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Krimtataren

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Krimtataren (krimtatarisch qırımtatar, qırımtatarları) sind eine ursprünglich auf der Halbinsel Krim lebende muslimische turksprachige Ethnie. Ihre Sprache gehört zur Gruppe der nordwestlichen Turksprachen.

Krimtataren unterscheiden sich deutlich von den Wolga-Ural-Tataren, und so werden sie – vornehmlich von den Türken aus der Türkei (Türkeitürken) – als Krimtürken bezeichnet. Das trägt der Tatsache Rechnung, dass sich ihre Schriftsprache von einer regionalen Variante des Osmanischen ableitet und daher dem Türkischen sehr nahesteht.[1]

Geschichte

Krimtataren in traditioneller Tracht, 1880

Die seit dem 13. Jahrhundert sunnitischen Krimtataren trugen wesentlich zur Verbreitung des Islam in der Ukraine bei.

Abstammung

Einer Theorie nach sind die Krimtataren Nachkommen vieler Bevölkerungen, die auf der Krim lebten oder sie eroberten (Mongolen, Griechen, Iraner, Hunnen, Bulgaren, Kumanen, Krimgoten) und später Venezianer und Genueser. Ihre Wurzeln werden also durch verschiedene Ethnien gebildet. So werden hauptsächlich Kiptschaken und Tataren (Zentralkrim), Nogaier-Tataren (nördliches Steppengebiet) und osmanische Türken (südlicher Küstenstreifen) zu ihren Vorfahren gezählt. Letztere assimilierten zahlreiche Venezianer und Genueser und ihre Sprache, eine regionale Variante des Osmanischen, war zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert die lingua franca der Krim und beeinflusste die tatarischen und nogaischen Umgangssprachen.[1]

Einer anderen Theorie nach sind die Krimtataren Nachkommen der Kiptschaken, die im Zuge der mongolischen Eroberungen auf der Krim ansässig wurden und dann später nach dem Zerfall der Goldenen Horde ein eigenständiges Khanat gegründet haben.

Krim-Khanat


Im 15. Jahrhundert geriet die mongolische Goldene Horde in innere Unruhen, durch die es zu mehreren Abspaltungen kam. Hacı I. Giray aus einem Adelsgeschlecht der Dschingisiden gründete etwa 1444 mit Unterstützung des Königreichs Polen, des Großfürstentums Litauen und des Großfürstentums Moskau ein eigenes Khanat mit der Krim als Zentrum – nachdem er zuvor erfolglos versucht hatte, die Macht in der Goldenen Horde an sich zu reißen. Das zunächst – bis 1478 – instabile Khanat beherrschte bis 1792 große Teile der modernen Ukraine und Südrusslands; unter anderem ab 1556 die Gebiete der Nogaier im nordkaukasischen Kuban. Hauptstadt wurde das um 1450 gegründete Bachtschyssaraj, von wo aus die meiste Zeit über ein Giray-(كرايلر)-Khan herrschte. Neben den Giray und dern Nogaiern waren die Şirin, Barın, Arğın, Qıpçaq und später Mansuroğlu und Sicavut stets sehr einflussreich. Das Khanat der Krim war damit weniger mongolisch als die Goldene Horde und es war sogar maßgeblich an deren Untergang 1502 beteiligt. Bis zur Schlacht bei Molodi (1571) war es einer der bedeutendsten Staaten Osteuropas. Auch danach und bis ins 18. Jahrhundert war es ein Machtfaktor in der Region: Es ging Bündnisse mit anderen Nachfolgestaaten der Goldenen Horde, insbesondere mit den Khanaten von Kasan und Astrachan, ein. 1648 verhalf es dem Hetmanat der Ukraine zur Loslösung von Polen-Litauen, indem es eine Allianz mit den Saporoger Kosaken des Bogdan Chmielnicki einging. Während des Zweiten Nordischen Krieges (1655–1660) verbündete es sich mit Polen und half, das Land vor einer Aufteilung durch Russen, Schweden, Siebenbürger und Brandenburger zu retten. Es betrieb regen Handel mit dem Osmanischen Reich, dessen Schutzherrschaft es unter Beibehaltung hoher Autonomie von 1478 bis 1774 genoss. Von 1758 bis 1787 stellten die mankitischen Nogaier den Khan. Im Frieden von Küçük Kaynarca (1774) mussten die Osmanen die Unabhängigkeit der Krim anerkennen. Ab 1783 war das Khanat unter zunächst mittelbarer und ab dem Vertrag von Iași (1792) unter unmittelbarer russische Herrschaft.

Sklaverei und das Khanat der Krim

Die Krim war schon vor Bildung des Krimkhanats ein wichtiger Ausgangspunkt des Sklavenhandels. Aufbauend auf der nomadischen Lebensweise der Krimtataren machten diese Aktivitäten zeitweise den Hauptteil der krimtatarischen Wirtschaft aus. Die Raubzüge in die meist slawischen Nachbargebiete begannen im Jahr 1468 und endeten erst im ausgehenden 17. Jahrhundert.

Ihre reiche Beute an Menschen machten die Krimtataren mit Raubzügen in die Ukraine, nach Südrussland und 1656 bis nach Masuren. An diesen im Tatarischen „Ernte der Steppe“ genannten Raubzügen mussten sich die meisten Männer ab einem gewissen Alter beteiligen. Die Sklaven wurden anschließend auf die Krim gebracht, wo sie von meist christlichen Händlern (Griechen, Armeniern) in Kefe gekauft und von dort aus in das Osmanische Reich oder den Nahen Osten verkauft wurden. Zur bekanntesten Figur unter diesen Sklaven wurde Roxelane, die spätere Frau Süleymans des Prächtigen. Die genaue Zahl der Sklaven ist schwer zu ermitteln.[2]

Große Gewinne erzielten die Krimtataren auch mit Lösegeldern aus den betroffenen Ländern, bzw. aufgrund von Tributzahlungen solcher Länder mit dem Zweck, Raubzüge zu verhindern.[3]

Józef Brandts „Kampf zwischen Tataren und Kosacken“

Die Raubzüge der Krimtataren lasteten lange Zeit als ein schweres Problem auf den christlichen Nachbarn des Khanats, sowohl auf dem Russischen Zarenreich, als auch auf Polen-Litauen, zu dem damals die Ukraine und Weißrussland gehörten. Auch das Fürstentum Moldau war von den Raubzügen der Krimtataren betroffen. Ganze Landstriche wurden entvölkert und geplündert, was diese Staaten erheblich schwächte. Im 16. Jahrhundert musste Russland jedes Jahr bis zu 80.000 Mann rekrutieren, die an den südlichen Befestigungen (Russische Verhaulinie) gegen die blitzschnellen und kaum berechenbaren Einfälle der Steppenreiter Dienst taten. Für den Abwehrkampf gegen die Krimtataren musste ein Drittel des Staatshaushalts aufgebracht werden.

Die Einfälle der Krimtataren waren ein häufiger Grund für Kriege und trugen außerdem zur Herausbildung der Kosaken als wehrhafter Bauern bei. Als Folge der Einfälle konnten die südlichen Steppengebiete erst im 18. Jahrhundert, als die Tatarengefahr beseitigt war, vollwertig besiedelt werden (Neurussland). Das unter Zar Peter dem Großen erstarkte Russland betrieb gegen die Krimtataren eine aktive Zurückdrängungspolitik.

Annexion des Krim-Khanats und russische Herrschaft

Nachdem Russland 1771 die Krim erobert hatte, ersetzte es das osmanische Protektorat durch ein eigenes und garantierte die Existenz des Khanats als „freies, von niemand abhängiges Gebiet“. Nach dem russischen Sieg 1774 über die Osmanen folgte mit dem Friede von Küçük Kaynarca eine neunjährige Zeit einer relativen Unabhängigkeit der Krimtataren. Mit dem Rückzug der Osmanen erfolgten in der krimtatarischen Oberschicht Debatten über eine neue Ausrichtung ihrer Außenpolitik. Es kam mehrfach zu Rebellionen der ausgesprochen russischfeindlichen tatarischen Bevölkerung gegen den erstarkenden russischen Einfluss. Katharina die Große duldete Sahin Giray als Khan auf dem Thron, der jedoch mit seiner prorussischen Annäherung und Reformpolitik in der Bevölkerung keine Sympathien gewann. Mehrfach intervenierte das Russische Kaiserreich militärisch, um dessen Gegner auszuschalten und Sahin wieder einzusetzen. Es kam zu größeren Zerstörungen. Mit der Umsiedlung der auf der Krim lebenden Griechen und Armenier auf russisches Territorium[4] brach eine wichtige Handelsstütze in der krimtatarischen Gesellschaft zusammen.

Letztendlich erfolgte die Annexion durch Russland auf Anraten und unter Kommando Grigori Alexandrowitsch Potjomkins im Jahre 1783. Der Khan wurde durch einen russischen Gouverneur ersetzt (Gouvernement Taurien), der krimtatarische Adel (mirza) in die Verwaltungsstruktur des Khanats integriert.[5] Sein Landbesitz und seine Privilegien wurden garantiert. Auch die tatarischen Bauern behielten ihr Land. Aufgrund dieser Politik blieben große Erhebungen gegen die russische Herrschaft aus. Mit der geförderten Ansiedlung von russischen und ausländischen Siedlern auf der Krim, der damit verbundenen Enteignung, der Verdrängung des Adels aus der Administration und den Städten wurden Krimtataren in größeren Auswanderungswellen (größere in den 1790er und 1850er Jahren) in die Emigration getrieben. Sie siedelten sich in Teilen des heutigen Rumäniens und Bulgariens an, die damals zum Osmanischen Reich gehörten. Viele Badehäuser, Moscheen, Springbrunnen und Zeugnisse der Antike wurden zerstört. Nach der Mitte des 19ten Jahrhunderts waren die Krimtataren zu einer Minderheit auf der Krim geworden. Alle wichtigen Verwaltungsaufgaben wurden von Russen übernommen, die demographisch und wirtschaftlich geschwächte Bevölkerungsgruppe der Krimtataren auch politisch entmachtet.[6]

Kurzzeitige Autonomie im Ersten Weltkrieg

Nach dem Sturz des Zaren waren die Krimtataren eine der zahlreichen nichtrussischen Ethnien in Russland, die sich politisch und sozial mobilisierten. Im Juni 1917 wurde eine nationale Partei gegründet, Milli Firka, die territoriale Autonomie für die Krimtataren forderte. Es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der krimtatarischen und der russisch-ukrainischen Bevölkerung. Nach der Oktoberrevolution (1917) wurde im Dezember auf der Krim ein kurzlebiger Staat der Krimtataren mit Namen Volksrepublik Krim ausgerufen, der aber weniger als einen Monat existierte, bevor ihn die Bolschewiki zerschlugen. Unterstützung suchte die Führungsschicht der krimtatarischen Nationalbewegung unter den Kriegsgegnern Russlands im Ersten Weltkrieg. Das Osmanische Reich wünschte die Errichtung eines muslimischen Krimstaates unter osmanischem Protektorat. Erich Ludendorff dagegen bevorzugte die Gründung eines deutschen Kolonialstaates auf der Krim, eine Vorstellung, auf die Adolf Hitler wieder zurückgriff (Gotenland). Unter der deutschen Besatzung, vom Frühjahr bis Herbst 1918, wurde die von den Bolschewiki verbotene nichtrussische Presse wieder zugelassen, die Simferopoler Universität gegründet und eine eigene Krim-Staatsbürgerschaft eingeführt.[7]

1921 entstand die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik Krim innerhalb der RSFSR. Während der Hungersnot von 1921 bis 1922, die ein staatlich erzwungener Getreideexport auslöste,[8] starben etwa 15 % der Krimtataren. In der autonomen Sowjetrepublik war das Krimtatarische offizielle Sprache neben dem Russischen und krimtatarische Kultur und Sprache wurden gefördert. Ab 1927 mit dem Beginn des stalinistischen Terrors wendete sich das Blatt, kulturelle Einrichtungen der Krimtataren wurden wieder verboten und die traditionelle arabische Schreibweise des Krimtatarischen wurde kurz nacheinander durch die lateinische und dann durch die kyrillische Schreibweise ersetzt. Das bedeutete den Verlust des Zugangs zur geschriebenen Tradition für die nachfolgenden Generationen.

Prozentualer Anteil der Krimtataren an der Gesamtbevölkerung der Region 1939

Die Bevölkerung der Krim bestand im Jahre 1936 den Angaben der ersten Ausgabe der Großen Sowjetischen Enzyklopädie zufolge aus: Russen 43,5 %; Ukrainer 10 %, Juden 7,4 %, Deutsche 5,7 %, Tataren 23,1 % (202.000 aus der Gesamtbevölkerung von 875.100).[9]

Deutsche Besatzung, Kollaboration und Deportation im Zweiten Weltkrieg

Prozentualer Anteil der Krimtataren auf der Krim bei der Volkszählung 2001

Die deutschen Besatzungstruppen des Zweiten Weltkrieges wurden aufgrund der erlittenen Unterdrückung 1941 auf der Krim freundlicher empfangen als an anderen Orten der Sowjetunion. Die relative Sympathie der Krimtataren für die deutschen Besatzer schlug später aber aufgrund des brutalen Besatzungsregiments um. Etwa 20.000 Krimtataren stellten sich der Wehrmacht zur Verfügung, praktisch alle wehrfähigen Männer, doppelt so viele, wie zur Roten Armee eingezogen worden waren. Krimtatarische Einheiten wurden vom deutschen Sicherheitsdienst im rückwärtigen Gebiet und zur Partisanenbekämpfung eingesetzt, außerdem als Selbstschutz in den Dörfern.[10] Auch an der sowjetischen Partisanenbewegung beteiligten sich Krimtataren. Acht Krimtataren wurden mit dem Titel Held der Sowjetunion ausgezeichnet, einem krimtatarischen Piloten – Amet-Chan Sultan – wurde dieser Preis zweimal verliehen.[11]

Am 9. April 1944 verlor die Wehrmacht Odessa. In der Schlacht um die Krim gelang der Roten Armee bis zum 12. Mai die vollständige Rückeroberung der Halbinsel.

Aus den südlichen Regionen der Sowjetunion wurden im Zweiten Weltkrieg mehrere Völker, in denen versucht worden war, den Krieg zu nutzen, um Unabhängigkeit durchzusetzen, in den asiatischen Teil der Sowjetunion deportiert. Die autonomen Republiken der Kalmücken, Tschetschenen und Inguschen wurden aufgelöst, auch die Autonome Sowjetrepublik Krim. Unter dem Vorwurf der kollektiven Kollaboration wurden alle Krimtataren nach Zentralasien deportiert. Innerhalb weniger Tage (18. bis 20. Mai 1944) wurden etwa 189.000 Menschen[12] unter fürchterlichen Bedingungen per Zug verfrachtet. Die Waggons der Deportierten wurden häufig tagelang nicht geöffnet, zwischen 22 % und 46 % bewegen sich die Schätzungen über die Prozentzahl der Todesopfer durch Verdursten, Verhungern und durch Krankheiten.

Während der folgenden Jahre wurden weitere nichtslawische Minderheiten (zumeist Armenier, Griechen, Krimdeutsche, Krimitaliener) in die Emigration getrieben; nur Russen, Weißrussen und Ukrainer wurden ermutigt, dort zu siedeln.[13]

Durch Beschluss des Obersten Sowjets der UdSSR am 19. Februar 1954[14] aus Anlass des 300. Jahrestags des Vertrages von Perejaslaw wurde die Oblast Krim am 26. April 1954 an die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik (USSR) übertragen.

Rückkehr

Unter den nichtrussischen nationalen Bewegungen in der Sowjetunion seit den 1960er Jahren wurden die Krimtataren am frühesten und intensivsten politisch mobilisiert. Sie setzten sich für die Rückkehr in ihre Heimat und die Wiedererrichtung ihrer Republik ein. 1967 wurden die Krimtataren zwar vom Präsidium des Obersten Sowjets per Dekret vom Vorwurf des kollektiven Verrats freigesprochen,[15] unter den politischen Häftlingen der 1970er Jahre waren sie aber weit überproportional vertreten.

1985 hatte Gorbatschows Glasnost und Perestroika begonnen. Seit 1989 durften sie schließlich wieder zurückkehren, trotz der Gegnerschaft der inzwischen dort lebenden Bevölkerung[16] – jedoch nicht in ihre ursprünglichen Siedlungsgebiete. Stattdessen wurden sie auf der Halbinsel verteilt.

1990 gab es wieder etwa 20.000 Krimtataren auf der Krim. Sie erhielten aber trotz Perestrojka keine Unterstützung von den Behörden. Teilweise wurden sie erneut deportiert oder ihre provisorischen Häuser wurden zerstört. Viele ließen sich ohne behördliche Erlaubnis nieder. Im zweiten Halbjahr 1991 zerfiel die Sowjetunion; im Zuge dieses Prozesses erklärten am 25. September 1991 die Ukraine und Weißrussland ihre Unabhängigkeit. Die Ukraine hat eine föderative Struktur; das Krimgebiet gehört zur Autonomen Republik Krim.

Im Juni 1991 wurde auf der Krim der Medschlis des Krimtatarischen Volkes organisiert, ein Rat der Krimtataren, der eine politische Vertretung der krimtatarischen Nationalbewegung darstellt. Derzeitiger Vorsitzender ist Refat Abdurachmanowitsch Tschubarow.

Minderheit in der Ukraine

Seit Ende der 1980er-Jahre sind (Stand: ca. 2008) etwa 266.000 aus der Deportation zurückgekehrt.[17][18] Inzwischen haben sie friedlich ihre politische Anerkennung erreicht, nicht jedoch die rechtliche. Da auf der Krim das Mehrheitswahlrecht gilt, sind alle Minderheiten im Krim-Parlament unterrepräsentiert.

1992 wurde Krimtatarisch zur dritten regionalen offiziellen Sprache der Halbinsel erklärt, da deren Sprecher zwischenzeitlich über 10 Prozent der Bevölkerung ausmachten.

Die Krimtataren verbündeten sich in der Regel mit der Zentralregierung der Ukraine gegen die an Russland orientierte Regierung der Krim. 1998 verloren sie die Garantie einer festen Zahl von Sitzen im Parlament von Kiew. Die Wiederherstellung dieser Quote, eine angemessene Vertretung in den Behörden sowie die Verbesserung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage sind Ziele der krimtatarischen Bewegung. In den 1990er-Jahren hatten ihre Demonstrationen und Auseinandersetzung mit den Ordnungskräften ein erhebliches Gewaltpotential.[19]

Seit der Orangefarbenen Revolution (2004), die von den Krimtataren unterstützt wurde, unterstützte die Regierung in Kiew fallweise Interessen der Krimtataren auf der Krim (bzw. in der dortigen Gebietskörperschaft), wo die Bevölkerungsmehrheit russischstämmig ist.

Die Mehrheit der Krimtataren ist sunnitisch. Heute sind vermutlich etwa 280.000 oder fast 12 Prozent der 2,5 Millionen Bewohner der Krim Krimtataren; 150.000 Krimtataren leben noch in Usbekistan, eine große Zahl auch im südrussischen Bezirk Krasnodar.

Wie der Hochkommissar für nationale Minderheiten der OSZE im August 2013 berichtete, führte die Rückwanderung der ehemals deportierten Minderheiten auf der Krim zu sozialen und wirtschaftlichen Spannungen. Es gab Fälle von Hasspredigten, Verwüstungen religiöser Stätten, gewaltsamen Zusammenstößen und weit verbreitete Besetzungen von Grund und Boden.[18]

Zeitgeschichte

In der Krimkrise 2014 rief der Medschlis des Krimtatarischen Volkes, eine nationalpolitische Vereinigung von Krimtataren, als Gegner einer Sezession der Krim von der Ukraine zum Boykott des Referendums über den Status der Krim auf. Die neue Krim-Regierung bot dem Rat der Krimtataren einen Platz im Kabinett, wenn er die neue Regierung anerkenne.[20] Milli Firka, die wiedergegründete krimtatarische Partei, erklärte dagegen, die Krimtataren würden dem Boykottaufruf des Medschlis nicht folgen.[21]

Seit dem Anschluss der Krim an die Russländische Föderation im Frühjahr 2014 leben die Krimtataren wieder unter russischer Herrschaft.

Seit 2006 gab es mit ATR den privaten Fernsehsender eines krimtatarischen Geschäftsmann. Nach der Annexion der Halbinsel durch Russland erhielt er keine Sendelizenz mehr. Seitdem sendet er aus Kiew.

Gesellschaft

Diaspora

Kulturverein in der Diaspora (vorne: Mustafa Abduldschemil Dschemilew)

Der Großteil der Krimtataren lebt in der Diaspora in der Türkei. Bis zu 5 Mio. werden angegeben, die vollständig integriert und über entsprechende Kulturvereine eng vernetzt sind. Darunter fallen auch die Nachfahren der schon im 19 Jh. in das Osmanische Reich ausgewanderten Krimtataren. Schwerpunkt bildet die Stadt Eskişehir. Eine ähnliche Vorgeschichte haben die Krimtataren in Rumänien und Bulgarien.

Die zweitgrößte Gruppe bilden die Nachfahren der von Stalin deportierten Bewohner in die zentralasiatischen Staaten, vor allem Usbekistan (100.000). Diese machen einen großen Teil der Rückkehrer aus.

Religion

Die Krimtataren sind sunnitische Muslime hanafitischer Rechtschule. Seit der vermehrten Rückkehr der Vertriebenen gibt es wieder einige repräsentative Gotteshäuser, die Imame werden jedoch aufgrund fehlender Ausbildungsmöglichkeiten meist im Ausland, vor allem in der Türkei ausgebildet.

Das religiöse Verständnis wird u. a. durch İsmail Gasprinski stark von einer säkularen, reformatorischen Lehrmeinung dominiert, die schon in der Volksrepublik Krim als erste säkulare Republik in der islamischen Welt kurzzeitig Ausdruck fand. Einfluss hatten hier auch die später erfolgte Säkularisierung der Türkei unter Kemal Atatürk.[22]

In letzter Zeit soll es vermehrt inoffizielle Prediger aus dem arabischen Raum geben, die radikalere Lehren predigen, unter anderem die Hizb ut-Tahrir. Große islamistische-motivierte Vorkommnisse oder Organisationen gibt es allerdings nicht.[23]

Literatur

Die Anfänge der krimtatarischen Literatur finden sich in der Diwan-Literatur der Khans. So gelten die Khans Ğazı II Giray (1554–1608) und Halim Giray Han (1772–1824) als bekannte Dichter. Sie ist stark von der persischen Lyrik beeinflusst.

Nach der Russischen Revolution 1905 erlangt die Literatur eine neue Blüte. In der von İsmail Gasprinski herausgegeben Zeitung Tercüman sammelte sich ein Kreis krimtatarischer Autoren und Politiker wie Hasan Sabri Ayvazov (-1936) und Ahmet Özenbaşlı (1867–1924). Gegen die „zu gemäßigt“ aufgefassten Positionen bildete sich in der Zeitung Vatan hâdimi eine literarische Gegenbewegung mit der Gruppe der „Genç Tatarlar“ („Jungtataren“).

Mit der vollständigen Deportation der Krimtataren kam der Literaturbetrieb abrupt zu Ende. Die Zeit der Deportation, des Exils und der Rückkehr wurden von dem im englischen Exil lebenden Cengiz Dağcı in Worte gefasst.

Bekannte Krimtataren

Galerie

Literatur

  • Alan W. Fisher: The Crimean Tatars. Hoover Press, 1978, ISBN 0-8179-6662-5.
  • Alexandre Billette: Der russische Feind. In: Le Monde diplomatique. Nr. 8152, 15. Dezember 2006, S. 23.
  • Brian Glyn Williams: The Hidden Ethnic Cleansing of Muslims in the Soviet Union: The Exile and Repatriation of the Crimean Tatars. In: Journal of Contemporary History. Band 37, Nr. 3, Juli 2002, ISSN 0022-0094, S. 323–347.
  • Norman M. Naimark: Flammender Haß. Ethnische Säuberungen im 20. Jahrhundert. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-596-17890-2, S. 128–139.
  • Greta Lynn Uehling: Beyond Memory. The Crimean Tatars’ Deportation and Return. Palgrave Macmillan, New York NY u. a. 2004, ISBN 1-4039-6264-2.
  • V. Stanley Vardys: The Case of the Crimean Tartars. In: Russian Review. Band 30, Nr. 2, April 1971, ISSN 0036-0341, S. 101–110.

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Krimtataren – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Wolfgang Schulze: Krimtatarisch. (PDF; 192 kB), abgerufen am 17. März 2013.
  2. Eizo Matsuki: The Crimean Tatars and their Russian-Captive Slaves. (PDF; 364 kB). Mediterranean Studies Group at Hitotsubashi University.
  3. Alan W. Fisher: The Crimean Tatars. Hoover Press, 1978, S. 26..
  4. Günther Stökl: „Russische Geschichte“, Stuttgart 1983, ISBN 3-520-24404-7, S. 421.
  5. Alan W. Fisher: The Crimean Tatars. Hoover Press, 1978, S. 79–90 books.google.de
  6. Andreas Kappeler: Russland als Vielvölkerreich: Entstehung – Geschichte – Zerfall. C.H. Beck, München 1993, ISBN 3-406-36472-1, S. 50 S. 50.
  7. Kerstin Jobst: Im Spiel mit grossen Mächten? Nationale Konflikte nach dem Zerfall des Zarenreiches bis zum Beginn des russischen Bürgerkrieges 1918/19 auf der Halbinsel Krim in Philipp Ther: Die dunkle Seite der Nationalstaaten: „ethnische Säuberungen“ im modernen Europa. Göttingen 2011, ISBN 978-3-525-36806-0, 83ff.
  8. Akira Iriye, Jürgen Osterhammel, Emily S. Rosenberg, Charles S. Maier: Geschichte der Welt 1870–1945. Weltmärkte und Weltkriege. München 2012, ISBN 978-3-406-64105-3, S. 559.
  9. Hier zitiert nach V. Stanley Vardys, 1971.
  10. Rolf-Dieter Müller: An der Seite der Wehrmacht: Hitlers ausländische Helfer beim »Kreuzzug gegen den Bolschewismus« 1941–1945. Berlin 2007, ISBN 978-3-86153-448-8, S. 237.
  11. Isabelle Kreindler: The Soviet Deportated Nationalities: A Summary and an Update. In: Soviet Studies. Vol 38, no 3, July 1986, S. 391; Vorschau
  12. Philipp Ther: Die dunkle Seite der Nationalstaaten: „ethnische Säuberungen“ im modernen Europa. Göttingen 2011, ISBN 978-3-525-36806-0, S. 136.
  13. Isabelle Kreindler: The Soviet Deportated Nationalities: A Summary and an Update. In: Soviet Studies. Vol 38, no 3, July 1986, S. 396.
  14. The Transfer of the Crimea to the Ukraine (englisch)
  15. Friedrich-Christian Schroeder, Herbert Küpper: Die rechtliche Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Osteuropa. Frankfurt 2010, ISBN 978-3-631-59611-1, S. 192.
  16. Hans-Heinrich Nolte: Kleine Geschichte Rußlands, Reclam, Stuttgart 1998, ISBN 3-15-009696-0, S. 410.
  17. Andreas Kappeler: Kleine Geschichte der Ukraine. München 2009, ISBN 978-3-406-58780-1, S. 268.
  18. 18,0 18,1 Integration of formerly deported people in Crimea, Ukraine, is focus of OSCE High Commissioner on National Minorities’ latest report, über den Bericht „The Integration of Formerly Deported People in Crimea, Ukraine“ der OSZE vom 16. August 2013.
  19. Andreas Kappeler: Kleine Geschichte der Ukraine. München 2009, ISBN 978-3-406-58780-1, S. 268f.
  20. Tataren auf der Krim: Gängelband oder Widerstand. auf: Spiegel Online. 22. März 2014 (ein Bericht aus Bachtschissarai und Simferopol).
  21. Uwe Halbach: Analyse: Die Krimtataren in der Ukraine-Krise, Bundeszentrale für politische Bildung, November 2014
  22. Brian Glyn Williams: The Crimean Tatars: The Diaspora Experience and the Forging of a Nation. Brill, 2001, S. 113.
  23. Ann-Dorit Boy: Die Furcht vor den Islamisten. In: FAZ. 10. März 2014.
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