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Waldrapp

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Waldrapp
Waldrapp (Geronticus eremita)

Waldrapp (Geronticus eremita)

Systematik
Klasse: Vögel (Aves)
Ordnung: Pelecaniformes
Familie: Ibisse und Löffler (Threskiornithidae)
Gattung: Geronticus
Art: Waldrapp
Wissenschaftlicher Name
Geronticus eremita
(Linnaeus, 1758)

Der Waldrapp (Geronticus eremita) ist ein etwa gänsegroßer Ibis. Nächster Verwandter ist der zur gleichen Gattung gehörende Glattnackenrapp. Früher zu den Schreitvögeln gestellt, gliedert er sich nach neueren Erkenntnissen in die Ordnung Pelecaniformes ein. Historische Bezeichnungen für diese Art sind Schopfibis, Mähnenibis, Klausrapp, Steinrapp, Klausrabe und Waldhopf.[1]

Der Waldrapp war einst ein in Europa häufiger Vogel, der in Frankreich, in der Schweiz, in Deutschland, Österreich (zuletzt dort in der Steiermark), Spanien und im Westen des Balkans beheimatet war. Im 17. Jahrhundert starben die Waldrappe in Mitteleuropa aufgrund intensiver Bejagung aus.

Heute laufen verschiedene Wiederansiedelungsversuche, um den Waldrapp als Brutvogel in Europa wieder zu etablieren. In freier Wildbahn in Marokko lebten im Jahre 2019 etwa 700 Vögel und etwa 250 halbwild in der Türkei, dazu mehr als 100 in Auswilderungsprojekten. In Gefangenschaft werden etwa 2000 Vögel gehalten.

Merkmale

Adulte Tiere erreichen inklusive Schwanzfedern eine Körperlänge von 60 (bei Weibchen) bis 75 cm (bei Männchen) und haben für gewöhnlich eine Lebenserwartung von etwa 15 bis 20 Jahren. Das Gewicht eines ausgewachsenen Waldrapps beträgt bis zu 1,5 kg. Das komplette Gefieder ist pechschwarz und metallisch glänzend. Es weist an Hals und Bauch einen gräulich-silbrigen Schimmer auf. Im Nacken, am Rücken, an den Flügelspitzen und auf den Schwanzdeckfedern glänzen die Federn grünlich bis (seltener) bläulich, an den Flügelschultern hingegen violett bis rötlich. Gesicht und Stirn sind kahl und von fleischroter Farbe, die Nackenfedern sind lanzettförmig und stark verlängert, so dass der Eindruck eines Schopfes oder einer Mähne entsteht. Der „Schopf“ kann bei Gefahr oder während der Balz aufgespreizt werden. Der Schnabel ist rot und leicht sichelförmig nach unten gebogen. Die Beine sind kahl und stämmig.[2]

Waldrappe weisen keinen ausgeprägten Geschlechtsdimorphismus auf. Die Weibchen sind lediglich etwas kleiner und leichter als die Männchen.[2]

Verhalten

Waldrappe in der Universität von Tel Aviv-Jaffa

Geselligkeit

Der Waldrapp ist ein geselliger Vogel, der sich zu Kolonien von mehreren Dutzend bis über hundert Exemplaren zusammenschließt. In Zoos gehaltene Einzelpaare kommen regelmäßig nicht zum Brüten. Brutstimmung entsteht erst in einer Kolonie.

Begrüßungsritual

Zum Verhalten des Waldrapps gehört ein ausgedehntes Begrüßungsritual. Die Vögel umkreisen tagelang die Brut- und Ruhefelsen, bis sie ihren Partner gefunden haben. Nach der Landung werfen Männchen wie Weibchen den Kopf mit aufgestelltem Schopf in den Nacken und verbeugen sich dann unter lauten Chrup-Chrup-Rufen voreinander. Dabei wird dem Gegenüber die individuelle Kopfzeichnung präsentiert. Dieses Verneigungsritual wird mehrfach nacheinander wiederholt. Das Grüßen eines Pärchens löst in der gesamten Waldrapp-Kolonie das Grußritual aus und ist nicht nur auf die Balz- und Paarungszeit beschränkt. Zwischen rivalisierenden Männchen kann es zu Schnabelkämpfen kommen, wenn Nester bedrängt oder Nistmaterialien gestohlen werden. Bei diesen Kommentkämpfen wird jedoch nie ein Vogel verletzt.[3]

Nahrung und Nahrungserwerb

Die Nahrung des Waldrapps besteht aus Insekten und deren Larven, Würmern, Schnecken und deren Eiern, Heuschrecken, Spinnen, seltener auch aus kleinen Säugetieren, Reptilien und Amphibien sowie aus pflanzlicher Nahrung. Seine Nahrung sucht der Vogel, indem er mit seinem Schnabel im Boden stochert. Auf den Freiflug- bzw. Wiederansiedlungsgeländen in Österreich (Almtal) und Bayern (Burghausen) sucht er frisch gemähte Wiesen, Feucht- und Auwiesen sowie Uferböschungen und Weiden auf.

In den Lebensräumen der letzten Wildpopulationen (Marokko und Syrien/Äthiopien) ist er während der Nahrungssuche auch in Trockensteppen und Halbwüsten zu sehen.

Fortpflanzung

Künstliche Nester einer Kolonie in Birecik
Geronticus eremita

Es findet nur eine Brut pro Jahr in den Monaten März bis Juni mit zwei bis vier Eiern statt. Brutkolonien finden sich in Felswänden und an Steilküsten. Nester werden aus Zweigen, Gras und Blättern in Felsnischen gebaut. Am Nestbau beteiligen sich beide Geschlechter. Die Brutzeit beträgt 27 bis 28 Tage. Nach 45 bis 50 Tagen, in denen die Jungtiere auch von anderen Alttieren der Kolonie gefüttert werden, sind sie flügge, verbleiben jedoch noch längere Zeit bei den Eltern, um die Nahrungsbeschaffung zu erlernen. Zwischen 1994 und 2004 schwankte die Zahl der in Freiheit erfolgreich aufgezogenen Jungtiere zwischen 0,6 und 1,6 Jungtieren pro Brutpaar.

Verbreitung

Ursprüngliche Verbreitung

Bis ins 17. Jahrhundert war der Waldrapp im Balkan über Ungarn, Italien, Österreich, Schweiz, Süddeutschland, Nordafrika und den Nahen Osten verbreitet.[3]

Heutige Verbreitung

Marokko

Im Nationalpark Souss Massa in Marokko wurden im Jahr 1994 etwa 220 Vögel, davon 57 Brutpaare gezählt; 2001 waren es 66 Brutpaare; 2002 rund 315 Vögel; 2003 ca. 85 Brutpaare und 100 Jungvögel; 2004 waren es 420 Vögel, davon 98 Brutpaare und circa 110 Jungvögel. 2014 umfasste der Bestand 524 Vögel, davon 115 Brutpaare und 192 diesjährige Jungvögel.[4] Anfang 2019 erreichte die Gesamtpopulation in den beiden marokkanischen Waldrapp-Kolonien Souss-Massa National Park und Tamri 708 Vögel, nachdem 147 Brutpaare, die in der letzten Brutsaison Eier gelegt hatten, 170 Küken erfolgreich aufgezogen hatten.[5]

Die marokkanischen Waldrappe bleiben ganzjährig in ihrem Brutgebiet, was ihren Schutz und ihre Überwachung vereinfacht. Der Souss-Massa-Nationalpark wurde 1991 eingerichtet und Ortsansässige wurden zum Schutz und zur Bewachung der Brutvögel engagiert.[6]

Türkei

In Birecik in der Provinz Şanlıurfa in der Türkei bestand die dort halbwild lebende Kolonie im Jahr 2001 aus 42 Adulten und 17 Jungvögeln. 2002 wurden 19 Jungvögel aufgezogen und 2005 gab es insgesamt 86 Vögel. Im Jahre 2018 bestand die wachsende Kolonie aus fast 250 Individuen.[7] Die Vögel brüten hier an einem Steilfelsen mitten in der Stadt. Die Kolonie zählte im Jahr 1911 mindestens tausend Vögel und gedieh bis in die 1950er Jahre gut.

Die Waldrappe verließen jedes Jahr Birecik im August und kehrten im Frühling zurück, ihre Rückkehr wurde mit einem Volksfest in der Stadt gefeiert. Nach dem lokalen Aberglauben begleiteten die Waldrappe im Herbst fromme Pilger auf ihrer Haddsch nach Mekka und ein Waldrapp führte Noah, als der nach der Sintflut auf dem Berg Ararat landete.[6]

Die Einbettung in die lokale Folklore trug vermutlich erheblich zum Überleben dieser Population bei. In den Jahren 1959 und 1960 starb jedoch ein großer Teil der Population: mehr als 600 tote Vögel wurden in der Nähe von Birecik gefunden. Sie waren auf den Feldern, wo sie nach Nahrung suchten, einer vermutlich unbeabsichtigten Pestizidvergiftung zum Opfer gefallen.[6] 1989 lebte von der Wildpopulation nur noch ein Vogel.

Bereits 1977 begann man mit zwei adulten Waldrappen und neun Jungvögeln eine Brutpopulation in Menschenobhut aufzubauen. Sie lebt heute fast ganzjährig frei auf dem Steilfelsen in der Stadt, wird aber im Herbst eingefangen, damit sie nicht in die unsicheren Winterquartiere in den Süden abwandert.[6]

Syrien

In Palmyra (Syrien) bestand eine erst im Frühjahr 2002 entdeckte Kolonie aus zwei Brutpaaren und drei subadulten Vögeln.[6] Trotz Schutzmaßnahmen nahm in den folgenden Jahren die Zahl der Vögel immer mehr ab. Die letzte Brut erfolgte 2014. Im Jahre 2017 wurden noch einzelne Waldrappen gesichtet.

Auswilderungsprogramme

Waldrapp im Wiener Tiergarten Schönbrunn
Freie Waldrappe in Grünau im Almtal
Voliere bei Heiligenberg am Bodensee
Wilder Waldrapp in Marokko

Aufgrund der Zuchterfolge in Zoos (z. B. Tiergarten Schönbrunn) stehen heute genügend Tiere zur Auswilderung zu Verfügung. Ursprünglich von der Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau im Almtal in Österreich ausgehend, wurden vom Artenschutzprojekt „Waldrappteam“ einige Auswilderungsprojekte für Österreich (Grünau im Almtal, Kuchl), Deutschland (Burghausen, Überlingen) und Italien gestartet.

Das Projekt „Waldrappteam“ wurde und wird zwar mit viel Aufwand betrieben, erlitt aber immer wieder Rückschläge. Das Hauptproblem für die Auswilderung ist die Tatsache, dass der Waldrapp ein Zugvogel ist, die Flugroute aber im ersten Jahr von den Eltern erlernt werden muss. Von Menschen aufgezogene Jungvögel kennen diese Flugroute nicht. Sie fliegen zwar im August von ihren Wohnplätzen ab, aber nicht gemeinsam und in verschiedene Richtungen. Eine Möglichkeit, sie anzulernen, besteht darin, dass ihre menschlichen Zieheltern, auf die sie geprägt sind, ihnen mit Leichtflugzeugen vorausfliegen und ihnen den Weg zeigen.

Im Rahmen des Europäischen LIFE+EU-Projektes, das unter anderem vom WWF unterstützt wird, soll der Waldrapp wieder als echter Zugvogel in Deutschland angesiedelt werden. Im Rahmen dessen werden Nachzuchten aus österreichischen Tierparks aufgezogen und über die Alpen in ein italienisches Überwinterungsgebiet begleitet, um von dort mit ihren Artgenossen im Frühjahr selbstständig nach Norden zu fliegen. Ziel des EU-Projekts ist es, eine eigenständige europäische Waldrapp-Population zu schaffen, deren Tiere wieder ein Zugverhalten wie ihre Vorfahren zeigen.[8]

Ein wichtiger technischer Bestandteil der Projekte mit ziehenden Waldrappen ist die Anwendung hochmoderner, leichter GPS-Geräte. Die werden den Vögeln auf den Rücken geschnallt, um die genaue Position der Tiere jederzeit abrufen zu können.

Kärnten

Beim ersten Migrationsversuch 2003 gab es noch verschiedene Probleme, die aber wichtige Erkenntnisse für das Projekt lieferten. Alle Vögel dieses ersten Versuchs leben jetzt im Wildpark Rosegg (Kärnten), wo sie im Freiflug gehalten werden und seit 2005 brüten. Nach einer ersten erfolgreichen Migration mit sieben Vögeln im Jahr 2004 konnte das Waldrappteam im Folgejahr 2005 erneut sieben handaufgezogene Waldrappe in die WWF Oasi della Laguna di Orbetello in der südlichen Toskana führen; seit 350 Jahren sind Waldrappe nun erstmals wieder von Mitteleuropa in ein Wintergebiet geflogen. Dies zeigt, dass einer Wiederansiedlung der Waldrappe im nördlichen Voralpengebiet, also dem historischen Verbreitungsgebiet in Mitteleuropa, keine unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen. Im Jahr 2007 kamen erstmals auch wieder Waldrappe selbstständig aus Italien nach Österreich zurück. Ein Paar zog erfolgreich drei Jungtiere auf, die aber während der Migration verloren gingen. 2008 wurden schließlich die beiden ersten Waldrappe seit Hunderten von Jahren von einem erwachsenen Artgenossen in ein Überwinterungsgebiet geführt.[9][10]

Salzburg

Salzburg ist ein bekannter historischer Brutstandort der Waldrappe, wobei der Mönchsberg, der bis ins Mittelalter eine der größten Brutkolonien Europas beherbergte, häufig erwähnt wird. Dort ist heute keine Wiederansiedlung möglich. 2011 wurde ausgehend von einem Trainingscamp in Anif eine menschengeführte Migration durchgeführt. Zielsetzung des Projektes Reason for Hope war die Gründung einer eigenständigen, migrierenden Brutkolonie von zumindest 40 Individuen bis Ende 2019. Der Georgenberg der Gemeinde Kuchl – ein Inselfels im Salzachtal etwa 15 km südlich der Stadt Salzburg – stellt geeignete Felsstrukturen als Brutstandorte zur Verfügung, wobei ab 2014 die Waldrappe in eine Voliere gebracht wurden.[11] Zwischenzeitlich kam es zu Uhu-Attacken, sodass die Waldrapp-Brutkolonie aufgelassen werden musste. Die Brutpaare und neun Kücken wurden nach Burghausen übersiedelt.[12] 2019 beherbergte der Georgenberg die größte europäische Brutkolonie. In 8 Nestern waren 27 Küken geschlüpft und es wurden noch mehr erwartet.[13] Aufgrund der COVID-19-Pandemie konnte 2020 keine Begleitung mit Leichtflugzeugen durchgeführt werden. Trotzdem reisten im März 15 Tiere selbständig aus der Toskana in den Tennengau.[14]

Bayern

Von 2007 bis 2010 wurden jeweils etwa 15 handaufgezogene Waldrappe von Burghausen in Bayern mit Leichtflugzeugen in die WWF-Oasi della Laguna di Orbetello geführt, seit 2008 östlich um die Alpen herum, da der direkte Weg über die Alpenpässe für Leichtflugzeug und Vögel problematisch war. 2011 wurden die ersten zwei Waldrappe der erfolgreichen Migration 2008 geschlechtsreif, flogen aber nicht alleine zurück in das Brutgebiet Burghausen. Ein Weibchen, das allerdings noch nicht geschlechtsreif war, ist ohne menschliche Hilfe ins Brutgebiet zurückgekehrt.[15]

Baden-Württemberg

In Hödingen, einem Teilort von Überlingen am Bodensee, wurde 2017 ein Wiederansiedlungsprojekt vom Biologen des österreichischen Waldrappteams[8] etabliert. Im Jahr 2017 wurden 31 und 2018 dann 33 Waldrapp-Küken aus Brutkolonien für die Handaufzucht ausgewählt.[16] Sie wurden von zwei erfahrenen Ziehmüttern betreut.[17] Ende August 2018 flogen 29 Waldrappe in menschlicher Begleitung innerhalb von 13 Tagen über die Alpen ins Winterquartier in die Toskana zum WWF-Schutzgebiet Laguna di Orbetello.[18] Ein beringter Waldrapp der 2017er Handaufzucht wurde im Juli 2019 in der Schweiz am Domat/Ems südlich von Liechtenstein gesichtet und aus der Nähe fotografiert. Da das Weibchen noch nicht brüten kann, ist eine Rückkehr in das Brutgebiet um Überlingen noch nicht notwendig.[19]

Im Jahr 2019 wurde ein neues Trainingslager für rund 30 Waldrapp-Küken in Heiligenberg bei Überlingen eingerichtet, damit die Aufzucht durch zurückkehrende Wildvögel, die Hödingen erreichen könnten, nicht beeinträchtigt wird. Erst 2020 erwartet man die Rückkehr von ausgewilderten Waldrappen „der ersten Überlinger Generation“, die nach drei Jahren geschlechtsreif und brutfähig werden. Es war geplant, die Handaufzucht der Waldrapp-Küken in Überlingen auf der Landesgartenschau 2020 zu demonstrieren.[20] Die Landesgartenschau wurde jedoch um ein Jahr verschoben (siehe Landesgartenschau Überlingen 2021).[21] Seit bekannt geworden ist, dass keine Projektförderung für 2020 seitens der Europäische Kommission zu erwarten ist, werden private Sponsoren gesucht, damit die Projektarbeit bei Überlingen ohne Unterbrechung fortgesetzt werden kann.[22]

In 2020 sind einige 3-jährige Waldrappe aus dem Winterquartier in der Toskana über die Alpen zurückgeflogen und Anfang Mai an den Bodensee angekommen. Sie haben ihre Ziehmutter erkannt und werden von ihr weiter unterstützt.[23][24][25]

Andalusien

Auch in Spanien läuft seit dem Jahr 2003 ein fünfjähriges Auswilderungsprojekt. In La Janda in Andalusien in der Nähe von Cádiz wurden im Dezember 2004 21 Tiere ausgewildert. Ein Paar brütete im Jahr 2009 erfolgreich im Parque Natural de La Breña y Marismas del Barbate in der Nähe von Cádiz. Mittlerweile hat sich diese Wildpopulation sehr gut entwickelt, von einer Kolonie von 9 Brutpaaren (2011), 10 (2012), 15 (2013) auf 23 Brutpaare im Jahr 2014, die 2014 25 Jungvögel erfolgreich aufgezogen haben.[26] 2014 betrug der Gesamtbestand dieser spanischen Kolonie 78 Wildvögel, aufgeteilt auf zwei separate Kolonien, ursprünglich an den Klippen entlang der Atlantikküste, die sich 2012 in eine zweite Kolonie im Landesinnern in den Felsen entlang der Landstraße bei La Barca de Vejer im Gemeindegebiet Vejer de la Frontera ausgebreitet hatte (Artenschutzprojekt "Proyecto Eremita").[27][28]

Marokko

Ein weiteres Auswilderungsprojekt läuft in Mezguitem in Marokko, wo Waldrappe bis 1985 brüteten und bis 1995 vorkamen. 2001 sind dort bereits die ersten Jungvögel geschlüpft.

Syrien

In Syrien, nahe der Stadt Palmyra, wurde 2010 eine Supplementierung der Restpopulation mit Jungvögeln aus der türkischen Freiflughaltung versucht. Dabei wurden drei Junge in eine Voliere in die Wüste gebracht. Tatsächlich vergesellschafteten sich die drei letzten wildlebenden Altvögel mit ihnen. Ein erwachsenes Weibchen nahm die Jungvögel auf dem Zug Richtung Äthiopien über eine weite Strecke bis Saudi-Arabien mit, bevor sich die Tiere trennten. Derartige Programme erscheinen als einzige Möglichkeit, die restliche Waldrapp-Population im Nahen Osten zu retten, und sollen in Zukunft fortgesetzt werden.

Waldrapp und Mensch

Waldrapp in einer historischen Darstellung

Im frühen und alten Ägypten galt der Waldrapp als Lichtbringer und Verkörperung des menschlichen Geistes. Er wurde Ach genannt. Bereits in den frühen Dynastien glaubte man, dass der Mensch nach seinem Tode als verklärter und vergöttlichter Ach in den Himmel auffahren und zu einem Stern werden würde. Die Gestalt des Waldrapps fand Eingang in die Hieroglyphenschrift und ist als Gardiner-Zeichen G25 registriert.[29][30]

Im Islam wird der Waldrapp als Glücksbringer angesehen, der Noah nach der Sintflut den Weg vom Berg Ararat ins fruchtbare Tal des Euphrat gezeigt haben soll.[3]

Aus dem 4. Jahrhundert nach Christus stammen Berichte, wonach der Waldrapp bei den römischen Befestigungsanlagen von Sponeck am Kaiserstuhl heimisch war. Diese Aussage wird durch archäologische Knochenfunde nahe der Burg bestätigt.[31]

Die erste ornithologische Beschreibung des Waldrapps erfolgte im Jahr 1557 durch den Schweizer Naturforscher Conrad Gessner unter der Bezeichnung Phalacrocorax. Er erwähnt, dass die Bewohner der Alpen den Waldrapp als „Waldrab“ und „Klausrab“ bezeichnen und in Italien junge Vögel als Delikatessen gelten würden.[31][3]

Im 17. Jahrhundert wurden Waldrappe im Orient geschützt, da verschiedene Nomadenstämme glaubten, dass sie in ihrem schillernden Gefieder die Seelen der Verstorbenen davontragen würden. In Europa hingegen waren Waldrappe unter dem Namen „Schopfibis“ als Delikatesse sehr gefragt, als „Waldrapp“ galten sie als ornithologische Kostbarkeit. Jäger, Sammler und Trophäenjäger plünderten Nester, stahlen Jungtiere für Zoos und erlegten adulte Tiere, um sie dann zu Zwecken der Tierpräparation an Naturkundemuseen und Sammler zu verkaufen. Die Folge war eine massive Dezimierung sämtlicher Bestände in Europa, sodass der Waldrapp in weiten Teilen ausstarb. In Deutschland war er bereits 1627 ausgelöscht.[3]

Zeitweilig für ein Fabeltier gehalten, war die Sensation umso größer, als im Jahr 1897 die Vogelkundler Walter Rothschild, Ernst Hartert und Otto Kleinschmidt zweifelsfrei nachwiesen, dass der mittelalterliche Waldrapp mit dem im Laufe des 19. Jahrhunderts im Nahen Osten und in Nordafrika entdeckten Schopfibis identisch ist.[32]

Das Museum Kuchl widmete seine Sonderausstellung 2016 dem Waldrapp, der dort am Georgenberg brütet.[33]

Literatur

  • Anita Albus: On Rare Birds. Greystone Books, Vancouver u. a. 2011, ISBN 978-1-55365-477-3.
  • Jan Assmann: Tod und Jenseits im Alten Ägypten. Sonderausgabe. C. H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-49707-1.
  • Christiane Böhm, Karin Pegoraro: Der Waldrapp: Geronticus eremita – Ein Glatzkopf in Turbulenzen (= Die neue Brehm-Bücherei, Band 659). Hohenwarsleben 2011, ISBN 978-3-89432-915-0.
  • Dominic Couzens: Seltene Vögel. Überlebenskünstler, Evolutionsverlierer und Verschollene. 50 Porträts. Haupt, Bern u. a. 2011, ISBN 978-3-258-07629-4.
  • Georg August Langguth: Neuer Schauplatz der Natur. Nach den richtigsten Beobachtungen und Versuchen in alphabetischer Ordnung. Band 9: Teerbutte bis Wittwe. Weidmann, München 1780, S. 457.
  • Eberhard Otto: Ach. In: Wolfgang Helck (Hrsg.): Lexikon der Ägyptologie (LÄ). Band I, Harrassowitz, Wiesbaden 1975, ISBN 3-447-01670-1.
  • Karin Pegoraro: Der Waldrapp. Vom Ibis, den man für einen Raben hielt (= Sammlung Vogelkunde), Aula Verlag, Wiesbaden 1996, ISBN 3-89104-548-4.
  • Rüştü Şahin: Zur Aufzucht der Waldrappen (Geronticus eremita L.) in Birecik, Türkei (= Communications de la Faculté des Sciences de l'Université d'Ankara, sér. C, t. 25), Fac. des Sciences de l'Univ. d'Ankara 1982, DNB 945334478.
  • David W. Snow, Christopher M. Perrins: The Birds of the Western Palearctic. 2 Bände. Concise edition. Oxford University Press, Oxford u. a. 1998, ISBN 0-19-854099-X.
  • Katharina B. Springer, Ragnar K. Kinzelbach: Das Vogelbuch von Conrad Gessner (1516–1565). Ein Archiv für avifaunistische Daten. Springer, Berlin / Heidelberg 2009, ISBN 978-3-540-85284-1.

Weblinks

 Commons: Waldrapp – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
Wiktionary: Waldrapp – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Georg August Langguth: Neuer Schauplatz der Natur, S. 463.
  2. 2,0 2,1 David Snow, Christopher M. Perrins: The Birds of the Western Palearctic. S. 146–148.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 Anita Albus: On Rare Birds. S. 68–94.
  4. Rapport sur la reproduction de l’Ibis chauve dans la région de Souss-Massa, 2014, abgerufen am 6. Februar 2015
  5. Record breeding season for Northern Bald Ibis in Morocco at MaghrebOrnitho.
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 6,4 Dominic Couzens: Seltene Vögel. S. 91–94.
  7. "Northern Bald Ibis" at dogadernegi.org.
  8. 8,0 8,1 Projekt Waldrappteam – Vögel im Flugunterricht. WWF unterstützt Artenschutzprojekt für den Waldrapp. WWF Deutschland, abgerufen am 5. April 2018.
  9. taz-Artikel zur Waldrapp-Auswilderung in Österreich
  10. Hintergrundinfos zum Waldrapp auf waldrappteam.at
  11. Brutgebiet Kuchl. In: waldrapp.eu. Abgerufen am 21. Mai 2020.
  12. Der Waldrapp ist wieder in Kuchl gelandet. In: www.meinbezirk.at. Abgerufen am 21. Mai 2020.
  13. Waldrappkolonie am Kuchler Georgenberg. In: www.kuchl.net. Abgerufen am 21. Mai 2020.
  14. Coronakrise machte Waldrappe selbstständig. In: orf.at. Abgerufen am 21. Mai 2020.
  15. Spiegel-Online-Artikel vom Jahr 2011 zur Rückkehr von Waldrappen
  16. Spiegel-Online-Artikel vom Jahr 2018 über Waldrappe am Bodensee
  17. Jenna Santini: Endlich wieder Waldrappe in Überlingen: Zweite Handaufzucht in Hödingen mit 33 Küke. In: Südkurier. 2018-05-22 (https://www.suedkurier.de/region/bodenseekreis/ueberlingen/Endlich-wieder-Waldrappe-in-Ueberlingen-Zweite-Handaufzucht-in-Hoedingen-mit-33-Kueken;art372495,9746427).
  18. Jenna Santini: Vogelzug geglückt: Waldrappe und ihre Menschen landen im Winterquartier. In: Südkurier. 2018-08-28 ([1]).
  19. Jenna Santini: Ein eigensinniger Waldrapp: Weibchen Sonic gefällt es so gut in der Schweiz, dass es nicht nach Überlingen weiterfliegt. In: Südkurier. 2019-07-19 ([2]).
  20. Hanspeter Walter: Waldrappteam zieht nach Heiligenberg um: Erste Übungsflüge der Jungvögel voraussichtlich im Mai. In: Südkurier. 2019-04-25 ([3]).
  21. News auf Ueberlingen2020.de
  22. Laura Marinovic: Turbulenzen für das Waldrappteam: Derzeit ist unklar, ob es 2020 wieder eine Handaufzucht in Heiligenberg geben wird. In: Südkurier. 2019-12-11 ([4]).
  23. Hanspeter Walter: Nach drei Jahren planmäßig zurück am Bodensee: Waldrapp „Zoppo“ ist wieder da. In: Südkurier. 2020-05-12 ([5]).
  24. Stefan Hilser: Zwölf weitere Waldrappe auf dem Rückflug an den Bodensee, erstmals Rückkehr in zwei neu gegründete Brutgebiete gleichzeitig. In: Südkurier. 2020-05-12 ([6]).
  25. Höhepunkte des Waldrapp-Projektes: Start-up für zwei neue Brutkolonien. In: waldrapp.eu. 11. Mai 2020, abgerufen am 13. Mai 2020.
  26. José Manuel López Vázquez, Miguel Angel Quevedo Muñoz, Iñigo Sánchez García, Borja Rodríguez Martín, David Gimeno Real, Eduardo Aguilera Prieto: Crónica de la reintroducción del Ibis eremita en Andalucía. Quercus, 349, S. 14–23, 2015 (PDF zum Download bei ResearchGate).
  27. http://www.zoobotanicojerez.com/index.php?id=1786
  28. http://birdingcadizprovince.weebly.com/cadiz-birding-blog-page/archives/05-2015
  29. Eberhard Otto: Ach. In: Wolfgang Helck: Lexikon der Ägyptologie (LÄ), Band I. S. 49–52.
  30. Jan Assmann: Tod und Jenseits im Alten Ägypten. S. 116–118.
  31. 31,0 31,1 Katharina B. Springer, Ragnar Kinzelbach: Das Vogelbuch von Conrad Gessner. S. 151 & 152.
  32. Pierer’s Universal-Lexikon Band 18, Altenburg 1864, S. 804 (Deutsch)
  33. Museum Kuchl
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