Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Gustav Frenssen

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Gustav Frenssen

Gustav Frenssen (geb. 19. Oktober 1863 in Barlt, Dithmarschen; gest. 11. April 1945 ebenda) war ein deutscher Schriftsteller des völkischen Nationalismus, ab 1932 des Nationalsozialismus. Seine Werke gehörten zur Massenliteratur des Kaiserreichs und der NS-Zeit, die damals verbreitete kolonialistische, rassistische und antisemitische Wertvorstellungen vermittelten.

Leben

Frenssen wurde in Barlt als Sohn des Tischlermeisters Hermann Frenssen (1829–1919) und dessen Frau Amalie geb. Hansen (1827–1897) geboren. Er besuchte nach der Volksschule zunächst das Gymnasium in Meldorf, gemeinsam mit dem späteren antisemitischen Literaturhistoriker Adolf Bartels, und wegen schlechter schulischer Leistungen danach das in Husum. Nach der Reifeprüfung 1886 studierte er Theologie an den Universitäten Tübingen, Berlin und Kiel, um 1890 Zweiter Pastor in Hennstedt zu werden und 1892 schließlich Pastor in Hemme. 1890 heiratete er Anna Walter, die Tochter eines Lehrers.

Literarische Anfänge und Erfolge

1896 veröffentlichte er sein erstes größeres Werk, Die Sandgräfin, und 1901 den Entwicklungsroman Jörn Uhl, der beim Publikum und bei der Kritik großen Erfolg hatte, auch bei „Frenssen-Fan“ (Uwe-K. Ketelsen) Rainer Maria Rilke. Dieser Erfolg erlaubte es Frenssen, seine Pastorenstelle 1902 aufzugeben und als freier Schriftsteller zu leben. 1903 bekam er für seine Dorfpredigten von der Universität Heidelberg den Ehrendoktor für Theologie verliehen. 1905 erschien Hilligenlei und 1906 Peter Moors Fahrt nach Südwest über den Aufstand der Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika, von denen jeweils zwei Monate nach Erscheinen über 100 000 Stück verkauft waren. Trotzdem kam Frenssen danach literarisch nicht mehr auf die Kolonialthematik zurück und sah sich auch nicht als „Kolonialautor“. Im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wurde Frenssen, dessen Werke in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden und besonders auch in Skandinavien beliebt waren, sogar für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen. Frenssen war so sehr von sich eingenommen, dass er die Tatsache, dass er nicht ausgewählt wurde, nicht auf seine möglicherweise mangelhafte Qualität als Schriftsteller zurückzuführen vermochte, sondern dafür die Kabalen einer Judenclique“ verantwortlich machte. [1] Seine Werke erreichten eine Gesamtauflage von rund drei Millionen Exemplaren.

Frenssens Weg zu den Nationalsozialisten

Gustav Frenssen zwischen 1925 und 1930 auf einer Fotografie von Nicola Perscheid.

Frenssens politische Haltung während des Kaiserreichs war nationalkonservativ. Er wurde 1896 Mitglied in Friedrich Naumanns Nationalsozialem Verein und blieb es bis zu dessen Auflösung 1903. Genau wie Naumann sprach er sich für deutsche Kolonien aus, und schon vor Hans Grimm und Adolf Bartels prägte er in seinem Roman Die drei Getreuen (1898) die Parole vom Volk ohne Raum. Er beschäftigte sich mit zeitgenössischen rassebiologischen Schriften. Gustav Frenssen lebte von 1902 bis 1906 in Meldorf und danach in Blankenese. 1919 zog er zurück an seinen Geburtsort Barlt. Wie viele Dithmarscher seiner Zeit war er zwar nationalliberal und antidemokratisch gesinnt, begrüßte jedoch die Oktoberrevolution und lehnte die Weimarer Republik zuerst nicht ab. Walther Rathenau bezeichnete er kurzzeitig als „vornehmsten Kopf in Deutschland“.[2] Aber Frenssen strebte im Grunde ein „starkes Deutschland mit deutlich autoritären Zügen“ an und wurde zum Feind der Weimarer Republik.[3] Ab 1923 sind in seinen Werken Anzeichen für einen verstärkten Antisemitismus festzustellen.[4] Bei der Reichspräsidentenwahl 1932 wählte er Adolf Hitler.

Frenssen während der Zeit des Nationalsozialismus

Nach der Machtübernahme unterstützte er offen die NSDAP. Er unterschrieb 1933 das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Hitler, bejahte ab 1938 die Ausgrenzung der Juden und trat für die Euthanasie ein.[4] Hans Sarkowicz und Alf Mentzer werten die nach 1933 veröffentlichten Bücher Frenssens als „fast ausnahmslos übelste nationalsozialistische Propaganda“.[5] Im Oktober 1933 ließ sich Frenssen in die gleichgeschaltete Preußische Akademie der Künste Sektion Dichtung aufnehmen, die sich ab 1939 Deutsche Akademie der Dichtung nannte, und wurde zum Ehrensenator des Reichsverbands Deutscher Schriftsteller, einer Unterabteilung der Reichsschrifttumskammer, ernannt. 1933 erhielt er den Raabepreis. 1938 verlieh Hitler ihm die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft.

Er war Vorstandsmitglied des 1936 gegründeten Eutiner Dichterkreises, einer der bedeutendsten Autorengruppen in Nazi-Deutschland.[6] 1936 erschien sein Buch Der Glaube der Nordmark, mit dem er sich endgültig von der christlichen Religion abwandte und eine Art nordisches Neuheidentum propagierte. Bürgerlich-konservative Sexualmoral lehnte er nun ab. 1937 erschien Vorland. Grübeleien, in dem er sich für die nationalsozialistische „Euthanasie“-Politik aussprach. 1938 veröffentlichte er Der Weg unseres Volkes.

1940 erschienen seine Autobiographie Lebensbericht, die von Großstadtfeindlichkeit, Antiintellektualismus und Antisemitismus geprägt ist, sowie Recht oder Unrecht – mein Land!, in dem er die Verfolgung der Juden und das Weltmachtstreben der Nationalsozialisten rechtfertigte. Sein letztes Buch Lebenskunde erschien 1942. Es beschäftigt sich u.a. mit dem Thema der „Menschenzucht“. In den letzten Kriegsjahren arbeitete Frenssen vorwiegend für den Rundfunk und die Reichspressestelle der NSDAP.

Frenssens Rezeption in der Bundesrepublik

Nach seinem Tod 1945 geriet Frenssen weitgehend in Vergessenheit. In der Sowjetischen Besatzungszone und der Deutschen Demokratischen Republik wurden viele seiner Werke auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt,[7][8] wo sich auch die antisemitisch und antidemokatisch gefärbten Monographien Erläuterungen zu Gustav Frenssen: „Der Glaube der Nordmark“ (1939) von Albert Meerkatz und Gustav Frenssen. Entfaltung eines Lebens (1938) von Numme Numsen finden.[9][10]

In der Bundesrepublik nannte Arno Schmidt Frenssen in einer szenischen Beschreibung einen Vertreter exemplarischer literarischer und gesellschaftlicher Anti-Moderne.[11] Schmidt zählte Frenssen auch zu den chauvinistischen Scharfmachern.[12] Außerdem vertrat Schmidt die Meinung, dass Frenssen durch seinen öffentlich geäußerten Kampf gegen „Juden und jüdische Künstler“ vor und während der NS-Zeit eine große Mitschuld für die Verbrechen an den Juden während des Nationalsozialismus habe. Trotz dieser kritischen Äußerungen wurde Frenssens publizistische Unterstützung für die Verbrechen des NS-Staates in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit in den ersten 35 Jahren ihrer Existenz weitgehend verdrängt. Vor allem in Schleswig-Holstein wurden sogar Straßen nach ihm benannt. Erst in den 1980er Jahren – 1983 zuerst in Heide/Holst.[13] – bildeten sich politische Initiativen, die es – wie 1985 im ehemals holsteinischen Altona[14] – teilweise erreichten, dass solche Ehrungen rückgängig gemacht wurden.[15] Die Frenssenstraße in Kiel-Pries beispielsweise wurde erst 2011 mit der Begründung, Frenssen hätte „seine Begabungen wissentlich und willentlich in den Dienst der Nationalsozialisten“ gestellt, umbenannt. Die Straße war schon 1920 nach ihm benannt worden.[16]

Werke (in Auswahl)

Datei:Gustav Frenssen Der Glaube der Nordmark.jpg
Gustav Frenssen; Der Glaube der Nordmark, Georg Truckenmüller Verlag, Stuttgart 1936, 5. Auflage (21. - 25. T.)
  • Die Sandgräfin. Berlin 1896
  • Die drei Getreuen. Berlin 1898
  • Dorfpredigten. 3 Bände. Göttingen 1899-1902
  • Eine Handvoll Gold. Leipzig 1901
  • Jörn Uhl. Berlin 1901
  • Hilligenlei. Berlin 1905
  • Peter Moors Fahrt nach Südwest. Berlin 1906
  • Das Leben des Heilands. Berlin 1907
  • Klaus Hinrich Baas. Berlin 1909
  • Der Untergang der Anna Hollmann. Berlin 1911
  • Bismarck. Berlin 1914
  • Grübeleien. Berlin 1920
  • Der Pastor von Poggsee. Berlin 1921
  • Briefe aus Amerika. Berlin 1923
  • Lütte Witt. Berlin 1924
  • Otto Babendiek. Berlin 1926
  • Möwen und Mäuse. Berlin 1927
  • Die Chronik von Barlete. Kulturgeschichte eines niedersächsischen Dorfes. Berlin 1928
  • Dummhans. Berlin 1929
  • Der brennende Baum. Berlin 1931
  • Meino der Prahler. Berlin 1933
  • Geert Brügge. München 1934 und Berlin 1935
  • Die Witwe von Husum. Berlin 1935
  • Der Glaube der Nordmark. Stuttgart 1936
  • Vorland. Berlin 1937
  • Land an der Nordsee. Leipzig 1938
  • Lebensbericht. Berlin 1940
  • Der Landvogt von Sylt. Berlin 1943

Literatur

  • Gregor Brand: Gustav Frenssen. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 22, Nordhausen 2003, ISBN 3-88309-133-2, Sp. 350–375.
  • Andreas Crystall: Gustav Frenssen. Sein Weg vom Kulturprotestantismus zum Nationalsozialismus. Gütersloh: Kaiser, Gütersloher Verlags-Haus 2002. ISBN 3-579-02609-7
  • Kay Dohnke, Dietrich Stein (Hrsg.): Gustav Frenssen in seiner Zeit. Von der Massenliteratur im Kaiserreich zur Massenideologie im NS-Staat. Heide: Boyens 1997. ISBN 3-8042-0750-2. Enthält u.a. aus der Feder Kay Dohnkes eine Bibliographie der Veröffentlichungen Frenssens.
  • Volker Griese: Die drei Leben des Gustav F. Eine Frenssen-Chronik. Münster: MV-Verlag 2011. ISBN 978-3-86991-415-2
  • Otto Jordan (Bearb.): Gustav-Frenssen-Bibliographie. Bohmstedt. 1978.
  • Olaf Klose: Frenssen, Gustav. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 5, Duncker & Humblot, Berlin 1961, S. 402 f. (Onlinefassung).
  • Norbert Mecklenburg: Erzählte Provinz. Regionalismus und Moderne im Roman. Königstein/Taunus: Athenäum 1982. ISBN 3-7610-8248-7
  • Hans Sarkowicz, Alf Mentzer: Literatur in Nazi-Deutschland. Ein biographisches Lexikon. Hamburg/Wien: Europa Verlag, (Erw. Neuauflage) 2002 ISBN 3-203-82030-7
  • Arno Schmidt: Ein unerledigter Fall. Zum 100. Geburtstage von Gustav Frenssen. In: derselbe: Die Ritter vom Geist. Von vergessenen Kollegen. Karlsruhe: Stahlberg 1965. S. 90-165.
  • Jan Süselbeck: „Arse=tillery + Säcksualität“. Arno Schmidts Auseinandersetzung mit Gustav Frenssen. Bielefeld: Aisthesis 2001. ISBN 3-89528-337-1
  • Klaus Uhde: Gustav Frenssens literarischer Werdegang bis zum Ersten Weltkrieg. Eine kritisch-monographische Studie zur Entstehung völkischer Literatur. München: Univ. Diss. 1983.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Laut Arno Schmidt: Ein unerledigter Fall - zum 100. Geburtstag von Gustav Frenssen. In Die Ritter Vom Geist - Von vergessenen Kollegen, Karlsruhe 1965, S. 137f..
  2. „Es ist ein Jammer! Dieser vornehmste Kopf in Deutschland - man sah es äußerlich ganz deutlich; es gab keine drei solche Schädel in Europa -, von den engsten und versteinertsten Gehirnen im Land zerschmettert.“, Gustav Frenssen: Briefe aus Amerika. Berlin 1923, S. 81; zitiert nach: Andreas Crystall: Gustav Frenssen. Sein Weg vom Kulturprotestantismus zum Nationalsozialismus. Gütersloh 2002, S. 337.
  3. Hans Sarkowicz, Alf Mentzer: Literatur in Nazi-Deutschland. Ein biographisches Lexikon. Hamburg 2002, S. 171
  4. 4,0 4,1 Ulrich Pfeil, Vom Kaiserreich ins „Dritte Reich“ : Heide 1890 - 1933. Selbstverlag Heide 1997. Zugleich Hamburger Universitäts Dissertation 1995/96.
  5. Hans Sarkowicz, Alf Mentzer: Literatur in Nazi-Deutschland. Ein biographisches Lexikon. Hamburg 2002, S. 170 f.
  6. Uwe Danker, Astrid Schwabe: Schleswig-Holstein und der Nationalsozialismus, Neumünster 2005, Seite 88.
  7. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-f.html
  8. http://www.polunbi.de/bibliothek/1953-nslit-f.html
  9. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-n.html
  10. http://www.polunbi.de/bibliothek/1948-nslit-m.html
  11. Arno Schmidt: Ein unerledigter Fall – Zum Hundertjährigen Geburtstag von Gustav Frenssen. In Die Ritter Vom Geist - Von vergessenen Kollegen. Karlsruhe 1965, S. 90 bis S. 166.
  12. Arno Schmidt: Ein unerledigter Fall – Zum Hundertjährigen Geburtstag von Gustav Frenssen. In Die Ritter Vom Geist - Von vergessenen Kollegen. Karlsruhe 1965, S. 137f.
  13. Florian Dunklau: Heider SPD: "Frenssen-Straße umbenennen" (1983). Dithmarscher Landeszeitung vom 10. Mai 1983. Online auf pro-mann-strasse-heide.blogspot.de vom 27. März 2013.
  14. Horst Schüler: Gustav Frenssen, Hitler und eine Straße in Blankenese. In: Hamburger Abendblatt Nr. 46 vom 23. Februar 1985. Online auf abendblatt.de.
  15. Dietrich Stein: Bad Oldesloe und Gustav Frenssen, in: Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte (Kiel) Heft 36 (1999) S. 102-104.
  16. Hans-G. Hilscher, Dietrich Bleihöfer: Kieler Straßenlexikon. Fortgeführt seit 2005 durch das Amt für Bauordnung, Vermessung und Geoinformation der Landeshauptstadt Kiel, Stand: Februar 2017 (Suchbegriff hier eingeben: kiel.de).
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Gustav Frenssen aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.