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Strafbefehl

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Das Strafbefehlsverfahren ist im deutschen Recht ein vereinfachtes Verfahren zur Bewältigung der leichten Kriminalität durch einen schriftlichen Strafbefehl. Die Besonderheit des Strafbefehlsverfahrens liegt darin, dass es zu einer rechtskräftigen Verurteilung ohne mündliche Hauptverhandlung führen kann. Dies entlastet Gericht und Staatsanwaltschaft. Auch das Strafprozessrecht der Schweiz kennt das Strafbefehlsverfahren (s. dortigen Abschnitt ).

Allgemeines

Durch Strafbefehl können nur Vergehen im Sinne des § 12 Abs. 2 StGB geahndet werden.

Als Rechtsfolgen der Tat kommen gemäß § 407 Abs. 2 StPO in Betracht:

Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr kann festgesetzt werden, wenn der Angeschuldigte einen Verteidiger hat und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird.

Verfahren

Antrag auf Erlass eines Strafbefehls

Den Erlass eines Strafbefehls beantragt die Staatsanwaltschaft bei Gericht. Zuständig ist der Strafrichter des Amtsgerichts.

Nach dem Gesetzeswortlaut könnten Strafbefehle auch beim Schöffengericht beantragt werden. Da aber gemäß § 25, § 28 GVG das Schöffengericht erst dann zuständig ist, wenn es um die Ahndung von Verbrechen geht oder eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren zu erwarten ist, durch Strafbefehl eine derartige Strafe aber nicht festgesetzt werden darf, kommen Strafbefehle beim Schöffengericht nicht mehr vor. Die Erwähnung des Schöffengerichts ist rechtshistorisch zu begründen, da nach alter Rechtslage auch ein Strafbefehl beim Schöffengericht beantragt werden konnte und dieses auch zuständig dafür sein durfte.

Gemäß § 408 StPO hat der Richter folgende Möglichkeiten, wie er auf den Strafbefehlsantrag reagiert:

  • Stehen dem Erlass des Strafbefehls keine Bedenken entgegen, hat er den Strafbefehl zu erlassen. Soll im Strafbefehl Freiheitsstrafe festgesetzt werden und hat der Angeschuldigte keinen Verteidiger, bestellt der Richter gemäß § 408b StPO dem Angeschuldigten zunächst einen Pflichtverteidiger.
  • Hält der Richter den Angeschuldigten für nicht hinreichend verdächtig, lehnt er den Erlass des Strafbefehls durch Beschluss ab. Gegen diesen Beschluss kann die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde einlegen, § 210 StPO. Beschwerdebefugt sind auch der Nebenkläger und (eingeschränkt) der Privatkläger, nicht hingegen der Verletzte und der Anzeigende, sofern er nicht gleichzeitig Nebenkläger ist.
  • Der Richter beraumt die Hauptverhandlung an, wenn er Bedenken hat, ohne eine solche zu entscheiden, wenn er von der rechtlichen Beurteilung der Tat im Strafbefehlsantrag abweichen will oder wenn er eine andere als die beantragte Rechtsfolge festsetzen will. In diesem Fall hat er aber zuvor der Staatsanwaltschaft die Gelegenheit zu geben, Stellung zu nehmen und gegebenenfalls den Strafbefehlsantrag zu ändern.

Zustellung

Eine Person, welcher ein Strafbefehl zugestellt worden ist, wird als Angeklagter bezeichnet. Die Zustellung des Strafbefehls steht somit der Eröffnung des Hauptverfahrens gleich (§ 433 Abs. 1 Satz 1 StPO), in welchem die Person mit dem Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens zum Angeklagten wird (§ 157 StPO. Abweichungen von diesem Grundsatz in § 409 und § 410 StPO) Beachte: Die Zustellung des Strafbefehls kann auch an den bestellten Verteidiger § 145a StPO mit Wirkung für und gegen den Angeklagten erfolgen. Mit der Zustellung an den Verteidiger gilt die Zustellung als bewirkt mit der Folge, dass die Einspruchsfristen zu laufen beginnen.

Einspruch

Gegen einen erlassenen Strafbefehl kann der Angeklagte innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch einlegen (§ 410 StPO).

In der Folge wird dann regelmäßig eine mündliche Hauptverhandlung angesetzt. Es ist jedoch, insbesondere bei Einsprüchen, die eine Begründung enthalten, eine andere Verfahrenserledigung möglich, z.B. durch Klagerücknahme seitens der Staatsanwaltschaft oder Einstellung des Verfahrens durch das Gericht.

Hat der Angeklagte seinen Einspruch auf die Höhe der Tagessätze beschränkt, kann das Gericht mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten in diesem Falle auch ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden (§ 411 Abs. 1 Satz 3 StPO).

Wird innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung kein Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt, so gilt der Strafbefehl als rechtskräftiges Urteil und ist damit vollstreckbar. Verzichtet der Angeklagte noch vor Ablauf der Zwei-Wochen-Frist schriftlich auf Rechtsmittel (z.B. weil er eine Strafe wie etwa ein Fahrverbot möglichst früh antreten und damit früher beenden möchte), tritt bereits damit die Rechtskraft ein.

Der Angeklagte kann den Einspruch auch auf bestimmte Rechtsfolgen beschränken. Beispiel: Der Strafbefehl enthält eine Geldstrafe und die Entziehung der Fahrerlaubnis nebst einer Sperrfrist von zehn Monaten. Der Beschuldigte kann, wenn er mit der Dauer der Sperrfrist nicht einverstanden ist, seinen Einspruch auf diese Folge beschränken. In der Hauptverhandlung wird somit nur über den angefochtenen Teil der Rechtsfolgen, hier über die Dauer der Sperrfrist, verhandelt und entschieden.

Ist der Einspruch verspätet eingelegt worden, verwirft das Gericht ohne mündliche Verhandlung den Einspruch durch Beschluss als unzulässig (§ 411 Abs. 1 StPO). Gegen diesen Beschluss kann der Angeklagte sofortige Beschwerde einlegen.

Hauptverhandlung

In der mündlichen Verhandlung ersetzt der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls die Anklageschrift und der Strafbefehl selbst den Eröffnungsbeschluss. Die Beweisaufnahme ist entsprechend den Vorschriften über das beschleunigte Verfahren vereinfacht (§ 411 Abs. 2 Satz 2, § 420 StPO).

Anders als in normalen Strafverfahren, dem beschleunigten Verfahren oder dem Verfahren nach Anberaumung einer Hauptverhandlung gemäß § 408 Abs. 3 Satz 2 StPO braucht der Angeklagte in der Hauptverhandlung nach Einspruch gegen den Strafbefehl nicht selbst zu erscheinen. Der Angeklagte kann sich durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen (§ 411 Abs. 2 Satz 1 StPO). Das Gericht kann aber das persönliche Erscheinen des Angeklagten anordnen und notfalls erzwingen (§ 236 StPO).

Erscheint der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung in der Hauptverhandlung nicht und ist er auch nicht ordnungsgemäß vertreten, wird der Einspruch durch Urteil ohne Verhandlung zur Sache verworfen (§ 412, § 329 StPO). Gegen dieses Urteil ist Berufung, Revision oder Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich.

Der Angeklagte kann den Einspruch jederzeit vor Verkündung eines Urteils zurücknehmen. Hat die Hauptverhandlung begonnen (durch den Aufruf der Sache durch das Gericht), muss die Staatsanwaltschaft der Rücknahme zustimmen, damit diese wirksam wird. Erfolgt keine Zustimmung, muss über den Einspruch verhandelt werden.

Das Gericht ist in der Hauptverhandlung nicht an Schuldspruch und Rechtsfolgen des Strafbefehls gebunden. Das Gericht kann – nach Erteilung eines Hinweises gemäß § 265 StPO – den Angeklagten wegen einer anderen, auch einer schwerwiegenderen Straftat als im Strafbefehl verurteilen (zum Beispiel wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 StGB statt wegen einfacher Körperverletzung gemäß § 223 StGB) oder eine höhere Strafe festsetzen als im Strafbefehl vorgesehen war. Daher birgt die Einlegung eines Einspruchs für den Angeklagten immer ein gewisses Risiko.

Der Erlass eines Strafbefehls ist auch nach Erhebung einer Anklage möglich. Diese Verfahrensweise (§ 408a StPO) ist zulässig, wenn der Beschuldigte trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erscheint und die Voraussetzungen für den Erlass eines Strafbefehls (siehe oben) vorliegen.

Kosten

Entsprechend dem Gerichtskostengesetz fallen für einen Strafbefehl ohne Hauptverhandlung Gerichtskosten in Höhe von 70 Euro (Geldstrafe bis 180 Tagessätzen oder Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten) oder 140 Euro (Geldstrafe über 180 Tagessätze oder Freiheitsstrafe über 6 Monate) an.[1] Findet eine Hauptverhandlung statt und ergeht ein Sachurteil, das nicht auf Freispruch lautet, so wird die Gebühr verdoppelt und beträgt dann dementsprechend 140 Euro oder 280 Euro. Wenn der Strafbefehl durch Einspruch nicht rechtskräftig wurde und sich das Verfahren danach anderweitig erledigt, insbesondere durch Klagerücknahme oder Einstellung, werden die Kosten in der Regel nicht erhoben. Die Gerichtskosten haben nichts mit der Strafe an sich zu tun. Sie fallen sogar an, wenn von Strafe abgesehen wird oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt. Es handelt sich lediglich um eine Verwaltungsgebühr.

Anwendungsfälle

Das Strafbefehlsverfahren wird in der Praxis vor allem in Fällen der so genannten Massenkriminalität angewendet. Typische durch Strafbefehle geahndete Delikte sind Verkehrsdelikte wie Trunkenheit im Verkehr, Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, Gefährdung des Straßenverkehrs oder Fahren ohne Fahrerlaubnis, weiter Diebstähle (insbesondere Ladendiebstähle), so genannte einfache Körperverletzungen gemäß § 223 StGB (also keine gefährlichen oder schweren Körperverletzungen), Sachbeschädigungen, Leistungserschleichung (so genanntes Schwarzfahren in öffentlichen Verkehrsmitteln), Beleidigung (§§ 185, 194 StGB), Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 StGB.

Oft angewendet wird das Strafbefehlsverfahren auch bei Steuerhinterziehung, wobei hier die Besonderheit besteht, dass statt der Staatsanwaltschaft auch die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts den Strafbefehl bei Gericht beantragen kann. Wird jedoch eine Hauptverhandlung durchgeführt, muss die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung anwesend sein, die Bußgeld- und Strafsachenstelle kann jedoch an der Hauptverhandlung ebenfalls teilnehmen. Die Vollstreckung des Strafbefehls schließlich obliegt auch bei Steuerstraftaten ausschließlich der Staatsanwaltschaft.

Sonderfälle

Im Jugendstrafrecht gelten folgende Besonderheiten: Gegen Jugendliche kann kein Strafbefehl verhängt werden, jedoch ist im so genannten vereinfachten Jugendverfahren ein Urteil ohne Anklage aufgrund eines kurzen schriftlichen oder mündlichen Antrags der Staatsanwaltschaft möglich. Gegen Heranwachsende (18 bis 20 Jahre) ist ein Strafbefehl, dessen Rechtsfolge eine Freiheitsstrafe ist, nicht zulässig (vgl. §§ 79, 80, 109 JGG). Gegen sie darf ein Strafbefehl nur dann erlassen werden, wenn das allgemeine Strafrecht anzuwenden ist (§ 109 Abs. 2, § 79 Abs. 1 JGG). Zuständig ist der Jugendrichter.

Siehe auch

Literatur

  • Jörg Burkhard, Strafbefehl im Steuerstrafrecht. Frankfurt 1997
  • Detlef Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren. 5. Aufl., 2006
  • Klaus Jochen Müller: Das Strafbefehlsverfahren (§§ 407ff. StPO). Eine dogmatisch-kriminalpolitische Studie zu dieser Form des schriftlichen Verfahrens unter besonderer Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung – zugleich ein Beitrag zum StVÄG 1987. Frankfurt am Main u.a.: Lang 1993.
  • Alexander Vivell: Das Strafbefehlsverfahren nach Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 408a StPO). Eine kritische Untersuchung und Analyse. Frankfurt am Main u.a.: Lang 2006.

Quellen

  1. Anlage 1 (zu § 3 Abs. 2) Kostenverzeichnis, Teil 3, Hauptabschnitt 1, Abschnitt 1, Nummer 3118 und Nummern 3110, 3111
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