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Terrorherrschaft

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„Das Wappen (und gleichzeitig die Waffen) der Radikalen“ (1819), Karikatur von George Cruikshank auf die Terrorexzesse 1793/94 in Frankreich

Die Terrorherrschaft, die Schreckensherrschaft oder der Schrecken (französisch la Terreur ‚der Schrecken‘) war eine Periode der Französischen Revolution von Anfang Juni 1793 bis Ende Juli 1794, die durch die brutale Unterdrückung aller Personen gekennzeichnet war, die verdächtigt wurden, nicht mit der Revolution einverstanden zu sein. Die Terrorherrschaft wurde vom Wohlfahrtsausschuss, einem Komitee von zwölf Männern, geleitet. Zuerst wurde er von Georges Danton und dann zunehmend von Maximilien de Robespierre angeführt.

Die Terrorherrschaft begann mit dem Aufstand der Pariser Sansculotten gegen den Konvent vom 31. Mai bis 2. Juni 1793 und der Annahme der Verfassung vom 24. Juni 1793, die allerdings nie in Kraft trat. Ihren Höhepunkt erreichte sie im Juni und Juli 1794; diese Zeit wird auch als Großer Terror (frz. la Grande Terreur) bezeichnet. Sie fand ein Ende mit der Verhaftung und Hinrichtung Robespierres und der Machtübernahme der Thermidorianer am 9. Thermidor II (27. Juli 1794).

Ursachen

Der Gipfel der Freiheit (The Pinnacle of liberty), Karikatur von James Gillray

Der Nationalkonvent beschloss am 5. September 1793 offen die Einführung von Terrormaßnahmen zur Unterdrückung aller „konterrevolutionären“ Aktivitäten, die insgesamt etwa 35.000 bis 40.000 Todesopfer forderten. Etwa 21.000 „Überwachungsausschüsse“ wurden gebildet.

Maximilien de Robespierre, um 1790, anonymes Porträt, Musée Carnavalet

Robespierre rechtfertigte den Terror mit seinem Ziel, der Tugend. In einem „Tugendstaat“ seien „das Volk durch Vernunft zu leiten und die Feinde des Volkes durch terreur zu beherrschen“, erklärte er am 5. Februar 1794 vor dem Nationalkonvent:

„Die Terreur ist nichts anderes als unmittelbare, strenge, unbeugsame Gerechtigkeit; sie ist also Ausfluss der Tugend; sie ist weniger ein besonderes Prinzip als die Konsequenz des allgemeinen Prinzips der Demokratie in seiner Anwendung auf die dringendsten Bedürfnisse des Vaterlandes.“[1]

Wenn die Republik von innen und von außen bedroht sei, bedürfe es des Schreckens, „ohne den die Tugend ohnmächtig ist.“ Die Radikalisierung und Brutalisierung der französischen Politik wäre ohne den Krieg, der seit 1792 von Österreich und Preußen, dann auch von Großbritannien gegen Frankreich geführt wurde, und ohne die inneren Aufstände so wohl nicht eingetreten.

Der Historiker Gerd van den Heuvel sieht dagegen eher sozialpsychologische Ursachen. Bereits in den 1780er Jahren lasse sich eine große Bereitschaft nachweisen, negative Entwicklungen mit Verschwörungen und Komplotten zu erklären, etwa die Grande Peur oder auch eine imaginierte Adelsverschwörung, die hinter dem widersprüchlichen Verhalten des Kommandanten der Bastille Bernard-René Jordan de Launay am 14. Juli 1789 gesteckt haben soll und de Launay den Kopf kostete. Die Popularität von Verschwörungsideologie wuchs zwar mit realen Ereignissen, die sie zu bestätigen schienen, etwa der Versuch des Königs, ins Ausland zu gelangen oder die Attentate auf Jean-Paul Marat, Robespierre und Jean-Marie Collot d’Herbois, zumal diese zweckgerichtet überhöht wurden:

„Die Angst vor dem Komplott, vor dunklen Machenschaften und perfektem zielgerichtetem Vorgehen mutmaßlicher Gegner entsprach kaum der Realität, wohl aber dem Bedürfnis des eigenen Bewußtseins. Das ‚Komplott‘ und der latente ‚Schrecken‘, in den es die Patrioten versetzte, rechtfertigte es nicht nur, gegen die evidente Konterrevolution, sondern auch die mögliche Revolutionsfeindlichkeit vorzugehen, nicht der Tat, sondern bereits dem nicht konformen Gewissen mit präventiver terreur zu begegnen. […] Stellte die Verschwörung und ihre Bekämpfung durch terreur bis zum Sommer 1793 eine mögliche Interpretation der Revolution dar, so bildete diese Ideologie im Jahre II die Raison d’être der Regierung.“[2]

Statistik und Opferzahlen

Massenertränkungen in der Loire im Dezember 1793, zynisch «Taufe von Nantes» genannt, Radierung von Samuel Gysin nach einer Zeichnung von Jean Duplessis-Bertaux

Die Terrorherrschaft führte in Frankreich nach Archivunterlagen, die von Donald Greer ausgewertet wurden, zu mindestens 16.594 Todesurteilen[3] vollstreckt durch die Guillotine, davon rund 2500 in Paris – 1306 der Hingerichteten liegen auf dem Friedhof Picpus. Dabei waren Opfer, die ohne Prozess getötet wurden oder in Gefangenschaft starben, nicht mitgerechnet. Ihre Zahl wird von einigen Historikern auf etwa 40.000 geschätzt,[4] von anderen um 25.000.[5] Insgesamt rund 85 % der Hingerichteten gehörten dem früheren Dritten Stand an,[6][7] darunter Bauern mit 28 %, Arbeiter mit 31 %.[8] 8,5 % waren aus dem Adel, 6,5 % aus dem Klerus. Rund 80 % der Todesurteile ergingen wegen Verrat oder Rebellion, 9 % wegen Oppositions-Delikten und nur wenige Prozent wegen ökonomischer Vergehen wie „accaparement“ (Aufkauf von Waren zu Wucherzwecken). Insgesamt wurden nach dem Beginn der Terrorherrschaft 1793 zirka 500.000 Verhaftungen vorgenommen und etwa 300.000 Beschränkungen des Wohnorts.[9][10]

Der Schwerpunkt der Hinrichtungen lag in der Provinz, besonders im Rhônetal, wo im Oktober 1793 in Lyon ein Girondistenaufstand blutig niedergeschlagen wurde (über 2000 Hinrichtungen), und im Westen in der Vendée und gegen die Chouannerie im Département Mayenne. Allein der Aufstand der Vendée kostete über 150.000 Menschenleben – der Vergleich der Volkszählungen von 1790 und 1802 ergab ein Defizit von 200.000 in der Bevölkerung, das teilweise natürlich auch auf die Begleitumstände des Terrors (Abwanderung, Geburtenrückgang, Verelendung) zurückzuführen war. In Nantes an der Loire wütete 1793 bis 1794 der Abgesandte des Konvents Jean-Baptiste Carrier, der zahlreiche Opfer auf speziell hergerichteten Schiffen im Fluss ertränkte. Ein weiterer Schwerpunkt der Opferzahlen waren die Front-Provinzen des Revolutionskrieges. Von den von Greer untersuchten rund 16.500 Hinrichtungen fanden nur 15 % in Paris statt, 19 % im Südosten und 52 % im Westen.[11]

Wirtschaftspolitik

Die Wirtschaftspolitik musste sich den Hauptzielen der Regierung – Ausrüstung der Armee und Überwindung der Hungersnot – völlig unterordnen. Zu diesem Zweck wurden Höchstpreise, das sogenannte Maximum (maximum général) auf die wichtigsten Waren festgesetzt. Dadurch konnten die staatlichen Aufkäufer billiges Getreide für die Armee erwerben, es entstand aber auch das Problem des Schwarzmarktes. Der Wohlfahrtsausschuss kämpfte mit drakonischen Maßnahmen dagegen an, indem er die Todesstrafe gegen „Horter“ und „Wucherer“ festlegte.

Die Höchstpreise hatten aber auch einen sozialpolitischen Aspekt, denn zu den relativ niedrigen Preisen konnten sich die Armen ausreichend versorgen. Die Pariser Sansculotten gehörten deshalb zu den Unterstützern der Terrorherrschaft.

Erst am 23. Juli wurden die Einzelheiten des Lohnmaximums veröffentlicht. Zwar gab es 50 % Lohnerhöhung im Vergleich zum Lohnniveau von 1790, da es aber vor den Maximumgesetzen eine Inflation gegeben hatte, war diese scheinbare Erhöhung in vielen Bereichen faktisch eine Lohnminderung. Damit verlor der Wohlfahrtsausschuss die Unterstützung der Sansculotten, was erst den Sturz Maximilien de Robespierres ermöglichte.

Das Ende des Terrors

Die Guillotine: Ein Instrument des Terrors, benannt nach dem französischen Arzt Joseph-Ignace Guillotin

Für die Sansculotten wurde die Terrorherrschaft mit der Einführung der Höchstlöhne uninteressant. Außerdem führten die Verfolgungen zu einer Verödung des politischen Lebens in den Sektionen, womit der Wohlfahrtsausschuss seine Machtbasis verlor. Nicht zuletzt verlor der Terror nach dem Sieg der französischen Armee in der Schlacht bei Fleurus seinen militärischen Zweck. Allerdings ging in der Provinz, allen voran der Vendée, das Morden weiter.

Auch unter den Jakobinern selbst hatte mittlerweile die Guillotine gewütet. Zwei von Robespierres Linie abweichende Gruppen – die ‚Ultraradikalen‘ um Hébert und die ‚Gemäßigten‘ um Georges Danton – waren im März und April 1794 kurz nacheinander ausgeschaltet worden. Es war ein schwerer taktischer Fehler Robespierres, dass er am 6. Juli weitere ‚Säuberungen‘ unter den Mitgliedern des Konvents ankündigte. Daraufhin schlossen sich die verschreckten Abgeordneten mehrheitlich gegen die Führungsgruppe zusammen und verhafteten diese am folgenden Tag, dem 9. Thermidor, im Konvent. Jetzt zeigte es sich, dass Maximilien de Robespierre, Louis Antoine de Saint-Just und ihre engsten Anhänger den Rückhalt beim Großteil der Bevölkerung von Paris verloren hatten. Nur noch eine Minderheit war bereit, für ihre Rückkehr an die Macht zu kämpfen. Kurz darauf wurden sie auf der Guillotine hingerichtet.

Bewertung

Zeitgenössische englische Karikatur: Robespierre hat ganz Frankreich exekutiert und richtet zum Schluss den Henker auf der Guillotine hin

30.000 bis 40.000 Menschen wurden Opfer dieses Abschnitts der französischen Geschichte. Dabei sind die hohen Opferzahlen etwa bei der Niederschlagung des Aufstands in der Vendée nicht vollständig mitgezählt. Bemerkenswert ist, dass die Beseitigung der politischen Gegner nicht insgeheim erfolgte, sondern vor den Augen der Öffentlichkeit. Auch gab es zuvor „Gerichtsverfahren“, die aber den Angeklagten keine wirkliche Chance ließen.

Kurzfristig bewirkte der Terror, dass es in der französischen Nation zu einer Zusammenfassung der Kräfte im militärischen Kampf kam, die zum Sieg über die inneren und äußeren Feinde führte. Längerfristig wurde jedoch die Revolution durch die zeitweilige Schreckensherrschaft wesentlich geschwächt: zum einen, weil viele überzeugte Republikaner, gerade auch Führungspersönlichkeiten, der Guillotine zum Opfer fielen – gemäß dem Wort von der Revolution, die ihre eigenen Kinder frisst. Darüber hinaus wurden die Ideen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit durch das Blut der vielen Tausenden von Hingerichteten entwertet und entehrt – eine Langzeitwirkung, die nicht nur innerhalb Frankreichs zur Geltung kam. Die Terreurs erregten in ganz Europa Angst und Schrecken. Schiller beschäftigte sich angesichts dessen mehrfach mit der Frage von „Revolution und Terror“, so in der „Glocke“ und im „Wilhelm Tell“. Gerade in Deutschland wandten sich sehr viele Bürger, die zunächst den revolutionären Aufbruch in Paris und Frankreich gefeiert hatten, erschreckt von der französischen Republik ab und kehrten zu konservativeren Positionen zurück.

In der Forschung wird der Terror unterschiedlich bewertet. Der marxistische Historiker Albert Soboul (1914–1982) sieht darin „im wesentlichen ein Instrument zur Verteidigung der Nation und der Revolution gegen die Rebellen und Verräter“. Zwar seien die Aristokraten und ihre Anhänger durch den Terror ausgeschlossen worden, doch hätten sie ohnehin „nicht in die Gesellschaft eingeordnet werden“ können. Durch den Terror sei die Autorität des Staates wieder aufgerichtet worden, er habe bei der „Entwicklung des Gefühls nationaler Solidarität“ über alle Klassenegoismen hinweg geholfen und vor allem durch die gewaltsame Durchsetzung der notwendigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen zum Sieg der Revolutionäre in den Koalitionskriegen und damit zur „Rettung der Nation“ beigetragen.[12] Der liberale Historiker François Furet (1927–1997) dagegen glaubt, der Terror der Jahre 1793/94 sei eine „Entgleisung“ der Revolution. Die Machtergreifung der Massen habe die friedliche soziale Entwicklung der Reformen von oben ab 1789 unterbrochen und gestört. Für ihn ist die Terrorherrschaft der Jakobiner eine Vorform der totalitären Regime des 20. Jahrhunderts.[13][14]

Siehe auch

Literatur

  • Alfred Cobban: The Political ideas of Maximilien Robespierre during the Period of the Convention. In: The English Historical Review. Band 61, Nr. 239, 1946, S. 45–80.
  • Bill Edmonds: „Federalism“ and Urban Revolt in France in 1793. In: The Journal of Modern History Band 55, Nr. 1, 1983, S. 22–53.
  • Patrice Gueniffey: La Politique de la Terreur. Essai sur la violence révolutionnaire 1789–1794. Fayard, Paris 2003, ISBN 2-213-60575-0.
  • Marcel Hénaff, Lawrence R. Schehr: Naked Terror. Political Violence, Libertine Violence. In: SubStance. Band 27, Nr. 2, 1998, S. 5–32.
  • George Armstrong Kelly: Conceptual Sources of the Terror. In: Eighteenth-Century Studies. Band 14, Nr. 1, 1980, S. 18–36.
  • Mona Ozouf: War and Terror in French Revolutionary Discours (1792–1794). In: The Journal of Modern History. Band 56, Nr. 4, 1984, S. 579–597.
  • R. R. Palmer: Twelve Who Ruled: The Year of the Terror in the French Revolution. Princeton University Press, Princeton NJ 1941. Zahlreiche Reprints, zuletzt 2005, ISBN 978-0-691-12187-1
  • Chantal Thomas, David F. Bell: Terror in Lyon. In: SubStance. Band 27, Nr. 2, 1998, S. 33–42.

Einzelnachweise

  1. Rolf Reichardt (Hrsg.), Die Französische Revolution, Ploetz, Freiburg und Würzburg 1988, S. 68 f
  2. Gerd van den Heuvel, Terreur, Terroriste, Terrorisme, in: Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680–1820, Bd. 3, Oldenbourg, München 1985, S. 20ff.
  3. Donald Greer: The incidence of the terror during the french revolution: a statistical interpretation. In: Harvard Historical Monographs. 1935
  4. Doyle: Oxford History of the French Revolution. 3. Auflage. 1990. Greer selbst schätzt sie auf 35.000 bis 40.000.
  5. Furet, Ozouf: Dictionnaire critique de la Révolution française. Flammarion, Paris 1988
  6. Albert Soboul Dictionnaire historique de la Révolution française. PUF, Paris 2005, S. 1023
  7. Lefebvre: The French Revolution. Bd. 2, S. 120
  8. Jean Tulard, J-F. Fayard, A. Fierro: Histoire et dictionnaire de la Révolution française, 1789–1799. 1987, S. 1114
  9. F. Furet, M. Ozouf: Dictionnaire critique de la Révolution française. Flammarion, Paris 1988, S. 162
  10. J. Tulard, J.-F. Fayard, A. Fierro: Histoire et dictionnaire de la Révolution française, 1789–1799. 1987, S. 1114
  11. Greer zitiert nach Lefebvre: The French Revolution. Columbia University Press, 1964, Bd. 2, S. 119
  12. Albert Soboul, Die Große Französische Revolution. Ein Abriß ihrer Geschichte (1789–1799), Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1983, S. 353
  13. François Furet und Denis Richet, La Révolution française, Taschenbuchausgabe, Hachette Littérature, Paris 1999, Kap. 5
  14. François Furet und Ernst Nolte, Feindliche Nähe. Kommunismus und Faschismus im 20. Jahrhundert. Ein Briefwechsel, Herbig 1998
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