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The Familiarity of Strangers

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The Familiarity of Strangers ist ein Werk von Francesca Trivellato, das der Mikrogeschichte zugeschrieben wird. Trivellato selbst ordnet ihre Arbeit primär der Wirtschaftsgeschichte zu.[1] Es wurde 2009 unter dem vollen Titel The Familiarity of Strangers: The Sephardic Diaspora, Livorno, and Cross-cultural Trade in the Early Modern Period veröffentlicht. Eine italienische Fassung erschien 2016 unter dem Titel Il commercio interculturale. La diaspora sefardita, Livorno e i traffici globali in età moderna.

Inhaltsüberblick und Erkenntnisinteresse

Dieses Buch untersucht in der Thematik des interkulturellen Handels das spezifische Beispiel des Handels von sephardischen Juden in der toskanischen Hafenstadt Livorno im 17. und 18. Jahrhundert. Das Werk zeichnet sich durch die Kombination von wirtschaftlichen Analysen, ausgiebigen Archivrecherchen und historischen Perspektiven aus und liefert einen vielschichtigen Überblick über Handelsbeziehungen zwischen Juden und nicht-Juden vom Mittelmeerraum bis zum Indischen Ozean und der Europäischen Atlantikküste. Trivellato untersucht hierbei verschiedene Ansätze des Handels innerhalb und unter differierenden ethnischen und religiösen Gruppierungen und erforscht Netzwerke, die auf Vertrauen und Informations- und Güteraustausch basieren.

So zeigt sie eine Koexistenz des interkulturellen Handels, der nicht nur eine Vertrautheit von Fremden ("Familiarity of Strangers") fördert, sondern auch voraussetzt, und scheinbar widersprüchlichen, religiös konnotierten Vorurteilen. Verschiedene Einzelfallanalysen von Grundlagen der Handelsbeziehungen belegen die Prävalenz von sprachlichen, normativen und sozialen Überschneidungen und nicht das Verlassen auf aufkommende staatliche und legale Institutionen.

Aufbau des Buches

  • Acknowledgments
  • Note on Terminology and Units of Measurement
  • Introduction
  • Diasporic Families and the Making of a Business Partnership
  • Livorno and the Western Sephardic Diaspora
  • A New City, a New Society? Livorno, the Jewish Nation, and Communitarian Cosmopolitanism
  • Between State Commercial Power and Trading Diasporas: Sephardim in the Mediterranean
  • Marriage, Dowry, Inheritance, and Types of Commercial Association
  • Commission Agency, Economic Information, and the Legal and Social Foundations of Business Cooperation
  • Cross-Cultural Trade and the Etiquette of Merchants' Letters
  • Ergas and Silvera's Heterogeneous Trading Networks
  • The Exchange of Mediterranean Coral and Indian Diamonds
  • The "Big Diamond Affair": Merchants on Trial
  • Conclusion
  • Notes
  • References
  • Index[2]

Synopsis

Im Fokus dieses Werks liegen die zwei verwobenen Familien Ergas und Silvera, beides jüdisch-sephardische Grossfamilien, die im toskanischen Livorno an der italienischen Küste des Tyrrhenischen Meers ansässig sind.

Francesca Trivellato beginnt ihr Buch mit einem detaillierten Stammbaum der beiden Familien und arbeitet die Geschichte Livornos als Umschlagszentrum und einer der wichtigsten Häfen Europas zu jener Zeit sowie diejenige der Sephardim und ihren Pfaden nach Livorno etwas auf. Die sephardischen Händler waren bekannt für ihre Kontakte zu diversen Kulturen: zu Maklern in Goa, Indien oder christlichen Agenten italienischer Abstammung in Lissabon und so spezialisierten sie sich unter anderem auf den Handel mit Diamanten und Korallen. Dazu mussten Familienmitglieder in nahezu allen Knotenpunkten des Handels, wie beispielsweise Amsterdam oder London, vertreten sein. Da die Rechte der Juden in Teilen Europas in einer Phase der vorsichtigen Liberalisierung waren, konnten Ergas und Silvera sich auch dort niederlassen. Jede Stadt hatte hierbei variierende Grade der Freiheiten für die jüdische Bevölkerung und so beeinflusste dies jeweils auch ihr Leben zuhause oder in der Arbeit. Livorno, so Trivellato, unternahm ein 'soziales Experiment' als Stadt mit den rationalen Prinzipien der Renaissance und war vergleichsweise offen für Fremde. So erliess Livorno spezifische Konzessionen für Juden, die sich somit niederlassen und ihren Geschäften nachgehen konnten. Die Autorin vermag ein ausführliches Bild des Lebens und der Kultur in solchen Familien zu vermitteln.

Der Begriff "communitarian cosmopolitism" wird als Bezeichnung für eine Art Sozialstruktur in frühen modernen Städten wie Livorno eingeführt; Eine Struktur einer multikulturellen Stadt, aber mit institutionalisierter Segregation. So nahmen Ergas und Silvera viele Aspekte der aristokratischen Kultur dieser Zeit an, gleichzeitig war ihr sozialer Status weiterhin durch ihre Religionszugehörigkeit definiert und eine Heirat kam nur innerhalb ausgewählter Kreise in Frage. Aber auch innerhalb jüdischer Kreise kamen rigide soziale Regeln zum Zug.

Daraufhin wird der Handel im mediterranen Raum analysiert und Livorno und sein Aufstieg zum wichtigsten Hafen des Mittelmeers nachgezeichnet. Massgeblichen Anteil daran hatte die liberale Einstellung der Stadt inklusive der Rechte, die sie seinen jüdischen Bewohnern zugestand. Auch darum wurde der toskanische Hafen ein Angelpunkt zwischen Europa und dem Osmanischen Reich. Als die französische Regierung ihren Einfluss ausweitete, speziell im Bezug auf das Osmanische Reich, verstärkten die Livornesischen Sephardim ihre Kontakte zu Frankreich und erreichten beispielsweise französischen Schutz in weiteren, strategisch wichtigen Orten wie Aleppo.

Trivellato entfernt sich nun von der Makroebene und taucht ein in das sephardische Familienleben. Erklärt werden unter anderem strategische Überlegungen in Ehe-, Mitgift- und Nachlasspolitik und die Familie als zentrales Businessmodell.

Die Hauptquelle dieses Werks wird als nächstes behandelt: die 13'760 Geschäftsbriefe. Diese hatten folgende Funktionen:

  • Empfehlungs- und Vorstellungsschreiben zur Ausweitung des Netzwerks
  • Bewahren eines Geheimnisses
  • Zertifizierung von Verträgen und Besitzverhältnissen
  • Diskussionen über Marktverhältnisse

Das Buch analysiert die Briefe nach Sprache, Inhalt, Zustellort, aber auch Kernwörtern, die immer wieder auftauchen. So lassen sich sehr interessante Schlüsse über die Verbindungen von Ergas und Silvera ziehen. Eine Veranschaulichung: In Amsterdam oder London verliessen sich die Sephardim auf Glaubensbrüder, in Genua hingegen auf christliche Händler. Dies lässt die Folgerung zu, dass die christlichen Händler vorgezogen wurden, wenn diese besser im Markt positioniert waren als örtlich ansässige Sephardim.

Anhand des Handels von Ergas und Silvera mit indischen Diamanten und mediterranen Korallen zerlegt Trivellato die Handelsbeziehungen, -strategien und -netzwerke, die Organisation des Familienimperiums und liefert eine genau nachvollziehbare Analyse der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, familiären und sozialen Umstände in denen Handel getrieben wurde. Sie vergleicht die Sephardim mit anderen ethnischen Gruppen und deren Handel und blickt auch in die sich verändernden Umstände des Familiengeschäfts selbst. Diamantenhandel war ein risikobehaftetes Geschäft und basierte zu einem grossen Teil auf Vertrauen. So waren explizite, aber auch implizite Vereinbarungen zwischen Händlern, wie sie in den Briefen diskutiert wurden, essenziell. Die umfangreichen Briefe unterstreichen und unterstützen die Gedankengänge der Autorin und geben Einblick in die Feinheiten des Handels zu dieser Zeit. Die Destinationen der Briefe werden nochmals ausführlich behandelt und Verbindungen zwischen Livorno und ganz Europa, dem Mittelmeerraum und Goa aufgezeigt.

Im letzten Kapitel thematisiert das Buch die Insolvenz des Handelsimperiums Ergas und Silvera und wie sich die Privatpersonen der Privatinsolvenz entziehen konnten; unter anderem durch die limitierte Effektivität von Gerichten, wenn Verträge zwischen Händlern unvollständig geblieben waren. Interessanterweise lag diesem Niedergang nicht ein hinduistischer Händler, die die meisten der Familie nie getroffen hatten, obwohl sie diesen Indern grosse Teile ihres Geschäfts anvertrauten, zugrunde, sondern ein vertrauensunwürdiger persischer Jude.

Rezeption

Wissenschaftliche Aufnahme

Nach Gayle K. Brunelle ist Trivellato eine gedankenanstossende Studie gelungen, die, anders als bisherige Untersuchungen derselben oder verwandten Themen, tiefer greift und grundlegendere Verhältnisse offenbart. So werden nicht nur Handelsbeziehungen unter Angehörigen derselben Ethnie oder Religion analysiert (also intrakulturell), sondern auch der interkulturelle Handel liegt im Fokus. So handeln in letzterem Fall Fremde mit wenigen Gemeinsamkeiten ausser beidseitigem, wirtschaftlichem Profit. So beurteilt Brunelle die Studie und deren Erkenntnisse als "faszinierend."[3]

Auch laut Yadira González de Lara hebt sich diese Studie von anderen verwandten Studien ab, indem die Autorin viel tiefer geht und komplexe Zusammenhänge und Verbindungen miteinbezieht, wie beispielsweise die Berücksichtigung verschiedener Orte, wobei Livorno weiterhin im Vordergrund bleibt. Trivellato vermag mit ihrem umfangreichen und informativen Buch geschichtliche Konzepte zu hinterfragen und neue Gedankengänge anzustossen. Der einzige Kritikpunkt González de Laras ist, dass die maghrebinischen Händler irrtümlicherweise dem falschen System zugeordnet wurden und deswegen intra- und intergemeinschaftliche Wechselbeziehungen unklar porträtiert werden.[4]

Ähnliches Lob stimmt auch Miriam Bodian, die selbst in Familiarity of Strangers zitiert wird, an. Als Geschichtsprofessorin und Fachbuch- und Artikelautorin rühmt auch sie die detailgetreue Nachzeichnung der Handelswege und -beziehungen, Familienstrukturen, Vertragsverhandlungen und vieler weiterer Aspekte. Interessanterweise bezeichnet sie das Werk nicht als mikrogeschichtlich, auch weil sich die Handlung weit über verschiedene Zeitperioden und Lokalitäten erstreckt. Dennoch zerlegt das Buch in mikrogeschichtlicher Manier minutiös alle relevanten Faktoren. Dies war, laut Bodian, nur durch die extensive Recherche und gründliches Lesen der Sekundärliteratur möglich.[5]

John E. Wills Jr. streicht ebenfalls die extensive Recherchearbeit der Urheberin des Buches heraus. So vermag sie "ein faszinierendes Bild der [Jüdischen] Gemeinde zu vermitteln." Auch dieser wissenschaftliche Peer-Review lobt die Verschmelzung der makro- und mikrogeschichtlichen Analyse und die kompetente Faktenaufarbeitung für die Erzählung einer Geschichte des Handels der sephardischen Juden an der Italienischen Mittelmeerküste.[6]

Stimmen und Rezensionen

"Trivellato has accomplished something special—a brilliant description of a family, of a nation, of a period of history, of an economy and of a culture. […] This is one of the best and most original books on Jewish history published this year." – Seth J. Frantzman, The Jerusalem Post

"One could not find a better example of the marriage between theory and practice, secondary and primary literature." – John A. Marino, University of California, San Diego

"This book is certainly important, the kind that appears once every few years, if that. It is the best book on cross-cultural trade since Philip Curtin invented the field more than two decades ago." – Steven Epstein, University of Kansas

"The Familiarity of Strangers offers ground-breaking perspectives on social networks and the market, the culture of trust, the history of Sephardic Jews, and the global reach of early modern commerce. It successfully challenges our stereotypes about capitalism, rational choice, cosmopolitanism, and the role of kin in commercial life. With access to archives in numerous countries, it offers an exciting and new approach to the interaction of culture and economic life." – Margaret C. Jacob, University of California, Los Angeles

"This is a superb and sophisticated book on the Sephardi merchants of Livorno in the early modern period. An example of global history writing at its best, it illuminates deftly and with great nuance the complexities of diasporic networks and cross-cultural trade." – Aron Rodrigue, Stanford University

“A magisterial study.” – Choice

“This is a signal book, a model to be emulated, a tour de force in modern historiographical skill, one of the best I have ever read.” – American Historical Review

"Trivellato’s stunningly well-researched and theoretically sophisticated study of Sephardic merchants in the free-port of Livorno reveals how they made deals not just with other Jews but all varieties of Christians across Europe and even Hindus in India. How was it possible to bridge these formidable religious and ethnic barriers? She offers 'communitarian cosmopolitanism' as a new and promising model for understanding cross-cultural economic ties. This book will be a benchmark for future work in the social history of early modern business." – Edward Muir, author of The Culture Wars of the Late Renaissance: Skeptics, Libertines, and Opera

“One of the most important books that have been published on early modern Jewish history.” – HNet Reviews

“A well-written and well-constructed study that utilizes an intriguing body of sources.” – H-Judaic

"The Familiarity of Strangers is among the rare books so erudite and elegant that even its 'Notes on Terminology abd [sic] Units of Measure' fascinates and edities. […] Trivellato reveals herself to be a careful and exapansive thinker. […] The Familiarity of Strangers offers a welcome challenge and contribution to the various fields with which the author is engaged." – Sarah Abrevaya Stein, Association of Jewish Studies Review

"[…] a most important and original description of the economic and social history of this major Jewish community.” – Edgar Samuel, Jewish Historical Studies Vol. 43

"[…] fine-grained analysis […] [Readers] will find her analysis of cross-cultural relations a particularly valuable revision of the now much questioned convivenza model. […] a richly analytical and comparative study with broad implications for understanding the Mediterranean and the world economy in the early modern period." – Laurie Nussdorfer, The Sixteenth Century Journal[7]

Preise

  • Aufnahme in die Longlist des Cundill Preis der Geschichte 2010 der McGill University in Montreal.
  • Ko-Empfängerin des Jordan Schnitzer Book Preis 2010 in der Kategorie "Early Modern and Modern Jewish History published in English between 2006 and 2010", verliehen von der Association of Jewish Studies.
  • Empfängerin des Leo Gershoy Preis 2010 in der Kategorie "most outstanding work published in English on any aspect of seventeenth- and eighteenth-century European history", verliehen von der American Historical Association.[8]

Einzelnachweise

  1. Gayle K. Brunelle: Review of The Familiarity of Strangers: the Sephardic Diaspora, Livorno, and Cross-Cultural Trade in the Early Modern Period by Francesca Trivellato. In: The Journal of Interdisciplinary History. 41, Nr. Nr. 3 (Winter 2011), S. 459.
  2. Francesca Trivellato: The Familiarity of Strangers: the Sephardic Diaspora, Livorno, and Cross-Cultural Trade in the Early Modern Period. Yale University, 2009, ISBN 978-0-300-13683-8.
  3. Gayle K. Brunelle: Review of The Familiarity of Strangers: the Sephardic Diaspora, Livorno, and Cross-Cultural Trade in the Early Modern Period by Francesca Trivellato. In: The Journal of Interdisciplinary History. 41, Nr. Nr. 3 (Winter 2011), S. 458-459.
  4. Yadira González de Lara: Review of The Familiarity of Strangers: the Sephardic Diaspora, Livorno, and Cross-Cultural Trade in the Early Modern Period by Francesca Trivellato. In: The Economic History Review New Series. 63, Nr. Nr. 2 (Mai 2010), S. 553-554.
  5. Miriam Bodian: Review of The Familiarity of Strangers: the Sephardic Diaspora, Livorno, and Cross-Cultural Trade in the Early Modern Period by Francesca Trivellato. In: The Business History Review. 85, Nr. Nr. 2 (Sommer 2011), S. 391-393.
  6. John E. Wills, Jr.: Review of The Familiarity of Strangers: the Sephardic Diaspora, Livorno, and Cross-Cultural Trade in the Early Modern Period by Francesca Trivellato. In: Journal of World History. 22, Nr. Nr. 2 (Juni 2011), S. 377-380.
  7. Familiarity of Strangers | Yale University Press. Abgerufen am 18. Juli 2019 (english).
  8. Familiarity of Strangers | Yale University Press. Abgerufen am 18. Juli 2019 (english).
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