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Tiefflug
Tiefflug wird der andauernde Flug eines Flugzeugs im Höhenbereich zwischen 10 m und 600 m Flughöhe genannt.
Militärischer Tiefflug
Der militärische Tiefflug mit Kampfflugzeugen dient dem Unterfliegen des Luftraumkontrollradars und der Vermeidung gegnerischen Abwehrfeuers. Das Unterfliegen beruht darauf, dass natürliche Hindernisse zwischen Kontrollradar und Flugzeug den Radarkontakt zum Flugzeug unmöglich machen.
Im Zweiten Weltkrieg diente das Tieffliegen dazu, mittels kürzerer Entfernung zum Ziel die Treffergenauigkeit zu erhöhen. Beim Beschießen gepanzerter Ziele wurde so die Durchschlagskraft erhöht. Zudem sieht ein Schütze wegen der kürzeren Flugzeit seiner Geschosse früher, ob er das gewünschte Ziel trifft bzw. ob er die Schussrichtung korrigieren muss.
Ein Tiefflieger hat einen höheren Überraschungseffekt. Er ist beim Anflug länger in der Deckung von Sichthindernissen. Oft ist ein Tiefflieger schon wieder außer Sichtweite eines Schützen bzw. einer Flak, bevor diese(r) sich schussbereit machen konnte.
Situation in Deutschland
bis 1990
In der Bundesrepublik Deutschland wurden die natürlichen Lücken in der Radarabdeckung von kleinen Radareinheiten des TMLD gedeckt. Diese hätten aber in der geringen zur Verfügung stehenden Zeit für eine Zielführung nicht schnell genug reagieren können. Somit hätte man im militärischen Tiefflug Abwehrfeuer und Abfangraketen größtenteils vermeiden können.
Zur Zeit des Kalten Krieges waren Tiefflüge im gesamten Bundesgebiet bis auf Gebiete in der Nähe von Militäranlagen, zivilen Flughäfen, Industrieanlagen und eines 50 km breiten Streifens entlang der Grenze zur DDR und der ČSSR in Höhen von 500 bis 1500 Fuß (ca. 152 bis 457 Metern) erlaubt. Daneben gab es für Tiefflugübungen von NATO-Luftstreitkräften sieben sogenannte Tiefstflugzonen (u. a. im Raum Borken, Cloppenburg, Nördlingen, Holzminden, Schneverdingen und Itzehoe) mit einer Flughöhe von 250 bis 500 Fuß (ca. 76 bis 152 Metern) über dem Erdboden, die mit annähernd Schallgeschwindigkeit durchgeführt wurden.
Für das Kampfflugzeug F-104 G Starfighter galt von 1967 bis April 1980 die Mindesthöhe von 800 Fuß (ca. 244 Meter). Bis April 1980 wurde diese Höhe für die Kampfflugzeuge F-4F und RF-4E Phantom II übernommen.[1]
1986 wurden rund 87.000 Tieflüge vom Bundesverteidigungsministerium erfasst, davon rund 32.000 durch die Bundeswehr.
Aufgrund der anhaltenden Lärmbelastungen für die Bevölkerung stellte Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg am 28. September 1989 im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages ein neues Tiefflugkonzept der Luftwaffe vor. Eine völlige Einstellung der Tiefflüge, die die Opposition von SPD und Grüne fordern, lehnte er ab, weil dadurch nach seinen Worten die Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland in Frage gestellt werde. Das Tiefflugkonzept sah eine Verminderung des Fluglärms vor. Dies sollte erreicht werden durch eine Reduzierung der Fluggeschwindigkeit von 820 km/h auf 778 km/h, das nach Angaben des Verteidigungsministeriums zu einer Verminderung des Fluglärms um bis zu 25 % führt. Ein Drittel aller Abfangübungen im Tiefflug sollen von 150 Meter auf 450 Meter angehoben werden. Eine Neueinteilung der Tieffluggebiete oblag der Zustimmung der Länder.
nach 1990
Aufgrund der veränderten Bedrohungslage nach 1990 wurden diese zunächst reduziert. Der Übungserfolg ist dabei heute ohnehin gering, da der Autopilot der eingesetzten Maschinen eine automatische Terrainverfolgung beinhaltet. Die Mindestflughöhe wurde von 500 auf 1000 Fuß (ca. 150 m auf 300 m) erhöht. Die Tiefstfluggebiete, in denen Flugzeuge bis 250 Fuß (75 m) über dem Erdboden fliegen durften, wurden abgeschafft.
Der deutsch-sowjetische Stationierungs- und Abzugsvertrag vom September 1990 bestimmte für die neuen Bundesländer, dass sowjetische Piloten ab 1991 von Montag bis Donnerstag bis 20 Uhr Tiefflüge bis 600 Metern üben konnten und am Freitag bis 15 Uhr. An Wochenenden und Feiertagen waren Tiefflüge verboten. Tiefflüge unter 300 Metern waren der sowjetischen Luftwaffe zudem nur über dünn besiedelten Gebieten erlaubt.
Ausnahmen für Flüge unter 1000 Fuß (300 m) bestanden zudem aufgrund von Bündnisverpflichtungen für die Staffeln des Eingreifverbandes Allied Command Europe Mobile Forces (AMF) und ab 1995 bis 2010 für die Krisenreaktionskräften der Luftwaffe (jährlich begrenzt auf 700 Flugstunden) sowie für die Vorbereitung und Durchführung des NATO-Lehrgangs „Tactical Leadership Programme (TLP)“ (jährlich begrenzt auf 800 Flugstunden). Rund 100 Flugstunden waren zudem noch erlaubt für Aufrechterhaltung der technischen Einsatzfähigkeit und Flüge der Wehrtechnischen Dienststellen der Bundeswehr. Infolge des Zweiten Golfkriegs bestand außerdem eine Ausnahmegenehmigung für die britischen und US-amerikanischen Luftstreitkräfte im Zeitraum 1. September 1990 bis zum 4. Januar 1991.
1993 und 1994 wurde das Kontingent der Tiefflugstunden für das „Tactical Leadership Programme (TLP)“ reduziert und stand im Umfang von 124 bzw. 161 Flugstunden den NATO-Manövern „Central Enterprise“ und „Cold Fire“ zur Verfügung.
Von 1992 bis 1994 sank die Anzahl der Flugstunden der Bundeswehr im Tiefflug zwischen 1500 Fuß (450 m) und 1000 Fuß (300 m) von 7.152 Stunden auf 6.057 Stunden. Die alliierten Streitkräfte verringerten ihre Tiefflüge zwischen 1500 Fuß (450 m) und 1000 Fuß (300 m) von 12.744 auf 6.100 Flugstunden. Die Tiefflüge der Bundeswehr im Höhenbereich 500 bis 1000 Fuß erhöhte sich von 375 auf 806 Flugstunden. Die Tiefstflüge im Bereich 250 bis 500 Fuß verringerten sich im gleichen Zeitraum von 619 auf 28 Flugstunden.
Aktuelle Regelungen auf Grundlage des Luftverkehrsgesetzes sind im Militärischen Luftfahrthandbuch Deutschland publiziert.[2]
In Deutschland gibt es acht Tieffluggebiete zwischen 1500 Fuß (450 m) und 1000 Fuß (300 m):
- Gebiet 1: deutsch-niederländische Grenze-Wardenburg-Bassum-Twistringen-Barnstorf-Vechta-Lohne-Haselünne (ausgenommen: Cloppenburg, Dinklage, Friesoythe, Großenkneten, Haren (Ems), Löningen, Papenburg, Quakenbrück, Wildeshausen)
- Gebiet 2: Ochtrup-Burgsteinfurt-Schermbeck-Wesel-Rees-Isselburg-Bocholt-Rhede-deutsch-niederländische Grenze (ausgenommen: Ahaus, Borken, Coesfeld, Gescher, Hamminkeln, Nottuln, Reken, Stadtlohn, Velen, Vreden)
- Gebiet 3: Finnentrop-Meschede-Bestwig-Olsberg-Willingen-Bad Driburg-Bad Hermannsborn-Steinheim (Westf.)-Lügde-Bodenwerder-Uslar-Beverungen-Biedenkopf-Laasphe-Hilchenbach-Kreuztal-Olpe-Attendorn (ausgenommen: Arolsen, Bad Berleburg, Brakel, Dassel, Höxter, Holzminden, Kirchhundem, Korbach, Lennestadt, Marsberg, Schmallenberg, Stadtoldendorf, Warburg, Winterberg)
- Gebiet 4: Rügen, Wolgast, Templin, Nauen, Osterburg, Rostock, Damgarten (ED-R 401 - seit 17. Okt. 2013)
- Gebiet 5: Rotenburg (Wümme)-Scheessel-Zeven-Soltau-Visselhövede (ausgenommen: Schneverdingen, Tostedt)
- Gebiet 6: Meldorf-Nordseeküste-Nortorf-Fuhlendorf-Elmshorn-Glückstadt (ausgenommen: Heide, Itzehoe, Kellinghusen)
- Gebiet 7: Crailsheim-Ellwangen-Donauwörth-Eichstätt-Roth-Ansbach (ausgenommen: Bopfingen, Dinkelsbühl, Feuchtwangen, Gunzenhausen, Nördlingen, Treuchtlingen, Weißenburg)
- Gebiet 8: Nörvenich-Mechernich-Schleiden
Die Einhaltung der Regelungen zu Tiefflügen wurde von der Bundeswehr bis 2006 durch das schnell verlegbare Radarsystem Skyguard überwacht. Seit 2007 erfolgt die Überwachung durch die Zentrale Flugüberwachung ZFÜ in Köln-Wahn.
Zwei F-15 im Tiefflug
Lockheed C-130 über Gabun
F/A-18 der Blue Angels
Ziviler Tiefflug
Nach deutscher Luftverkehrsordnung beträgt die Sicherheitsmindesthöhe über Städten und bebautem Gebiet 300 m (1000 ft), über sonstigen Landstrichen und Wasser 150 m (500 ft) bei Flügen nach Sichtflugregeln. Diese Höhen dürfen nur zum Start und zur Landung unterschritten werden. Segelflugzeuge dürfen diese Höhe unterschreiten, wenn der Betrieb dies notwendig macht. Gleiches gilt für landwirtschaftliche Flüge und Feuerlöscheinsätze, wo regelmäßig in 10 m Flughöhe geflogen wird. Bei Überlandflügen nach Sichtflugregeln gilt außerdem eine Mindesthöhe von 600 m (2000 ft), die aber unter bestimmten Umständen unterschritten werden darf.
Bei Hängegleitern und Gleitschirmen ist der Tiefflug vielfach der Normalzustand, da so insbesondere an Hängen thermische und dynamische Aufwinde optimal genutzt werden können.
Extremer Tiefflug wird als Teil der Luftakrobatik geübt, wobei es zu Flughöhen bis herab zu einem Meter kommt. Ähnliches gilt für den Betrieb von Bodeneffektfahrzeugen.
Landwirtschaftsflugzeug PZL-106 im Tiefflug
F-86 Sabre bei einer Flugschau
Belästigungen
Tieffliegende Flugzeuge erzeugen eine Geräuschbelästigung, welche heutzutage keine Akzeptanz mehr in der Bevölkerung findet. So wurde beispielsweise in der Schweiz eine Volksinitiative eingereicht, welche das Ziel hatte, militärische Tiefflüge in den Tourismusregionen komplett zu verbieten. Die Initiative wurde abgelehnt.[3]
In Mecklenburg kämpfte die Bürgerinitiative Freier Himmel e.V. von 2002 bis 2009 erfolgreich gegen die geplanten Tiefflugkorridore nördlich und südlich der Müritzregion. In über 20 gerichtlichen Verfahren unterlag das Bundesverteidigungsministerium den Klägern aus Mecklenburg und Brandenburg. 2009 erhielten der Freie Himmel e.V. sowie die BI Freie Heide den Regine-Hildebrand-Preis der Stiftung Solidarität.
Es gibt zahlreiche Vereinigungen, die gegen die Belastungen durch den Fluglärm eintreten.
Gefahren
Durch die Nähe zum Boden ist die Reaktionszeit im Falle eines technischen Defekts gering. Die Unfallwahrscheinlichkeit ist gegenüber dem sonstigen Flugbetrieb gesteigert.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/11/065/1106578.pdf
- ↑ ENR 1.15 Tiefflug - Low Level Flights (PDF; 137 kB), Amt für Flugsicherung der Bundeswehr, veröffentlicht am 13. Dezember 2012. Archiviert vom Original am 29. Juli 2007; abgerufen am 16. Februar 2015.
- ↑ Abstimmergebnis bei der Schweizerischen Bundeskanzlei
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