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Wiener Klassik
Die Wiener Klassik (ca. 1780–1827) ist eine Stilrichtung der europäischen Kunstmusik. Ihr gehören Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven an. Im weiteren Sinn ist mit diesem Begriff auch die „Zeit der Wiener Klassik“ gemeint. Daher werden manchmal Komponisten wie Michael Haydn oder Carl Ditters von Dittersdorf hinzugerechnet.
Eigenschaften der Musik
Die drei großen Komponisten der Wiener Klassik eint die Beherrschung und Sublimierung der unterschiedlichsten Musikarten und Kompositionsweisen vom Volkslied bis zur barocken Polyphonie. Sie vereinen Eigenschaften des galanten und des empfindsamen Stils und führen verschiedene weitere deutsche, französische und italienische Stilarten in einer Vielfalt von Gattungen zusammen.
Das Besondere an ihrer Kompositionsweise sind drei hochentwickelte Verfahren: obligates Accompagnement, durchbrochener Stil und motivisch-thematische Arbeit.
Diese Verfahren werden in nahezu allen Gattungen angewandt, nachdem sie hauptsächlich in der Kammermusik (Streichquartett) und in der Orchestermusik (Sinfonie) vornehmlich von Joseph Haydn entwickelt worden sind. Auch in der Oper (z. B. bei Mozart) und in der geistlichen Musik (z. B. bei Beethoven) bestimmen sie die Faktur des Komponierten. Die Instrumentalmusik erfuhr dabei durch die Wiener Klassiker eine Aufwertung zur autonomen Kunst. Meist in deren Kopfsätzen findet sich die keinesfalls schematisch, eher phantasievoll und individuell angewendete Sonatenhauptsatzform als Rahmen für eine dialektische, thematisch bestimmte Kompositionsweise.
Wien als Musikstadt
Raum und Hintergrund für diese Entwicklungen gab Wien als eine Stadt mit einer vielschichtigen Musikkultur, die eine Vielfalt an musikalischer Produktion verlangte. Waren Paris (Oper) und London (öffentliches Konzert) in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zunächst noch die tonangebenden Musikstädte Europas, so erlangte Wien vor allem mit der Glorifizierung Mozarts nach dessen Tod und dem Zuzug Beethovens eine europäische Vormachtstellung. Mozart hatte bis dahin eher als eine Wiener Größe gegolten; Beethoven sah Wien bereits als das erstrebenswerte Ziel seiner Karriere an. Hellsichtig formulierte diesen Umstand sein Gönner Graf Ferdinand Ernst Gabriel von Waldstein: „Durch ununterbrochenen Fleiß erhalten Sie: Mozarts Geist aus Haydns Händen.“
Entscheidend für die Konstitution einer „Wiener Klassik“ waren die Jahre nach Mozarts Übersiedelung nach Wien. Hier bildete sich die kompositorische Interaktion zwischen Joseph Haydn und Mozart heraus, beginnend mit der gegenseitigen Anregung zur neuartigen Komposition von Streichquartetten und weitergeführt bei der Etablierung der Symphonie als publikumswirksamster Gattung der Zeit.
Einflüsse von außerhalb Wiens
Wolfgang Amadeus Mozart lernte besonders auf seinen Reisen Komponisten und deren Musik kennen. Teodor de Wyzewa und Georges de Saint-Foix ergründeten in ihrem großen Mozart-Werk (1936–1946) die vielfältigen Spuren davon. Zu nennen sind vor allem der Londoner Johann Christian Bach, etliche Komponisten der italienischen Oper und die Meister der Mannheimer Schule. Schließlich sind auch die indirekten Einflüsse Georg Friedrich Händels (Vokalwerke wie Messiah) und Johann Sebastian Bachs (Instrumentalmusik und Motetten) zu nennen.
All das lernte auch Beethoven direkt persönlich oder indirekt in Joseph Haydns und Mozarts Kompositionen kennen. Einflüsse von außerhalb Wiens kamen zudem beispielsweise von der italienischen und der französischen Oper sowie von der französischen Orchestermusik. Beethoven selbst rühmte Luigi Cherubini als unmittelbares Vorbild.
Diskussion des Begriffes
Während die englischsprachige Musikwissenschaft den Begriff „Wiener Klassik“ eher vermeidet und einen umfassenderen Klassikbegriff pflegt, diskutiert ihn die deutsche Musikwissenschaft kontrovers. Ludwig Finscher möchte ihn, Gedanken Raphael Georg Kiesewetters von 1834 folgend, auf die Werke Joseph Haydns und Mozarts zwischen 1781 und 1803 begrenzen. Hans Heinrich Eggebrecht belegte durch umfangreiche, ins musikalische Detail gehende Analysen seine Haydn, Mozart und Beethoven umfassende Definition. Carl Dahlhaus dagegen führte Friedrich Blumes Gedanken weiter, Klassik und Romantik bildeten eine gemeinsame klassisch-romantische Epoche. Diese dialektische Verbindung zwischen Wiener Klassik und Romantik offenbart sich besonders deutlich im Vergleich Beethovens und Schuberts. Thrasybulos Georgiades ordnete Schubert in seinen Analysen von dessen Vokal- und Instrumentalmusik den drei Großen der „Wiener Klassik“ zu und zeigte Schuberts klassische Kompositionsverfahren besonders in dessen Liedern und dessen „Unvollendeter“ auf.
Literatur
- Friedrich Blume, Klassik. In MGG 1958
- Friedrich Blume, Romantik. In MGG 1963
- Carl Dahlhaus, Klassische und romantische Musikästhetik. Laaber 1988
- Hans Heinrich Eggebrecht, Musik im Abendland, Prozesse und Stationen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. In Mn./Z 1991, S. 471–487
- Ludwig Finscher, Klassik. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil Bd. 5, 1996
- Thrasybulos Georgiades, Schubert, Musik und Lyrik. Göttingen 1967
- Raphael Georg Kiesewetter, Geschichte der europäisch- abendländischen oder unserer heutigen Musik. Leipzig 1834
- Charles Rosen: Der klassische Stil. Haydn, Mozart, Beethoven. Bärenreiter, Kassel etc. 1983, ISBN 978-3-7618-1235-8
- Teodor de Wyzewa, G. de Saint-Foix, W.-A. [!] Mozart. Sa vie musicale et son oeuvre de l'enfance à la pleine maturité […] Essai de biographie critique suivi d'un nouveau catalogue chronologique de l'oeuvre complète de maitre […]. 5 Bände, Paris 1936–1946
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