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Stormé DeLarverie

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Stormé DeLarverie (* 24. Dezember 1920 in New Orleans; † 24. Mai 2014 in Brooklyn) war eine US-amerikanische Künstlerin und LGBT-Aktivistin. Nach eigenen Angaben sowie zahlreichen Berichten durch Augenzeugen und Einschätzungen von Historikern war DeLarveries Festnahme und ihr darauffolgender Faustschlag gegen einen Polizeibeamten der Auslöser für den Aufstand in Stonewall. Dieses Ereignis gilt als maßgeblich für die weltweite Lesben- und Schwulenbewegung, obgleich die Anfänge des Aufstands nie vollständig geklärt wurden. Wegen dieser mutmaßlichen Rolle und ihres Aktivismus, insbesondere für ihre regelmäßigen Rundgänge im Greenwich Village zum Schutz der dortigen queeren Personen, vor allem der lesbischen Frauen, wurde DeLarverie zu Lebzeiten als „Rosa Parks der US-amerikanischen LGBT-Gemeinschaft“ bezeichnet. Ihre Auftritte als Dragking in einer in den 1950er- und 1960er-Jahren landesweit bekannten Revue wurden als bedeutend für die Drag-Szene der Vereinigten Staaten bezeichnet. Ihr androgyner Stil im Privatleben gilt als eines der ersten Anzeichen für eine wachsende Beliebtheit geschlechtsneutraler Kleidung in den USA.

Frühe Jahre

Stormé DeLarverie wurde 1920 in New Orleans geboren. Ihre afroamerikanische Mutter war als Hausangestellte für einen weißen Mann tätig, den sie später heiratete. Weil Mischehen zur damaligen Zeit illegal waren, erhielt DeLarverie nie eine Geburtsurkunde und kannte deshalb ihren genauen Geburtstag nicht, den sie stattdessen stets an Heiligabend feierte.[1] In ihrer Kindheit sah sich DeLarverie massiven Anfeindungen Gleichaltriger sowohl weißer als auch afroamerikanischer Herkunft ausgesetzt. So musste sie nach einer Prügelei eine Beinschiene tragen und erlitt eines Tages eine Verletzung am anderen Bein, als sie an einem Zaunpfahl aufgehängt wurde. Deswegen entschloss sich ihr Vater schließlich, sie für einige Jahre auf eine Privatschule außerhalb ihrer Wohngegend zu schicken.[2]

Als Jugendliche war DeLarverie Springreiterin im Ringling Brothers Circus, sie beendete diese Tätigkeit nach einem Sturz vom Pferd, bei dem sie sich mehrere Knochenbrüche zuzog. Im Alter von 18 Jahren spürte DeLarverie, dass sie lesbisch war, und zog nach Chicago, weil sie befürchtete, im Süden wegen ihrer Homosexualität ermordet zu werden. In ihren späten Teenagerjahren begann sie zudem eine Karriere als Alt-Jazz-Interpretin, wobei sie den Künstlernamen Stormy Dale annahm. Seit 1939 war DeLarverie Mitglied verschiedener Jazz- und Swingbands,[2] mit einigen tourte sie gelegentlich durch Europa. Neben dieser Tätigkeit verdiente DeLarverie nach eigener Aussage ihr Geld in Chicago als Personenschützerin für Mafiosi.[1] 1944 lernte DeLarverie eine Tänzerin mit dem Namen Diana kennen, mit der sie fortan in einer Beziehung lebte.[3]

1946 besuchte DeLarverie ihre Freunde Danny Brown und Doc Brenner in Miami. Sie waren Mitglieder der Drag-Revue Danny’s Jewel Box und baten sie um Hilfe bei der Organisation ihrer Aufführung. DeLarverie bot sich schließlich als Dragking für die beiden an, obwohl ihr im Bekanntenkreis davon abgeraten wurde. Sie wollte zunächst nur sechs Monate lang für die Revue der beiden in Drag arbeiten,[2] allerdings entschloss sie sich aufgrund der Popularität ihres Stils dazu, auch bei ihren Jazz-Auftritten in Männerkleidung aufzutreten. Dadurch steigerte sich ihre Beliebtheit beim Publikum, was ihren Bands ermöglichte, an bekannten Veranstaltungsorten wie der Radio City Music Hall oder dem Copacabana aufzutreten.[4]

Jewel Box Revue

Stormé DeLarverie zusammen mit drei Dragqueens der Revue aus dem Bestand des Schomburg Center for Research in Black Culture
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(Bitte Urheberrechte beachten)

Von 1955 bis 1969 tourte DeLarverie als Showmasterin, musikalische Direktorin, gelegentliche Inspizientin und einziger Dragking der bei queeren und heterosexuellen Personen gleichermaßen populären Jewel Box Revue, die sich aus der Danny’s Jewel Box entwickelt hatte, durch die Vereinigten Staaten.[2] Die Jewel Box Revue, die neben DeLarverie 25 Mitglieder zählte, war das erste US-amerikanischen Drag-Kabarett, in dem weiße und afroamerikanische Travestiekünstler gemeinsam auftraten. Meistens fanden drei bis vier Vorstellungen der Gruppe an einem Abend statt, vorzugsweise in bekannten Nachtclubs und Örtlichkeiten in New York City, aber auch in anderen Großstädten. Ein häufiger Veranstaltungsort war das Apollo Theater in Harlem, die Revue trat zudem öfter in der Radio City Music Hall und dem Copacabana auf, in die DeLarverie bereits als Frontfrau ihrer Bands eingeladen wurde.[4] Bei allen Vorstellungen der Revue waren auch nicht-weiße Zuschauende zugelassen, eine Seltenheit während der Rassentrennung in den Vereinigten Staaten.[5]

Während der Aufführungen wurde das Publikum regelmäßig dazu aufgerufen, die einzige Künstlerin im Ensemble zu erraten, was durch DeLarveries maskulines Erscheinungsbild, beispielsweise Maßanzügen mit Fliege und falschen Schnurrbärten, fast nie gelang. Am Ende jeder Vorstellung gab sich DeLarverie schließlich während des Lieds A Surprise with a Song als Frau zu erkennen. Da damals praktisch nur Dragqueens auftraten, entwickelten sich DeLarveries Status als bekannter Dragking in der landesweit beliebten Revue und ihre als subversiv gefeierten Auftritte im Nachhinein zu einem als einflussreich und historisch geltenden Wendepunkt der US-amerikanischen Drag-Szene. Als prominentes Gesicht der Revue machte DeLarverie zudem Bekanntschaft mit zahlreichen bekannten Künstlern der Ära, mit denen sie sich anfreundete, beispielsweise Sammy Davis, Jr. sowie ihre persönlichen Vorbilder Dinah Washington und Billie Holiday.[6][2]

1969 zog sich DeLarverie nach dem Tod ihrer langjährigen Lebensgefährtin aus dem Unterhaltungsgeschäft zurück und bestritt ihren Lebensunterhalt stattdessen als Personenschützerin für wohlhabende Familien. In diesem Jahr engagierte sie sich auch erstmals für die LGBT-Gemeinschaft, indem sie einer Organisation für die Rechte queerer Personen beitrat und für Lesbenbars wie Cubby Hole als Türsteherin und Sicherheitsbeamtin arbeitete.[3]

Einfluss auf Mode

Dank ihrer Erfahrung in der Revue mit Kostümen, Schauspiel und Auftritten in männlicher Maske war DeLarverie in der Lage, sich sowohl als Mann und Frau sowie als Weiße und Afroamerikanerin auszugeben.[6] Durch ihre Berühmtheit in der New Yorker LGBT-Szene, selbstbewusste, von vielen Frauen als attraktiv empfundene Ausstrahlung und androgynes Auftreten inspirierte sie wahrscheinlich andere Lesben der Stadt, Männerkleidung zu tragen.[1] Laut eigener Aussage trug DeLarverie bereits in ihren Anfangsjahren in New York Männerkleidung, was ihr dann andere gleichtaten.[5] Neben Freunden und Liebhaberinnen, die sie in Dreiteilern und Männerhüten fotografierten, wurde DeLarverie auch von der bekannten Fotografin Diane Arbus in maskuliner Kleidung abgelichtet. Durch die Bilder dürfte ihr Stil noch mehr Frauen erreicht haben. Eine dieser Fotografien mit dem Titel Miss Stormé de Larverie, the Lady Who Appears to be a Gentleman, N.Y.C. aus dem Jahr 1961 zeigt DeLarverie in Anzug, Stiefeletten und Zigarette in der Hand auf einer Parkbank sitzend.[2] Dieses Foto war auch in mehreren Arbus-Retrospektiven zu sehen, unter anderem im Metropolitan Museum of Art 2016. Amy Arbus, die Tochter der Fotokünstlerin, beschrieb die Fotografie in einem Artikel der Time im selben Jahr als freundliche, sanfte sowie schlichte Erkundung einer offenen, ehrlichen und leicht verträumten Seele. DeLarverie betrachte Arbus auf eine faszinierte Art und Weise, was auf Gegenseitigkeit beruhe. In späteren Jahren wurde DeLarveries Art sich zu kleiden als eines der ersten bekannten Beispiele für und Einflüsse auf geschlechtsneutrale Mode in den Vereinigten Staaten bezeichnet, lange bevor sich Unisex-Stile im Mainstream etablierten.[7]

Rolle in Stonewall

In der Nacht des 28. Juni 1969 führte die Polizei im Stonewall Inn in New York City wie in den 1960er Jahren in Schwulenbars üblich eine Razzia durch. Kunden in Frauenkleidung wurden dabei von Beamtinnen auf die Toiletten geführt, diejenigen mit männlichen Körpermerkmalen wurden schließlich festgenommen. An jenem Abend widersetzten sich allerdings etliche Personen diesen „Untersuchungen“, sodass sich die Polizei entschloss, alle männlichen und weiblichen Crossdresser zum Revier zu bringen. Während sie auf Verstärkung zum Abtransport der Festgenommenen wartete, formierte sich vor der Bar eine Gruppe aus 100 bis 150 Personen, bestehend aus Schaulustigen und Gästen, die von der Polizei herausgelassen wurden.[8][9] Die Stimmung innerhalb der immer größer werdenden Gruppe begann sich zu verschärfen, als Barangestellte und -kunden teils gewaltsam in die Streifenwagen gebracht wurden; erste Münzen und Flaschen flogen auf die Streifenwagen zu, weil die sich noch in der Bar befindenden Beamten Gäste geschlagen und Frauen unsittlich berührt haben sollten.[10]

Zur vollständigen Eskalation kam es angeblich, als eine Frau, die von Augenzeugen als Crossdresser und typische New Yorker Butch beschrieben wurde, zu einem Polizeiauto gebracht werden sollte. Sie konnte mehrmals in der Menge verschwinden, wurde aber schließlich erneut festgesetzt, wobei sie sich ihrer Festnahme durch mindestens vier Polizisten sowohl verbal als auch körperlich heftig widersetzte. Schließlich soll sie ein Beamter mit seinem Schlagstock am Kopf verletzt haben, weil sie sich über die eng anliegenden Handschellen beschwerte.[11] Mit einer blutenden Platzwunde schlug sie dem Polizisten mit der Faust ins Gesicht und forderte die Umstehenden auf, zu handeln. Als sie anschließend ins Polizeiauto gebracht werden sollte, geriet die Menge in Rage und lieferte sich Schlägereien mit der Polizei, die sich nach einigen Stunden vom Ort des Geschehens zurückzog.[12][13]

Banner auf der Europride in Wien 2019 (Aufschrift sinngemäß Jeder weiß, dass die schwarze Lesbe Stormé die Auslöserin von Stonewall war)

Nach fünf weiteren Tagen, an denen es zu erneuten Unruhen kam, formierten sich in den kommenden Monaten in den Vereinigten Staaten erstmals LGBT-Organisationen sowie sich an Homosexuelle richtende Zeitungen. Nach einem Jahr fanden erste Gay Prides statt. Diese Entwicklungen gingen in den folgenden Jahren auf andere Länder über, weswegen die Ereignisse in Stonewall als Meilenstein der nationalen und internationalen Lesben- und Schwulenbewegung gelten.[14][15][16] Deshalb wurde die Frau als „Rosa Parks der US-amerikanischen LGBT-Gemeinschaft“ bezeichnet.[17]

Letztlich ist nicht eindeutig erwiesen, ob und wenn ja, welche Frau genau den Anstoß für den Aufstand gab. Das liegt an stark variierenden Zeugenaussagen und Presseberichten zum Vorfall. Mehrere Personen sagten aus, dass die aufgeheizte Stimmung durch eine einzige Frau eskalierte, die sich ihrer Verhaftung widersetzte. Laut anderen wehrten sich mehrere Butches noch in der Bar gegen ihre Festnahme, von denen eine bereits blutete, als sie aus dem Stonewall Inn gebracht wurde.[18] Nach dem Augenzeugen Craig Rodwell, einem Buchhändler und wichtiger Figur der LGBT-Bewegung, war die Verhaftung der Frau nicht der Hauptgrund für die Eskalation, sondern einer von vielen gleichzeitigen Vorfällen, durch die die Stimmung schließlich in Massen-Zorn umschlug.[19]

Allerdings behaupteten mehrere Zeugen, Historiker und Schriftsteller wie Charles Kaiser in seinem Buch The Gay Metropolis über die Geschichte der US-amerikanischen LGBT-Bewegung[20], diese Frau sei DeLarverie gewesen. Auch sie selbst erwähnte dies gegenüber Freunden, was Lisa Cannistraci, eine ihrer engsten Vertrauten, nach ihrem Tod gegenüber der The New York Times bestätigte.[1] Gleich der Identität der Frau war DeLarverie in der Nacht tatsächlich eine von mehreren Butches, die sich gegen die Polizei zur Wehr setzten. In einem Interview mit der LGBT-Zeitschrift Curve aus dem Jahr 2008 erklärte DeLarverie erstmals in einer großen Publikation, die sogenannte Stonewall Lesbian gewesen zu sein. Ein Polizist habe sie für einen Mann gehalten, als Schwuchtel bezeichnet und verwundet, weil sie sich nicht zum Streifenwagen begeben wollte. Durch ihren Faustschlag hätten sich die Anwesenden mobilisiert und seien auf die Beamten losgegangen. Sie habe sich nie groß zu dieser Rolle bekannt, weil es niemanden etwas angehe.[4] Im Jahr 2010 erklärte DeLarverie in der The New York Times, nicht von der Polizei verletzt worden zu sein, allerdings behauptete sie wenig später, ein Beamter habe sie von hinten mit einem ihr unbekannten Gegenstand auf den Kopf geschlagen, worauf sie mit einem Faustschlag reagierte. Diese Diskrepanz war höchstwahrscheinlich DeLarveries Demenzerkrankung zuzuschreiben.[21]

Weiterer Aktivismus

Während der AIDS-Epidemie in den 1980er Jahren wurde DeLarverie in einem Restaurant von Patrick Merry, dem Organisator des Freiwilligendienstes im St. Luke’s Hospital in Manhattan, um eine Spende in Höhe von fünf Dollar gebeten, damit schwer kranke AIDS-Patienten, die wahrscheinlich das nächste Fest nicht mehr erleben würden, zu Weihnachten beschenkt werden und ihren Angehörigen Geschenke besorgen konnten. DeLarverie verließ daraufhin das Lokal, kam einige Stunden später mit 2.000 Dollar zurück und versprach, am nächsten Tag noch mehr Geld mitzubringen.[22]

Im selben Jahrzehnt setzte DeLarverie ihre Arbeit als Türsteherin und Sicherheitsbeamtin fort, neben der Örtlichkeit Ruby Fruit[6] war sie neben anderen LGBT-Bars weiterhin für Cubby Hole tätig. Dort jobbte ab 1985 die Studentin Lisa Cannistraci als Barkeeperin; 1990 erwarb sie die Bar, als sie geschlossen werden sollte, und eröffnete sie ein Jahr später unter dem neuen Namen Henrietta Hudson wieder. Zudem wurde sie eine gute Freundin DeLarveries, die bis zu ihrem 85. Lebensjahr für Henrietta Hudson angestellt war. DeLarverie pflegte auch mit zahlreichen LGBT-Personen, oft Gästen der Bars, die teilweise mehrere Jahrzehnte jünger waren als sie und von ihr als „babies“ oder „children“ bezeichnet wurden, Freundschaften. Weiterhin trat DeLarverie trotz ihres Rückzugs aus der Unterhaltungsbranche noch als Sängerin und Showmasterin auf zum Teil von ihr selbst organisierten LGBT- und Benefiz-Veranstaltungen auf, unter anderem für Frauen und Kinder, die Opfer von häuslicher Gewalt wurden. Auf die Frage, warum sie in ihrem hohen Alter noch für diese Gruppe auftrat, antwortete sie, dass sich schließlich jemand kümmern müsse, sie selbst wäre als in den Südstaaten aufwachsendes Kind einer afroamerikanischen Mutter im frühen 20. Jahrhundert nicht mehr am Leben, wenn sich damals niemand um sie gekümmert hätte. De Larverie moderierte zudem den populären, jährlich stattfindenden The Gay Bar People’s Ball, eine nächtliche Veranstaltung, bei der bedeutende Persönlichkeiten des LGBT-relevanten Nachtlebens der Stadt New York auftraten und Auszeichnungen erhielten.[4]

Des Weiteren absolvierte DeLarverie jahrelang Kontrollgänge auf den Straßen Manhattans, weswegen sie in der Gemeinschaft als Beschützerin der Lesben im Greenwich Village bezeichnet wurde. Während ihrer Rundgänge trug sie sowohl mehrere Schusswaffen[23] als auch ein verstecktes Rasiermesser[21] bei sich und lief vor allem durch die Seventh und Eighth Avenue in Lower Manhattan sowie das West Village. Sie bewachte die dortigen in der LGBT-Gemeinschaft beliebten Viertel und Bars, indem sie nach „ugliness“ (deutsch Hässlichkeit) Ausschau hielt, ihre Bezeichnung für gegen queere Personen gerichtete körperliche oder verbale Angriffe.[1]

DeLarverie setzte sich in den späteren Jahren auch als Mitglied der Stonewall Veterans' Association für LGBT-Personen ein, der vor allem Personen angehören, die die Vorkommnisse in Stonewall persönlich miterlebten. Die Organisation hat die Hauptziele, bedürftige queere Personen, insbesondere Senioren, finanziell zu unterstützen sowie die Öffentlichkeit in den Vereinigten Staaten über historische und aktuelle LGBT-Thematiken aufzuklären. DeLarverie war für die Gruppierung als Vorsitzende des Sicherheitsdienstes, Mitglied des Leitungsgremiums, Botschafterin und zusätzlich von 1998 bis 2000 Vizepräsidentin tätig.[24][25]

Späte Jahre und Tod

Stormé DeLarverie im Alter von 74 Jahren aus dem Archiv der The New York Times
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DeLarverie lebte mehrere Jahrzehnte lang im New Yorker Chelsea Hotel. Als ihr 1999 der Rauswurf drohte, weil sie die steigende Miete nicht bezahlen konnte, wurde sie von der Services & Advocacy for GLBT Elders, kurz SAGE, einer Organisation für LGBT-Senioren, finanziell unterstützt, ein SAGE-Mitarbeiter half ihr seitdem wegen ihres hohen Alters auch bei Alltagstätigkeiten. Gegen Ende der 2000er Jahre litt DeLarverie zunehmend an den Folgen ihrer Demenz, weswegen sich Zimmernachbarn sowie Gäste und Angestellte des direkt neben dem Hotel liegenden Restaurants East of Eighth unentgeltlich um sie kümmerten, indem sie ihr unter anderem bei der Nahrungsaufnahme halfen. Zudem unterstützten sie diese Personen, als sie wegen geplanter Sanierungsarbeiten erneut ihren Wohnsitz zu verlieren drohte. Langjährigen Mietern wie DeLarverie wurde es schließlich gestattet, während der Arbeiten im Hotel zu bleiben.[22]

Im März 2010 wurde DeLarverie von einer Bekannten und Nachbarin nach einem Sturz in ihrem Hotelzimmer desorientiert angetroffen. Weil DeLarverie an Zitteranfällen und Dehydratation litt, wurde sie in das St. Vincent’s Hospital eingeliefert. Da DeLarverie weder lebende Verwandte noch eine Lebenspartnerin hatte, wurde die Jewish Association for Services for the Aged (kurz JASA), ein städtisches Pflege- und Hilfsprogramm für Senioren, per Gerichtsbeschluss zu ihrem gesetzlichen Vertreter bestimmt. Während DeLarveries Genesung schloss das Krankenhaus infolge eines Bankrotts; DeLarverie wurde in das Pflegeheim Oxford Nursing Home in Brooklyn eingewiesen. Kurze Zeit darauf wurde sie von einer Journalistin der AfterEllen interviewt, die sich in ihrem Bericht schockiert über das laut ihrer Beschreibung heruntergekommene Heim zeigte, das eher einer Anstalt gleiche. Während des Gesprächs glaubte DeLarverie, noch im Chelsea Hotel zu leben, konnte aber trotzdem Erinnerungen an ihre frühen Jahre, Stonewall und ihr nahestehende Personen korrekt wiedergeben.[4] Bereits einige Wochen vor diesem Interview sorgten sich mehrere Personen um DeLarverie, weil sie, für sie äußerst ungewöhnlicherweise, nicht bei der städtischen Gay Pride erschienen war. Aus diesem Grund wollte sich ein Reporter der The New York Times über ihren Zustand vergewissern. DeLarverie hatte sowohl das Datum der Gay Pride als auch ihr Alter vergessen und dachte, schon seit Jahren im Pflegeheim zu leben. In derselben Publikation beklagte sich Lisa Cannistraci über die LGBT-Gemeinschaft, der DeLarverie gleichgültig sei. Dies sei auch dem jungen Alter der heutigen LGBT-Aktivisten geschuldet, die DeLarverie nicht kannten; es gebe kaum noch jemanden, dem sie ein Begriff sei.[21]

Nach DeLarveries Einweisung ins Pflegeheim zeigten sich ihre Freunde von der Tatsache beunruhigt, dass sie selbst für kurze Spaziergänge in Begleitung das Pflegeheim nicht verlassen durfte. Leah Ferster, Mitglied im JASA-Vorstand, behauptete, dass DeLarveries Gesundheitszustand Außenaufenthalte oft nicht erlaube, jedoch wäre sie gern bereit, zusammen mit den Freunden einen Plan zu entwerfen, um DeLarverie für ein paar Stunden täglich nach draußen gehen zu lassen, auch SAGE bot DeLarveries Freunden ähnliche Gespräche an. Lisa Cannistraci und Michele Zalopany (eine weitere Freundin DeLarveries) zeigten sich über die angeblich unzureichende Kommunikation der beiden Organisationen allerdings frustriert.[4]

Einer von DeLarveries Freunden schlug vor, sie ins Lillian Booth Actors Home in Englewood bringen zu lassen, einer betreuten Wohneinrichtung für Künstler. Er fragte deshalb die Unterstützung des einflussreichen Politikers Steve Rothman sowie Dennis McNerney, Vorsteher des Bergen County, an, was aber zu nichts führte.[17] Lisa Cannistraci und Michele Zalopany wandten sich schließlich gegen Ende 2010 an eine Redakteurin der New Yorker LGBT-Zeitschrift GO, weil diese für den Abgeordneten im Repräsentantenhaus Jerrold Nadler gearbeitet hatte. Cannistraci und Zalopany wollten DeLarverie in das modernere Pflegeheim Consumer Action Bed-Stuy Nursing Home mit mehr Angestellten und Freizeitangeboten für die Bewohner bringen lassen, in dem bereits eine langjährige Bekannte DeLarveries wohnte. Nadler vermittelte die beiden an den Anwalt Peter J. Strauss, mit dessen Beistand sie schließlich die Vormundschaft für DeLarverie erhielten und sie in das andere Heim verlegen ließen.[23][6]

DeLarverie starb am 24. Mai 2014 im Schlaf in ihrem Pflegeheim in Brooklyn an einem Herzinfarkt.[1] DeLarveries Trauerfeier und Beerdigung fanden fünf Tage später unter großer Anteilnahme im Greenwich Village Funeral Home statt.[26]

Würdigungen

1991 veröffentlichte die Filmemacherin Michelle Parkerson ihren Dokumentarfilm Storme: Lady of the Jewel Box über DeLarveries Zeit in der Jewel Box Revue.[23] Ein Dokumentar-Kurzfilm mit dem Titel A Stormé Life kam 2001 heraus.[27] Der Spielfilm Stormé des Dokumentarfilmers und Fotografen Sam Bassett wurde nach seiner Uraufführung in New York im Jahr 2008 am 11. Juli 2010 in der Webster Hall, einem Nachtclub im East Village, gezeigt.[28]

Am 7. Juni 2012 wurde DeLarverie von der städtischen LGBT-Non-Profit-Organisation Brooklyn Pride, Inc für ihren lebenslangen Aktivismus im Gebäude der sozialen Vereinigung Brooklyn Society for Ethical Culture geehrt; zu diesem Anlass wurde dort auch Storme: Lady of the Jewel Box aufgeführt. Am 24. April 2014 wurde DeLarverie für ihre „Furchtlosigkeit und Tapferkeit“ zusammen mit Edith Windsor vom LGBT-Gemeinschaftszentrum Brooklyn Community Pride Center geehrt. Im selben Jahr erhielt sie einige Wochen vor ihrem Tod von Letitia James, der New York City Public Advocate, eine offizielle Anerkennung ihrer Verdienste für die US-amerikanische LGBT-Gemeinschaft.[29]

Im Juni 2019 gehörte DeLarverie neben ihren damaligen Mitstreiterinnen Marsha P. Johnson und Sylvia Rivera sowie anderen bedeutenden LGBT-Aktivisten wie James Baldwin, Vito Russo und Bayard Rustin zu den ersten 50 Personen, die als „Pioniere, Vorreiter und Helden“ auf der National LGBTQ Wall of Honor, einer Gedenkwand im Stonewall Inn, verewigt wurden. Die Wand wurde in der Bar, deren umliegendes Viertel 2016 zum National Monument erklärt wurde, anlässlich des 50. Jahrestags der Aufstände enthüllt.[30]

Am 22. Oktober 2020 wurde erstmals die Dokudrama-Serie Equal auf HBO Max ausgestrahlt, in der es um die Anfänge der Lesben- und Schwulenbewegung in den Vereinigten Staaten geht. Darin wird DeLarverie von der Schauspielerin Elizabeth Ludlow dargestellt.[31]

Literatur

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 William Yardley: Storme DeLarverie, Early Leader in the Gay Rights Movement, Dies at 93. In: The New York Times. 29. Mai 2014, abgerufen am 9. November 2020 (english).
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 Elyssa Goodman: Drag Herstory: A Drag King's Journey From Cabaret Legend to Iconic Activist. In: them. 29. März 2018, abgerufen am 9. November 2020 (english).
  3. 3,0 3,1 Shereen Marisol Meraji, Gene Demby: They Don't Say Our Names Enough. In: National Public Radio. 27. Juni 2020, abgerufen am 10. Dezember 2020 (english).
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 Grace: From the Archives: An interview with Lesbian Stonewall Veteran Stormé DeLarverie. In: AfterEllen. 5. Juni 2018, abgerufen am 9. November 2020 (english).
  5. 5,0 5,1 Trish Bendix: Stormé DeLarverie passes away, the community loses a legend. In: AfterEllen. 27. Mai 2014, abgerufen am 10. November 2020 (english).
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 Krystal Grow: Long Live the Legacy of Storme DeLarverie. In: Vocativ. 27. Juni 2014, abgerufen am 10. November 2020 (english).
  7. Rachel Tashjian: Style A Brief History of Stormé DeLarverie, Stonewall’s Suiting Icon. In: GQ – Gentlemen’s Quarterly. 27. Juni 2019, abgerufen am 10. November 2020 (english).
  8. David Carter: Stonewall: The Riots that Sparked the Gay Revolution. St. Martin’s Press, Manhattan 2004, ISBN 0-312-20025-0, S. 142.
  9. Donn Teal: The Gay Militans. St. Martin’s Press, Manhattan 1971, ISBN 0-312-11279-3, S. 2.
  10. David Carter: Stonewall: The Riots that Sparked the Gay Revolution. St. Martin’s Press, Manhattan 2004, ISBN 0-312-20025-0, S. 147–148.
  11. Martin Duberman: Stonewall. Penguin Books, New York City 1993, ISBN 0-452-27206-8, S. 196.
  12. David Carter: Stonewall: The Riots that Sparked the Gay Revolution. St. Martin’s Press, Manhattan 2004, ISBN 0-312-20025-0, S. 151–152.
  13. Lucian K. Truscott IV: The night they busted Stonewall. In: Salon.com. 28. Juni 2017, abgerufen am 10. November 2020 (english).
  14. Dudley Clendinen, Adam Nagourney: Out for Good. Simon & Schuster, New York City 1999, ISBN 978-0-684-81091-1, S. 31.
  15. Dudly Clendinen, Adam Nagourney: Out for Good. Simon & Schuster, New York City 1999, ISBN 978-0-684-81091-1, S. 40.
  16. Kathleen LaFrank: National Historic Landmark Nomination. National Park Service (1999), S. 20.
  17. 17,0 17,1 Jim Luce: Gay Community’s Rosa Parks Faces Death, Impoverished and Alone. In: Huffpost. 12. Juli 2010, abgerufen am 10. November 2020 (english).
  18. David Carter: Stonewall: The Riots that Sparked the Gay Revolution. St. Martin’s Press, Manhattan 2004, ISBN 0-312-20025-0, S. 152–153.
  19. Martin Duberman: Stonewall. Penguin Books, New York City 1993, ISBN 0-452-27206-8, S. 197.
  20. Charles Kaiser: The Gay Metropolis: The Landmark History of Gay Life in America. Grove Press, New York City 2007, ISBN 978-0802-14317-4.
  21. 21,0 21,1 21,2 Manny Fernandez: A Stonewall Veteran, 89, Misses the Parade. In: The New York Times. 27. Juni 2010, abgerufen am 10. November 2020 (english).
  22. 22,0 22,1 Robert West: Stormé DeLarverie: In a Storm of Indifference, She’s Still a Jewel. In: Huffpost. 26. März 2013, abgerufen am 10. November 2020 (english).
  23. 23,0 23,1 23,2 Erin M. Drinkwater: Remembering Storme DeLarverie. In: Go. 14. Juni 2014, abgerufen am 9. November 2020 (english).
  24. Kristi K: Something Like A Super Lesbian: Stormé DeLarverie (In Memoriam). In: The K Word. 28. Mai 2014, abgerufen am 10. November 2020 (english).
  25. Lynn De La Cruz: Stonewall Veteran, Drag King Icon Stormé DeLarverie Dies At 93. In: The Advocate. 27. Mai 2014, abgerufen am 10. November 2020 (english).
  26. Danielle Tcholakian: Hundreds Mourn Gay Rights Pioneer at Memorial. In: DNAinfo. 30. Mai 2014, abgerufen am 10. November 2020 (english).
  27. Cal Goodin: The Unsung Heroines of Stonewall. In: National Parks Conservation Association. 1. Oktober 2020, abgerufen am 11. November 2020 (english).
  28. Jim Luce: Film on the Life and Times of Stonewall Veteran Storme DeLarverie by Sam Bassett. In: Daily Kos. 13. Juli 2010, abgerufen am 10. November 2020 (english).
  29. Harley Osgood: Stormé DeLarverie (1920-2014). In: Black Past. 30. September 2018, abgerufen am 10. November 2020 (english).
  30. Timothy Rawles: National LGBTQ Wall of Honor to be unveiled at historic Stonewall Inn. In: SDLGBTN. 19. Juni 2019, abgerufen am 11. November 2020 (english).
  31. Denise Petski: ‘Equal’: Samira Wiley, Anthony Rapp, Cheyenne Jackson Among Cast For HBO Max’s LGBTQ+ Docuseries. In: Deadline.com. 25. August 2020, abgerufen am 25. November 2020 (english).
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