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Siegfried Borchardt

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Dieser Artikel betrifft den Neonazi Siegfried Borchardt. Für den gleichnamigen Juristen siehe Siegfried Borchardt (Jurist).
Siegfried Borchardt (April 2005)

Siegfried Roland Borchardt, genannt SS-Siggi (* 14. November 1953 in Neuenkirchen (Kreis Steinfurt); † 3. Oktober 2021 in Dortmund), war ein mehrfach vorbestrafter deutscher Aktivist aus dem Spektrum der neonazistischen Freien Kameradschaften und Funktionär der 1995 verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei. Bei den Kommunalwahlen 2014 errang er als Spitzenkandidat der Partei Die Rechte ein Mandat im Stadtrat der Stadt Dortmund, von dem er jedoch nach zwei Monaten zurücktrat.

Leben

Siegfried Borchardt war ausgebildeter Industriekaufmann. Er war zunächst ein unpolitischer Jugendlicher, der seine Freizeit als Zuschauer in Fußballstadien verbrachte. Es folgte eine Phase von Arbeitslosigkeit und Engagement in der Hooligan-Szene, wo er Kontakte zu Michael Kühnen knüpfte.[1]

1982 gründete Borchardt den Dortmunder Fußball-Fanclub Borussenfront, der nach und nach in die rechtsextremistische Szene abdriftete. Das bevorzugte Aktionsfeld von Borchardts Borussenfront war der Dortmunder Norden rund um den Borsigplatz, wo es regelmäßig zu Ausschreitungen kam. Unter anderem wurden Ausländer durch das Viertel gejagt.[2] Aus dieser Zeit stammen seine Spitznamen Siggi vom Borsigplatz beziehungsweise SS-Siggi. In einem Gespräch mit einem Journalisten von Spiegel TV sagte Borchardt 2014, dass er mit dem Spitznamen SS-Siggi, den ihm ein Journalist gegeben habe, nicht einverstanden sei; er würde lieber SA-Siggi genannt werden.[3]

Parallel zu seinen Aktivitäten bei der Borussenfront wurde Borchardt Kameradschaftsführer der Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten und später Kreisleiter im Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers (KAH). Ab 1984 baute er zusammen mit anderen ANS/NA-Kadern den Landesverband Nordrhein-Westfalen der Freiheitlichen Deutsche Arbeiterpartei (FAP) auf[4] und war dort stellvertretender Bundesvorsitzender und nordrhein-westfälischer Landesvorsitzender.[5] Er kandidierte 1984 für die FAP bei den Kommunalwahlen und war 1985 ihr Spitzenkandidat zur Landtagswahl. 1988 wurde Borchardt Landesvorsitzender Nordrhein-Westfalen und stellvertretender Bundesvorsitzender der FAP. Er kandidierte für die FAP 1989 bei der Wahl zum Europaparlament. Die Borussenfront, die auch aus FAP-Mitgliedern bestand, diente als Saalschutz für Veranstaltungen der NPD, verteilte Propagandamaterial und war verantwortlich für Ausschreitungen gegen Andersdenkende und Ausländer.

In den 1980er Jahren wurde Borchardt wegen verschiedener Delikte verurteilt. Er befand sich ab August 1985 in Untersuchungshaft. Aufgrund mehrerer Vorkommnisse, darunter die Überfälle auf Gegendemonstranten am 28. April 1984 in Drabenderhöhe/Wiehl und auf Bonner Punks am 1. September 1984, erfolgte am 22. Juli 1986 in Bonn eine Verurteilung vor dem Landgericht wegen schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung zu insgesamt zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe.[6] Da die Untersuchungshaft angerechnet wurde, wurde er Anfang 1987 aus der Haft entlassen. Es folgten weitere Verurteilungen und Haftstrafen zwischen 1989 und 1992.

Nach dem Verbot der FAP im Jahre 1995 organisierte sich Borchardt in der „Kameradschaft Dortmund“, die regelmäßig Demonstrationen des Hamburger Neonazis Christian Worch unterstützt. Mit Michael Berger, der im Juni 2000 drei Polizisten ermordete, war Borchardt befreundet. Die Kameradschaft Dortmund verbreitete nach den Morden Aufkleber mit dem Schriftzug „Berger war ein Freund von uns. 3:1 für Deutschland. KS Dortmund“.[7] 2001 stand Borchardt wiederum in Zusammenhang mit szenetypischen Straftaten vor Gericht, u. a. wegen Körperverletzung und wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen.[8] Borchardt galt als Kopf der Dortmunder Neonazi-Szene und war im „Widerstand West“ aktiv. Am 27. Januar 2005 nahm er beispielsweise in den Niederlanden an einem Treffen offen neonazistischer, in Deutschland teilweise verbotener Vereinigungen (Blood and Honour, Racial Volunteer Force) als Redner teil. Das Informationsportal Blick nach Rechts vermeldet auch 2011 Aktivitäten der „Reste der ehemaligen Borussenfront“ unter Borchardt.[9]

Ende 2012 gab Borchardt seine Zurückhaltung bei öffentlicher politischer Betätigung auf. Am 27. Oktober 2012 wurde er zum Kreisvorsitzenden des in Dortmund neu gegründeten Kreisverbandes der Partei Die Rechte gewählt. Seither leitete er die Ersatzorganisation für den kurz vorher verbotenen Nationalen Widerstand Dortmund.[10] Bei der Kommunalwahl am 25. Mai 2014 errang Borchardt für die Partei einen Sitz im Stadtrat von Dortmund.[11] Zwei Monate später teilte er dem Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau schriftlich mit, sein Ratsmandat zum 31. Juli 2014 niederzulegen. Borchardt gab gesundheitliche und zeitliche Gründe für diese Entscheidung an. Sein Mandat als Mitglied der Bezirksvertretung Innenstadt-Nord wollte er weiter ausüben. Für ihn rückte Dennis Giemsch nach, der vorher der verbotenen Kameradschaft Nationaler Widerstand Dortmund (NWDO) angehört hatte.[12]

Laut Einschätzung des Politikwissenschaftlers und Verfassungsschützers Thomas Grumke galt Borchardt zwar als Veteran des westdeutschen Rechtsextremismus, konnte aber aufgrund einer Vielzahl von Strafverfahren und Haftstrafen, die seine Aktivitäten merklich einschränkten, keinen nennenswerten Einfluss über Nordrhein-Westfalen hinaus entfalten.

Borchardt starb in der Nacht zum 3. Oktober 2021 nach kurzem Krankenhausaufenthalt in Dortmund.[13][14]

Literatur

  • Jens Mecklenburg (Hrsg.): Handbuch deutscher Rechtsextremismus. Elefantenpress, Berlin 1996, ISBN 3-88520-585-8, S. 445.
  • Thomas Grumke, Bernd Wagner (Hrsg.): Handbuch Rechtsradikalismus. Personen – Organisationen – Netzwerke. Vom Neonazismus bis in die Mitte der Gesellschaft. 2. Auflage. Leske + Budrich, Opladen 2002, ISBN 3-8100-3399-5, S. 239–240.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Titus Simon: Raufhändel und Randale. Sozialgeschichte aggressiver Jugendkulturen und pädagogischer Bemühungen vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Juventa-Verlag, Weinheim u. a. 1996, ISBN 3-7799-0255-9, S. 202.
  2. Georg Bönisch, Jürgen Dahlkamp, Andrea Stuppe: Polizistenmord: Da klumpt sich was zusammen. In: Der Spiegel. Nr. 25, 19. Juni 2000, S. 38, abgerufen am 4. Oktober 2021.
  3. Ein Neonazi schlägt sich durch: SS-Siggi im Dortmunder Stadtrat. (Streaming-Video; 8:22 Minuten) In: Spiegel TV. 16. Juni 2014, abgerufen am 4. Oktober 2021.
  4. Neonazis: Mit Todesmut. In: Der Spiegel. 13/1989, 26. März 1989, abgerufen am 4. Oktober 2021.
  5. Neonazis: Werwolf der Zukunft. In: Der Spiegel. 10/1995, 5. März 1995, abgerufen am 4. Oktober 2021.
  6. Rhein-Sieg Anzeiger, 23. Juli 1986, S. 5.
  7. Gedenken an von Neonazi ermordete Polizisten. In: Die-Zeit-Blog „Störungsmelder“. 22. Mai 2015, abgerufen am 4. Oktober 2021.
  8. „SS-Sigi“ vor Gericht. In: WDR-Sendung „NRW am Mittag“. 13. Januar 2001, abgerufen am 4. Oktober 2021.
  9. „Borussenfront“ im Anmarsch. In: bnr.de. 20. April 2011, archiviert vom Original am 25. April 2011; abgerufen am 4. Oktober 2021.
  10. Stefan Laurin: Update: “SS-Siggi” ist Kreisvorsitzender der Partei “Die Rechte” in Dortmund – Nazidemo für den 1. Mai geplant. In: Ruhrbarone. 8. November 2012, abgerufen am 4. Oktober 2021.
  11. Katrin Figge, Oliver Koch: Polizei weist Vorwürfe nach versuchtem Rathaus-Sturm zurück. In: derwesten.de. 26. Mai 2014, abgerufen am 4. Oktober 2021.
  12. War SS Siggis Abgang aus dem Rat ein abgekartetes Spiel? In: derwesten.de. 4. Juli 2014, abgerufen am 4. Oktober 2021.
    „SS-Siggi“ tritt ab – Die Rechte-Spitzenkader Giemsch rückt in Dortmunder Stadtrat nach. In: Endstation Rechts. 4. Juli 2014, abgerufen am 4. Oktober 2021.
  13. Konrad Litschko: Neonazi-Größe Borchardt gestorben:„SS-Siggi“ ist tot. In: taz.de. 4. Oktober 2021, abgerufen am 4. Oktober 2021.
  14. Florian Pütz: Dortmund Neonazi „SS Siggi“: Siegfried Borchardt ist tot. In: Spiegel Online. 4. Oktober 2021, abgerufen am 4. Oktober 2021.
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