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Krankheit

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Krankheit (vom mittelhochdeutschen krancheit, krankeit, synonym zu Schwäche, Leiden, Not) ist die Störung der Funktion eines Organs, der Psyche oder des gesamten Organismus.

„Das kranke Mädchen“ (Den syge pige) von Michael Ancher, 1882

Definition

Krankheit und Gesundheit

Krankheit wird oft im Gegensatz zu Gesundheit definiert. Allerdings wurde Gesundheit auch schon als idealer Zustand optimalen Wohlbefindens definiert, und Krankheit ist nicht die einzige mögliche Ursache für mangelhafte Gesundheit.[1] Die Übergänge zwischen „Gesundheit“ und „Krankheit“ sind fließend. Vieles mag letztlich einfach eine Frage der Sichtweise sein. So hat sich der Begriff Befindlichkeitsstörung für Einschränkungen des leiblichen oder seelischen Wohlbefindens ohne objektivierbaren medizinischen Krankheitswert eingebürgert. Andererseits können als krankhaft definierbare Zustände auch ohne subjektiven Leidensdruck vorliegen.

Die normale Funktion ergibt sich aus der Regelhaftigkeit der Lebensvorgänge; in unterschiedlichem Ausmaß beinhaltet sie die Fähigkeit zur Anpassung an veränderte innere und äußere Bedingungen. Ihre Beurteilung durch Menschen weist auch Abhängigkeit von deren Normvorstellungen auf.

Als Funktionsstörung kann Krankheit verschiedene Bereiche lebendigen Seins betreffen und sich in deren Wechselwirkungen entwickeln. Physiologische Funktionen sind wesentliche Eigenschaft des Lebens. Organismen existieren in komplexen Umwelten und erhalten, erneuern und verändern sich durch beständigen stofflichen und energetischen Austausch. Viele Arten von Organismen leben in sozialen Zusammenhängen. Zu den Funktionen des Lebens gehört auch Verhalten. Sog. höhere Organismen weisen emotionale Funktionen auf. Die Personalität und Sozialität von Menschen funktioniert auch in Abhängigkeit von ihrer kulturellen Welt.

Die Zuordnung von Erkrankungen eines konkreten Lebewesens zu abstrakten „Krankheiten“ gilt als wichtig im Zusammenhang mit der Entwicklung von therapeutischen Ansätzen und ihren administrativen und ökonomischen Rahmenbedingungen. Eine Systematik ist die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD10).[2] Ob es allerdings abstrakte Krankheiten in einem ontologischen Sinn gibt, ist umstritten.

Medizin

Seit Jahrhunderten ist die Medizin bestrebt, den allgemeinen Begriff Krankheit eindeutig zu definieren und abzugrenzen.[3][4] Dabei hat sie sich mit verschiedenartigen Krankheitsbildern und konkreten Erkrankungen auseinander zu setzen.

Hat ein Mensch das Gefühl, „krank“ zu sein, oder ist bei jemandem eine Krankheit bereits erkannt worden, spricht man in der Medizin von einem Patienten.

Einzelne Beschwerden eines Patienten können Symptome definierbarer Krankheiten sein. Mehrere typischerweise gleichzeitig auftretende Symptome werden als Syndrom (Symptomkomplex) bezeichnet. Symptome oder Symptomenkomplexe, die auf eine gemeinsame Ursache (Ätiologie) zurückführbar sind, lassen die Bestimmung einer spezifischen Krankheit (Morbus) im Sinne der modernen Medizin zu (→ Hauptartikel Pathogenese). Eindeutig scheint dies, wenn notwendige oder hinreichende Krankheitsursachen feststellbar sind. Für definierte Infektionskrankheiten sind z. B. spezifische Krankheitserreger notwendig; manche angeborene Krankheiten treten zwingend bei bestimmten molekulargenetischen Veränderungen auf. Oftmals sind Krankheiten aber auch nicht eindeutig auf nachweisbare Ursachen zurückzuführen. Mitunter werden sie dann durch regelhaft vorliegende strukturelle bzw. funktionelle Erscheinungen definiert. Die Gesamtheit aller für eine Krankheit typischen Erscheinungen ist das Krankheitsbild (Syn. Entität), das in mehr oder weniger unterschiedlichen Ausformungen beobachtet werden kann. Die Lehre von den Krankheiten ist die Pathologie.

Zur Erkennung von Krankheiten bei individuellen Patienten bedarf es entsprechender Untersuchungen (Diagnostik). Damit werden Befunde erhoben, welche der Erstellung einer Diagnose dienen können.

Recht

Dass Übergänge zwischen „Gesundheit“ und „Krankheit“ fließend sind, wirft auch juristische Probleme auf. Der Begriff „Krankheit“ selbst wird inhaltlich, insbesondere im sozialversicherungsrechtlichen Bereich, heftig diskutiert.[5]

Krankheit im Sinne des Sozialversicherungsrechts ist eine Störung des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens, somit eine Abweichung von der Norm „Gesundheit“. (vgl. § 120 Abs. 1 Z 1 ASVG, wonach Krankheit „ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand ist, der die Krankenbehandlung notwendig macht“.)

Der deutsche Bundesgerichtshof hat am 21. März 1958 juristisch definiert: „Krankheit ist jede Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers, die geheilt, d. h. beseitigt oder gelindert werden kann.“ Nach einer neueren Formulierung wird im deutschen Kranken- und Unfallversicherungswesen unter Krankheit „ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf und/oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat“ verstanden (BSGE 35, 10, 12 f.). Dadurch ist der medizinische Krankheitsbegriff nicht deckungsgleich mit dem sozialrechtlichen. Entscheidende Kriterien für die Beurteilung als Krankheit im Sozialrecht sind:

  • Behandlungsbedürftigkeit (nicht bei altersbedingten Erscheinungen; kosmetischen Behandlungen, die rein ästhetischer Natur sind (wie beispielsweise Haartransplantation), sehr wohl jedoch, wenn eine anerkannte medizinische Notwendigkeit vorliegt (wie beispielsweise Korrektur der Nasenscheidewand), Behandlung von Narben)
  • Wahrnehmbarkeit nach außen (z. B. Disharmonien der genetischen Werte erfüllen den Sachverhalt nicht)
  • Besserung des Leidens oder Verhütung von Verschlimmerungen (die Behandlung muss nach den Grundsätzen der ärztlichen Wissenschaft erfolgversprechend sein)

Der letzte Punkt kann problematisch für unheilbare Krankheiten sein, da in solchen Fällen keine Besserung möglich ist.

Davon ist im Sozialversicherungsrecht das Gebrechen (§ 154 ASVG) abzugrenzen. Dabei handelt es sich um unbehebbare Leiden, deren Entwicklung abgeschlossen ist und eine Möglichkeit auf ärztliche Einflussnahme im Sinne einer Heilung, Besserung oder Verhütung von Verschlimmerungen nicht möglich ist. Beschwerden durch Unfälle und deren Folgen werden in der Schweiz aus juristischer Sicht nicht dem Begriff „Krankheit“ zugerechnet.[6]

Geschichtliche und kulturelle Aspekte

Porträt des Feldmarschalls Alessandro Marchese del Borro († 1656)[7]

Die Einordnung, das Maß der „Normalität“ überschreitender Veränderungen eines Menschen, hängt stark von der Kultur und der Epoche ab. So war Fettleibigkeit (Adipositas) in der Renaissance ein Status-Symbol, heutzutage wird sie allgemein als krankhaft betrachtet.[8]

Typische Reaktionen bei schwerer Krankheit

Vor allem schwere Krankheit muss nicht nur kognitiv sondern auf emotional verarbeitet werden. Für die Auseinandersetzung mit einer Erkrankung gibt es ganz typische Reaktionsweisen[9]:

  • Rückzug in die kindliche Abhängigkeit: Diese Regression kann einerseits gut sein und die Energiereserven schonen, andererseits aber auch in übermäßige Forderung von Aufmerksamkeit und Obsorge gipfeln.
  • Verleugnung: Die Krankheit wird verleugnet und damit auch ein guter Umgang damit verhindert.
  • Rationalisierung und Verschiebung: Die Probleme der Krankheit werden auf andere Ursachen geschoben und die Krankheit als Ursache verleugnet.
  • Angstreaktionen - depressive Reaktionen

Systematik

Hauptartikel: Nosologie

Systematische Einteilung von Krankheiten wird als Nosologie (Krankheitslehre) bezeichnet. Die Bezeichnungen der Krankheiten, die Abgrenzung einzelner Krankheitsbilder (Entitäten) gegeneinander und die Systematik der Krankheiten sind ständigem Wandel unterworfen (vgl. Liste historischer Krankheitsbezeichnungen). Die moderne Einteilung der Krankheiten im medizinischen Krankheitsmodell kann grob organbezogen nach den Hauptdiagnosegruppen (MDC, Major Diagnostic Categories) erfolgen.

Eine genauere Einteilung erlaubt die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10), bzw. für den onkologischen Bereich entsprechend der ICD-O.

Eine an den bekannten oder vermuteten Ursachen orientierte Einteilung ist die nach

Eigenschaften, die statistisch für sich alleine betrachtet die Rate des Auftretens bestimmter Krankheitsbilder erhöhen, ohne ihrem Wesen nach für diese alleinig verantwortlich zu sein, werden als sogenannte Risikofaktoren bezeichnet. Als klassisches Beispiel sei hierzu die positive statistische Korrelation zwischen der Erhöhung des Blutdruckes und dem Auftreten kardiovasculärer Erkrankungen angeführt.

Eine seelisch-körperliche Betrachtungs- und Heilweise, unter Berücksichtigung der emotionalen und sozialen Ursachen sowie der Persönlichkeit und des Lebensschicksals des Patienten versucht die psychosomatische Medizin. Außerhalb der evidenzbasierten Medizin werden auch andere Krankheitsursachen bis hin zu metaphysischen Zusammenhängen angenommen. Mit der gesellschaftlichen Bedingtheit von Erkrankung und Krankheitsverläufen sowie der staatlichen Steuerung des Gesundheitswesens beschäftigt sich die Medizinsoziologie.

Ursachen und Verlauf

Die Ursachen für Erkrankungen werden in der modernen Medizin vom Gesunden nennenswert abweichende Veränderungen von Teilen des Körpers (und damit auch deren Funktion), sogenannte organpathologische Befunde betrachtet (→ Hauptartikel Pathologie, Psychopathologie und Phytopathologie).

Die Ursachen für diese Veränderungen lassen sich in innere und äußere Faktoren einteilen. Zu den inneren Faktoren gehören der allgemeine Alterungsprozess, Erbkrankheiten und ererbte Anfälligkeiten/Anlagen, embryonale Fehlbildungen sowie psychische Erkrankungen. Diese sind wenig beeinflussbar. Demgegenüber sind äußere Faktoren, wie soziale Verhältnisse, Stress, Ernährung, Umweltbedingungen und Krankheitserreger gut beeinflussbar.

Krankheit führt – behandelt oder unbehandelt – zu Heilung, Remission, einem Rezidiv (oder mehreren Rezidiven), Leiden oder Tod.

Häufig verwendete Begriffe, die den zeitlichen Verlauf beschreiben, sind akut (plötzlicher Beginn – z. B. grippaler Infekt), subakut (allmählicher Beginn – z. B. Hepatitis B), chronisch (längerer Verlauf – z. B. Multiple Sklerose), chronisch rezidivierend (immer wieder auftretend – z. B. „chronische“ Bronchitis) und foudroyant bzw. fulminant („blitzartig“ einsetzend und schwer verlaufend – z. B. Sepsis).

Krankheitsmodell

Unter einem Krankheitsmodell versteht man einen wissenschaftstheoretischen Ansatz, mit dem Ziel, in modellhaft vereinfachter Form eine Krankheit zu erklären.


Eine Diskussion um Krankheitsmodelle ist aus der Frage entstanden, welches der objektive Unterschied zwischen normal und anormal, als krankhaft sei. Diese Unterscheidung betrifft meist nicht das Urteil des Kranken selbst, sondern das seiner Umgebung. Es ist auf den vermeintlich Kranken gerichtet und gibt die Auffassungen der nächsten Angehörigen und des sozialen Umfeldes über Krankheit wieder. Es umfasst somit auch einen soziologischen und epidemiologischen Aspekt, der z. B. in der Medizinsoziologie und in der Sozialpsychiatrie von Interesse ist.

Ein weiterer Ansatz betrifft die Kontroverse zwischen durchgehendem und uneinheitlichem Behandlungsansatz. Der durchgehende Ansatz besagt, dass ein einheitliches gesundheitliches Erklärungsprinzip sowohl für Gesunde als auch Kranke ausreiche. Das uneinheitliche Prinzip besagt, dass für Kranke besondere eigengesetzliche Prozesse ablaufen, die einer spezialisierten Behandlung je nach Art des festgestellten Falles bedürfen. Die Forderung nach einem einheitlichen Behandlungsprinzip geht auf die Forderung von Ludolf von Krehl zurück, dass der Arzt nicht verschiedene Krankheiten behandeln solle, sondern eher den Kranken als Person im Auge zu halten habe. Dieses Prinzip trägt sehr zur Vermenschlichung der Krankenbehandlung bei und nimmt dem Kranken das gesellschaftliche Stigma des Abnormen und Unverständlichen.[10]

Literatur

Weblinks

 Commons: Krankheiten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Krankheit – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikinews Wikinews: Krankheit – in den Nachrichten

Einzelnachweise

  1. Verfassung der Weltgesundheitsorganisation. (PDF) Stand 7. März 2006, S. 1 (deutsche Übersetzung)
  2. DIMDI: ICD-10 Homepage
  3. S. Breinersdorf: Versuch über den gegenwärtigen Standpunkt der Theorien der Medizin, Bey Iohann Friedrich Korn der Ältere (Hrsg.), 1804, S. 44, GoogleBooks
  4. Wolfgang Gerok, Christoph Huber, Thomas Meinertz, Henning Zeidler: Die innere Medizin, Schattauer Verlag, 2006, S. 4ff, ISBN 3-7945-2222-2, GoogleBooks
  5. U. Meyer: Krankheit als leistungsauslösender Begriff im Sozialversicherungsrecht. In: Schweizerische Ärztezeitung, 2009;90: 14, S. 585–8
  6. Schweizer Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts, Art. 3 Krankheit, admin.ch; zuletzt eingesehen am 26. April 2009
  7. Carol Gerten-Jackson: The Tuscan General Alessandro del Borro. Abgerufen am 8. Januar 2011.
  8. Haslam DW, James WP: Obesity. In: Lancet. 366, Nr. 9492, 2005, S. 1197–209. doi:10.1016/S0140-6736(05)67483-1. PMID 16198769.
  9. Bräutigam: Psychosomatische Medizin
  10. Rudolf Degkwitz u. a. (Hrsg.): Psychisch krank. S. 442
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