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Verpflichtetsein

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Im deutschen Zivilrecht ist ein Rechtssubjekt verpflichtet, wenn sich ein Schuldverhältnis im engeren Sinne gegen es richtet. Synonym wird auch von Schuld (in Abgrenzung zur Haftung) gesprochen.

Man unterscheidet nach Inhalt der Verpflichtung zwischen (Haupt- und Neben-)Leistungspflichten, wobei die geschuldete Leistung auch in einem Unterlassen liegen kann, und sogenannten Schutz- bzw. Rücksichts-, Rücksichtnahmepflichten, d.h. Pflichten, deren Erfüllung keine Leistung darstellt, sondern vom Schuldner bei der Leistungsbewirkung zu beachten sind.

Eine Einteilung nach Entstehungszweck grenzt die ursprünglich gewollten Primärpflichten von den Sekundärpflichten ab, die erst aus einer Leistungsstörung entstehen (etwa die Pflicht zum vertraglichen Schadensersatz).

Inhalt der Verpflichtung

§ 241 BGB unterscheidet nach ihrem Inhalt zwei verschiedene Arten von Pflichten:

Leistungspflichten

In Absatz 1 des § 241 BGB werden die Leistungspflichten beschrieben: „Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.“ Der Schuldner ist also zu einem ganz bestimmten Tun oder Unterlassen verpflichtet.

Dem soll ein subjektives Recht des Gläubigers entgegenstehen: der Gläubiger ist berechtigt, die Einhaltung der Verpflichtung zu fordern. Dieses „Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen“ (§ 194 Abs. 1 BGB) nennt man Anspruch.

So ist etwa der Verkäufer kraft des Kaufvertrages verpflichtet, die Kaufsache dem Käufer zu übergeben und zu übereignen (§ 433 Abs. 1 BGB). Dem entspricht der Anspruch des Käufers, vom Verkäufer die Erfüllung dieser Pflichten zu verlangen. Kommt der Verkäufer dem nicht nach, kann ihn der Käufer mit Hilfe staatlicher Machtmittel dazu zwingen: der Verkäufer haftet für diese Schuld.

Die Leistungspflichten kann man weiter unterteilen in Hauptleistungspflichten und Nebenleistungspflichten. So sind etwa im Kaufvertrag die Pflichten zu Übergabe und Übereignung einerseits und zu Zahlung des Kaufpreises andererseits Hauptleistungspflichten. Als Nebenleistungspflicht kommt etwa die Pflicht zur ordnungsgemäßen Verpackung der Sache oder zur Abnahme in Betracht.

Wo die Leistung zu erbringen ist, regeln die Vorschriften über den Leistungsort (Hol-, Schick-, Bringschuld). Die Leistungszeit betrifft dagegen die Frage, ab wann die Leistung erbracht (Erfüllbarkeit) und verlangt (Fälligkeit) werden darf. Die Verpflichtung zur Leistung kann sich auf einen konkret bestimmten Gegenstand beziehen (Stückschuld) oder auf ein Element einer Vielzahl ähnlicher Gegenstände (Vorratsschuld oder Gattungsschuld). Auch die Gegenleistung ist eine Leistung, sodass die Vorschriften über Entstehung, Inhalt und Erlöschen der Leistungspflichten auch auf sie anwendbar sind.

Schutzpflichten

Absatz 2 des § 241 BGB beschreibt dagegen eine andere Art von Pflichten, die man als Schutzpflichten, Rücksichtspflichten oder Rücksichtsnahmepflichten bezeichnen kann: „Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.“

Der Verkäufer des Autos aus obigem Beispiel ist so etwa verpflichtet, im Verkaufssalon keinen rutschigen Fußbodenbelag zu verlegen, auf dem der Käufer ausrutscht und sich verletzt.

Bei solchen Pflichten nützt es nichts, ihre Erfüllung zu verlangen: sie sind zunächst nicht konkretisiert, sondern allgemein auf Rücksichtnahme gerichtet. Wenn die konkrete Situation eintritt, ist es zu spät: entweder ist der Schaden schon verursacht oder die Gefahr ist erkannt und stellt deshalb keine Bedrohung mehr da. Schutzpflichten sind daher nicht klagbar, das Gesetz spricht anders als bei den Leistungspflichten nicht einmal davon, dass ihnen ein entsprechender Anspruch eines Gläubigers gegenüberstehe.

Relevanz der Unterscheidung

Die Unterscheidung wird vor allem dann wichtig, wenn die Pflichten verletzt werden (Leistungsstörung). Die Folgen sind nämlich unterschiedlich:

Bei der Verletzung der Leistungspflichten ist das Äquivalenzinteresse des Gläubigers gestört. Zwar nimmt das Gesetz keine Wertung von vereinbarter Leistung und Gegenleistung vor, sondern akzeptiert, dass den Vertragsparteien die Leistung eben die vereinbarte Gegenleistung wert war („subjektive Äquivalenz“) - das folgt aus dem Grundsatz der Privatautonomie. Diese subjektive Äquivalenz, also die vorgestellte Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung, fehlt aber, wenn nicht das Vereinbarte geleistet wird. Ist also dem Käufer das Auto 10.000 Euro wert, so ist sein Interesse an der gleichwertigen Gegenleistung gestört, wenn er das Auto gar nicht oder beschädigt erhält. Es gibt deshalb Rechtsbehelfe wie Nacherfüllung, Minderung, Rücktritt oder „Schadensersatz statt der Leistung“, um die Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung wiederherzustellen: der Käufer erhält ein anderes, intaktes Auto, muss für das beschädigte Auto weniger bezahlen, erhält die Reparatur bezahlt oder kann sich vom Vertrag ganz lösen.

Dagegen hat die Verletzung von Schutzpflichten mit dem eigentlichen Austauschverhältnis nichts zu tun: Leistung und Gegenleistung bleiben davon ja unberührt, wenn unabhängig davon anderweitige Schäden am bisherigen Vermögen des Gläubigers eintreten. Es handelt sich also nur um Verletzungen des Integritätsinteresses, die durch sog. „Schadensersatz neben der Leistung“ ausgeglichen werden können. Auch eine Nacherfüllung wäre sinnlos: der Schaden ist ja schon eingetreten. Nur ganz ausnahmsweise kann der Gläubiger zurücktreten oder Schadensersatz statt der Leistung verlangen: nämlich dann, wenn ihm angesichts der Verletzung von Schutzpflichten die weitere Vertragsdurchführung mit solch einem unzuverlässigen Schuldner nicht mehr zumutbar ist (vgl. § 324 und § 282 BGB).

Entstehung der Verpflichtung

Angesichts der Folgen für den Schuldner ist das Entstehen von Pflichten im Gesetz geregelt.

Leistungs- und Schutzpflichten

„Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt“ (§ 311 Abs. 1 BGB). Kraft Privatautonomie kann sich also vertraglich jeder – innerhalb gewisser Grenzen – zu beliebigen Leistungen verpflichten. Daneben ordnet auch das Gesetz Leistungspflichten an, etwa indem es einseitige Rechtsgeschäfte (Auslobung) anerkennt oder im Bereicherungsrecht, Deliktsrecht usw. Aus solchen Schuldverhältnissen können auch Schutzpflichten entstehen, § 241 Abs. 2 BGB.

Ausnahmsweise können die Pflichten auch Dritten, die nicht Partei sind, zugutekommen (unechter und echter Vertrag zugunsten Dritter, Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter).

Schutzpflichten

§ 311 Abs. 2 und 3 BGB gehen aber darüber hinaus: Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 (Schutzpflichten) entsteht auch durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, die Anbahnung eines Vertrags und ähnliche geschäftliche Kontakte. Hier ist die früher gewohnheitsrechtlich anerkannte culpa in contrahendo kodifiziert worden: zwischen den Jedermannspflichten des Deliktsrechts und der vertraglichen Verpflichtungen steht eine dritte Fallgruppe, die dadurch gekennzeichnet ist, dass jemandem im Hinblick auf eine rechtsgeschäftliche Beziehung die Möglichkeit zur Einwirkung auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt wird. Selbst einen Dritten, der nicht Vertragspartei ist, kann in Ausnahmefällen eine entsprechende Schutzpflicht treffen.

Umstritten ist allerdings, ob es sich bei diesem Regime um ein gesetzliches Schutzverhältnis, eine „dritte Spur“ zwischen Vertrags- und Deliktsrecht handelt (so vor allem Canaris), oder ob die Schutzpflichten nur im vor- und nachvertraglichen Stadium kraft Gesetzes entstehen, ansonsten aber zu vertraglichen Pflichten „umklappen“.

Erlöschen von Leistungspflichten

Der typische Erlöschensgrund für Leistungspflichten ist die Erfüllung mit ihren Surrogaten (Aufrechnung, Hinterlegung). Ausnahmsweise erlöschen die Leistungspflichten auch unabhängig hiervon, beispielsweise wenn die Leistung unmöglich geworden ist. Die Gefahr, erneut leisten zu müssen (etwa weil der geschuldete Gegenstand zerstört wurde), bezeichnet man als Leistungsgefahr.

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