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Synagogenorgel
Die Synagogenorgel ist eine Pfeifenorgel, die für eine Synagoge gebaut wird.
Geschichte
Die ersten Synagogenorgeln sind in Prag für das Jahr 1594 und für das 17. Jahrhundert und in Venedig für das 17. Jahrhundert nachweisbar.[1] In Deutschland war die Einführung der Orgel erst durch die jüdische Aufklärungsbewegung der Haskala möglich. Durch die Öffnung für die christliche Gesellschaft glich sich der jüdische Gottesdienst in den reformorientierten Gemeinden dem protestantischen Gottesdienst an. Nachdem Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Synagogen die Liturgie verkürzt und der Chorgesang, der Gemeindegesang und Predigt und Gebete in der Landessprache eingeführt worden waren, hielt auch die Orgel in deutschen reformgesinnten Synagogen Einzug.[2] Allerdings blieb das Reformjudentum weitgehend auf Mitglieder der Oberschicht in mittelgroßen und größeren Städten beschränkt. Israel Jacobson ließ im Jahr 1810 für die Jacobsonschule in Seesen eine Orgel bauen. 1815 wurden in Berlin und 1816 in Kassel erstmals synagogale Lieder auf der Orgel begleitet. Für den Hamburger Israelitischen Tempel entstand 1818 die erste Synagogenorgel.[3]
Zu einer Verbreitung der Synagogenorgeln kam es, als die zweite deutsche Rabbinerversammlung 1845 ihren Bau gestattete. In den Folgejahren bauten führende deutsche Orgelbauer ihrer Zeit wie Buchholz, Ladegast, Sauer und Walcker & Cie. Instrumente in Berlin (private Synagoge, 1846), Hildesheim (1850), Mainz (1853), Berlin (Neue Synagoge, 1854), Mannheim (1855), Leipzig (1856).[4] Walcker baute allein zwischen 1910 und 1914 fünf Orgeln mit über 50 Registern für deutsche Synagogen.[5] Die konstruktiven Bauprinzipien unterschieden sich nicht von Kirchenorgeln. In Synagogen wie in Kirchen wurden sie in der Regel auf der Empore aufgestellt. Konnte sich eine liberale Gemeinde keine teure Orgel leisten, schaffte sie ein Harmonium an.[6] Die meisten Gemeinden standen der Orgel kritisch gegenüber, da sie als christliches Instrument betrachtet wurde und aus dem traditionellen Respekt gegenüber dem zerstörten Jerusalemer Tempel das Musizieren am Sabbat unterbleiben sollte. Als die Rabbinerversammlung 1869 in Leipzig die Anschaffung von Orgeln empfahl und 1871 jüdischen Organisten das Orgelspiel am Sabbat erlaubte, nahm die Verbreitung der Synagogenorgel einen weiteren Aufschwung, sodass in fast allen deutschen Großstädten Orgeln in Synagogen erklangen. Bis ins 20. Jahrhundert hinein spielten allerdings überwiegend christliche Organisten auf Synagogenorgeln. Die orthodoxen Gemeinden blieben bei ihrer kritischen Haltung gegenüber der Orgel. In mehreren Städten wie Erfurt, Frankfurt, Mainz, Worms und Zürich führte die Einführung der Orgel zur Spaltung in eine orthodoxe und eine liberale Gemeinde.[7] Teils umfangreiche synagogale Orgelmusik schrieben Louis Lewandowski, Josef Löw, Joseph Sulzer und Moritz Deutsch.
Fast der gesamte Instrumentenbestand wurde in der sogenannten Reichspogromnacht 1938 vernichtet. In den knapp 130 Jahren konnte sich kaum eine spezifisch jüdische Orgelmusik ausprägen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Deutschland nur in Einzelfällen Synagogenorgeln gebaut.[2] Heute gibt es in Deutschland nur noch Synagogenorgeln in der Frankfurter Westend-Synagoge und in der Synagoge Saarbrücken, die beide 1950 gebaut wurden. In der Bielefelder Synagoge, einer ehemaligen Kirche, wurde die bestehende Orgel übernommen.[8] In Europa finden sich die meisten Synagogenorgeln in Tschechien (16 Werke). Außerhalb Europas gibt es nur noch in den USA eine größere Anzahl von Synagogenorgeln (etwa 50 Instrumente).[5]
Synagogenorgeln (Auswahl)
Ort | Gebäude | Bild | Orgelbauer | Jahr | Manuale | Register | Bemerkungen |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Hamburg | Israelitischer Tempel | Paul Rother | 1818 | nicht erhalten | |||
Berlin | Private Synagoge, Georgenstraße | Carl August Buchholz | 1846 | II | 9 | nicht erhalten | |
Mainz-Altstadt | Hauptsynagoge Mainz | Bernhard Dreymann | 1853 | 1912 ersetzt[9] | |||
Leipzig | Große Gemeindesynagoge | Friedrich Ladegast | 1856 | II/P | 20 | nicht erhalten | |
Berlin-Mitte | Synagoge, Johannisstr. 16 | Carl August Buchholz | 1866 | III/P | 45 | nicht erhalten | |
Prag, Tschechien | Spanische Synagoge | Karel Schiffner | 1870 | II/P | 20 | erhalten | |
Darmstadt | Liberale Synagoge, Friedrichstraße 2 | E. F. Walcker & Cie. | 1876 | II/P | 23 | nicht erhalten | |
Versailles | Synagoge | Aristide Cavaillé-Coll | 1887 | I/P | 5 | später auf III/P/16 erweitert | |
Reims, Frankreich | Synagoge; 49, rue Clovis | Augustin Brisset | 1901 | II/P | 14 | 2013 Restaurierung | |
Szeged, Ungarn | Neue Synagoge | Carl Leopold Wegenstein | 1903 | II/P | 21 | 2000/2001 Restaurierung | |
London, U. K. | West London Synagoge | Harrison & Harrison | 1908 | IV/P | 55 | elektropneumatische Schleiflade; 2007 Restaurierung | |
Frankfurt am Main | Westend-Synagoge | E. F. Walcker & Cie. | 1909 | III/P | 46 | nicht erhalten | |
Berlin | Neue Synagoge | E. F. Walcker & Cie. | 1910 | IV/P | 90 | nicht erhalten | |
Essen | Alte Synagoge | E. F. Walcker & Cie. | 1914 | III/P | 51 | nicht erhalten | |
Hamburg | Synagoge, Oberstraße | 1931 | nicht erhalten | ||||
Saarbrücken | Synagoge Saarbrücken | Edmond Alexandre Roethinger | 1950 | II/P | 19 | erhalten | |
Frankfurt am Main | Westend-Synagoge | E. F. Walcker & Cie. | 1950 | III/P | 36 | erhalten |
Literatur
- Hermann Fischer, Theodor Wohnhaas: Quellen zur Geschichte der Orgeln in westdeutschen Synagogen. In: Jahrbuch des Instituts für Deutsche Geschichte. Bd. 5. Tel Aviv 1976, S. 467–481.
- Hermann Fischer, Theodor Wohnhaas: Nachrichten über Synagogenorgeln. In: Jahrbuch des Instituts für Deutsche Geschichte. Bd. 6. TelAviv 1977, S. 531–538.
- Tina Frühauf: Orgel und Orgelmusik in deutsch-jüdischer Kultur (= Wege deutsch-jüdischer Geschichte und Kultur.) Georg Olms Verlag, Hildesheim 2005, ISBN 978-3-487-12872-6.
- Juliane Irma Mihan; Bertram Schmitz (Hrsg.): Sakrileg oder Gotteslob? Die Orgel in der Synagoge im kulturhistorischen Kontext. Tectum, Marburg 2013, ISBN 978-3-8288-3149-0.
- Erich Tremmel: Die Orgel in der Synagoge. Eine Betrachtung aus musikwissenschaftlicher Sicht. In: Andor lzsak (Hrsg.): 2. Internationales Festival der Jüdischen Musik. Augsburg 1989, S. 67–86.
Weblinks
- Liste mit 180 Synagogenorgeln (PDF)
- Martin Geisz: Harmonium-Instrumente in Synagogen (PDF)
- Achim Seip: Beiträge zur Erfassung von Synagogenorgeln. In: Orgel International. 1991, Heft 1, S. 16–21.
Einzelnachweise
- ↑ Frühauf: Orgel und Orgelmusik in deutsch-jüdischer Kultur. 2005, S. 35–40.
- ↑ 2,0 2,1 Michael Gassmann: Das Symbol der Synagogenorgel. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29. Januar 2007, abgerufen am 19. Oktober 2017.
- ↑ Achim Seip: Die Orgel in der Synagoge, abgerufen am 19. Oktober 2017.
- ↑ Achim Seip: Einführung der Orgel in den jüdischen Gottesdienst, abgerufen am 19. Oktober 2017.
- ↑ 5,0 5,1 Seip: Beiträge zur Erfassung von Synagogenorgeln, abgerufen am 19. Oktober 2017.
- ↑ Martin Geisz: Harmonium-Instrumente in Synagogen, abgerufen am 19. Oktober 2017 (PDF).
- ↑ Synagogenorgeln in Deutschland, abgerufen am 19. Oktober 2017.
- ↑ Achim Seip: Synagogenorgeln heute, abgerufen am 19. Oktober 2017.
- ↑ Franz Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 1: Mainz und Vororte – Rheinhessen – Worms und Vororte, Schott, Mainz 1967, ISBN 3-7957-1306-4, S. 207.
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