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Asymmetrische Kriegführung

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Asymmetrischer Krieg bezeichnet die Art einer militärischen Auseinandersetzung zwischen Parteien, die waffentechnisch, organisatorisch und strategisch stark unterschiedlich ausgerichtet sind. Typischerweise ist eine der beteiligten Kriegsparteien, meist reguläres Militär eines Staates, waffentechnisch und zahlenmäßig so überlegen, dass die andere Kriegspartei militärisch in offen geführten Gefechten nicht gewinnen kann. Langfristig können jedoch nadelstichartige Verluste und Zermürbung durch wiederholte kleinere Angriffe zum Rückzug der überlegenen Partei führen, bedingt auch durch die Überdehnung von deren Kräften. Die vermeintlich überlegene Kriegspartei wird durch die Weiträumigkeit des Einsatzraumes immer nur geringere Kräfte punktuell ansetzen können, die Masse des Kräftepotentials geht im Raum verloren, ist mit dem Einsatzraum und seiner Bevölkerung nicht vertraut und gerät meist ideologisch in eine unterlegene Position, und kann auch aus diesem Grund den Kampf nicht gewinnen. Die unterlegene Seite hingegen rekrutiert sich zu meist aus der regionalen Bevölkerung immer wieder neu. Ein Beispiel sind die Kolonialkriege des 20. Jahrhunderts, in denen nationale Befreiungsbewegungen in Kolonien gewaltsam gegen die jeweiligen Kolonialmächte und ihr Militär vorgingen (siehe auch Guerilla). Militärische Konzepte zur Bekämpfung solcher Untergrund- oder Widerstandsbewegungen durch reguläres Militär werden auch unter dem Begriff Aufstandsbekämpfung (engl. Counterinsurgency oder COIN) zusammengefasst.

Sowohl das Phänomen selbst als auch die militärtheoretischen Grundlagen sind seit der Antike bekannt. Seit etwa dem Ende des Kalten Kriegs 1990 taucht der Begriff, der vorher hauptsächlich Fachleuten bekannt war, zunehmend in öffentlichen Debatten auf, verstärkt in Zusammenhang mit der Besetzung des Irak 2003–2011 und dem NATO-Einsatz in Afghanistan (ISAF).

Begriffsgeschichte

Die Bezeichnung „asymmetrische Kriegführung“ kam auf, als nach dem Ende des Kalten Krieges klassische „symmetrische“ Kriege zwischen Staaten, als in wesentlich geringerem Umfang der moderne Kleinkrieg die Bedrohungsszenarien vieler Länder bestimmten. Dabei werden im allgemeinen Sprachgebrauch der Terrorismus und Kriegshandlungen in einem auch unerklärten Krieg zwischen zwei Kriegsparteien, von denen eine in der konventionellen Stärke unterlegen ist, gerne synonym genutzt, sind jedoch voneinander zu trennen. Die organisierte Gewaltanwendung des modernen Terrorismus wurde mit der Bildung des Begriffes „asymmetrische Kriegführung“ ebenfalls als Krieg erfasst, obwohl sie sich vom klassischen Waffengang der vergangenen Jahrhunderte stark unterscheidet. Besonders die hegemoniale Position der USA als einzig verbliebener Supermacht wird als „asymmetrisch aus Stärke“ verstanden, während der Terrorismus aus Schwäche zu unorthodoxen Gefechts- und Kampfmethoden greift. In diesem Sinn erscheint der Terrorismus als Fortentwicklung der Partisanenkriegführung, mit dem sich seit ihren Anfängen in der spanischen Guerillabewegung gegen die napoleonische Besatzung diejenigen zur Wehr setzen, die in einer offenen Schlacht unterlegen wären. Wesentlich für die Charakterisierung ist, daß eine konventionelle Armee, die einen Krieg nicht gewinnt, verliert, eine Guerilla hingegen im asymmetrischen Krieg gewinnt, wenn sie diesen nicht verliert. Der Begriff des Partisan (von italienisch partigiano Parteigänger; vgl. Partei) als einem bewaffneten Kämpfers, der nicht zu den regulären Streitkräften eines Staates gehört, wird in diesem Zusammenhang synonym genutzt, meist jedoch auf irreguläre Kämpfer im Zusammenhang mit den konventionellen Kriegen des 20. Jahrhunderts wie bei den Sowjetischen Partisanen, der Résistance Frankreich oder den „Waldbrüder“ im Baltikum.

Johann von Ewald veröffentlichte bereits 1785 in Kassel seine „Abhandlung über den kleinen Krieg“, welche auf seinen Erfahrungen mit den Aufständischen in den nordamerikanischen Kolonien beruhten.

Carl von Clausewitz beschreibt in seinem Buch Vom Kriege im Kapitel Volksbewaffnung ebenfalls das Konzept der asymmetrischen Kriegführung und führt im „Vom kleinen Kriege“ Gefechtshandlungen unter diesen besonderen Bedingungen aus.

Diese Art von Kriegführung wurde auch bereits während der Kolonialeroberungen und den nachfolgenden Kriegen der regionalen Bevölkerung gegen die Kolonialtruppen in Südafrika, Namibia vormals Deutsch-Südwestafrika, Tansania mit Ruanda und Burundi vormals Deutsch-Ostafrika sowie in China angewandt.

Bekannt wurde diese Art der Kriegführung auch durch Thomas Edward Lawrence, bekannt als Lawrence von Arabien, der bereits die militärische Taktik des Hit and Run anwandte, indem er permanent tiefe Flankenangriffe auf die Versorgungs- und Transportlinien der türkischen Armee des osmanischen Reiches wie die Hedschasbahn und gegen die Osmanische Militärbahn in Palästina unternahm und diese unterbrach. Dabei konnte er die Stadt Aqaba über die Landseite der Wüste Nefud erfolgreich für die britische Armee erobern.

Mao Zedong systematisierte diese Kriegführung in den 1920er und 1930er Jahren und orientierte sich dabei an dem antiken Schriftsteller Sun Tsu, der 510 v. Chr. ein Buch über die dreizehn Prinzipien der Kriegführung verfasst hatte. Ziel seiner Strategie war die konsequente Fehler- und Schwächenauswertung des Feindes bei gleichzeitiger Nutzung kleiner, aus dem Überraschungsmoment operierender Einheiten oder Einzelpersonen. Aufgrund dieser Analyse war die Strategie durch die zur Verfügung stehenden Mittel zu bestimmen. Ziel war es, mit unterlegenen Mitteln und konsequenter Anwendung dieses Konzepts den Feind empfindlich zu treffen und abschließend endgültig zu schlagen. Ein Vorteil der asymmetrischen Kriegführung liegt in den geringen Kosten. Eine Guerillatruppe ist in der Lage, mit primitiven und teilweise dem Feind abgenommenen Waffen einen hochgerüsteten Gegner zu bekämpfen. Der Gegner muss zum Schutz seiner Nachschublinien und schützenswerten Objekte einen großen Aufwand betreiben, der hohe Kosten verursacht.

Dieselbe Logik liegt terroristischen Aktivitäten zugrunde. Ein Terrorangriff wie der des 11. September 2001 kostete für die Terroristen sehr wenig im Vergleich zu den großen Investitionen im Security-Bereich an den Flughäfen, die aus ihm resultierten. Der wichtigste Theoretiker dieser Kriegführung in der zweiten Hälfte de 20. Jahrhunderts war der Brasilianer Carlos Marighella. Sein Mini-manual do Guerrilheiro Urbano (Wörtlich: Mini-Handbuch des Stadtguerillero, in deutscher Fassung meist übersetzt als Handbuch des Stadtguerillero), São Paulo 1969, wurde vor allem von westeuropäischen terroristischen Gruppierungen wie zum Beispiel der RAF adaptiert.

Beispiele für asymmetrische Kriegführung sind unter anderem der Burmafeldzug der britischen und amerikanischen Armee 1944, der französische Indochina- und der Vietnamkrieg, die meisten Kriege und Unabhängigkeitskriege in Afrika, der Afghanistan-Krieg (2001/2009) und der Irak-Krieg der Vereinigten Staaten, die Kriege Russlands in Tschetschenien oder die palästinensische Intifada, die Bürgerkriege teilweise durch kommunistische Bewegungen in Mittel- und Südamerika wie die FARC in Kolumbien sowie als einer der letzten asymmetrischen Auseinandersetzungen in Mali mit der Opération Serval.

Der Begriff wurde in der Neuzeit zum ersten Mal in den Medien (in Militärkreisen bereits in den 1960er Jahren) im Zusammenhang mit der Operation Allied Force und der Kriegführung der jugoslawischen Volksarmee im Jahr 1999 verwendet. Nach dem Krieg wurde festgestellt, dass die Luftangriffe der NATO nur geringe Wirkung zeigten und die Jugoslawische Volksarmee wenig behindert gegen die UÇK (kosovarische Befreiungsarmee) Krieg führen konnte. Grund dafür war das Konzept der Verteilung, Tarnung, Deckung und des überraschenden direkten Angriffs auf den Gegner unter Ausnutzung der Geländekenntnisse durch die jugoslawische Armee.

Strategie der asymmetrischen Kriegführung

Der Angriff von Arminius gegen Varus auf den Schlachtfeldern von Kalkriese (Varusschlacht) ist ein typisches Beispiel einer erfolgreichen asymmetrischen Kriegführung, die gezielt die offene Feldschlacht vermied, um den dort überlegenen römischen Gegner in Einzelgefechten „aufzureiben“.

Die asymmetrische Kriegführung (außerhalb der wissenschaftlichen Diskussion Partisanenkampf genannt) gab es von je her. Bereits die Kämpfe der frühen Eidgenossen und Dithmarscher oder noch früher der Slawen (siehe Landnahme der Slawen auf dem Balkan) lassen sich dazu zählen. Hierbei handelte es sich um eine kleine Anzahl unorganisierter Bauernhaufen, die durch ihre hervorragenden Geländekenntnisse wesentliche Vorteile gegenüber den besser ausgerüsteten Rittern zu Pferd hatten.

Auch der bewaffnete Widerstand zum Beispiel in Spanien gegen Napoleon im 19. Jahrhundert oder im Zweiten Weltkrieg gegen Hitler (Résistance) wählte eine asymmetrische Kriegführung ohne wesentliche ethische Zweifel an ihrer Berechtigung. Anders als bei den üblichen Kämpfen außerhalb eng besiedelter Bevölkerungsgebiete sind asymmetrische Kriege aber sehr häufig mit hohen Opferzahlen unter einer eigentlich nicht direkt am Kampf beteiligten Zivilbevölkerung verbunden. Diese bietet zwar bei vorhandener Sympathie des Anliegens gegenüber asymmetrisch Kriegführenden und eigener Leidensfähigkeit eine ausgezeichnete Versteckmöglichkeit für die waffentechnisch schwächere Kriegspartei, bei denen auch technisch immer ausgeklügeltere Systeme moderner hochtechnisierter Armeen zwar kurzfristig erfolgversprechend sind, aber in ihrer Wirkung rasch abstumpfen (vgl. ständige blutige Zwischenfälle in Afghanistan und Irak).

Dieses Verstecken und unerwartete Zuschlagen von asymmetrisch Kriegführenden (Nadelstiche) führt aber bei konsequenter Durchführung innerhalb moderner Armeen rasch zu Frustrationen auf unterer Kommandoebene mit der Gefahr einer Eskalation, die sich dann in plötzlichen Massakern an der Zivilbevölkerung (wie My Lai im Vietnamkrieg) oder zur Nichteinhaltung eines Mindestmaßes an Humanität äußern kann, da der Freischärler ja jederzeit in ihr untertauchen kann und sie gerne als Schutzschild missbraucht. Aus humanitärer Sicht ist damit auch bei kriegführenden Demokratien rasch eine Minderbewertung des menschlichen Lebens zu erwarten, so wie es von der Gegenseite ohnehin regelmäßig praktiziert wird. Auch demokratische Staaten laufen dann Gefahr, ihre eigenen moralischen Ideale zu verraten, indem sie sich der gleichen Verbrechen schuldig machen, wie ihr Guerilla-Gegner (foltern und wahllos töten). Historisches Beispiel ist der Kampf der französischen Armee im Algerischen Unabhängigkeitskrieg, bei dem es zu etlichen Repressalien gegenüber der einheimischen Bevölkerung als mögliche Unterstützer der Front de Libération Nationale (FLN) und gegen Gefangene der Guerilla kam, nachdem diese ihnen in die Hände gefallene Soldaten, aber auch und vor allem den Franzosen freundlich gesinnte Algerier tötete und französische Zivilisten mit terroristischen Mitteln wie Bomben in Algier angriff.

Kennzeichen von asymmetrischen Kriegshandlungen ist häufig, dass die „unterlegene“ Seite über Rückzugsmöglichkeiten in ein „neutrales“ Land verfügt, in das die andere Seite keine Gefechtshandlungen hinein durchführen will und kann. Beispiele bieten Südvietnam mit Nordvietnam, Laos und Kambodscha; Oman mit Jemen; Algerien mit Tunesien und Marokko; Malaysia mit Indonesien, und heute Afghanistan wieder mit Pakistan.

Grundsätzlich gilt, dass die symmetrisch kriegführende Partei der asymmetrisch kriegführenden Partei "überlegen" ist, jedoch durch die meist große Fläche punktuell unterlegen und das Diktat des Handelns von der asymmetrischen Kriegspartei bestimmt wird, da eine Unterscheidung von Freund und Feind oder Feind und Zivilbevölkerung für die meist im Land fremde Kriegspartei nicht möglich ist.

Auch verschärfte internationale Regelungen zur Schonung menschlichen Lebens in asymmetrischen Konflikten sind kaum in der Praxis durchsetzbar, humanitäre Aspekte bleiben ohne nennenswerte Wirkung. Bewußt wird durch die „unterlegene“ Seite die Nähe zur Zivilbevölkerung gesucht und das Gefecht aus deren Mitte heraus geführt, um der Feuerüberlegenheit der konventionellen Armee zu entgehen. Gleichzeitig werden unter der Zivilbevölkerung dadurch Opfer verursacht, die diese der konventionell kämpfenden eigenen Armee oder Friedenstruppen entfremdet und Kräfte in die „Arme“ der unkonventionell asymmetrisch kämpfenden Kräfte treibt. Der Befehlshaber einer hochtechnisierten Armee sieht dann in jeder Einschränkung der Kriegführung durch humanitäre Regelungen (weil schwer umsetzbar gegen einen Feind, der gänzlich ohne Regeln kämpft) eine Entwertung seiner qualitativen und quantitativen Überlegenheit und lehnt solche Regelungen ab, da sie ihn in seinem taktischen Einsatzspektrum benachteiligen und einschränken (berechenbar machen). Asymmetrische Kämpfer fühlen sich ohnehin an solche humanitären Regelwerke nicht gebunden, es sei denn, sie können sie gegen den Besatzer propagandistisch nutzen, denn sie sind nicht Vertragspartei in solchen internationalen Regelwerken. Provozierte Gewaltexzesse der konventionellen Armee sind sogar ein ideologisch verwendbares Kampfmittel und daher gar nicht völlig unerwünscht. Hauptleidtragende Gruppe in solchen Konflikten ist aber nicht etwa die Guerillatruppe, sondern regelmäßig die Zivilbevölkerung.

In neuerer Zeit dient auch immer mehr die Organisierte Kriminalität zur Finanzierung unkonventionell asymmetrisch kämpfender Kräfte.

Diese Einstellungen beider asymmetrischen Kriegsparteien sind eine ernsthafte Herausforderung an die Weiterentwicklung und Bewahrung des aktuellen humanitären Völkerrechts auch während eines Krieges (anders als beispielsweise noch 1907 anlässlich der Haager Landkriegsordnung, die von gleichrangigen Kombattanten ausging).

Taktisch geprägt ist unkonventionelle Kriegführung von der unterlegeneren Seite meist durch Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung / Sprengfallen, Hinterhalte oder Feuerüberfälle seltener Handstreich wie sie im Einsatzverfahren Jagdkampf angewandt werden sowie durch Selbstmordattentäter und Autobomben. Da der Gegener durch die Soldaten und Sicherheitskräfte nicht oder selten gesehen werden kann und auch nicht im Gefecht zu stellen ist, wird die Truppe zermürbt. In der asymmetrische Kriegführung gewinnt die taktische Fernmeldeaufklärung des gegnerischen "Truppenfunks" an Bedeutung, da dieser selten "geschleitert" wird und sich so die Fernmeldestellen aufklären lassen, die meist auch gleichzeitig die Position des jeweiligen taktischen Führers ist.

Terrorismus als Strategie der Asymmetrischen Kriegführung

Während die Taktiken des paramilitärischen Kampfes, also das Vorgehen von Partisanenverbänden oder ähnlichem in erster Linie darauf abzielen, den militärisch überlegenen Gegner mit der Strategie der „Nadelstiche“ kontinuierlich zu schwächen, zu provozieren oder zu demoralisieren, so tritt der Terrorismus als offensive Strategie im Rahmen der asymmetrischen Kriegführung auf. Terroristen ist es möglich, anders als Partisanen- bzw. Guerillaeinheiten, unabhängig zu operieren und somit den Krieg in andere Regionen – ja sogar in das entfernte Heimatland des Feindes – hinauszutragen. Die Durchführung erschreckender Anschläge mit möglichst hoher medialer Resonanz soll die Bevölkerung verunsichern und somit den politischen Rückhalt der kriegführenden Regierung erschüttern. Durch die direkten Angriffe auf das Zentrum des Feindes wollen Terroristen den Durchhaltewillen der Bevölkerung brechen, die hinter der Streitkraft des überlegenen Gegners steht. Somit findet in dieser Form des Krieges nicht nur eine Asymmetrisierung der Kräfte und Taktiken, sondern auch der Schauplätze und Schlachtfelder statt.

Der Begriff „Asymmetrische Konflikte“

Im Pentagon werden Asymmetrische Konflikte rein militärisch als „asymmetric warfare“ definiert. Dies ist eine in Deutschland nicht gebräuchliche Verengung der Sicht auf die Entstehung und Lösungsmöglichkeiten asymmetrischer Konflikte. Zu den heftigsten Kritikern dieser ausschließlich militärischen Betrachtungsweise asymmetrischer Konflikte gehört der US-Oberstleutnant John A. Nagl, der 2004 auch in Falludscha kämpfte. Seine Studie „Counterinsurgency Lessons from Malaya and Vietnam: Learning to Eat Soup with a Knife“ aus dem Jahr 2002 fordert das Pentagon auf, die Anti-Terror-Strategie im Zeitalter asymmetrischer Konflikte zu modernisieren, die, so Nagl, vom Vietnam-Krieg über Afghanistan bis zum Irak-Krieg allein auf massiver Feuerkraft basiert. Er fordert die Besinnung auf die britischen Erfahrungen in Malaysia, wo General Gerald Templer das Konzept „Winning Hearts and Minds“ entwickelte und damit mit der Kombination von wirtschaftlichen, sozialen, politischen und militärischen Maßnahmen siegte, und wie es auch im Vietnamkrieg als eine von mehreren sich abfolgenden Strategien durch die US-Armee jedoch nicht konsequent und zu spät eingesetzt wurden. Jedoch zeigt sich aus den Erfahrungen von Vietnam, dass diese frühzeitig und damit rechtzeitig als Handlungsstrategie um die „Herzen“ der Bevölkerung eines Krisengebietes einsetzen muss, bevor sich diese der militärisch unterlegenen Kriegspartei auch durch terroristische Aktionen anschließt. Daher kommt dem lokalen Schutz auch und vor allem der Landbevölkerung und deren wirtschaftliche Entwicklung bei gleichzeitiger Akzeptanz der Lebensgewohnheiten und der Religion der verschiedenen Bevölkerungsgruppen besondere Bedeutung zu. Wie Afghanistan war Vietnam durch eine nationale politische Gruppe vertreten, mit der sich die lokale vor allem ländliche Bevölkerung nicht identifizierte und damit eine Parteinahme mit der gegnerischen Kriegspartei erfolgte.

Die Grunderkenntnisse Templers sind:

  1. die Guerillabewegung ist militärisch nicht zu zerschlagen,
  2. die Guerillabewegung muss vom Volk getrennt werden,
  3. die Entscheidung im asymmetrischen Konflikt fällt auf wirtschaftlichem, sozialem und politischem Gebiet.

Ein weiterer Präzedenzfall für die erfolgreiche Lösung eines asymmetrischen Konflikts mit dem Konzept „Winning Hearts and Minds“ ist der Dhofar-Krieg im Sultanat Oman 1965 bis 1975. In der Provinz Dhofar hatte sich eine etwa 2000 Mann starke kommunistische Guerillagruppe festgesetzt, die im Kalten Krieg von der Sowjetunion und China unterstützt wurde, ihre Basen in der benachbarten Volksdemokratischen Republik Jemen (VDRJ) hatte und in der Monsunzeit in dem dicht bewaldeten und mit Nebel überzogenen Küstengebirge fast ungehindert operieren konnte. Militärisch war die Guerillatruppe auch durch die Rückzugsmöglichkeit in das „neutrale“ Jemen und nach Saudi-Arabien durch die omanischen Streitkräfte nicht zu zerschlagen.

1970 stürzte Sultan Qaboos seinen Vater und wendete dann konsequent das britische Konzept an, das er an der Militärakademie Sandhurst kennengelernt hatte. Es wurde eine Amnestie erlassen – Kämpfer, die überliefen, wurden nicht bestraft. Er wurde sofort in eine neu gegründete Miliz des Sultans übernommen, durfte seine Waffen behalten und erhielt einen Sold ausgezahlt. Alle Gebirgsdörfer erhielten eine Anbindung an das Straßennetz und jede Hütte wurde an das Energienetz angeschlossen. In jedem Dorf wurden ein Laden mit westlichen Waren, eine Schule und eine Krankenstation eröffnet. Dann schenkte die Regierung den Dorfbewohnern Kühlschränke und Farbfernsehgeräte. Damit erweckte sie den Wunsch in den Dorfbewohnern, Geld zu verdienen, um sich die neuen verlockenden Waren auch kaufen zu können. Dies war nur möglich, wenn die Dorfbewohner nicht mehr für die Guerilleros kämpften, sondern in den Dienst des Sultans traten. Bis 1975 liefen mehr als 90 Prozent der Guerilla-Kämpfer zum Sultan über. Der Rest wurde in asymmetrischen Aktionen der omanischen Streitkräfte und des britischen SAS zerschlagen, weil Guerillabewegung und Volk nun getrennt waren.

Siehe auch

Literatur

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  • Herfried Münkler: Der Wandel des Krieges. Von der Symmetrie zur Asymmetrie. Velbrück, Weilerswist 2006, ISBN 978-3-938808-09-2.
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