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Archaeen
Archaeen | ||||
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Archaeon des Genus Sulfolobus, infiziert mit dem Sulfolobus-Virus STSV1. Maßstab = 1 μm. | ||||
Systematik | ||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||
Archaea | ||||
Otto Kandler & Mark L. Wheelis | ||||
Überstämme | ||||
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Die Archaeen (Archaea, Singular: Archaeon; von altgriech. ἀρχαῖος archaĩos ‚uralt, ursprünglich‘),[3] früher auch Archaebakterien, Archebakterien oder Urbakterien genannt, bilden neben den Bakterien (Bacteria) und den Eukaryoten (Eukaryota) eine der drei Domänen, in die alle zellulären Lebewesen eingeteilt werden. Sie werden, wie auch die Bakterien, als Prokaryoten bezeichnet.
Beschreibung
Archaeen sind einzellige Organismen mit einem meist in sich geschlossenen DNA-Molekül (auch als „zirkuläres Chromosom“[4] bezeichnet), das in einem kleinen Volumen angeordnet ist und in dieser Form als Kernäquivalent bezeichnet wird. Sie gehören also zu den Prokaryoten. In Archaeen lassen sich keine Zellorganellen finden, es gibt aber Hinweise darauf, dass diese funktionell Cytoskelett-ähnliche Filamente zur Stabilisierung ihrer Form ausbilden.[5][6]
Die separate Stellung der Archaeen als eigenständige Domäne ist begründet durch deutliche Unterschiede in der Sequenz der in den Ribosomen enthaltenen RNA, und zwar der kleinen ribosomalen Untereinheit (16S rRNA), und durch weitere genetische, physiologische, strukturelle und biochemische Eigenschaften.
Ende der 1970er Jahre wurde von den US-amerikanischen Mikrobiologen Carl Woese und George Fox die Eigenständigkeit der Archaeen und ihre Zugehörigkeit zu einer eigenen systematischen Einheit neben den Bakterien (Eubakterien) und Eukaryoten erkannt und beschrieben. In der Sequenz der ribosomalen RNA entdeckten die Forscher auffällige Unterschiede zu Bakterien. Auch die Struktur der Zellen und deren Eigenheiten im Stoffwechsel ließen auf eine separate Gruppe von Prokaryoten schließen. Diese Ergebnisse wurden in den folgenden Jahren bestätigt, und weitreichende Fortschritte in der molekularen Biologie machten eine generelle Änderung der Taxonomie notwendig: Eubakterien und Archaebakterien wurden in Bacteria und Archaea umbenannt und 1990 als eigenständige Domänen neben der Domäne der Eukarya im Rahmen eines Drei-Domänen-Systems beschrieben. Dabei stehen die Archaea den Eukarya phylogenetisch vermutlich näher als die Bacteria.
Viele kultivierte Arten der Archaeen sind an extreme Milieubedingungen angepasst. So gibt es Arten, die bevorzugt bei Temperaturen von über 80 °C wachsen (hyper-thermophil), andere leben in hoch konzentrierten Salzlösungen (halophil) oder in stark saurem Milieu (pH-Wert unterhalb 0; acidophil) bzw. stark basischem Milieu (pH-Wert oberhalb von 10; alkaliphil). Thermoplasmatales der Gattung Picrophilus (P. oshimae und P. torridus) haben ein Wachstumsoptimum bei einem pH-Wert von 0,7 und können sogar bei einem pH-Wert von −0,6 noch überleben.
Archaeen sind in der Forschung von Interesse, da in ihnen vielleicht Merkmale des frühen Lebens auf der Erde erhalten geblieben sind. Aber auch ihr außergewöhnlicher Stoffwechsel ist von Interesse, zum Beispiel die Fähigkeit, bei 110 °C zu wachsen. Auch im Hinblick auf Anwendungen ist der ungewöhnliche Stoffwechsel interessant, beispielsweise werden Archaeen bei der Boden- und Gewässersanierung eingesetzt oder zur Methangewinnung in Biogasanlagen.
Bislang sind keine Krankheitserreger aus der Gruppe der Archaeen bekannt.
Eigenschaften
In vielen molekularbiologischen Eigenschaften sind die Archaeen den Eukaryoten ähnlicher als den Bakterien. Dennoch besitzen sie typisch bakterielle Eigenschaften, z. B. die Zellgröße, das Fehlen eines Zellkerns, die Art der Zellteilung, sie besitzen ein in sich geschlossenes DNA-Molekül, ebenfalls verhältnismäßig einfach aufgebaute Fortbewegungsorgane (Flagellen) und wie die Bakterien Ribosomen mit dem Sedimentationskoeffizienten 70S (allerdings sind die archaeellen Ribosomen komplexer in ihrer Struktur). Die Gene beider Domänen sind in sogenannten Operons organisiert. Archaeen können auch Plasmide tragen, wie beispielsweise ein Archaeon der Crenarchaeota Gattung Sulfolobus.[7]
Die zentralen molekularen Prozesse, zum Beispiel Translation und Transkription, sind dagegen denjenigen der Eukaryoten recht ähnlich: Archaeen benutzen ähnliche, aus mehreren Proteinuntereinheiten zusammengesetzte RNA-Polymerasen (Rifampicin- und Streptolydigin-resistent), bei der Translation kommen sehr ähnliche Initiations- und Elongationsfaktoren vor, der Beginn der Transkription wird durch eine sogenannte TATA-Box markiert.
Die Archaeen besitzen jedoch auch viele einzigartige Eigenschaften, besonders der Aufbau der Zellwand zeigt deutliche Unterschiede zu den anderen Domänen: Die archaeellen Zellwände enthalten Pseudopeptidoglycan (Pseudomurein) und sind generell sehr vielfältig in ihrem Aufbau: Manchen Archaeen fehlt eine Zellwand völlig (Thermoplasma), andere besitzen hochkomplexe, aus vielen Schichten bestehende Zellwände (Methanospirillum). Aufgrund des anderen Aufbaus sind Archaeen generell gegen Zellwandantibiotika resistent. Auch die Zusammensetzung der archaeellen Plasmamembran unterscheidet sich: In Bakterien und Eukaryoten sind Fettsäuren über eine Esterbindung an die Glycerolmoleküle gebunden, bei Archaeen findet man Glyceroldiether oder sogar Bis-Glycerol-Tetraether (einschichtige Membran, Monolayer) und verzweigte Isopreneinheiten statt einfacher Fettsäuren. Hyperthermophile Archaeen besitzen häufig derart stabilisierte Zellmembranen (Glycerol-Tetraether),[8] die nicht nur thermostabiler sind, sondern auch Anpassungen an saure Umgebungen darstellen können.[9]
Archaeen können sich in Relation zu ihrer Größe sehr schnell fortbewegen. Legt man als Maßstab bei Methanocaldococcus jannaschii und Methanocaldococcus villosus die Einheit „bps“ (engl. „bodies per second“, Körperlängen pro Sekunde) zugrunde, dann können sich Archaeen mit Geschwindigkeiten von 400 bis 500 bps bewegen; zum Vergleich: Sowohl Escherichia coli als auch Geparden bewegen sich mit rund 20 bps fort, ein Sportwagen mit 400 bps käme auf eine Geschwindigkeit von über 6000 km/h. Laut einer Studie der Universität Regensburg sind die beiden Archaeenarten die schnellsten bislang vermessenen Lebewesen.[10] Darüber hinaus kommunizieren Archaeen miteinander, wenn es um die Koordination unterschiedlicher Verhaltensweisen geht.[11]
Habitate
Die meisten der kultivierten Archaeen sind Extremophile, d. h., sie sind besonders an extreme Biotope angepasst. Viele Vertreter besitzen die Fähigkeit, bei sehr hohen Temperaturen (d. h. über 80 °C, Hyperthermophile), sehr niedrigen und hohen pH-Werten (Acidophile bzw. Alkaliphile), hohen Salzkonzentrationen (Halophile) oder hohen Drücken (Barophilie) zu leben. Hyperthermophile Archaeen findet man häufig in marinen und terrestrischen vulkanischen Gebieten (Black Smoker, Geysire, Solfatarenfelder); viele dieser Archaeen hat man z. B. aus vulkanisch geprägten Habitaten des Yellowstone-Nationalparks isoliert. Halophile gedeihen gut in Umgebungen mit hohem Salzgehalt, z. B. im Toten Meer oder auch in natürlich vorkommenden marinen Solen. Auch methanogene Archaeen sind in gewisser Weise „extrem“: Sie wachsen ausschließlich unter anoxischen Bedingungen und benötigen häufig molekularen Wasserstoff für ihren Stoffwechsel. Sie sind relativ weit verbreitet: in Süßwasser, Meer, Boden, aber auch als Symbionten im Darmtrakt von Tieren und Menschen. Erst kürzlich konnten Archaeen sogar im menschlichen Bauchnabel nachgewiesen werden.
Aufgrund dieser „Extremophilie“ hat man die ökologische Bedeutung der Archaeen bislang als relativ gering eingeschätzt. Doch in den letzten Jahren hat man durch Einsatz neuer molekularer Methoden erkannt, dass Archaeen zu großen Anteilen im (verhältnismäßig kalten) Meerwasser, aber auch in Böden und Süßwasser-Biotopen vorkommen. In bestimmten ozeanischen Bereichen machen z. B. Crenarchaeota bis zu 90 % der vorhandenen Lebewesen aus. Insgesamt schätzt man, dass in den Ozeanen etwa 1,3 × 1028 Archaeen und 3,1 × 1028 Bakterien vorkommen. Die Mehrzahl der isolierten (d. h. als Reinkultur im Labor verfügbaren) Archaeen ist allerdings nach wie vor „extremophil“ und erst in wenigen Fällen ist eine Kultivierung von kälteliebenden Archaeen gelungen. Durch die kultivierungsunabhängigen molekularbiologischen Untersuchungen ist allerdings klar geworden, dass die Archaeen eine entscheidende Rolle im Ökosystem der Erde (Stickstoff-, Kohlenstoff-, Schwefelkreislauf) spielen.
Stoffwechsel
Die meisten der bisher bekannten Archaeenarten sind autotroph, d. h. sie benötigen zum Wachstum keine organischen Stoffe, sie gewinnen den Kohlenstoff zum Aufbau ihrer Körperbestandteile ausschließlich durch Assimilation von Kohlenstoffdioxid. Aber auch Heterotrophie, die Gewinnung des Kohlenstoffs aus organischen Verbindungen, ist weit verbreitet.
Die Mehrzahl der bisher kultivierten Archaeen zeichnet sich durch einen anaeroben Stoffwechsel aus; für viele anaerobe Archaeen ist Sauerstoff (O2) toxisch.
Eine Besonderheit archaeellen Stoffwechsels ist die Methanogenese, die ausschließlich von Methan produzierenden Archaeen, den sogenannten Methanogenen, vollbracht werden kann. Sie besitzen eine Reihe einzigartiger Cofaktoren, beispielsweise Coenzym F420 oder Methanofuran.
Die meisten hyperthermophilen Archaeen sind Anaerobier; der energiegewinnende Stoffwechsel ist entweder chemoorganotroph oder chemolithotroph (die Energie wird aus chemischen Umsetzungen organischer bzw. anorganischer Verbindungen gewonnen). Schwefelverbindungen spielen hierbei oft eine große Rolle: Während des Stoffwechsels wird der Schwefel reduziert und dabei Energie frei. Bekannt ist aber der Schwefelstoffwechsel der extrem thermo- und acidophilen Art Acidianus ambivalens (früher: Desulfurolobus ambivalens), aus der Ordnung Sulfolobales, welche aerob Schwefel oxidieren kann.[12]
Halophile Archaeen sind meist aerob-chemoorganotroph, sie gewinnen ihre Energie aus chemischen Umsetzungen von organischen Verbindungen. Unter anoxischen Bedingungen oder bei Nährstoffmangel sind viele extrem Halophile sogar zur Nutzung von Lichtenergie fähig: Sie besitzen das Protein Bacteriorhodopsin, das Licht absorbiert und den Protonentransfer durch die Cytoplasmamembran katalysiert; der dadurch erzeugte elektrochemische Gradient treibt die ATPase und damit die ATP-Synthese an.
Morphologie
Wie die Bakterien sind auch die Archaeen in ihrer Form äußerst divers. Die Größen bzw. Längen der archaeellen Zellen variieren von etwa 0,4 (Nanoarchaeum equitans) bis zu 100 µm (Methanospirillum hungatei), durchschnittlich sind die Zellen etwa 1 µm groß. Die Zellen zeigen verschiedene Formen, z. B.: Kokken (z. B. Methanococcus jannaschii), Stäbchen (Thermoproteus neutrophilus), Spirillen-förmig (Methanospirillum hungatei), gelappte Kokken (Archaeoglobus fulgidus), Scheiben (Thermodiscus maritimus), lange Filamente (Thermofilum pendens) oder sogar quadratisch (Haloquadratum walsbyi). Sie besitzen oft Geißeln (Flagellen) zur Fortbewegung, oder auch fadenartige Anhängsel (Pili) zur Anheftung an Oberflächen.
Systematik
Die Platzierung der Archaeen im System der Taxonomie ist nicht ganz unumstritten. Anfangs nur durch Aussehen und Physiologie klassifiziert, wird heute aufgrund neuer Möglichkeiten allgemein die Einteilung mittels phylogenetischer Analyse akzeptiert, wie es Carl Woese (1977, 1990) vorgeschlagen hat.[13][14]
Für die Beschreibung von Genus und Art gibt es eine festgelegte Prozedur.[15] Durch Publikation oder Validierung im International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology (IJSEM)[16] sind Gattung und Art festgelegt. Höhere Taxa können hier auch beschrieben werden. Der aktuelle Stand kann in der List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN),[17] gepflegt durch Jean Euzéby, eingesehen werden. Dies entspricht dem internationalen Code der Nomenklatur von Bakterien (ICNB).[18] Taxa, die diesem Standard nicht entsprechen, werden in Anführungszeichen dargestellt.
Darüber hinaus wurde die globale Einteilung innerhalb der Archaeen und Bakterien reformiert, mittels phylogenetischer Analyse des 16S rRNS Gens.[19] Eine aktuelle Zusammenstellung der Taxa aus dieser und zahlreichen weiterführenden Publikationen erscheint in Bergey's Manual,[20] und in Taxonomic Outline of the Bacteria and Archaea,[21] wobei mittlerweile zusätzlich zum 16S-rRNS-Gen teilweise weitere phylogenetische Markergene hinzugezogen werden. Einige dieser Taxa haben ihre Berechtigung, sind aber bis heute nicht valide publiziert oder werden generell nicht vom ICNB erfasst. Solche Taxa werden in Anführungszeichen dargestellt.
Die hier wiedergegebene Systematik enthält die Taxa von Phylum bis Familie. Bei manchen Taxa gibt es widersprüchliche Einträge. Diese wurden anhand von Originalliteratur und einer phylogenetischen Analyse auf Stichhaltigkeit geprüft.[22][23][24]
Vor einigen Jahren wurde die Beschreibung der zusätzlichen Phyla „Korarchaeota“ und „Nanoarchaeota“ veröffentlicht. Ein Vertreter des vorgeschlagenen Phylums „Nanoarchaeota“ konnte erfolgreich co-kultiviert[25] und sein Genom sequenziert werden,[26] das sogenannte Nanoarchaeum equitans. Vom vorgeschlagenen Phylum „Korarchaeota“, zunächst anhand seiner 16S rRNA-Gen-Basensequenzen in Proben heißer Quellen nachgewiesen,[27] gibt es Anreicherungskulturen. Daraus konnte nun die komplette Basensequenz des Genoms veröffentlicht werden,[28] mit dem informellen Namen „Candidatus Korarchaeum cryptofilum“ versehen. Ohne isolierte Stämme haben die Vertreter dieser Phyla nach den derzeitigen Regeln des ICSB keinen validierten Platz in der Taxonomie,[29] stellen jedoch zwei von vier bekannten Phyla der Archaeen dar.
Superphylum „Euryarchaeota“
- Klasse Archaeoglobi
- Klasse Halobacteria
- Klasse Methanobacteria
- Klasse Methanococci
- Klasse „Methanomicrobia“
- Klasse Methanopyri
- Klasse Thermococci
- Klasse Thermoplasmata
Superphylum „DPANN“
- Phylum „Nanoarchaeota“
- Phylum „Nanohaloarchaeota“
- Supergruppe „ARMAN“
- ...
Superphylum „Proteoarchaeota“
- Supergruppe „TACK“
- Phylum „Aigarchaeota“
- Phylum „Bathyarchaeota“
- Phylum Crenarchaeota
- Klasse Thermoprotei
- Phylum „Geoarchaeota“
- Phylum „Korarchaeota“
- Phylum Thaumarchaeota
- Klasse Nitrososphaeria
- Ordnung Nitrososphaerales
- Familie Nitrososphaeraceae
- Ordnung Nitrososphaerales
- Klasse Nitrososphaeria
- Supergruppe „Asgard“
- Phylum „Lokiarchaeota“
- Phylum „Thorarchaeota“
- Phylum „Odinarchaeota“
- Phylum „Heimdallarchaeota“
Archaeen im Menschen
Archaeen wurden beim Menschen im Darm (Colon), im Mund (Zahnflora), im Bauchnabel[30] und in der Vagina nachgewiesen.[31] Im Darm treten vor allem Archaeen auf, die der Gattung Methanobrevibacter zugehören, im Speziellen Methanobrevibacter smithii. Diese zählen zu den methanogenen Archaea. Nicht bei allen Menschen kommt M. smithii im Darm vor, und bei Säuglingen unter zwei Jahren wurden bisher noch nie Archaeen identifiziert. In einer Studie wurden Archaeen auch auf der Haut nachgewiesen, die zum Phylum Thaumarchaeota gehören.[32] Möglicherweise korreliert die Anzahl jener Archaeen mit der Häufigkeit des Schwitzens.
Methanogene der Arten M. smithii und Methanosphaera stadtmanae leben vergesellschaftet mit syntrophen Bakterien im menschlichen Verdauungstrakt, sodass sie einen Einfluss auf die Verdauung ausüben.[33] Diese nutzen die beiden Produkte bakterieller Gärungen Wasserstoff und Formiat für die Methanogenese. Eine hohe Konzentration an Wasserstoff hemmt die ATP-Erzeugung anderer Bakterien. M. smithii baut unter Methanbildung auch Methanol ab, das für den Menschen toxisch ist. Daher haben die Methanogenen einen positiven Einfluss auf die menschliche Darmflora. Ob diese auch beeinflussen, wie viel Energie der Mensch aus der Nahrung aufnehmen kann, ist noch Gegenstand der Forschung.
Obwohl Archaeen in engem Kontakt zum Menschen stehen, gibt es keinen Hinweis auf humanpathogene Arten.[34] Es wurde aber eine Korrelation zwischen Erkrankung und Anzahl von methanogenen Archaeen nachgewiesen: Je mehr Archaeen beispielsweise im (entzündeten) Zahnfleisch vorhanden waren, desto stärker war eine entsprechende Parodontitis ausgeprägt. Hierbei treten insbesondere Archaeen der Art Methanobrevibacter oralis auf. Auch bei Patienten mit Darmkrebs bzw. Divertikulose war die Menge methanogener Archaeen in jenen Bereichen erhöht. Dennoch tragen diese Archaeen nur indirekt zur Erkrankung bei, indem sie das Wachstum echt pathogener Bakterien fördern – die Archaeen selbst sind es nicht. Wenn man Archaeen als "Co-Pathogene" oder "Pathobionten"[35] (Symbionten, die unter bestimmten Bedingungen pathologisch werden) betrachtet, dann könnte die Erkrankung mit Medikation therapiert werden, die diese Archaeen zum Ziel haben. So inhibieren beispielsweise Statine das Wachstum der bei einer Parodontitis vergesellschafteten M. oralis.[32]
Warum die bekannten Archaeen nicht humanpathogen sind, ist noch nicht eindeutig geklärt. Die Einzigartigkeit vieler Cofaktoren und Vitamine, die im Menschen nicht vorkommen, ist nicht notwendigerweise die Ursache.[36][37] Selbst dass die durch pathogene Prozesse erzeugten Mikrohabitate besetzt werden, ist kein Alleinstellungsmerkmal der Archaeen - prinzipiell könnten auch Organismen mit ähnlichem (anaeroben, hydrogenotrophen) Stoffwechsel diese Habitate nutzen.[35]
Biotechnologisches Potential
Archaeelle Stoffwechselleistungen, Zellbestandteile oder Enzyme werden industriell angewendet. Vor allem die Extremophilen besitzen viele Eigenschaften, die sich biotechnologisch nutzen lassen. Einige Beispiele, die sich bereits in der Entwicklungsphase oder Anwendung befinden:
- Biotechnologie
- Biogas-Gewinnung
- Mikrobielle Erzlaugung („microbial ore leaching“ oder „bioleaching“): Bei diesem Prozess werden niederwertige, sulfidische Erze ausgelaugt (die Sulfidanteile werden mikrobiell zu Sulfat oxidiert und dadurch die Schwermetalle in einen löslichen Zustand überführt); dies wird zum Beispiel zur Gewinnung von Kupfer, Zink und Nickel angewendet.
- Medizin: Verwendung von Zellwandbestandteilen (sogenannte S-Layer) als Träger für Impfstoffe
- Nanotechnologie
- Verwendung der S-Layer für die Ultrafiltration
- Bacteriorhodopsin/ Purpurmembran phototropher halophiler Archaeen als Biosensoren
- Biologie
- Gewinnung hitzeresistenter Enzyme, z. B. α-Amylasen, proteolytische Enzyme, DNA-Polymerasen
- Gewinnung neuer Restriktionsenzyme
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Taxa above the rank of class. In: List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature. Abgerufen am 8. August 2017.
- ↑ Céline Brochier-Armanet, Bastien Boussau, Simonetta Gribaldo, Patrick Forterre: Mesophilic crenarchaeota: Proposal for a third archaeal phylum, the Thaumarchaeota. In: Nature Reviews Microbiology. 6, Nr. 3, 2008 S. 245–252, doi:10.1038/nrmicro1852, PMID 18274537.
- ↑ Merriam-Webster Online Dictionary
- ↑ A. L. Hartman et al.: The Complete Genome Sequence of Haloferax volcanii DS2, a Model Archaeon In: PLOS ONE. Vol. 5, No. 3, 2010, S. e9605 PMC 2841640 (freier Volltext)
- ↑ J. D. Trent et al.: Chaperonin filaments: the archaeal cytoskeleton? In: PNAS. Vol. 94, No. 10, 1997, S. 5383–5388. PMID 9144246; PDF (freier Volltextzugriff, engl.)
- ↑ F. Hara et al.: An actin homolog of the archaeon Thermoplasma acidophilum that retains the ancient characteristics of eukaryotic actin. In: J. Bacteriol. Vol. 189, No. 5, 2007, S. 2039–2045. PMID 17189356; PDF (freier Volltextzugriff, engl.)
- ↑ C. Schleper et al.: A multicopy plasmid of the extremely thermophilic archaeon „Sulfolobus“ effects its transfer to recipients by mating. In: J. Bacteriol. Vol. 177, 1995, S. 4417–4426. PMID 7635827.
- ↑ A. Pearson et al.: Factors Controlling the Distribution of Archaeal Tetraethers in Terrestrial Hot Springs. In: Appl. Environ. Microbiol. Vol. 74, 2008, S. 3523–3532, als (PDF)
- ↑ E. Boyd et al.: The role of tetraether lipid composition in the adaptation of thermophilic archaea to acidity. In: Front Microbiol.. 4(62), 2013-04 doi:10.3389/fmicb.2013.00062.
- ↑ Bastian Herzog, Reinhard Wirth: Swimming Behavior of Selected Species of Archaea. In: Applied and Environmental Microbiology. Band 78, Nr. 6, 2012, S. 1670–1674, doi:10.1128/AEM.06723-11
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Literatur
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- Joseph W. Lengeler, Gerhart Drews, Hans G. Schlegel (Hrsg.) Biology of the Prokaryotes. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1999, ISBN 3-13-108411-1.
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- Michael T. Madigan, John M. Martinko, Thomas Lazar (Übersetzer) und Freya Thomm-Reitz (Übersetzer): Brock Mikrobiologie. 11., aktualisierte Auflage. Pearson Studium, 2009, ISBN 978-3-8273-7358-8;
Beschreibungen in der wissenschaftlichen Literatur
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