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Rupert Neudeck
Rupert Neudeck (* 14. Mai 1939 in Danzig, † 31. Mai 2016[1]) war ein deutscher Journalist, Mitgründer der Organisation Cap Anamur/Deutsche Not-Ärzte und Vorsitzender des Friedenskorps Grünhelme e. V. Weltweit bekannt wurde Neudeck 1979 durch die Rettung tausender vietnamesischer Flüchtlinge (sogenannter „boat people“) im Chinesischen Meer mit der Cap Anamur.
Leben und Werk
Als Kind musste Neudeck Ende Januar 1945 mit seiner Mutter, seinen drei Brüdern und seiner Schwester aus Danzig-Langfuhr fliehen. Die Flucht sollte mit der Wilhelm Gustloff erfolgen, die die Familie aber am Hafen verfehlte, was ihr das Leben rettete.[2] Seine Kindheit verlebte Neudeck in der westfälischen Stadt Hagen und legte im Jahr 1958 am dortigen Fichte-Gymnasium sein Abitur ab, an dem sein Vater Edmund gleichzeitig als Mathematik- und Physiklehrer tätig war.[3]
Nach seinem Abitur studierte er Philosophie, Germanistik, Soziologie und Katholische Theologie. 1961 brach er das Studium ab und trat dem Jesuitenorden bei. Nach dem Austritt aus dem Orden nahm er das Studium wieder auf und schloss es 1970 ab. 1972 wurde er an der Universität Münster mit der Arbeit „Politische Ethik bei Jean-Paul Sartre und Albert Camus“ zum Doktor der Philosophie promoviert.
In den Jahren 1969–1971 war er als studentischer Redakteur beim Semesterspiegel tätig. 1971 begann Neudeck als hauptberuflicher Journalist bei der katholischen Funk-Korrespondenz in Köln, 1976 wechselte er dann in den Freien Journalismus. 1977 wurde er Redakteur beim Deutschlandfunk, Abteilung Politisches Feature.[4]
Anlässlich der großen Not vietnamesischer Flüchtlinge im Südchinesischen Meer gründete er mit Unterstützung des Schriftstellers Heinrich Böll 1979 das Komitee Ein Schiff für Vietnam. 1982 wurde daraus die Hilfsorganisation Komitee Cap Anamur / Deutsche Notärzte e. V. Namensgeber war der Frachter Cap Anamur, mit dem die Besatzung um Rupert Neudeck insgesamt 10.375 vietnamesische Flüchtlinge, die sogenannten „boat people“, aufnahm und nach Deutschland brachte. Es folgten zahlreiche weitere Hilfseinsätze mit der Cap Anamur.
„Ich möchte nie mehr feige sein. Cap Anamur ist das schönste Ergebnis des deutschen Verlangens, niemals wieder feige, sondern immer mutig zu sein.“
Bis 1998 gehörte er dem Vorstand des Komitees Cap Anamur an, danach wurde er Sprecher der Hilfsorganisation. Im April 2003 wurde er zum Mitbegründer und Vorsitzenden des internationalen Friedenskorps Grünhelme e.V.[4]
Seit 2002 reiste Neudeck mehrmals nach Israel und in die palästinensischen Autonomiegebiete, um sich, wie er mitteilte, über die israelischen Sperranlagen und die Lage der Palästinenser vor Ort kundig zu machen. Mit der daraus erwachsenen Veröffentlichung Ich will nicht mehr schweigen. Recht und Gerechtigkeit in Palästina wollte er nach eigenem Bekunden gegen die von ihm angeklagten israelischen Menschenrechtsverletzungen, eine neue „Apartheid“ und das „Monstrum Mauer“ protestieren und lehnte mit Warnungen vor einer „Freundschaftsfalle Israel“ auch die bisherige militärische Unterstützung Israels durch die Bundesrepublik ab. Dies stieß auf teils deutliche Kritik.[5]
Im Juni 2010 kritisierte Neudeck das Vorgehen Israels bezüglich des Erteilens von Baugenehmigungen und Hauszerstörungen im Westjordanland. Anlass war der Abrissbescheid eines von der Organisation Grünhelme gebauten und in Deutschland bekannt gewordenen Berufsausbildungszentrums zwischen Bethlehem und Hebron. Laut Neudeck ist es für Palästinenser in diesem Gebiet (Zone C, die ca. 60 % des Westjordanlandes umfasst) in der Regel nicht möglich, eine Baugenehmigung zu erhalten, während sich die jüdischen Siedlungen rund um das betreffende Gelände weiter ausbreiteten.[6]
Rupert Neudeck war offizieller Unterstützer der Demonstration Freiheit statt Angst.[7]
Neudeck starb am 31. Mai 2016 an den Folgen einer Herzoperation.[8]
Privates
Seit 1970 war er mit Christel Neudeck verheiratet, die ihn bei seiner Arbeit erheblich unterstützte. Das Ehepaar hatte zwei Töchter und einen Sohn.[9] Er lebte in Troisdorf in Nordrhein-Westfalen. Dort steht an einer Straßenecke in Troisdorf-Mitte ein Original-Boot, aus dem er 1982 vietnamesische Flüchtlinge rettete.
Ehrungen und Auszeichnungen
- 1978 – Cavaliere-Orden der Republik Somalia
- 1985 – Theodor-Heuss-Medaille
- 1991 – Bruno-Kreisky-Preis für Verdienste um die Menschenrechte
- 1998 – Erich-Kästner-Preis des Presseclubs Dresden e.V.
- 1999 – Frankfurter Walter-Dirks-Preis
- 2003 – Marion Dönhoff Preis
- 2005 – Ehrendoktorwürde der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
- 2006 – Europäischer Sozialpreis
- 2007 – Steiger Award in Bochum
- 2007 – Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen
- 2011 – Ehrendoktorwürde der Universität Prizren
- 2012 – Ritter der Ehrenlegion[10]
- 2014 – Deutschlands Bürger des Jahres vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger[11]
- 2014 – Internationaler Menschenrechtspreis, Dr. Rainer Hildebrandt-Medaille
- 2015 – Bürgerpreis der deutschen Zeitungen[12]
- 2016 – Erich-Fromm-Preis an das Ehepaar Neudeck
- 2016 – „Den Bornheimer“ der Europaschule Bornheim
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Die politische Ethik bei Jean-Paul Sartre und Albert Camus. Bouvier, Bonn 1975, ISBN 3-416-01008-6.
- Das Jahrhundert der Flüchtlinge. EinSchiff für Vietnam. Ärzte für Kambodscha. Not-Ärzte für Afghanistan. Not-Ärzte für Somalia. Deutsches Komitee Not-Ärzte, Troisdorf 1980, ISBN 3-9800438-0-0.
- Karlheinz Böhm: Nagaya. Ein neues Dorf in Äthiopien. Gespräche mit Rupert Neudeck. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1983, ISBN 3-498-00483-2.
- Die letzte Fahrt der Cap Anamur I. Rettungsaktionen 1979 bis 1982. Herder, Freiburg im Breisgau 1983, ISBN 3-451-08058-3.
- Afrika, Kontinent ohne Hoffnung? Unsere Hilfe hilft! Lübbe, Bergisch Gladbach 1985, ISBN 3-404-60132-7.
- Sorgenkind Entwicklungshilfe. Lübbe, Bergisch Gladbach 1987, ISBN 3-404-60183-1.
- Humanitäre Radikalität. Komitee Cap Anamur/Dt. Not-Ärzte e.V. Komitee Cap Anamur/Deutsche Not-Ärzte, Troisdorf 1988, ISBN 3-9800438-1-9.
- Afghanistan. Politische Expeditionen. Mit einem Überblick zur Geschichte Afghanistans. Hammer, Wuppertal 1988, ISBN 3-87294-363-4.
- Verjagt und vernichtet. Kurden kämpfen um ihr Leben. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1992, ISBN 3-499-20653-6.
- Das Versagen des Humanismus. Unkonventionelle Hilfsmassnahmen für die Dritte Welt. Beltz, Weinheim 1992, ISBN 3-407-30562-1.
- mit Michael Albus, Peter Härtling: Treibsand. Menschen auf der Flucht. Patmos, Düsseldorf 1992, ISBN 3-491-72261-6.
- Asyl. Warum das Boot nicht voll ist. Patmos, Düsseldorf 1993, ISBN 3-491-72275-6.
- Abenteuer Humanität. Mit der „Cap Anamur“ unterwegs. Vier-Türme-Verlag, Münsterschwarzach 1998, ISBN 3-87868-129-1.
- mit Lukas Ruegenberg: Janusz Korczak. Der König der Kinder. Butzon und Bercker, Kevelaer 2000, ISBN 3-7666-0296-9.
- Reise an’s Ende der legalen Welt. Die Nuba-Berge des südlichen Sudan. Lit, Münster 2001, ISBN 3-8258-5602-X.
- Die Menschenretter von Cap Anamur. Beck, München 2002, ISBN 3-406-48879-X.
- Jenseits von Kabul. Unterwegs in Afghanistan. Beck, München 2003, ISBN 3-406-50952-5.
- mit Norbert Blüm, Heiner Geißler: Nach dem Krieg. Vor dem Frieden. Wie es weitergehen kann. Herder, Freiburg im Breisgau 2003, ISBN 3-451-28255-0.
- Immer radikal. Von Cap Anamur bis zu den Grühnhelmen. Orientierungsschneisen ins vermiente Gelände. Lit, Münster 2005, ISBN 3-8258-5601-1.
- Die Flüchtlinge kommen. Warum sich unsere Asylpolitik ändern muss. Diederichs, Kreuzlingen 2005, ISBN 3-7205-2573-2.
- mit Christel Neudeck: Grünhelme. Bleiben, wenn andere gehen. Kreuz, Stuttgart 2005, ISBN 3-7831-2437-9.
- mit Franz Alt, Rosi Gollmann: Eine bessere Welt ist möglich. Riemann, München 2005, ISBN 3-570-50069-1.
- Ich will nicht mehr schweigen. Über Recht und Gerechtigkeit in Palästina. Melzer, Neu-Isenburg 2005, ISBN 3-937389-73-3.
- Abenteuer Menschlichkeit. Erinnerungen. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2007, ISBN 978-3-462-03774-6.
- mit Christel Neudeck: Zwei Leben für die Menschlichkeit. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2009, ISBN 978-3-579-06893-0.
- mit Hans Koschnick: Weder tollkühn noch ängstlich. Hans Koschnick im Gespräch mit Rupert Neudeck. Hess, Bad Schussenried 2009, ISBN 978-3-87336-908-5.
- Die Kraft Afrikas. Warum der Kontinent nicht verloren ist. Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-59857-9.
- Mutbürger. Gelebter Widerstand. Zwölf Beispiele. Publik-Forum, Oberursel 2011, ISBN 978-3-88095-215-7.
- Das unheilige Land. Brennpunkt Naher Osten. Warum der Friede verhindert wird. Herder, Freiburg im Breisgau 2011, ISBN 978-3-451-32367-6.
- Es gibt ein Leben nach Assad. Syrisches Tagebuch. Beck, München 2013, ISBN 978-3-406-65444-2.
- Radikal leben. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2014, ISBN 978-3-579-07070-4.
- mit Michael Albus: Man muss etwas riskieren. Menschlichkeit ohne Kompromisse. Claudius, München 2015, ISBN 978-3-532-62474-6.
Weblinks
- Literatur von und über Rupert Neudeck im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Rupert Neudecks Hilfsorganisation Grünhelme e.V.
- WDR 5 (Westdeutscher Rundfunk) WDR 5 Tischgespräch. Gesprächskultur mit prominenten Zeitgenossen vom 1. Januar 2016: Rupert Neudeck im Gespräch mit Wolfgang Müller "Verrücktsein ist ein Ehrentitel für uns"
Einzelnachweise
- ↑ Menschenrechtler Rupert Neudeck ist tot In: SZ/ Süddeutsche Zeitung. 31. Mai 2016
- ↑ Flüchtlingspolitik: "Zu mehr Großzügigkeit zurückkehren", Rupert Neudeck im Gespräch mit Christoph Heinemann im Deutschlandfunk am 2. Januar 2015
- ↑ Bürgerpreis für Rupert Neudeck In: WAZ/Der Westen. 27. Februar 2015
- ↑ 4,0 4,1 Christoph Koch: Wie wird man eigentlich … Entwicklungshelfer, Rupert Neudeck? In: FAZ Hochschulanzeiger. September 2004.
- ↑ Veit Medick: Antisemitismus in der RAF. Radikal antijüdisch. „Dreißig Jahre Deutscher Herbst und die RAF: Diese Terroristen fühlten sich auch als Opfer – des deutschen ‚Judenknax‘. Viele Linke haben sich diesen Blick zu eigen gemacht“. In: TAZ vom 5. Oktober 2007
- ↑ "Wir wussten ja gar nicht, dass ein Zelt eine Baugenehmigung braucht". Grünhelm-Gründer kritisiert das Vorgehen Israels. , Deutschlandradio, 4. Juni 2010. Abgerufen am 29. August 2010.
- ↑ Vorratsdatenspeicherung.de, Unterstützerliste
- ↑ http://www.deutschlandfunk.de/gruender-von-hilfsorganisationen-rupert-neudeck-gestorben.1818.de.html?dram:article_id=355703
- ↑ Die Retterin des Retters „‚Cap Anamur‘ … wird 30 Jahre alt“, von Jana Petersen, in der TAZ vom 20. Juni 2009
- ↑ Kölner Stadtanzeiger abgerufen am 27. April 2012
- ↑ Rupert Neudeck zu "Deutschlands Bürger des Jahres" ausgezeichnet, WDR, 30. September 2014
- ↑ BDZV verleiht Bürgerpreis der deutschen Zeitungen an Rupert Neudeck, abgerufen am 28. Februar 2015
Personendaten | |
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NAME | Neudeck, Rupert |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Journalist, Gründer des Komitee Cap Anamur/Deutsche Notärzte e.V. und Autor |
GEBURTSDATUM | 14. Mai 1939 |
GEBURTSORT | Danzig |
STERBEDATUM | 31. Mai 2016 |
STERBEORT | Köln |
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- Person (humanitäre Hilfe)
- Flüchtlingshilfe
- Menschenrechtler
- Hörfunkjournalist
- Journalist (Deutschland)
- Person (Deutschlandradio)
- Sachbuchautor
- Literatur (Deutsch)
- Politische Literatur
- Essay
- Autobiografie
- Mitglied der Ehrenlegion (Ritter)
- Träger des Verdienstordens des Landes Nordrhein-Westfalen
- Träger des Marion-Dönhoff-Preises
- Ehrendoktor der Westfälischen Wilhelms-Universität
- Ehrendoktor einer Universität
- Person (Danzig)
- Deutscher
- Geboren 1939
- Gestorben 2016
- Mann