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Jan Marsalek

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Jan Marsalek (auch Maršálek; * 15. März 1980 in Wien)[1] ist ein österreichischer Manager und ehemaliges Vorstandsmitglied der Wirecard AG. Er ist seit Juni 2020 auf der Flucht vor den deutschen Strafverfolgungsbehörden und wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Er gilt als Hauptverdächtiger der Bilanzfälschung bei der Wirecard AG im Umfang von mindestens 1,9 Milliarden Euro.

Biografie

Nach eigenen Angaben besuchte Marsalek in Wien das französische Gymnasium, legte aber nicht die Matura ab; das damit möglicherweise gemeinte Lycée Français de Vienne hat diese Angabe bisher nicht bestätigt (Stand 17. Juli 2020).[2] Mit 19 Jahren gründete er ein Softwareunternehmen für Anwendungen für den elektronischen Handel. Im Jahr 2000 begann er seine Karriere bei Wirecard. Zum 1. Februar 2010 wurde er Chief Operating Officer und Vorstandsmitglied des Unternehmens.[3] Sein Vorstandsgehalt bei Wirecard lag zuletzt bei jährlich 2,7 Millionen Euro.[2] Sein Vermögen wird auf einen dreistelligen Millionenbetrag geschätzt.[4] Dazu gehörten – anders als beim Vorstandsvorsitzenden Markus Braun – kaum Wirecard-Aktien, nur im Februar 2019 kaufte er Aktien für 110.000 Euro.[2] Zuletzt lebte Marsalek in München.

Wirecard und Betrugsvorwürfe

Im März 2019 berichtete die Financial Times von verdächtigen Transaktionen in Singapur mit einem Gesamtvolumen in Höhe von zwei Millionen Euro, über die Marsalek Bescheid gewusst haben soll.[5] Am 18. Juni 2020 musste Wirecard eingestehen, keinen Nachweis über 1,9 Milliarden Euro zu haben. Marsalek wurde sofort freigestellt und wenige Tage später fristlos entlassen.[6] In der Folge musste Wirecard Insolvenz anmelden. Marsalek gilt als einer der Hauptverantwortlichen.[7][8]

Geheimdienstkontakte

Marsalek werden Kontakte zu Geheimdiensten nachgesagt.[9] Der frühere FPÖ-Spitzenpolitiker Johann Gudenus soll von Marsalek mit vertraulichen Informationen aus den österreichischen Sicherheitsbehörden versorgt worden sein.[9] Gudenus hat Marsalek im Sommer 2018 einen Termin im damals von der FPÖ geführten österreichischen Innenministerium verschafft.[10]

Marsalek war mit Personen aus dem Umfeld des russischen Militärnachrichtendienstes GRU bekannt. Die Recherchen von Bellingcat und Spiegel legen nahe, dass der russische Inlandsgeheimdienst FSB ihn ab 2015 überwachte und seine Reisebewegungen sowie Buchungsdaten speicherte. 2016 stellte der FSB demnach die Speicherung ein, Marsalek reiste auch danach noch nach Russland.[11] Marsalek verfügte im Jahr 2018 über vier streng vertrauliche Dokumente der Organisation für das Verbot chemischer Waffen über den Anschlag auf Sergei Wiktorowitsch Skripal in Salisbury.[12]

Versuchter Kauf von Spionagesoftware

Im November 2013 soll Marsalek versucht haben, Spyware des italienischen Unternehmens HackingTeam zu erwerben, die dieses nach eigenen Angaben ausschließlich an staatliche Stellen verkauft. Ende Oktober 2013 wird er in einem Schreiben an das Unternehmen als Repräsentant des Inselstaats Grenada genannt, in dem Interesse am Kauf der HackingTeam-Spyware bekundet und eine Produktvorführung angefragt wird. Das Schreiben ist dem Anschein nach auf offiziellem Briefpapier Grenadas gedruckt und trägt die Unterschrift des damaligen grenadischen Außenministers Nickolas Steele. Gegenüber dem Spiegel bestätigte Steele ein Treffen mit Marsalek im Sommer 2013, bei dem es um Wirecard-Technologie zur Zahlungsabwicklung gegangen sei und das zu keinem Geschäft geführt habe. Steele bestritt die Echtheit des Schreibens an HackingTeam ebenso wie der Geschäftsführer des als Zwischenhändler genannten mexikanischen Unternehmens Encryptech. Im Juli 2013 waren auf den Namen Jan Marsalek Internet-Domains mit offiziell erscheinendem Namen registriert worden, darunter stateofgrenada.org, die zu Servern in Deutschland führten. Der ehemalige Chef von HackingTeam erklärte, dass es seines Wissens kein Treffen mit Marsalek oder Repräsentanten Grenadas gegeben habe. Interne E-Mails, deren Echtheit ein ehemaliger HackingTeam-Mitarbeiter bestätigt, legen jedoch nahe, dass am 27. November 2013 eine Spyware-Vorführung für Marsalek stattfand. Laut dem Chef des HackingTeam-Nachfolgeunternehmens Memento Labs und zwei weiteren ehemaligen HackingTeam-Mitarbeitern kam es jedoch zu keinem Vertragsabschluss zwischen HackingTeam und Grenada oder Marsalek.[13][14]

Flucht

Marsalek wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Ihm wird Marktmanipulation, Bilanzfälschung und Untreue vorgeworfen.[1] Er soll erhebliche Summen in Form von Bitcoins aus Dubai nach Russland transferiert haben.[15] Am 18. Juni 2020 wurde Masalek von Wirecard frei gestellt. An diesem Tag sahen ihn seine Kollegen auch zum letzten Mal, dann tauchte er ab.[16]

Nach Angaben des Spiegel ist Marsalek mit falschem Pass zunächst nach Weißrussland eingereist.[17] Laut der Investigativ-Plattform Bellingcat ist Marsalek noch am Tag seiner Freistellung bei Wirecard Mitte Juni von Klagenfurt über Tallinn nach Minsk geflogen. Wegen des politischen Konflikts zwischen Russland und Belarus (Weißrussland) war es dem russischen Militärgeheimdienstes GRU aber zu riskant gewesen, Marsalek im Nachbarland zu belassen. Deshalb habe man ihn weiter nach Russland gebracht.[15][18] Das Handelsblatt berichtete unter Berufung auf Unternehmer-, Justiz- und Diplomatenkreise, dass Marsalek auf einem Anwesen westlich von Moskau unter Aufsicht des russischen Militärgeheimdienstes untergebracht ist.[19]

Zunächst war spekuliert worden, Marsalek halte sich auf den Philippinen auf. Seine angebliche Einreise in die Philippinen am 23. Juni 2020 und seine Ausreise nach China am 24. Juni 2020 stellten sich als fingiert heraus:[17][20] am 4. Juli erklärte der philippinische Justizminister Gueverra, Beamten der philippinischen Einwanderungsbehörde hätten Marsaleks Daten gefälscht.[16]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Christoph Giesen, Klaus Ott, Nicolas Richter, Jörg Schmitt, Jan Willmroth, Nils Wischmeyer: Catch me if you can, sueddeutsche.de, 2. Juli 2020
  2. 2,0 2,1 2,2 Bernhard Ecker, Martina Bachler: Jan Maršálek – Der meistgesuchte Österreicher der Welt. In: Trend. Nr. 29/2020, 2020-07-17 (https://www.trend.at/wirtschaft/jan-mar-oesterreicher-welt-11563497).
  3. Jan Marsalek Net Worth. In: Wallmine. Abgerufen am 21. Juli 2020.
  4. kas: Jan Marsalek: Partys und Betrug - das skurrile Leben des Wirecard-Ex-Vorstands. In: Focus Online. 6. Juli 2020, abgerufen am 6. Juli 2020.
  5. Dan McCrum: Wirecard boss tells staff accounting allegations known and adressed, ft.com, 22. März 2019
  6. Christoph Giesen, Klaus Ott, Nicolas Richter, Jörg Schmitt, Jan Willmroth, Nils Wischmeyer: Wo steckt Jan Marsalek, sueddeutsche.de, 5. Juli 2020
  7. Klaus Ott, Nils Wischmeyer: Ermittler durchsuchen Wirecard-Büros, sueddeutsche.de, 1. Juli 2020
  8. Süddeutsche Zeitung 11. Juli 2020: Sein Name ist Marsalek, Jan Marsalek
  9. 9,0 9,1 Anna Thalhammer: Flüchtiger Wirecard-Manager war geheimer FPÖ-Informant. In: DiePresse.com. 9. Juli 2020, abgerufen am 11. Juli 2020.
  10. Frederik Obermaier, Christoph Giesen, Oliver Das Gupta: Marsalek: Ein Mann, dem wohl fast alles zuzutrauen ist. In: sueddeutsche.de. 10. Juli 2020, abgerufen am 13. Juli 2020.
  11. Marsalek offenbar in Weißrussland untergetaucht. Abgerufen am 22. Juli 2020.
  12. Paul Murphy, Dan McCrum, Helen Warrell: Wirecard executive Jan Marsalek touted Russian nerve gas documents. In: Financial Times. 9. Juli 2020, abgerufen am 23. Juli 2020 (english).
  13. Max Hoppenstedt, Marcel Rosenbach, Nicola Naber, Roman Höfner: Marsalek bahnte offenbar Kauf von Spionagesoftware an. In: Der Spiegel. 21. Juli 2020, abgerufen am 21. Juli 2020.
  14. Lorenzo Franceschi-Bicchierai: ‘World’s Most Wanted Man’ Involved in Bizarre Attempt to Buy Hacking Tools. In: Motherboard. 21. Juli 2020, abgerufen am 21. Juli 2020 (english).
  15. 15,0 15,1 Ex-Wirecard-Manager Marsalek angeblich in Moskau. In: Tagesschau, 20. Juli 2020.
  16. 16,0 16,1 Marsalek offenbar in Weißrussland untergetaucht. Abgerufen am 22. Juli 2020.
  17. 17,0 17,1 Fidelius Schmid, Christo Grozev: Wirecard-Manager Marsalek offenbar nach Weißrussland geflüchtet. In: Der Spiegel. Abgerufen am 18. Juli 2020.
  18. World's Most Wanted Man Jan Marsalek Located in Belarus; Data Points to Russian Intel Links. Bellingcat, 18. Juli 2020.
  19. Ex-Wirecard-Vorstand Marsalek ist in Russland untergetaucht. In: Handelsblatt, 19. Juli 2020.
  20. Solveig Bach: Wo steckt Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek? In: Capital. 7. Juli 2020, abgerufen am 7. Juli 2020.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Jan Marsalek aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.