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Padanien

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Die Poebene im Satellitenbild

Padanien (ital. Padania) ist einerseits ein geografischer Begriff und bezeichnet die Poebene,[1] die nach dem Zweiten Weltkrieg die am stärksten industrialisierte Großregion Italiens wurde. Ferner wurde der Begriff vereinzelt in der Linguistik verwendet, um das Gebiet der gallo-italischen Dialekte zu bezeichnen.

Andererseits ist Padanien ein seit den 1990er-Jahren von der Partei Lega Nord verwendeter Propagandabegriff, der sich nicht auf die Poebene beschränkt, sondern den gesamten Bereich Oberitaliens einschließlich des Alpenanteils und Liguriens umfasst. Damit benennt die Lega Nord die Regionen Nord- und später auch Mittelitaliens, die sich vom Südteil abspalten sollen.

Sprachgeschichte

Im ursprünglichen geografischen Sinn ist ital. padano ein Adjektiv und bedeutet zum Po gehörig. Pianura Padana oder Val Padana (Tal des Po) bezeichnet die Poebene.

Historisch geht der Begriff auf die Gallia Transpadana und Gallia Cispadana vor der römischen Eroberung im Altertum zurück. In der Neuzeit fand ein ähnlicher Begriff 1796 erstmals Anwendung, als Napoleons französische Revolutionsheere die Cispadanische Republik gründeten. Sie und die ebenfalls gegründete Transpadanische Republik (Lombardische Republik) wurden jedoch schon 1797 als Cisalpinische Republik zusammengeschlossen, die ab 1802 als Italienische Republik bezeichnet wurde.

Vermutlich der erste, der den Begriff Padania in den 1960er-Jahren poetisch verwendete, war der Mailänder Sportjournalist Gianni Brera, der damit ungefähr das cisalpine Gallien Catos meinte.[2]

In den sechziger und siebziger Jahren war Padania nur ein geografisches Synonym für pianura padana.[3][4].

1975 benutzte Guido Fanti, der damalige Präsident der Region Emilia-Romagna, in der Tageszeitung La Stampa das Wort erstmals im Sinn eines regionalpolitischen Konzepts.[5][6] Dann verwendeten Giuseppe De Rita und der Journalist Indro Montanelli den Begriff.[7] Alle diese Verwendungen, beschränkt auf die Poebene, entsprachen nicht der Bedeutung, die die Lega dem Schlagwort geben sollte.

Padanien und die Lega Nord

Padanien nach den Vorstellungen der Lega Nord.
„Staatsflagge“ der padanischen Separatisten

In den 1990er-Jahren wurde der Begriff Padanien von Gianfranco Miglio, dem Chefideologen der damals sezessionistisch auftretenden Partei Lega Nord aufgegriffen, um den wirtschaftlich starken Norden Italiens zu bezeichnen und seine eigenständige Identität zu untermauern. Dazu gehört auch die Ausarbeitung einer Ideologie, deren Grundlage die Erfindung einer „padanischen Nation“ bildet, die sich u. a. auf das Keltentum beruft.[8]

Später wurde Padanien parteiintern auch auf die Regionen Mittelitaliens ausgedehnt, mit Ausnahme Latiums. Entsprechend den Vorstellungen der Lega Nord sollte Padanien folgende Regionen („Nationen“ genannt) umfassen:

Region bzw.
„Nation“
Einwohner
2009
Fläche (km²)
Lombardei 9.781.682 23.863
Venetien 4.899.371 18.399
Piemont 4.440.226 25.402
Toskana 3.720.366 22.994
Emilia 3.261.959 17.354
Ligurien 1.615.441 5.422
Marken 1.573.445 9.366
Friaul-Julisch Venetien 1.232.291 7.858
Romagna 1.095.205 5.092
Umbrien 897.611 8.456
Trentino 519.800 6.207
Südtirol 500.030 7.400
Aostatal 127.430 3.263
Padanien gesamt 33.665.857 161.076

Zusammen kommen die Regionen Padaniens auf ein Bruttoinlandsprodukt von 930.245 Mio. €, das entspricht einem Pro-Kopf-Einkommen von 28.565 € (Jahr 2005; zum Vergleich Deutschland 27.219 € und Frankreich 27.348 €).

Am 15. September 1996 rief Umberto Bossi in Venedig „offiziell“ die „Unabhängigkeit der Bundesrepublik Padanien“ aus. Bald darauf entstand auch ein Parlament von Padanien, das aber weder von der italienischen noch von anderen Regierungen oder internationalen Organisationen anerkannt wird.

„Parlament“

Im Jahre 1997 organisierte die Lega Nord die „ersten Wahlen für ein padanisches Parlament“, an denen sich nach Parteiangaben beinahe 5 Millionen Norditaliener beteiligten. Die Stadt Mantua wurde zum Sitz des neuen Parlaments bestimmt.[9]

Ergebnisse der „ersten Wahlen für ein padanisches Parlament“

Die Wähler konnten sich zwischen einer Vielzahl von padanischen Parteien entscheiden:

Das Parlament verschwand sehr rasch in der Bedeutungslosigkeit. Es wurde jedoch im Jahre 2007 unter dem neuen Namen „Parlament des Nordens“ (Parlamento del Nord) reaktiviert und fungiert nun mehr als internes Organ der Lega Nord. Bis 2011 befand es sich in Vicenza, seit 2012 in Sarego.

„Nationalhymne“

Die Lega Nord versucht, das Lied Va, pensiero, sull'ali dorate, den Gefangenenchor aus Giuseppe Verdis Oper Nabucco, als sogenannte „Nationalhymne Padaniens“ für sich zu vereinnahmen. Das Lied wird auch bei sämtlichen Veranstaltungen der Partei gespielt. Parteichef Umberto Bossi schlug mehrmals vor, Verdis Chor anstelle von Fratelli d'Italia zur neuen italienischen Nationalhymne zu machen, mit Verweis auf dessen (umstrittene) Bedeutung als Symbol der italienischen Nationalbewegung im 19. Jahrhundert.

Entwicklung

Die Abspaltung Padaniens von Italien wurde im Vorfeld der italienischen Parlamentswahlen 2001 auf Eis gelegt.

Die Lega Nord arbeitet deshalb seither als regulärer Teil des italienischen Parteiensystems, von 2001 bis 2006 und wieder ab 2008 sogar als Regierungspartei, an der Verwirklichung einer föderalistischen Ordnung in Italien mit großer Macht für die einzelnen Regionen und damit indirekt auch für die Autonomie Padaniens. Offiziell bezeichnet sich die Partei nach wie vor als „Liga Nord für die Unabhängigkeit Padaniens“.

Im Dezember 2011 berief Lega Nord-Chef Umberto Bossi erneut eine Versammlung des „Parlaments des Nordens“ in Vicenza ein. Bei diesem Treffen präsentierte Bossi eine Landkarte, die das Padanien seiner Vorstellungen illustrierte. Demnach soll Padanien ein Vielvölker-Staat werden, dem sowohl Italiener als auch Franzosen (Savoyen, das bis 1860 ein Teil des Königreiches Sardinien-Piemont war), Schweizer, Österreicher und Deutsche (Freistaat Bayern) angehören. Zudem fordere er von jedem Mitglied seiner Partei, sich dem wohlstandsseparatistischen Kampf anzuschließen. Italienischen Medien zufolge, sei Bossis Idee „folkloristisch“ und mehr Wunschdenken, dennoch spiegele seine Konstruktion eines Wohlstandsstaats, der den großen Euro-Ländern gleichwertig ist, Wünsche und Hoffnungen mancher Norditaliener wider. Gerade angesichts der Eurokrise und der unter Druck Deutschlands und anderer „Nord-Euro“-Länder zustandegekommenen Sparmaßnahmen der Regierung Monti zur Verbesserung der Haushaltssituation verspricht sich Bossi Chancen für seine Staatsneugründung.[10] Allerdings sind diese utopischen Forderungen auch innerhalb der Lega umstritten.

Des Weiteren hege die Lega Nord nicht nur den Gedanken der staatlichen Abspaltung, sondern habe auch das Verlangen nach einer eigenen padanischen Währung anstelle des Euro.[11]

Sonstiges

1999 war ein Computervirus namens „Padania“ im Umlauf, dessen Quelltext pro-padanische Nachrichten enthielt. Es hängt nicht mit dem älteren und weniger bedeutenden MS-DOS-Virus desselben Namens zusammen.

Die britische Wochenzeitschrift The Economist malte im April 2010 ihre eigene Europakarte, um die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Kontinents infolge der Finanzkrise zu verdeutlichen. Darin wird Italien in Nord und Süd aufgeteilt. Hauptstadt des Nordstaates sollte Venedig, das Staatsoberhaupt ein Doge sein.[12][13]

Seit dem Jahr 2011 wird das Straßenradrennen Giro di Padania jährlich ausgetragen, dessen Erstaustragung Anlass für zum Teil handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern der Einheit Italiens und Teilnehmern des Wettbewerbs war.[14][15]

Weblinks

 Commons: Padanien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Padanien aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.