remdesivir seit dem 25. Januar[52] für geeignete Covid-19-Patienten auf Compassionate-Use-Basis als Notfallbehandlung bereit.[34] Der Wirkstoff wird dabei für einen bestimmten Patienten für eine zehntägige Behandlung freigegeben.[53][52] Am 22. März 2020 gab das Unternehmen bekannt, angesichts der vielen Einzelfallanfragen auf ein breiteres Programm („expanded access“) umstellen zu wollen, um den Zugang zu Remdesivir zu erleichtern.[54] Damit sollen medizinische Einrichtungen und behandelnde Ärzte Remdesivir für mehrere Patienten gleichzeitig beantragen können.[55] Am 23. März gewährte die FDA in den USA den Status eines Orphan-Arzneimittels, der seltenen Krankheiten vorbehalten ist.[56] Nach öffentlichen Gegenreaktionen bat Gilead kurz darauf die FDA, diesen Status wieder zurückzunehmen.[57] Am 27. März gingen mehrere „expanded access“-Standorte in den Vereinigten Staaten in Betrieb, weitere sollen folgen.[55] Neue Compassionate-Use-Anträge dürfen vorübergehend nur noch für schwere Covid-19-Fälle bei Minderjährigen und Schwangeren gestellt werden.[54] Bis Anfang April gab der Hersteller Remdesivir für über 1.700 Patienten auf Compassionate-Use-Basis ab.[58] Das deutsche BfArM genehmigte ein entsprechendes Härtefallprogramm für Remdesivir mit Wirkung ab 3. April 2020 für ein Jahr.[59]

Am 3. April gab die Europäische Arzneimittel-Agentur Empfehlungen für Kriterien und Randbedingungen von Compassionate-Use-Programme in den Mitgliedsstaaten heraus.[60] Sie empfiehlt darin die Anwendung bei beatmungspflichtigen Patienten mit noch ausreichender Nierenfunktion und weiteren Kriterien.[61] Am 11. Mai erweiterte die EMA die Genehmigung auf hospitalisierte Patienten, die u. a. lediglich zusätzlichen Sauerstoff, eine nichtinvasive Beatmung oder ECMO erhalten.[62]

Das Fachjournal New England Journal of Medicine veröffentlichte am 10. April 2020 erste Erfahrungen zum Compassionate use. Von 61 behandelten Patienten zeigten im Beobachtungszeitraum 36 Patienten verbesserte Sauerstoffwerte, 25 wurden entlassen und sieben starben. Acht Patienten fielen aus anderen Gründen aus der Studie. Von 30 Patienten mit mechanischer Beatmung befanden sich noch 13 zum Ende der Studie weiter an der Beatmung.[52] Die Aussagekraft ist wegen der kleinen Patientenzahl, des Fehlens einer Kontrollgruppe und der Hersteller-Beteiligung umstritten.[63]

Bei US-Präsident Donald Trump wurde Anfang Oktober 2020 eine Remdesivir-Behandlung begonnen, obwohl keine Sauerstoffgabe erforderlich gewesen sei.[64]

Zulassungen

Die US-amerikanische FDA ließ Remdesivir am 1. Mai 2020 für den Notfallgebrauch zu.[65] Die Notfallgebrauchszulassung (EUA) umfasste Kinder und Erwachsene, die an COVID-19 leiden, im Krankenhaus behandelt werden und eine schwere Verlaufsform aufweisen; dies war definiert als dass die Sauerstoffsättigung unter Raumluft weniger als 95 % beträgt oder eine Sauerstoffgabe erforderlich ist oder eine künstliche Beatmung oder eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) notwendig ist.[42] Die unter die EUA fallende Verteilung in den Vereinigten Staaten erfolgt unter Kontrolle der US-Regierung.[66] Am 28. August 2020 wurde die Indikation für die erteilte EUA erweitert auf alle hospitalisierten Patienten mit Covid-19,[67] am 22. Oktober 2020 erfolgte die reguläre Zulassung für mindestens 12 Jahre alte Patienten ab 40 Kilogramm. Um auch pädiatrische Patienten weiterhin behandeln zu können, hat die FDA die bisherige Notfallgebrauchszulassung überarbeitet. Sie gilt nun für Patienten unter 12 Jahren mit 3,5 bis unter 40 Kilogramm.[3]

Am 7. Mai 2020 erteilte das japanische Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales eine Schnellzulassung für das Veklury genannte Arzneimittel.[68][69] Das südkoreanische Ministerium für Ernährung und Arzneimittelsicherheit ließ Remdesivir im Juni 2020 zu.[70]

Am 3. Juli 2020 beschied die Europäische Kommission für die Mitgliedstaaten die bedingte Zulassung von Remdesivir zur Behandlung von COVID-19 bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren mit Lungenentzündung, die zusätzlichen Sauerstoff benötigen,[71] die die Europäische Arzneimittelagentur im Juni empfohlen hatte.[72] Anfang Juni war der Zulassungsantrag eingegangen,[73] die Beurteilung des Präparates hatte jedoch bereits Ende April 2020 als Rolling review („fortlaufende Überprüfung“) begonnen.

Laut Herstellerangaben war Remdesivir Mitte Oktober 2020 in etwa 50 Staaten vorläufig zur Behandlung von COVID-19 zugelassen.[31] Ende Oktober teilte der mexikanische Unterstaatssekretär Hugo López-Gatell mit, dass man der Entscheidung der FDA nicht folge. Die mexikanische Zulassungsbehörde Cofepris habe zwei Genehmigungsanträge für Remdesivir mangels Wirkung abgelehnt. Da Gilead Briefe an mexikanische Mediziner sandte, in denen Gilead den Ergebnissen der Solidarity-Studie widersprach, prüfe man, ob die Schreiben zu einem nicht zugelassenen Medikament Anlass für Sanktionen sei.[74]

Remdesivir gibt es als Konzentrat und als Lyophilisat zur Herstellung einer Lösung für die intravenöse Gabe.[75]

Verwendung im Zusammenhang mit Impfstoffbelastungsstudien

In Großbritannien sind ab Anfang 2021 Impfstoffstudien geplant, bei denen man Freiwillige mit SARS-CoV-2-Viren infiziert. Die Probanden sollen direkt nach der Infektion mit Remdesivir behandelt werden.[76]

Nebenwirkungen

Als häufigste Nebenwirkungen bei gesunden Probanden traten erhöhte Werte für Leberenzyme (ALT, AST) auf, die bei 14 % beobachtet wurden. Die häufigste Nebenwirkung bei COVID-19-Patienten ist Übelkeit. Ferner können häufig Hautausschläge und Kopfschmerzen auftreten.[77]

Die EMA gab Anfang Oktober 2020 bekannt, Hinweisen über akute Nierenschäden bei mit Remdesivir behandelten Patienten nachzugehen.[78]

Produktion und Verfügbarkeit

Laut Hersteller waren im April 2020 1,5 Millionen Dosen Remdesivir verfügbar oder kurz vor Fertigstellung.[58][33] Soweit erforderlich könnten 2021 mehrere Millionen Patienten behandelt werden.[79] Da laut Herstellerangaben von Ende April eine fünftägige Behandlung ausreichend sei, könnten mehr Patienten behandelt werden.[33]

Die Produktion von Remdesivir nahm laut Herstellerangaben anfangs neun bis zwölf Monate in Anspruch. Später wurde sie auf etwa sechs Monate verkürzt.[79] Weitere Optimierungen seien in Arbeit.[58] Geprüft würden veränderte Rezepturen, Verabreichungsformen und Kombinationstherapien.[33]

Gilead Sciences investierte im Jahre 2020 mehr als eine Milliarde US-Dollar in die Remdesivir-Produktion.[80] Laut Unternehmensaussage von Anfang August 2020 umfasse das Produktionsnetzwerk mehr als 40 Unternehmen in Nordamerika, Europa und Asien. Gegenüber Januar 2020 wurde die Produktion verfünfzigfacht. Bis Ende 2020 sollen Dosen für mehr als zwei Millionen Behandlungen produziert werden.[81] Der britische Pharmakologe Andrew Hill schätzte im April 2020 die minimalen Produktionskosten einer Tagesdosis auf 0,93 US-Dollar[82] bzw. 93 Cent[83]

Das Unternehmen gab im Mai seinen Vorrat an Remdesivir unentgeltlich ab, wobei etwa 40 Prozent (Dosen zur Behandlung von 78.000 Patienten) an die Vereinigten Staaten ging.[84] Das Unternehmen erwägt nach eigenen Angaben, kostenlose Lizenzen zur Produktion von Remdesivir für den Zeitraum bis mindestens 2022 zu erteilen, einschließlich des notwendigen Technologietransfers. Über diesen Zeitraum hinaus sollen indische und pakistanische Generikahersteller Remdesivir zum Einsatz in Entwicklungsländern produzieren.[85] Bis August 2020 hatte das Unternehmen neun Generikaherstellern die Produktion von Remdesivir erlaubt, um 127 Entwicklungs- und Schwellenländer zu versorgen.[81] Die EU-Kommission schloss im Juli 2020 einen Rahmenvertrag zur Bereitstellung von Remdesivir zur Behandlung von 30.000 Patienten. Im Oktober folgte eine Reservierung über 500.000 Dosen, auf deren Grundlage Mitgliedsstaaten bestellen könnten. Die EU-Kommission plane den Abschluss weiterer Verträge über gemeinsame Bezugsrechte mit Gilead.[86]

Therapiekosten

Am 30. Juni 2020 nannte Gilead Sciences einen Verkaufspreis von 390 US-Dollar pro Ampulle für eine fünftägige Behandlung schwer an COVID-19 Erkrankter in den USA[87] – mit 2340 Dollar (umgerechnet etwa 2000 Euro).[88] Dieser Nettopreis sei auch für Deutschland geplant.[89] Für privat Versicherte liegt der Preis in den USA bei 3120 US-Dollar. Für bedürftigere Länder ist eine preisgünstigere Variante geplant.[88] Lizenzen erhielten neun Generika-Hersteller in Indien, Pakistan und Ägypten, die den Verkaufspreis selbst festlegen können. Die Lizenzen sind kostenlos, bis die WHO das Ende der Pandemie erklärt oder alternativ ein anderes Arzneimittel zur Behandlung von oder Vorbeugung gegen COVID-19 eine Zulassung erhält.[89][90]

Kombination mit Baricitinib

Im NEJM beschrieb ein Artikel eine Kombinationstherapie von Baricitinib plus Remdesivir für Erwachsene im Krankenhaus mit Covid-19. Die Kombination war Remdesivir allein überlegen, da es die Erholungszeit verkürzte und die Verbesserung des klinischen Status bei Patienten beschleunigte, besonders bei Patienten, die Sauerstoff mit hohem Durchfluss oder eine nichtinvasive Beatmung erhielten. Die Kombination war mit weniger schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen verbunden.[91]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Assessment report Veklury, Europäische Arzneimittelagentur, 25. Juni 2020 (PDF).
  2. Vorlage:CL Inventory/nicht harmonisiertFür diesen Stoff liegt noch keine harmonisierte Einstufung vor. Wiedergegeben ist eine von einer Selbsteinstufung durch Inverkehrbringer abgeleitete Kennzeichnung von 2-Ethylbutyl-(2S)-2-{[(S)-{[(2R,3S,4R,5R)-5-(4-amino­pyrrolo[2,1-f[1,2,4]triazin-7-yl)-5-cyan-3,4-dihydroxy­tetrahydro-2-furanyl]methoxy}(phenoxy)phosphoryl]­amino}propanoat] im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA)
  3. 3,0 3,1 FDA Approves First Treatment for COVID-19. In: fda.gov. Food and Drug Administration, 22. Oktober 2020, abgerufen am 22. Oktober 2020 (english).
  4. Orphan Drug Designations and Approvals Database. Auf: accessdata.fda.gov; abgerufen am 6. Oktober 2020.
  5. EU/3/16/1615. European Medicines Agency, 7. April 2016, abgerufen am 5. Oktober 2020.
  6. 6,0 6,1 6,2 Travis K. Warren et al.: Therapeutic efficacy of the small molecule GS-5734 against Ebola virus in rhesus monkeys. In: Nature. Band 531, Nr. 7594, 2016, S. 381–385; doi:10.1038/nature17180.
  7. Michael K. Lo et al.: Remdesivir (GS-5734) protects African green monkeys from Nipah virus challenge. In: Science Translational Medicine. Band 11, Nr. 494, 29. Mai 2019, Artikel eaau9242; doi:10.1126/scitranslmed.aau9242.
  8. 8,0 8,1 8,2 8,3 8,4 M. L. Agostini, E. L. Andres, A. C. Sims u.a.: Coronavirus Susceptibility to the Antiviral Remdesivir (GS-5734) Is Mediated by the Viral Polymerase and the Proofreading Exoribonuclease. In: mBio. Band 9, Nummer 2, 03 2018, S. , doi:10.1128/mBio.00221-18, PMID 29511076, PMC 5844999 (freier Volltext).
  9. 9,0 9,1 E. P. Tchesnokov, J. Y. Feng, D. P. Porter, M. Götte: Mechanism of Inhibition of Ebola Virus RNA-Dependent RNA Polymerase by Remdesivir. In: Viruses. Band 11, Nummer 4, April 2019, S. , doi:10.3390/v11040326, PMID 30987343, PMC 6520719 (freier Volltext).
  10. M. K. Lo, R. Jordan, A. Arvey, J. Sudhamsu: GS-5734 and its parent nucleoside analog inhibit Filo-, Pneumo-, and Paramyxoviruses. In: Scientific Reports. Band 7, März 2017, S. 43395, doi:10.1038/srep43395, PMID 28262699, PMC 5338263 (freier Volltext).
  11. M. Wang, R. Cao, L. Zhang, X. Yang, J. Liu, M. Xu, Z. Shi, Z. Hu, W. Zhong, G. Xiao: Remdesivir and chloroquine effectively inhibit the recently emerged novel coronavirus (2019-nCoV) in vitro. In: Cell research. Band 30, Nummer 3, März 2020, S. 269–271, doi:10.1038/s41422-020-0282-0, PMID 32020029, PMC 7054408 (freier Volltext).
  12. E. De Clercq: New Nucleoside Analogues for the Treatment of Hemorrhagic Fever Virus Infections. In: Chemistry, an Asian Journal. Band 14, Nummer 22, November 2019, S. 3962–3968, doi:10.1002/asia.201900841, PMID 31389664.
  13. 13,0 13,1 13,2 D. Siegel et al.: Discovery and Synthesis of a Phosphoramidate Prodrug of a Pyrrolo[2,1-f][triazin-4-amino] Adenine C-Nucleoside (GS-5734) for the Treatment of Ebola and Emerging Viruses. In: Journal of Medicinal Chemistry. Band 60, 2017, S. 1648–1661, doi:10.1021/acs.jmedchem.6b01594.
  14. J. C. Alvarez, P. Moine, I. Etting, D. Annane, I. A. Larabi: Quantification of plasma remdesivir and its metabolite GS-441524 using liquid chromatography coupled to tandem mass spectrometry. Application to a Covid-19 treated patient. In: Clinical Chemistry and Laboratory Medicine. Band 58, Nr. 9, Juni 2020, S. 1461-1468, doi:10.1515/cclm-2020-0612, PMID 32573468.
  15. V. Avataneo, A. de Nicolò, J. Cusato u.a.: Development and validation of a UHPLC-MS/MS method for quantification of the prodrug remdesivir and its metabolite GS-441524: a tool for clinical pharmacokinetics of SARS-CoV-2/COVID-19 and Ebola virus disease. In: Journal of Antimicrobial Chemotherapy. Band 75, Nr. 7, 1. Juli 2020, S. 1772-1777, PMID 32361744.
  16. Michael Jacobs et al.: “Late Ebola virus relapse causing meningoencephalitis: a case report.” The Lancet (London, England) Band 388,10043 (2016): S. 498–503; doi:10.1016/S0140-6736(16)30386-5.
  17. Sabue Mulangu: A Randomized, Controlled Trial of Ebola Virus Disease Therapeutics. In: New England Journal of Medicine. (NEJM) Band 381, 12. Dezember 2019, S. 2293–2303; doi:10.1056/NEJMoa1910993.
  18. WHO R&D Blueprint. (PDF) Informal consultation on prioritization of candidate therapeutic agents for use in novel coronavirus 2019 infection. Weltgesundheitsorganisation, 27. Januar 2020, S. 9, abgerufen am 26. März 2020 (english, Entwurfsfassung).
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