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Sühnopfertheologie

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Die Artikel Sühnopfertheologie und Satisfaktionslehre überschneiden sich thematisch. Hilf mit, die Artikel besser voneinander abzugrenzen oder zu vereinigen. Beteilige dich dazu an der Diskussion über diese Überschneidungen. Bitte entferne diesen Baustein erst nach vollständiger Abarbeitung der Redundanz. Mitterndorfer (Diskussion) 20:07, 1. Mär. 2013 (CET)
Albrecht Dürer, Christus am Kreuz

Die Sühnopfertheologie ist eine in der christlichen Theologie grundlegende Sinndeutung des gewaltsamen Todes Jesu Christi. Sie spielt eine zentrale Rolle in der christlichen Lehre von der Erlösung des Menschen (Soteriologie). Der Kreuzestod Jesu wird vor dem Hintergrund alttestamentlicher Aussagen von Sünde und Sühne als Opfertod zur Versöhnung von Gott und Mensch und zur Beseitigung der Sündenfolgen gedeutet.

Biblische Grundlagen

Das Wort „Sühnopfer“ hat sich in der theologischen Diskussion eingebürgert, hat aber keine direkte Entsprechung in den Begriffen der biblischen Schriften.

Altes Testament

Das Alte Testament kennt das '„Sündopfer“' (3. Mose 4), das den Zweck der Sühne hat (hebr. kippär), ausschließlich für Sünden, die unwissentlich oder unbeabsichtigt begangen wurde.[1] Prominent ist in diesem Zusammenhang außerdem die religiöse Institution des jährlichen Versöhnungstages (hebr. Jom Kippur) (3. Mose 16), bei dem ebenfalls durch Gebet, Reue und Ritus die Sünden des ganzen Volkes gesühnt werden sollen.

Neues Testament

In den Schriften des Neuen Testamentes wird der Tod Jesu Christi übereinstimmend als heilswirksames Handeln Gottes interpretiert. Neben anderen Modellen zur erklärenden Beschreibung dieser Heilswirkung findet sich im Neuen Testament auch die Interpretation des Todes Jesu als sühnendes Opfer, durch das analog zu den Opfern im Alten Testament die Sünde bzw. ihre Auswirkungen beseitigt werden.[2] Besonders ausdrücklich findet sich diese Vorstellung des Sühnopfers zum einen im Römerbrief 3,25

„... durch die Erlösung, die durch Jesus Christus geschehen ist. Den hat Gott für den Glauben hingestellt als Sühneort in seinem Blut ...“

und zum anderen im Hebräerbrief, Kapitel 9

9,12 „Er [Jesus Christus] ist auch nicht durch das Blut von Böcken oder Kälbern, sondern durch sein eigenes Blut ein für alle Mal in das Heiligtum eingegangen und hat eine ewige Erlösung erworben.“ 9,26 „Nun aber, am Ende der Welt, ist er ein für alle Mal erschienen, durch sein eigenes Opfer die Sünde aufzuheben.“

Des weiteren wird dies u.a. vom 2. Korintherbrief 5,19 sowie vom 1. Johannesbrief 2,2 bezeugt. Die neutestamentliche Textbasis ist somit breit.

Theologische Diskussion im Christentum

Die theologische Diskussion um den Begriff des Sühnopfers befasst sich unter anderem mit der Frage, worin genau die sühnende Wirkung des Todes Jesu besteht, wieso also sein gewaltsamer Tod die Kraft habe, Sünden und Sündenwirkungen aufzuheben. Einflussreich ist in diesem Zusammenhang die sogenannte Satisfaktionslehre des mittelalterlichen Theologen Anselm von Canterbury (11. Jhd.).[3] Satisfaktionslehre und Sühnopfervorstellung werden in manchen Fällen fälschlich identifiziert und damit Anselm als der Erfinder der Sühnopfervorstellung ausgegeben. Anselm versuchte, die sühnende Wirkung des Todes Jesu mit dem Modell der Wiedergutmachung (Satisfaktion) zu erklären, die nötig sei, um die verletzte Herrscher-Ehre eines Fürsten wiederherzustellen. Dieser im mittelalterlichen Gesellschaftsbild zentrale Ehrbegriff ist unserem heutigen Welt- und Menschenbild fremd, weshalb die Satisfaktionslehre in populär-theologischen Diskussionen bisweilen als Beispiel für theologische Fehlentwicklungen im Bereich der Sühnopfervorstellungen angeführt wird.

Neben der Diskussion um das „Wie“ einer sühnenden Wirkung des Todes Jesu wird in der neueren theologischen Diskussion auch grundsätzlich darüber gestritten, ob die Sühnopfervorstellung als angemessene Interpretation des Todes Jesu beibehalten werden oder zu Gunsten anderer Interpretationen vollständig zurücktreten sollte. Die Kritiker der Sühnopfervorstellung wenden ein, dass Gott in seiner Freiheit auch ohne Tötung eines Menschen Sünden vergeben könne. Die Sühnopfertheologie sei in der Bibel nur unzureichend zu belegen und tatsächlich wesentlich erst durch Anselm von Canterbury geprägt worden. Zu den Vertretern dieser Ansicht gehören unter anderem die Theologen Wolfgang Huber, Nikolaus Schneider, Eugen Biser, Klaus-Peter Jörns und Burkhard Müller.[4][5][6]

Judentum

Das Judentum kennt jenes, dass gemeinhin als „Sündenopfer“ (hebr. Chatat; 3. Mose 4) übersetzt wird; die einzige Form eines "Sündenopfers" im Alten Testament. Treffender wäre die Übersetzung aus der hebräischen Sprache der jüdischen Bibel mit Reinigungsopfer oder Sühnopfer. Es diente hauptsächlich dazu, Sünden zu tilgen, die unabsichtlich begangen wurden.[1][7]

Sündenopfer (Chatat) ohne echte Reue waren ungültig (Prov 18:8 "Das Opfer der Frevler ist Gott ein Greuel"). Die rituelle Sündenopferung war psychologisch sehr entlastend für das Gewissen, da unabsichtlich begangene Sünden, z.B. durch Unfälle, Unwissenheit, Achtlosigkeit, Menschen oft schwer verstören können. Bis heute bitten Juden am jährlichen Versöhnungstag (hebr. Jom Kippur; 3. Mose 16) im Gebet um Vergebung "für die Verfehlungen, die wir vor dir begangen haben unter Zwang oder aus freiem Entschluß (..), oder unwissend oder absichtlich."[1] Auch die moderne Rechtsprechung unterscheidet die bewusste von der unwissenden Fahrlässigkeit.

Formal unterscheidet sich das Sühnopfer des Alten Testament durch die rituelle Behandlung des Opfertierblutes von allen anderen Opferformen. Handelte es sich bei dem unwissentlichen Sünder um einen gesalbten (d.h. Messias[8]) Priester, dann wurde das Blut in das Heilige gebracht; etwas wurde gegen das Allerheiligste gesprenkelt und etwas an die Hörner des goldenen Räuchertisches gestrichen. Der Opfertierkadaver wurde außerhalb des Lagers verbrannt. War der unabsichtliche Sünder ein weltlicher Fürst, König oder aus dem Volk, so wurde das Blut an die Hörner Hauptaltars gestrichen und das Fleisch von den Priestern gegessen. Die Fettbestandteile der Opfertiere wurden in beiden Fällen im Tempel verbrannt.

Vergleich mit anderen Religionen

Von allen Opferriten und -praktiken der das Volk Israel umgebenden antiken Völker und auch heutiger nicht-jüdischer Religionen, auch des Christentums, waren die kultischen Prozesse im Stiftszelt und im Jerusalemer Tempel immer deutlich unterschieden. Die jüdische Bibel geht an keiner Stelle davon aus, dass Gott - oder die Menschen - die blutigen Opfer nötig hätte und betont wiederholt das Gegenteil (Psalmen: 50:12-13, 40:7, 51:19). Das "Opfer des Herzens", das ist das Gebet und Umkehr zu >Gott, war und ist wichtiger als das Opfer im Tempel je gewesen war.

Das israelische Opfer war eine Art demokratischer Akt der Verbindung mit Gott. Der König war nie Hauptnutznießer an den Einkommen des Tempels und seines Opferdienstes und die Priesterschaft wurde regelmäßig und stetig unterhalten, wenn es auch gelegentlich zu Vorteilsnahmen gekommen war. Überwiegend waren der Opferritus Freude und Verbundenheit mit Gott. Die bekannteste Opferform war mit einem gemeinschaftlichen Festmahl verbunden (3. Moses 3; Freudenopfer 'Sewach Schlamim'). Oftmals konnte teure fleischliche Nahrung von ärmeren Personen oder Familien nur im Zusammenhang mit Tieropfern gegessen werden, im Gegensatz zu unserer modernen Welt des Übermaßes an Fleischkonsum in den meisten Ländern. Ärmere Teile der Bevölkerung konnten jederzeit auch kostengünstigere Opfergaben benutzen (z.B. Weizenmehl).

Rolle der Synagoge und des Gebets

Kritik der biblischen Propheten am Opferdienst des Tempels hatte nie das Ziel eine neue Art von Gottesdienst, ohne Opferritus und Tempeldienst, zu installieren. Prophetische Kritik zielte gegen die Ersetzung des ethischen gottgewollten Verhaltens des einzelnen jüdischen mündigen Menschen, durch das Rituelle, das ja grundsätzlich zentraler Bestandteil des jüdischen Tempeldienstes mit seinen Opferungen war. Das Priestertum hatte nie jene Zentralrolle wie in anderen heidnischen Religionen.

Schon im 1. Jh. v. Chr. ging die religiöse Führung vom Priestertum auf die Pharisäer, bzw. Rabbinen und die Synagogen über. Das einzelne und gemeinschaftliche jüdische Gebet, hat seine Wurzeln schon vor der Zeit des ersten Jerusalemer Tempels und die Synagoge, als Gebetshaus und Gebäude, bestand historisch nachweislich seit der Zeit des zweiten Jerusalemer Tempels, auch direkt neben dem Tempel. Endgültig hörte der jüdische Tempelkult im Jahre 70 n. mit der Inbrandsetzung, Plünderung und Zerstörung des Tempels und Jerusalems durch die römische Besatzungsmacht auf zu existieren. War das direkte Gebet zu Gott immer schon die weitaus bedeutendere Form (neben Tzedaka und Opfer im Tempel) der Sühne mit Gott und der Umkehr zu Gott (hebr. Tschuwa), so entwickelte sich das jüdische Gebet seit dieser Zeit weiter und bildete mit der Zeit eine großartige 'Gebetsordnung' (Siddur) aus. Es nimmt symbolisch Gebete, Lobpreisungen und Freuden- und Dankeslieder entsprechend für die ehemaligen täglichen Opfer des Temples auf.

Die jüdische Synagoge behält auch ihre biblische Form bei und integriert nach der Tempelzerstörung keinen Altar[9], wie in christlichen Kirchen und Andachtsräumen vorhanden. Auch keine symbolischen Opfergaben, wie die christliche Eucharistie mit ihrer Opfergabenbereitung und gemeinschaftlicher Verspeisung der Opfergaben 'Brot und Wein' als Entsprechung für das 'Blut und Fleisch'[10] des christlichen Menschen-Gott Sohnes, werden in die Synagoge nach 70 n. eingelassen. Eine vergleichbare Stellung eines Priesters bzw. einer ordinierten Person des Christentums kennt der jüdische Gottesdienst auch nicht; Kohen und Leviten haben keine besonderen Aufgaben im jüdischen synagogalen Gottesdienst; Rabbiner und Vorbeter stehen spirituell auf einer Ebene mit allen jüdischen Betenden. Die Chassidim entwickelten später sogar die Vorstellung, dass die innere Anteilnahme und Versenkung , also die Konzentration und Verbindung mit Gott, viel ausschlaggebender für die spirituellen Qualität des jüdischen Betenden ist. So konnte in chassidischen Geschichten ein im Herzen abgelenkter Rabbi schon mal unter dem wirklich innigst betenden analphabetischen simplen Juden stehen und ein chassidischer Meister meditativ weit über die spirituellen Welten des normalbegabten hinaus gelangen. Die Rabbinen nahmen also das Studium der Opfer, insbesondere des 3. Buchs Mose (Levitikus), als Entsprechung und für genauso wirksam, wie die Darbringung der Opfer im einstmaligen Tempel selbst. Schon immer war das Gebet im Judentum wirksamer als das Opfer gewesen.[1]

Ablehnung einer Sühnopfertheologie

Das Judentum, mit seinem strikten ethischen Monotheismus, hat die christliche Sühnopfertheologie entschieden zurückgewiesen. Damit hat es zugleich dem heidenchristlichen Konzept der Menschwerdung des Gottessohnes die Grundlage bestritten. Die ganze jüdische Bibel spricht gegen die häretische Vorstellung ein von Gott geschaffener Mensch sei Gott bzw. Gott sei Mensch geworden und opfere sich als Menschenopfer selbst. Solche Vorstellungen sind im Judentum seit rund 4000 Jahren undenkbar.

„Gott ist kein Mensch, daß er betröge, kein Sohn Adams, daß er sich bedenke. Sollte er wohl sprechen und nicht tun, reden und nicht halten?“

Num 24:19

Literatur

  • Georg Baudler: Erlösung vom Stiergott. Christliche Gotteserfahrung im Dialog mit Mythen und Religionen. München/Stuttgart 1989.
  • Meinrad Limbeck: Abschied vom Opfertod - Das Christentum neu entdecken. Matthias Grünewald Verlag, Mainz 2012, ISBN 978-3786729457.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Wajikra = Ṿa-yiḳra = Levitikus., 3. Aufl., 1. Aufl. der Sonderausg., S. 13ff. und 50ff., Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2008, ISBN 9783579054940
  2. Haubeck, W., Art. Sühne b) biblisch, in Ev. Lexikon für Theologie und Gemeinde III, Wuppertal 1998.
  3. Hahn, E., Art. Sühne c) systematisch-theologisch, in: Ev. Lexikon für Theologie und Gemeinde III, Wuppertal 1998.
  4. Warum starb Jesus Christus am Kreuz? Welt online, 23. März 2009.
  5. Warum Theologen am Sühnetod Jesu zweifeln. Welt online, 28. März 2009.
  6. Ist das Kreuz für uns gestorben? Fragen an die Opfertodtheologie. (PDF; 137 kB) WDR, 2. April 2010.
  7. Die Ausnahme stellt die, wohl eher bewusst erfolgte, Verweigerung eines Rechtszeugnisses (3. Mose 5:1 + 5) dar.
  8. Auch König David und viele weitere Personen waren 'Gesalbte', d.h. jeder ein Messias. Neben Bar Kochbar und Schabtei Zwi gilt Jesus im Judentum als ein falscher Messias unter vielen: sie alle haben gemein, dass sie gestorben sind und keine der bilisch geforderten notwendigen Prophezeiungen erfüllten, etwa den universellen Weltfrieden und den Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels.
  9. Das Gottesabbild, wie etwa das christliche Kruzifix, über einem Altar ist noch stärker völlig undenkbar im Judentum.
  10. Vgl. Hostienschändung, Ritualmordlegende
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