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Keuschheit

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Hans Memling Allegorie der Keuschheit 15. Jh.

Keuschheit (keusch aus lateinisch conscius, ‚bewusst‘), lateinisch castitas ist ein ethisches Konzept der Mäßigung im Umgang mit Sexualität, zumeist aus religiösen Gründen.

Oft wird unter Keuschheit lediglich sexuelle Abstinenz oder Enthaltsamkeit verstanden; das Ideal der gewollten und bewussten Keuschheit ist allerdings weitreichender: Keuschheit bezeichnet das Verhalten einer Person, sich auf Grund eines erworbenen Schamgefühls oder kraft eines bewussten Grundsatzes schamhaft zu verhalten und das Unschamhafte und Verstöße gegen die Sittlichkeit zu meiden. In vielen Kulturen spielt die Aufforderung zur Keuschheit als religiöses Gebot eine Rolle (siehe auch Tabu).

In der christlichen Ikonografie werden den sieben Todsünden oftmals die sieben himmlischen Tugenden gegenübergestellt; dabei ist die Keuschheit als Tugend Gegenpart der ‚Wollust‘ (lateinisch luxuria). Diese Zuordnung findet sich bereits in der Psychomachia. Auch in der mittelalterlichen Theologie und dementsprechend in der europäischen Kunstgeschichte bildet die Unkeuschheit oder Lüsternheit das Gegenstück zur Keuschheit und stellt eines der zentralen sieben Laster dar, aus denen Sünden entstehen und die daher auch „Wurzelsünden“ genannt werden.

In der christlichen Ikonografie ist die Lilie ein Symbol der jungfräulichen Reinheit.

Keuschheit in den Religionen

Pietro Perugino, um 1504 Der Kampf zwischen Liebe und Keuschheit allegorisches Gemälde

Christentum

In der Geschichte des Christentums gilt die Keuschheit als erworbene, sittliche Tugend des Menschen.[1][2] Thomas von Aquin hat diesen theologischen Sachverhalt unter dem Thema der „eingegossenen Tugenden“ erörtert.[3] Martin Luther bezeichnet die Keuschheit als die Haupttugend des Evangeliums.[4]

Die modernen christlichen Kirchen verstehen unter Keuschheit die Bewahrung der Augen, Ohren und Gedanken vor Dingen, die die natürliche oder erworbene Schamhaftigkeit verletzen. Dazu gehören auch der bewusste Verzicht auf sexuelle Handlungen bei unverheirateten Personen und beim Ehepaar der Verzicht auf sexuelle Handlungen außerhalb der Ehe. Die Keuschheit wird als christliche Tugend und moralische Anforderung aus dem 6. Gebot (Du sollst nicht ehebrechen) und den Worten des Apostels Paulus von Tarsus abgeleitet, der den Leib als einen Tempel des Heiligen Geistes bezeichnet. Die Keuschheit ist auch eine Frucht des Heiligen Geistes (Gal 5, 22). Die Tugend der Keuschheit wird dabei auch von der Kardinaltugend der Mäßigung abgeleitet.[5]

Die christliche Ehe gilt nach dem Apostel Paulus als brauchbare Gemeinschaft für die Menschen, die dem sexuellen Drang nicht standhalten können (1 Kor 7, 8–9). Die römisch-katholische Kirche prägte hier den Begriff der ehelichen Keuschheit.[6][7] Promiskuität und Ehebruch werden von allen christlichen Kirchen abgelehnt. Vorehelicher Geschlechtsverkehr oder Partnerschaft Unverheirateter wird heute von einigen Kirchen toleriert, aber als Abweichung vom Ideal der Ehe angesehen.

Wenn Ehepartner nach übereinstimmendem Willen und aus religiösen Gründen darauf verzichten, die Ehe zu vollziehen, nent man das eine Josefsehe. Der Begriff leitet sich von Josef von Nazaret ab, der nach kirchlicher Tradition und katholischer sowie orthodoxer Lehrauffassung eine solche Ehe mit der Jungfrau Maria geführt hat.

Römisch-katholische Kirche

Die römisch-katholische Kirche setzt Keuschheit nicht mit sexueller Enthaltsamkeit gleich. Der Kirchenvater Ambrosius von Mailand schreibt:

„Es gibt drei Formen der Tugend der Keuschheit: die eine ist die der Verheirateten, die andere die der Verwitweten, die dritte die der Jungfräulichkeit. Wir loben nicht die eine unter Ausschluss der anderen. Dies macht den Reichtum der Disziplin der Kirche aus.“

Die in die Beziehung und in die gegenseitige Hingabe von Ehepartnern eingebettete Sexualität ist nicht Unkeuschheit, sondern sogar wünschenswert.[8][9]

In der Verpflichtung zu einem ehelosen Leben beim Zölibat der Kleriker und in den Formen des geweihten Lebens nach den evangelischen Räten (Versprechen der Jungfräulichkeit oder Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen durch öffentliche Gelübde) geht es nicht nur um den Verzicht auf Ehe, auf sexuelle Handlungen und auf Sich-Hingeben an sexuelle Phantasien (Keuschheit der Gedanken), sondern letztlich um eine persönliche Freiheit, in der die eigene Libido in eine innere Einheit der gereiften Persönlichkeit integriert ist.[10]

Evangelikale Bewegung

Für Enthaltsamkeit bis zur Ehe tritt die die Jugendbewegung True Love Waits ein, die Anfang der 1990er Jahre in den Vereinigten Staaten in evangelikalen Kreisen entstand. Daraus entwickelte sich eine internationale Bewegung, die auch im deutschen Sprachraum unter dem Namen Wahre Liebe Wartet aktiv ist (siehe auch Keuschheitsbewegung).

Islam

Eine wichtige Aussage des Korans findet sich in Sure 17:32: „Und nahet nicht dem Ehebruch …“ Darüber hinaus empfiehlt der Islam, jeden unnötigen Kontakt zwischen den Geschlechtern zu vermeiden. Männer werden dazu aufgefordert, ihre Augen niederzuschlagen (Sure 24:30). Sie sollen sich ebenso keusch wie die Frauen verhalten (Sure 33:35).

Lebenslange Enthaltsamkeit wird im Islam aber abgelehnt, da (nach einem Hadith) die Ehe der halbe Glauben ist und der Koran das Mönchtum ablehnt (Sure 57:27).

In vielen islamischen Gesellschaften ist unter anderem das Kopftuch (oder auch der Schleier) ein Symbol der Keuschheit. Das entblößte Haupthaar wird in vielen Gesellschaften als sinnlicher Reiz bzw. als ein Hauptbestandteil der Schönheit einer Frau empfunden. „Sie möchte durch die Bedeckung ihrer Schönheit, die vor allem auch in ihren Haaren liegt, also kund tun, dass sie kein Interesse an Flirts hat und keine Beziehungen zu fremden Männern haben möchte, in denen Sexualität eine Rolle spielt.“[11]

Keutschheit in Japan

Hauptartikel: Dōtei

Im japanischen Kulturraum wird männliche Keuschheit als Dōtei bezeichnet und besonders in der Vorkriegszeit hochgeachtet.

Literatur

  • Benedict J. Groeschel: The Courage to be Chaste. Paulist Press, New York 1985, ISBN 0-8091-2705-9.
  • Johann August Eberhard: Synonymisches Handwörterbuch der deutschen Sprache. 1910, Nr. 183 [1]
  • Anton Kner: Was uns im Leben trägt. Die Tugenden des Christen im Alltag. Ausgewählt und herausgegeben von Reinhard Abeln. Kanisius-Verlag, Freiburg (Schweiz) 1994.
  • Dominikus Mettenleiter: Des heiligen Thomas von Aquin Himmelsleiter, oder Uebung der vorzüglichsten Tugenden. Georg-Joseph-Manz-Verlag, Regensburg 1854.
  • Josef Müller (* 1855): Die Keuschheitsideen in ihrer geschichtlichen Entwicklung und praktischen Bedeutung. F. Kirchheim, Mainz 1897.

Weblinks

 Commons: Keuschheit – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Keuschheit – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Ambrosius, vid. 23
  2. Tertullian, De exhortatione castitatis (Über die Aufforderung zur Keuschheit)
  3. Die göttlichen Tugenden Glauben, Hoffen und Lieben senken sich demzufolge nicht wie eine höhere sittliche Tugendschicht auf das moralische (personale) Sein des Menschen, sondern unterfangen und umfangen die sittlichen Tugenden, formen sie aus und überhöhen sie. Was die Tugend des Maßes, der Zucht und der Disziplin ist, offenbaren die eingegossen im Glauben wirksamen Tugenden der Enthaltsamkeit, der Keuschheit, der Jungfräulichkeit, des Fastens, der Demut, Selbstbescheidung und Einfachheit. Vergleiche auch Albert Zimmermann (Hrsg.): Thomas von Aquin. Werk und Wirkung im Licht neuerer Forschungen. de Gruyter 1988 in der Google Buchsuche.
  4. D. Martin Luthers Evangelienauslegung, Markus- und Lukasevangelium, Teil 3
  5. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2341
  6. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2349
  7. vgl. Papst Pius XI., Enzyklika Casti connubii, „Über die christliche Ehe“, 1930
  8. Katechismus der Katholischen Kirche, III.2.2.Art.6, Berufung zur Keuschheit online auf intratext.com
  9. Josemaría Escrivá de Balaguer: Christus begegnen: Homilien. 6. Aufl., unveränd. Nachdr., Köln 2006, ISBN 3-925746-64-1
  10. Kompendium zum Katechismus der Katholischen Kirche. Libreria Editrice Vaticana, 2005. Meldung auf radiovaticana.org. vom 28. Juni 2005
  11. Hadayatullah Hübsch: Artikel auf Kopftuch.info, einer mittlerweile defunkten website, archiviert hier.

Siehe auch

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Keuschheit aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.