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Stammtisch
Ein Stammtisch ist sowohl eine Gruppe von mehreren Personen, die sich regelmäßig in einem Lokal trifft, als auch der (meist größere und oft runde) Tisch, um den sich diese Gruppe versammelt. Stammtische sind nicht organisierte Treffen und daher nur ein freiwilliger, aber doch verbindlicher Zusammenschluss von Teilnehmern.
Der Tisch wird traditionell durch ein mehr oder weniger aufwendig geformtes Schild gekennzeichnet und ist damit für die Stammtischrunde reserviert, die sich in regelmäßigen Abständen dort trifft. Im Mittelpunkt einer solchen Stammtischrunde stehen das gesellige Zusammensein, Kartenspiel und oft auch politische oder philosophische Diskussionen. Für die dem Stammtisch unterstellten, vereinfachenden Argumentationen haben sich Begriffe wie Stammtischparole, Stammtischpolitik und Stammtischniveau etabliert, die metaphorisch auch für politische und gesellschaftliche Diskussionen außerhalb realer Stammtische verwendet werden.
Geschichte
Vergangenheit
Vor allem in ländlichen Regionen und kleinen Gemeinden war die Zugehörigkeit zum Stammtisch an einen höheren Sozialstatus gebunden. So setzte sich ein Dorfstammtisch bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem aus örtlichen Honoratioren wie dem Bürgermeister, Arzt, Apotheker, Lehrer, Förster oder wohlhabenden Bauern zusammen. Die Einladung an einen Ortsfremden, am Stammtisch Platz zu nehmen, galt als nicht selbstverständlicher Wertschätzungsbeweis. Ähnliches galt für die zumeist in Kaffeehäusern etablierten Stammtische von Literaten und bildenden Künstlern.
Im iberischen Sprachraum (Spanien, Portugal, Lateinamerika und Brasilien) hat sich dies in den dortigen Tertulias von Künstlern und Intellektuellen bis heute erhalten. In Großbritannien und Irland erfüllten viele Pubs die Funktion der Abtrennung von den übrigen Gästen in Form von privaten Hinterzimmern, falls es keine Eingangskontrolle für das gesamte Lokal gab.
Gegenwärtige Bedeutung
Heute sind Stammtische nicht mehr an einen Sozialstatus gebunden. Bei heutigen Stammtischen steht vor allem die Zusammengehörigkeit, Vertrautheit und das Ausleben gemeinsamer Interessen im Vordergrund.
Soziokulturelle Aspekte
Der Stammtisch auf dem Land
Der Stammtisch ist auf dem Land nach wie vor einer der wichtigsten sozialen Treffpunkte. Vor allem die dünne Konzentration von Freizeitangeboten und das geringere Angebot lokaler Medien auf dem Land tragen dazu bei, dass der Stammtisch zu einem sozialen Zentrum wird: Hier werden soziale Beziehungen gepflegt und lokale Neuigkeiten ausgetauscht. Stammtische finden auf dem Land nicht nur abends, sondern oft auch nach der sonntäglichen Messe unter der Bezeichnung Frühschoppen statt. Einige Stammtische organisieren auch Dorffeste (wie z. B. Maifeiern) oder sonstige Veranstaltungen. Sie übernehmen damit ähnliche Aufgaben wie Burschenvereine.
Der Stammtisch in der Stadt
Im städtischen Bereich haben sich seit den späten 1990er-Jahren auch Stammtischrunden zu speziellen engeren Themenbereichen gebildet, die oft wie lose zusammenhängende Vereine geführt werden und ebenso dem geselligen Beisammensein wie dem Erfahrungsaustausch und teilweise auch der Vernetzung dienen (z. B. Elternstammtische). Netzwerkorganisationen wie Marketingclubs oder Wirtschaftsverbände bezeichnen regelmäßig stattfindende, auch für Nicht-Mitglieder besuchbare Veranstaltungen häufig als „Offene Stammtische“.
Berühmte Stammtische
- E. T. A. Hoffmanns Literarischer Stammtisch bei Lutter und Wegner in Berlin.
- Die Brille, ein Künstlerstammtisch in einem Berliner Vorstadtlokal, führte 1901 zur Gründung des Kabaretts „Schall und Rauch“.
- Beim literarischen Stammtisch im Düsseldorfer Rosenkränzchen schloss Hermann Harry Schmitz Freundschaft mit Hanns Heinz Ewers und Herbert Eulenberg, die seine Arbeit förderten.
- Am Verbrechertisch traf sich die Elite Leipzigs, die als Überlebende der Revolution von 1848 demokratischer und fortschrittlicher Gesinnung waren.
- Die ehrlichen Kleiderseller zu Braunschweig: Ein im 19. Jahrhundert gegründeter Stammtisch von Braunschweiger Literaten, Künstlern und anderen Persönlichkeiten. Der Schriftsteller Wilhelm Raabe war ihr bekanntestes Mitglied.
- Braunschweiger Akademische Wurstekommission: Ein Braunschweiger Stammtisch, der Persönlichkeiten aus der Region aufnimmt. Er ist in ähnlicher Weise wie die Braunschweiger Kleiderseller organisiert.
- Während der Bonner Republik trafen sich die Kanalarbeiter, der konservative Flügel der SPD-Abgeordneten um Egon Franke, regelmäßig in der Rheinlust (heute steht genau an dieser Stelle das Haus der Geschichte) und ab 1969 in der Kessenicher Gaststätte Kessenicher Hof an reservierten Stammtischen. Zu ihren Gästen zählten nicht nur hochrangige Politiker wie Helmut Schmidt, sondern auch SPD-nahestehende Journalisten.
Stammtische in der Literatur
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts galt der Stammtisch als Rückzugsrevier des räsonierenden Kleinstadtbürgertums – vgl. in den zeitgenössischen realistischen Romanen etwa Wilhelm Raabes Das Horn von Wanza. Den Abstieg in die Harmlosigkeit teilte der Stammtisch mit – zum Beispiel – der Gartenlaube und dem Kränzchen. Auch Wilhelm Busch setzte sich mit dem Stammtisch auseinander, zum Beispiel in der Bildergeschichte Der Geburtstag oder die Partikularisten. In Wien oder Prag kommunizierten die Literaten allerdings lieber in einschlägigen Literatencafés als in Kneipen.
Stammtische im Fernsehen
- Einem Stammtisch stark nachempfunden war die beliebte ARD-Sendung Der Internationale Frühschoppen mit Werner Höfer als Gastgeber und fünf internationalen Journalisten als geladenen Gästen. Eine Kellnerin bediente die Runde mit Getränken. Auch die Sendezeit (Sonntag Vormittags) war diesem Titel angepasst.
- Seit 2007 überträgt das Bayerische Fernsehen die Sendung Sonntags-Stammtisch vom Stammtisch des „Lansinger Gasthofs Brunnerwirt“ der Serie Dahoam is Dahoam.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Stammtisch aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |