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Simplicissimus
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Der Simplicissimus (deutsch: der Einfältigste) war eine satirische Wochenzeitschrift, die vom 4. April 1896 bis 13. September 1944 in München herausgegeben wurde. Ihr von Thomas Theodor Heine entworfenes Wappentier war eine rote Bulldogge auf schwarzem Grund.
Gründung (1896–1909)
Der Simplicissimus wurde von Albert Langen und Thomas Theodor Heine gegründet und war ursprünglich eigentlich nicht als Satireblatt, sondern in erster Linie als Kunst- und Literaturrevue nach dem großen französischen Vorbild, der Gil Blas Illustré, konzipiert.[1] Dieses Konzept wurde jedoch schnell verworfen. Der Simplicissimus startete am 4. April 1896 mit einer sehr hohen Auflage (es sollen 480.000 Exemplare gewesen sein), von den frühen Ausgaben wurden allerdings nur wenige Exemplare verkauft (Preis: 10 Pfennig), von der Erstausgabe nur rund 1.000 Stück. Zwar stieg die Beliebtheit und damit der erzielte Umsatz der Zeitschrift rapide an, es dauerte aber lange, bis sie für den Verlag profitabel wurde. Die Herausgeberschaft des Simplicissimus war somit auch für Langen mit großem finanziellem Risiko verbunden.
Beiträger und Mitarbeiter des Simplicissimus waren unter anderem Hermann Hesse, Thomas Mann, Gustav Meyrink, Georg Queri, Fanny zu Reventlow, Ludwig Thoma, Jakob Wassermann, Frank Wedekind, Arthur Holitscher, Karl Arnold, Franziska Bilek, Walter Essenther, George Grosz, Olaf Gulbransson, Heinrich Kley, Alfred Kubin, Rudolf Kriesch, Otto Nückel, Bruno Paul, Ferdinand von Rezniček, Erich Schilling, Erich Mühsam, Erwin von Kreibig, Wilhelm Schulz, Edgar Steiger, Eduard Thöny, Robert Walser, Rudolf Wilke, Heinrich Zille, Hugo von Hofmannsthal und Heinrich Mann. Auch Erich Kästner veröffentlichte hier einige seiner Texte: Zwischen August 1927 und Januar 1933 wurden 27 Beiträge aus seiner Feder im Simplicissimus publiziert – vornehmlich Gedichte, die nicht selten als Erstdruck erschienen und später Aufnahme in eine seiner Gedichtanthologien fanden.
Die Zeitschrift zielte auf die bürgerliche Moral, die Kirche, die wilhelminische Politik, die Beamten, das Militär und verschiedene politische Gruppierungen der Zeit. In Österreich-Ungarn wurde das Blatt verboten, Heine und Wedekind saßen zeitweise wegen Majestätsbeleidigung im Gefängnis. Des Öfteren wurden Ausgaben komplett konfisziert. Bereits 1898 wurde der Herausgeber Langen zu einer Geldstrafe von 30.000 Mark verurteilt. Er lebte überdies fünf Jahre im Exil in der Schweiz, um einer Verhaftung zu entgehen. Bald jedoch wurde erkannt, dass Zensur-Prozesse den Verkauf steigerten und hervorragende Werbung für das Blatt waren. In enger Zusammenarbeit mit dem Staranwalt Max Bernstein wurden entsprechende Anzeigen provoziert und die Prozesse bereits lange im Voraus als publikumswirksame Spektakel geplant. Die juristischen Auseinandersetzungen entwickelten einen deutlichen Werbeeffekt für die Zeitschrift. Die verkaufte Auflage stieg deutlich an und erreichte im Jahr 1904 85.000 Exemplare.
1906 brachten die wichtigsten Mitarbeiter – Olaf Gulbransson, Ludwig Thoma, Bruno Paul, Th. Th. Heine, Eduard Thöny und Rudolf Wilke – Albert Langen dazu, den Simplicissimus aus seinem Verlag herauszulösen und ihn in eine eigene GmbH einzubringen, an der sie beteiligt waren (Simplicissimus-Verlag G.m.b.H. München).
Bewegte Jahre (1909–1933)
Das Blatt wurde von mehreren Schicksalsschlägen getroffen: Der Zeichner Josef Benedikt Engl war schon 1907 gestorben; es folgten Publikumslieblinge wie Rudolf Wilke und Ferdinand von Reznicek, die nicht ersetzt werden konnten. Dennoch finden sich in den Jahren zwischen 1909 und 1914 innerhalb der nunmehr um das Doppelte angewachsenen Hefte (von 8 auf 16 Seiten) einige der besten Zeichnungen und Texte des Blattes. Victor Auburtin war in dieser Periode Autor und bereicherte das Blatt durch zahlreiche später berühmt gewordene Beiträge.
Während des Ersten Weltkrieges gab der Simplicissimus im Rahmen der allgemeinen Kriegsbegeisterung seinen kritischen Ton auf, wurde propagandistisch und nahm ausschließlich Deutschlands Kriegsgegner ins Visier. Diese völlige Abkehr von der bisherigen Tradition schockierte die linksintellektuelle Welt, fand aber auch Fürsprecher – selbst Thomas Mann verteidigte zunächst die schrille Kriegspropaganda. Gerade der Simplicissimus wurde später für viele Lyriker zum Verhängnis, weil man an ihm am peinlichsten die geistige Verblendung nachvollziehen konnte, die die Intelligenz Deutschlands erfasste. Trotzdem gibt es vereinzelt erschütternde Texte über den Kriegsalltag.
In der Zeit der Weimarer Republik versuchte das Blatt seinen alten Biss wiederzufinden – allerdings erst nach langem Zaudern. Die Jahrgänge 1919–24 irritieren durch schroffe Kontraste: Einerseits herrscht immer noch extremer Hass gegen die Alliierten, vor allem Frankreich und Russland vor. Andererseits finden sich vereinzelt ausgezeichnete Texte und Bilder, vor allem Thomas Theodor Heine gewinnt in diesen Jahren seine alte große Form zurück. Doch oft gelangten die Hefte nicht – trotz vieler einzelner Höhepunkte – über einen mäßigen Witzblattcharakter hinaus. Der demokratische Staat bot weniger dankbare Angriffsflächen als das wilhelminische Kaiserreich, zudem hatte sich das Zentrum des kulturellen Lebens eindeutig nach Berlin verlagert.
Ab etwa 1924, mit Beginn der Chefredaktion von Hermann Sinsheimer ließen sich dank seiner guten Kontakte viele demokratische Künstler und Schriftsteller wieder von der Legende „Simpl“ verführen. Käthe Kollwitz war wieder dabei, ebenso Joachim Ringelnatz und vereinzelt Kurt Tucholsky.
1929, als Hermann Sinsheimer die Chefredaktion abgab und der radikaldemokratische Franz Schoenberner das Ruder übernahm, erlebte der Simplicissimus bis zum Februar 1933 wenige Glanzjahre, in denen er das Vorkriegsniveau wieder erreichte. Auffallend war das nun wieder sehr hohe Niveau der Autoren, neben Erich Kästner publizierten hier auch Mascha Kaleko, Theodor Lessing, Hans Natonek, Mynona und viele andere. Der reformierte Simpl nahm vor allem extreme politische Positionen aufs Korn. So geriet er bald in Konflikt mit den Nationalsozialisten.
Unter dem Nationalsozialismus (1933–1944)
Im Februar 1933 wurde die Redaktion von der SA verwüstet. (Die Faschingsausgabe brachte neben anderen Provokationen auch eine Karikatur, auf der alle Leute als Adolf Hitler verkleidet herumlaufen.) Nach Hitlers Machtübernahme wurde die Redaktion „gleichgeschaltet“: Sie hatte sich jeglicher Kritik am Regime zu enthalten. Als Jude wurde Th. Th. Heine aus der Redaktion gedrängt. Im Mai 1933 emigrierte er nach Prag. Gulbransson, Thöny und Arnold blieben und passten sich mehr oder weniger an. Erich Schilling, vor 1933 in seinen Zeichnungen einer der glühendsten Verächter der Nazis, wurde nun deren Propagandist. Diese widerstandslose „Gleichschaltung“ löste unter den Emigranten große Empörung aus. Am schärfsten hat dies Klaus Mann formuliert: „Von allen im Dritten Reich gedruckten Widrigkeiten ist mir die ‚satirische‘ Wochenschrift ‚Simplicissimus‘ der widrigsten eine. (…) da finden sich noch immer die alten Namen – die Karl Arnold, Olaf Gulbransson, Eduard Thöny, Erich Schilling, Wilhelm Schulz, sie sind alle noch da. Nur Th. Th. Heine fehlt, (…) von Prag und Brünn aus muss er sich gramvoll und beschämt mit ansehen, welche degoutante Gesinnungslumpereien seine früheren Freunde und Kollegen sich leisten.“ [2]
Die wenig erforschten Nazi-Jahrgänge sind trotz ihrer Propagandazeichnungen ein hochinteressantes Zeugnis der Alltagskultur im Dritten Reich. Anders als im 1. Weltkrieg setzte man eher auf brave Unterhaltung und Plauderton – die idyllische Lyrik wirkt angesichts der Verhältnisse geradezu grotesk – aber der Simplicissimus blieb auch eine Insel für neutrale Künstler: Alfred Kubin veröffentlichte hier bis in die letzten Jahrgänge hinein Zeichnungen, so findet man etwa Texte vom jungen Wolfgang Borchert. Faszinierend sind auch die zahlreichen erotischen, an amerikanische Pin-Ups angelehnten Zeichnungen von Kurt Heiligenstaedt. Beliebt war die Zeitschrift ab den späten dreißiger Jahren vor allem wegen der originellen Zeichnerin Franziska Bilek, die zu den Begründern des modernen deutschen Cartoons gehört, und wegen der humoristischen Gedichte von Eugen Roth.
Am 13. September 1944 erschien die letzte Nummer mit einer sonderbaren ganzseitigen Zeichnung von Nückel, „Gespensterschlacht“, auf der unkommentiert eine Ruine mit den Skeletten von Kriegern zu sehen ist. Eines schwenkt eine Piratenflagge – ein letzter Gruß des alten oppositionellen Simpl-Geistes, der unbeachtet in den Wirren des „totalen Krieges“ die Zensur passieren konnte.
Simplicus – Zeitschrift im Exil (1934–1935)
Weithin unbekannt blieb der Versuch einer Emigrationsausgabe des Simplicissimus, die in Prag vom 25. Januar 1934 bis zum 13. September 1934 unter dem Titel „Simplicus“ und dann bis zum 4. Juli 1935 unter dem Titel „Simpl“ erschien. Der Simplicus erschien in zwei Ausgaben: einer deutschen und einer tschechischen, deren Inhalt nicht identisch war, sondern sich an den Interessen der jeweiligen Leserschaft orientierte. Beide Ausgaben erschienen wöchentlich. Chefredakteur war der ehemalige Ullstein-Journalist Heinz Pol, im Impressum verantwortlich zeichnete jedoch František Bidlo, ein bekannter tschechischer Karikaturist. Weitere Mitarbeiter waren die tschechischen Karikaturisten Fritta (d.i. Bedrich Taussig), Adolf Hoffmeister, Jappy (d.i. Vilém Reichman), Antnonin Pelc, Josef Čapek, die emigrierten deutschen Zeichner Erich Godal, Ludwig Wronkow, Pjotr (d.i. Günther Wagner), E. Katzer, A. Stadler und Nikl (d.i. Johannes Wüsten), literarische Beiträge stammten von Heinrich Mann, A. Kerr, Walter Mehring, Erika Mann, Stefan Heym, Balder Olden und Theodor Plivier. Ziel der Herausgeber war es, die Zeitschrift auch im Sudetengebiet, in Österreich, der Schweiz und im Saarland herauszugeben. Die Auflage soll zwischen 10.000 und 20.000 Exemplaren betragen haben. Aber mit zunehmender faschistischer Ideologisierung in diesen Gebieten wurden immer öfter Ausgaben beschlagnahmt. Entsprechend wagten viele Buchhändler nicht mehr, den Verkauf der Zeitung fortzusetzen. Diese Entwicklung war der Hauptgrund für die Einstellung am 4. Juli 1935.
Weitere Ausgaben und Begebenheiten
Noch zu Langens Lebzeiten gab es vor dem Ersten Weltkrieg einige Nummern einer sogenannten „edition française“, bei der die Bildunterschriften durch französische Übersetzungen überklebt wurden. Dafür musste sich Langen allerdings heftige Vorwürfe gefallen lassen: exportierte Kritik an den Zuständen im Reich spiele nur dem „Erbfeind“ in die Hände.
Die Zeitschrift ist auch Namensgeber des 1903 gegründeten Künstlerlokals Simplicissimus in München Schwabing (heute Stadtbezirk Maxvorstadt). Teile des Simplicissimus-Kreises gehörten dort zu den Stammgästen. In Wien existiert das Kabarett Simpl mit der Bulldogge als Wahrzeichen noch heute mit Erfolg.
Von 1946 bis 1950 erschien in München Der Simpl, der aussah wie der Simplicissimus, wegen ungeklärter Copyright-Probleme sich aber nicht so nennen durfte.
Von 1954 bis 1967 erschien der Simplicissimus in München unter dem Verleger und Herausgeber Olaf Iversen bis Nr.37/1959 mit dem Zusatz "Herausgegeben von Olaf Iversen" ab Nr. 39/1959, nach Iversens Tod, mit dem Zusatz "Neubegründet von Olaf Iversen". In diesem Zeitraum finden sich u.a. Lithographien von A. Paul Weber. Als Zeichner arbeiteten u.a. Horst Haitzinger, Walter Hanel, Wigg Siegl, Manfred Oesterle und Josef Sauer für das Blatt.
1981/82 wurde ein Neustart versucht und 1997 gab es einen erneuten Versuch einer Neuauflage der Zeitschrift, eine Koproduktion von Berlin und Wien. Mitte des Jahres 1998 wurde auch sie wegen finanzieller Probleme eingestellt.
Literatur
- Simplicissimus. Bilder aus dem „Simplicissimus“. Herausgegeben von Herbert Reinoß unter Verwendung einer Auswahl von Rolf Hochhuth. Hannover 1970
- Simplicissimus, ISSN 0583 323X
- Simplicissimus. Eine Auswahl der Jahrgänge 1896–1914 von Richard Christ. Rütten & Loening (DDR) 1978
- Simplicissimus. Eine satirische Zeitschrift München 1896–1944, Katalog der Ausstellung im Haus der Kunst München 19. November 1977 bis 15. Januar 1978. Einleitung von Golo Mann
- Kinder im Simplicissimus. Auswahl und Texte von Dagmar von Kessel-Thöny. Atzbach 1978
- Hasso Zimdars: Die Zeitschrift ‚Simplicissimus‘. Ihre Karikaturen. Bonn (Diss.) 1972.
- Facsimilie Querschnitt durch den Simplicissimus. Herausgegeben von Christian Schütze. Einleitung von Golo Mann. Bern u.a. (Scherz) 1963.
Das Digitalisierungsprojekt
Die Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar hat in Zusammenarbeit mit der RWTH Aachen und dem Deutschen Literaturarchiv Marbach eine vollständige Digitalisierung und Stichworterschließung aller Jahrgänge von 1896–1944 vorgenommen. Sie sind seit Februar 2007 unter http://www.simplicissimus.com online, leicht abzurufen und nach Personen, Institutionen, Ereignissen u.ä. zu durchsuchen. Damit wird neben dem konservativen Kladderadatsch ein zweites satirisches Periodikum im Netz komplett einsehbar.
Die wichtigsten Pseudonyme des Simplicissimus
- Cri-Cri - Edgar Steiger
- Dr. Owlglass - Hans Erich Blaich
- Emanuel - Peter Scher
- Hase - Korfiz Holm (fälschlicherweise wird häufig Ludwig Thoma als Urheber genannt)
- Hieronymus Jobs - Frank Wedekind
- Mikado - Karl Edler von Planitz
- Pan - Willy Ganske
- Ratatöskr - Hans Erich Blaich
- Peter Schlamminger - Ludwig Thoma
- Peter Schlemihl - Ludwig Thoma
- Tarub - Edgar Steiger
- Theobald Tiger - Kurt Tucholsky
- Wespe - Edgar Steiger
- Zwickauer - Edgar Steiger
Weblinks
- Commons: Simplicissimus – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
- http://www.simplicissimus.com Hier finden sich alle Nummern der Jgg. 1896–1945 als PDF-Faksimiles und als open-access-Datenbank, die eine Suche nach Namen, Institutionen, Geschehnissen etc. ermöglicht.
- http://www.dhm.de/lemo/html/kaiserreich/kunst/simplicissimus/
- http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kalenderblatt/486145/
- http://www.silyrik.de/ Die Gedichte des Simplicissimus
Einzelnachweise
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Simplicissimus aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |