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Reichsgau Sudetenland

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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weiteres findet sich unter Sudetenland und Sudetenland (Provinz).
Reichsgaue um 1941

Der Reichsgau Sudetenland (tschechisch Říšská župa Sudety) oder verkürzt Sudetengau (tschech. Sudetská župa) wurde aus dem größten Teil der 1938 einverleibten Gebiete[1] der Tschechoslowakei gebildet und bestand im Deutschen Reich von 1939 bis 1945. An der Spitze der Verwaltung des Territoriums stand der Reichsstatthalter Konrad Henlein. Der Reichsgau Sudetenland war in die Regierungsbezirke Eger, Aussig und Troppau unterteilt und umfasste im Oktober 1938 22.608 km², im Dezember desselben Jahres infolge weiterer Gebietskorrekturen 29.140 km². Gauhauptstadt war das böhmische Reichenberg.

Mit der Wiederherstellung des Staatsgebietes der Tschechoslowakei nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs endete die Geschichte des Reichsgaues Sudetenland.

Gebiet und Bevölkerung

22.587 km²; 2.945.261 Einwohner (Volkszählung am 17. Mai 1939)

Geschichte

Das sudetendeutsche Gebiet der Tschechoslowakei war im Münchner Abkommen von 1938 als Ergebnis britisch-französischer Appeasement-Politik gegen den Willen der Prager Regierung von den an der Konferenz beteiligten Staaten dem Deutschen Reich zugesprochen worden. Vom 1. Oktober bis zum 10. Oktober 1938 besetzten rund 24 Divisionen der Wehrmacht die an Deutschland und das frühere Österreich angrenzenden Gebiete der Tschechoslowakei. Die neuen Grenzen des Deutschen Reiches wurden nicht nach der wirklichen oder angeblichen Bevölkerungszusammensetzung der annektierten Gebiete gezogen, sondern nach wirtschaftlichen und strategischen Gesichtspunkten. Die konkrete territoriale Festlegung traf der „Berliner Ausschuß“, in dem die Außenminister der Unterzeichnerstaaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien vertreten waren. Das Ergebnis wurde im deutsch-tschechoslowakischen Grenzabkommen vom 21. November 1938 verlautbart. Mit diesen Gebieten verlor die Tschechoslowakei ein Drittel ihrer Bevölkerung, ihre wichtigsten Industrieanlagen und ihre gesamten Grenzverteidigungsanlagen.

Sofort nach dem deutschen Einmarsch erhielt das Heer die vollziehende Gewalt. Die fünf beteiligten Heeresgruppenkommandos setzten zunächst Chefs der Zivilverwaltungen (CdZ) ein, bis am 1. Oktober 1938 Konrad Henlein zum „Reichskommissar für Sudetendeutschland“ ernannt wurde. Die CdZ-Organisationen waren schlecht geplant und bewährten sich nicht. Sie sahen sich einem Machtkampf einzelner Reichsinstanzen gegenüber und mussten gebeten werden, eine zusätzliche Woche im Amt zu bleiben, weil die Zivilverwaltung Henleins noch nicht arbeitsfähig war. Henlein konnte sich durch seinen unmittelbaren Zugang zu Adolf Hitler der Einflussnahme der militärischen Befehlshaber mühelos entziehen. Am 20. Oktober 1938 endete die vollziehende Gewalt des Heeres und Henlein übernahm als Reichskommissar die Verwaltung.

Der tschechische Bevölkerungsanteil umfasste Januar 1938 rund 319.000 Personen. Noch im Oktober 1938 nahmen 193.793 Tschechen (= 60,75 %) die deutsche Staatsangehörigkeit an, um in ihrer Heimat verbleiben zu können. Die Tschechen, die nun nicht mehr unter deutscher Herrschaft leben wollten, wurden ins Protektorat Böhmen und Mähren umgesiedelt.[2] Ihren Besitz eigneten sich sowohl der deutsche Staat als auch viele deutsche Privatleute an, nachdem Entschädigungszahlungen erfolgt waren. Allerdings zahlten die Deutschen nur einen Minimalwert an die Betroffenen.

Unmittelbar nach der „Zerschlagung der Rest-Tschechei“ legte der § 1 des Gesetzes über die Gliederung der sudetendeutsche Gebiete vom 25. März 1939 die Bildung des Reichsgaues Sudetenland zum 15. April 1939 fest. Dessen Verwaltungsaufbau regelte das Gesetz über den Aufbau der Verwaltung im Reichsgau Sudetenland (Sudetengaugesetz) vom 15. April 1939, das zum 1. Mai 1939 in Kraft trat. Danach wurde aus dem Großteil der sudetendeutschen Gebiete der neue Reichsgau Sudetenland gebildet. Kleinere Grenzabschnitte im Nordosten wurden der preußischen Provinz Schlesien zugewiesen (das „Hultschiner Ländchen“ erhielt der Landkreis Ratibor im Regierungsbezirk Oppeln), Teilgebiete im Südwesten und Süden kamen zum Regierungsbezirk Niederbayern-Oberpfalz des Landes Bayern und den Reichsgauen Oberdonau und Niederdonau. Das „Sudetengaugesetz“ beseitigte den vorhandenen Aufbau der Verwaltung.

Verwaltungssitz wurde nun die Stadt Reichenberg mit der neuen Bezeichnung „Gauhauptstadt“. Zum Reichsstatthalter und Gauleiter in Reichenberg ernannte man den bisherigen Reichskommissar Konrad Henlein.

Nachdem durch das „Sudetengaugesetz“ die Grundlagen für die neuen Behörden geschaffen worden waren, folgte die Zerschlagung der bisherigen Verbände. NS-Organisationen erfassten die Bevölkerung. Die Sudetendeutsche Partei (SdP) ging in der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) auf. Alle sonstigen Parteien wurden verboten.

Im Mai 1945 brachten Rote Armee und US Army den Rest des bisher von der Anti-Hitler-Koalition noch nicht eingenommenen Staatsgebiets der ČSR mit dem Sudetenland unter ihre Kontrolle. In der Folgezeit übernahm eine neue tschechoslowakische Regierung die Verwaltung und begann mit der Vertreibung der deutschen Bevölkerung.

Wappen

Wappen des Reichsgaus Sudetenland (September 1940–1945)

Am 9. September 1940 verlieh das Reichsministerium des Innern dem Reichsgau Sudetenland ein Wappen, das an die historischen Landesteile des Gaugebietes erinnerte und sichtlich auch die vorgebliche „Wiedervereinigung“ dieser Teile der böhmischen Länder mit dem (Groß-)Deutschen Reich rechtfertigen helfen sollte. Dieses Wappen wird wie folgt beschrieben: „Halbgespalten und geteilt; oben vorn in Rot ein schwarzer, silbern bewehrter Adler, oben hinten von Silber und Schwarz gespalten und belegt mit einem rot, bzw. silbern bewehrten Adler, dessen rechte Hälfte schwarz mit silberner Mondsichelspange und dessen linke Hälfte von Silber und Rot geschacht; unten in Rot ein silbernes Schräggitter.“

Das (heraldisch) obere rechte Feld zeigte in leicht veränderter Farbgebung das premyslidische Adlerwappen, das die böhmischen Herzoge und ersten Könige bis um die Mitte des 13. Jahrhunderts führten. Dieses Symbol deutete auf die damalige Lehensabhängigkeit der böhmischen Herrscher vom Römisch-Deutschen Kaiserreich hin. Das (heraldisch) obere linke Feld enthält (ebenfalls mit Änderungen in der Farbgebung) den schlesischen und den mährischen Adler. Das Schräggitter im unteren Feld war ein Symbol der einstigen Reichsstadt Eger.[3]

Verwaltungsgliederung

Das Sudetenland teilte sich in die drei Regierungsbezirke Aussig (tschechisch Ústí nad Labem), Eger (tschechisch Cheb) und Troppau (tschechisch Opava) mit der entsprechenden Anzahl von Stadt- und Landkreisen. Während die Grenzen der Regierungsbezirke völlig neu bestimmt wurden, blieb es hinsichtlich der Kreise im Wesentlichen bei den Abgrenzungen der früheren tschechoslowakischen politischen Bezirke.

Zum vorläufigen Sitz des Regierungsbezirks Eger wurde die Stadt Karlsbad (tschechisch Karlovy Vary) bestimmt. Im Übrigen waren die Sitze der anderen Bezirke in Aussig und Troppau.

Ortsnamen

Wesentliche Ortsumbenennungen fanden nicht statt. Es galten im Allgemeinen die früheren österreichischen (deutschsprachigen) Bezeichnungen aus der Zeit bis 1918.

Tabellarische Übersicht (Mai 1939)

Bezeichnung Kreisname Fläche in km² Bevölkerung (17. Mai 1939)
Reg.-Bez. Aussig 7293,16 1328784
Stadtkreis Aussig 36,86 67063
Stadtkreis Reichenberg 37,35 69195
Landkreis Aussig 318,81 56201
Landkreis Bilin 236,50 33559
Landkreis Böhmisch-Leipa 328,78 48356
Landkreis Braunau 330,16 34386
Landkreis Brüx 348,26 90929
Landkreis Dauba 495,10 25511
Landkreis Deutsch-Gabel 577,45 45468
Landkreis Dux 139,73 39486
Landkreis Friedland (Isergebirge) 372,81 36595
Landkreis Gablonz an der Neiße 296,48 96006
Landkreis Hohenelbe 551,59 62246
Landkreis Komotau 493,90 85572
Landkreis Leitmeritz 550,25 71547
Landkreis Reichenberg 406,95 64070
Landkreis Rumburg 125,78 39421
Landkreis Schluckenau 140,72 34844
Landkreis Teplitz-Schönau 202,99 97112
Landkreis Tetschen 603,53 118118
Landkreis Trautenau 610,63 73376
Landkreis Warnsdorf 88,53 37723
7293,16 1326784
Reg.-Bez. Eger 7466,79 803300
Stadtkreis Eger 24,41 35507
Stadtkreis Karlsbad 46,12 53311
Landkreis Asch 141,83 44690
Landkreis Bischofsteinitz 502,72 35484
Landkreis Eger 430,90 43270
Landkreis Elbogen 207,61 37393
Landkreis Falkenau an der Eger 291,58 58559
Landkreis Graslitz 171,65 35484
Landkreis Kaaden 560,69 50257
Landkreis Karlsbad 196,81 34068
Landkreis Luditz 617,75 30157
Landkreis Marienbad 329,09 33692
Landkreis Mies 891,04 68513
Landkreis Neudek 242,32 36001
Landkreis Podersam 579,51 39903
Landkreis Saaz 409,45 44286
Landkreis Sankt Joachimsthal 258,60 32242
Landkreis Tachau 903,20 56490
Landkreis Tepl 661,51 35993
7466,79 805300
Reg.-Bez. Troppau 7848,28 811103
Stadtkreis Troppau 43,26 47551
Landkreis Bärn 659,85 37121
Landkreis Freiwaldau 736,31 70005
Landkreis Freudenthal 591,69 48339
Landkreis Grulich 486,86 29161
Landkreis Hohenstadt 556,91 60314
Landkreis Jägerndorf 532,21 63125
Landkreis Landskron 337,98 32637
Landkreis Mährisch-Schönberg 738,67 76244
Landkreis Mährisch Trübau 393,38 36225
Landkreis Neutitschein 585,84 84631
Landkreis Römerstadt 381,54 26936
Landkreis Sternberg 441,39 46695
Landkreis Troppau 518,30 47781
Landkreis Wagstadt 376,86 54698
Landkreis Zwittau 467,23 49640
7848,28 811103
Reichsgau Sudetenland 22608,23 2943187
Reg.-Bez. Oppeln 316,76 52967
Landkreis Ratibor plus Hultschiner Ländchen 316,76 52967
Reg.-Bez. Niederbayern und Oberpfalz 1675,46 90332
Landkreis Bergreichenstein 438,47 18864
Landkreis Markt Eisenstein 504,26 32779
Landkreis Prachatitz 732,73 38689
1675,46 90332
Reg.-Bez. Niederdonau 2677,72 224806
Landkreis Bruck an der Leitha 35,03 16526
Landkreis Gmünd 141,99 7385
Landkreis Horn 51,43 1845
Landkreis Neubistritz 423,68 19122
Landkreis Nikolsburg 786,76 77918
Landkreis Waidhofen an der Thaya 273,53 10445
Landkreis Znaim 965,30 91565
2677,72 224806
Reg.-Bez. Oberdonau 1717,75 97157
Landkreis Kaplitz 878,08 47765
Landkreis Krummau an der Moldau 839,67 49392
1717,75 97157
Sudetendeutsche Gebiete 28995,92 3408449

Quelle: Statistik des Deutschen Reiches, Band 552, Heft 1

Verwaltungsgliederung des Reichsgaus Sudetenland 1945

Verwaltungskarte des Reichsgaus Sudetenland

Regierungsbezirk Aussig

Stadtkreise

  1. Aussig
  2. Reichenberg

Landkreise

  1. Aussig
  2. Bilin
  3. Böhmisch Leipa
  4. Braunau
  5. Brüx
  6. Dauba
  7. Deutsch Gabel
  8. Dux
  9. Friedland (Isergebirge)
  10. Gablonz an der Neiße
  11. Hohenelbe
  12. Komotau
  13. Leitmeritz
  14. Reichenberg
  15. Rumburg
  16. Schluckenau
  17. Teplitz-Schönau
  18. Tetschen-Bodenbach
  19. Trautenau
  20. Warnsdorf

Regierungsbezirk Eger (Sitz: Karlsbad)

Stadtkreise

  1. Eger
  2. Karlsbad

Landkreise

  1. Asch
  2. Bischofteinitz
  3. Eger
  4. Elbogen
  5. Falkenau an der Eger
  6. Graslitz
  7. Kaaden
  8. Karlsbad
  9. Luditz
  10. Marienbad
  11. Mies
  12. Neudek
  13. Podersam
  14. Preßnitz
  15. Saaz
  16. Sankt Joachimsthal (Sitz: Karlsbad)
  17. Tachau
  18. Tepl

Regierungsbezirk Troppau

Stadtkreis

  1. Troppau

Landkreise

  1. Bärn
  2. Freiwaldau
  3. Freudenthal
  4. Grulich
  5. Hohenstadt
  6. Jägerndorf
  7. Landskron
  8. Mährisch Schönberg
  9. Mährisch Trübau
  10. Neu Titschein
  11. Römerstadt
  12. Sternberg
  13. Troppau
  14. Wagstadt
  15. Zwittau

Einzelnachweise

  1. Daniel-Erasmus Khan, Die deutschen Staatsgrenzen, S. 97.
  2. Insoweit: Matthias Lichter,Oberregierungsrat im Reichsministerium des Innern, schrieb in seinem 1943 im Carl Heymanns Verlag Berlin erschienenen Werk Das Staatsangehörigkeitsrecht im Großdeutschen Reich (http://d-nb.info/574892435) zu § 2 des Vertrages zwischen dem Deutschen Reich und der Tschechoslowakischen Republik über Staatsangehörigkeits- und Optionsfragen vom 20. November 1938 (RGBl. II S. 896), betr. die bis 10. Juli 1939 eingeräumte Möglichkeit eines beiderseitigen Bevölkerungsaustausches auf Verlangen der jeweils anderen Regierung: „Übrigens war noch am 4. März 1939 zwischen der Reichsregierung und der damaligen Tschechoslowakischen Regierung zusätzlich vereinbart worden, daß – unter Vorbehalt einer anderweitigen Verständigung – beiderseits der § 2 vorläufig nicht angewendet werde.“
  3. Beschreibung und Abbildung auf der privaten Website von Karl Heinz Prehm, eingesehen 12/2009.

Literatur

  • Ralf Gebel: Heim ins Reich. Konrad Henlein und der Reichsgau Sudetenland 1938–1945. Verlag Oldenbourg, 2. Aufl., München 1999, ISBN 3-486-56468-4. – Eine Geschichte des „Reichsgaus Sudetenland“
  • Udo Benzenhöfer, Thomas Oelschläger, Dietmar Schulze, Michal Šimůnek: „Kindereuthanasie“ und „Jugendlicheneuthanasie“ im Reichsgau Sudetenland und im Protektorat Böhmen und Mähren. In: Studien zur Geschichte der Medizin im Nationalsozialismus, Band 5. GWAB-Verlag, Wetzlar 2006, ISBN 978-3-9808830-8-5.
  • Jörg Osterloh: Nationalsozialistische Judenverfolgung im Reichsgau Sudetenland 1938–1945. Verlag Oldenbourg, München 2006, ISBN 3-486-57980-0.

Weblinks

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