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Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht
Die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg, die zum Ende der militärischen Feindseligkeiten der Alliierten gegen Deutschland führte,[1][2] wurde am 7. Mai 1945 im Obersten Hauptquartier der Alliierten Expeditionsstreitkräfte in Reims unterzeichnet und trat am 8. Mai um 23:01 Uhr in Kraft. Aus protokollarischen Gründen wurde am 8./9. Mai die Kapitulation im Hauptquartier der sowjetischen 5. Armee in Berlin-Karlshorst wiederholt. Die deutsche Staats- und Wehrmachtführung räumte damit den alliierten Siegermächten das Recht ein, alle politischen, militärischen und gesellschaftlichen Angelegenheiten des Deutschen Reiches zu regeln.
Um hierfür eine Basis zu schaffen, schlossen die vier Hauptsiegermächte einen Monat später ein Abkommen, das als Berliner Erklärung[3] bekannt wurde und mit dem sie die oberste Regierungsgewalt auf dem Gebiet des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 übernahmen. Die Kapitulation und die Berliner Erklärung bildeten die Grundlage für den Viermächte-Status, nach dem die Alliierten bis zum Tag der Deutschen Einheit 1990 für „Deutschland als Ganzes“ verantwortlich blieben.
Die Forderung nach einer bedingungslosen Kapitulation
Die Forderung nach einer bedingungslosen Kapitulation (unconditional surrender) der Achsenmächte wurde von den Westalliierten auf der Konferenz von Casablanca zu Beginn des Jahres 1943 erhoben: Ein Sieg der Alliierten über Deutschland schien am ehesten durch ein Auseinanderbrechen der Anti-Hitler-Koalition zwischen den Westalliierten einerseits und der Sowjetunion andererseits gefährdet.
Da eine bedingungslose Kapitulation Waffenstillstandsverhandlungen und Teilkapitulationen ausschloss, bewies dies der Sowjetunion, dass die Westalliierten bereit waren, den Krieg gegen Deutschland unter allen Umständen weiter an ihrer Seite zu führen. Die Sowjetunion schloss sich dieser Forderung an. Unter Verweis auf diese Maximalforderung sprach das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda von einem „Vernichtungskrieg gegen Deutschland“ und versuchte damit, den Verteidigungswillen in der Bevölkerung zu stärken.
Den Alliierten war bereits im Vorfeld bewusst, dass sie im Falle der militärischen Besetzung Deutschlands keine handlungsfähige Regierung (→ Regierung Dönitz) mehr antreffen würden. Man wollte eine Vorgehensweise finden, mit der Deutschland beziehungsweise das Deutsche Reich nicht abgeschafft oder annektiert, sondern in gemeinsamer Verantwortung der Siegermächte übernommen würde, ohne sich aber dessen finanzielle wie rechtliche Verpflichtungen als Rechtsnachfolger anzueignen. Die rechtstheoretischen Überlegungen für die zuletzt gefundene rechtliche Konstruktion gehen dabei auf Arbeiten Hans Kelsens wie auch des britischen Staatsrechtlers William Malkin zurück.[4]
Verhandlungen
Nachdem Adolf Hitler, der jegliche Art von Kapitulation ablehnte, am 30. April 1945 Suizid begangen hatte, erklärte der von ihm testamentarisch[5] zum Reichspräsidenten und Oberbefehlshaber der deutschen Wehrmacht bestimmte Karl Dönitz in seiner Rundfunkansprache: „Meine erste Aufgabe ist es, deutsche Menschen vor der Vernichtung durch den vordrängenden bolschewistischen Feind zu retten. Nur für dieses Ziel geht der militärische Kampf weiter.“ Entsprechend versuchte er, nachdem bereits mehrere regionale Teilkapitulationen deutscher Streitkräfte in Kraft getreten waren (unter anderem für Berlin, Norditalien, Nordwestdeutschland, Dänemark und die Niederlande), einen separaten Waffenstillstand mit den Westalliierten zu erreichen. Dieses Ansinnen der deutschen Delegation bestehend aus Generaloberst Alfred Jodl, Generaladmiral von Friedeburg und Major i. G. Oxenius, die sich am 6. Mai in das Hauptquartier der westlichen alliierten Streitkräfte (SHAEF) im französischen Reims begeben hatten, wurde vom SHAEF-Kommandeur Dwight D. Eisenhower aber zurückgewiesen. Er war, entsprechend den gemeinsam getroffenen Vereinbarungen der Alliierten in Jalta, nicht bereit, auf die Gesamtkapitulation auch gegenüber dem sowjetischen Oberkommando zu verzichten.
Daraufhin beauftragte und autorisierte Dönitz Generaloberst Jodl, den Chef des Wehrmachtführungsstabes, der ursprünglich nur zum „Abschluss eines Waffenstillstandsabkommens mit dem Hauptquartier des Generals Eisenhower“[6] bevollmächtigt war, per Funk zur Unterzeichnung einer bedingungslosen Kapitulation der deutschen Truppen.[7] Dies geschah am 7. Mai in der Zeit von 2:39 bis 2:41 Uhr. Der Reichssender Flensburg verkündete mit einer Ansprache durch Lutz von Schwerin-Krosigk am 7. Mai um 12:45 Uhr zum ersten Mal von deutscher Seite her das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa. Die bedingungslose Kapitulation trat für alle Fronten am 8. Mai um 23:01 Uhr mitteleuropäischer Zeit in Kraft. Dieses Datum, an dem der Krieg in Europa beendet war, wird als „Tag der Befreiung“ beziehungsweise „VE-Day“ begangen.
Für das SHAEF unterzeichnete Eisenhowers Stabschef General Walter Bedell Smith, für das sowjetische Oberkommando Generalmajor Iwan Susloparow sowie als Zeuge der Generalmajor der französischen Armee François Sevez.[8]
Da diese militärische Kapitulation lediglich von Jodl, nicht aber von den Oberbefehlshabern der einzelnen Teilstreitkräfte der deutschen Wehrmacht unterzeichnet werden konnte, wurde anschließend ein weiteres Dokument unterzeichnet, das die Ratifizierung dieser Kapitulation durch das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) sowie die Oberbefehlshaber von Heer, Luftwaffe und Kriegsmarine vorsah.[9] Dies geschah rückwirkend zum 8. Mai 1945, 23:01 Uhr MEZ durch Unterzeichnung einer weiteren Kapitulationserklärung am 9. Mai um 0:16 Uhr im Offizierskasino der Heerespionierschule in Berlin-Karlshorst (heute: Deutsch-Russisches Museum) durch Generalfeldmarschall Keitel für das OKW und das Heer, Generaladmiral von Friedeburg für die Kriegsmarine und Generaloberst Stumpff für die Luftwaffe (als Vertreter des Oberbefehlshabers Generalfeldmarschall von Greim), alle drei bevollmächtigt durch Dönitz. Für das SHAEF unterzeichnete Marschall Tedder, für das sowjetische Oberkommando Marschall Schukow; als Zeugen unterschrieben der französische General Lattre de Tassigny sowie US-General Spaatz.[10] Da in der Sowjetunion die Kapitulation erst nach diesem Akt bekanntgegeben wurde und bedingt durch die Zeitverschiebung (siehe Moskauer Zeit) das Inkrafttreten der Kapitulation in Moskau auf den 9. Mai fällt, werden in Russland bis heute die Feierlichkeiten zum Ende des Großen Vaterländischen Krieges als „Tag des Sieges“ erst an diesem Tag begangen.
Einzelne Verbände wie die 8. Armee kämpften noch einige Tage weiter gegen sowjetische Truppen; vor allem in dem Bestreben, Militärverbände und Zivilisten noch in die Westgebiete zu transportieren und sich nicht gegenüber der Roten Armee zu ergeben.
Eine Kapitulation Deutschlands, d. h. des Deutschen Reichs 1945, hat nach in der Rechtswissenschaft herrschender Meinung nicht stattgefunden (siehe Hauptartikel Rechtslage Deutschlands nach 1945). Auch bezweckte die Kapitulation der Wehrmacht keine Änderung in der Staatlichkeit, sie behielt ihren Rechtscharakter als Kriegsvertrag und völkerrechtliche Vereinbarung rein militärischen Inhalts. Aus ihr waren keine Schlüsse auf die Völkerrechtssubjektivität des Deutschen Reiches nach dem 8. Mai 1945 zu ziehen.[11]
Text der Kapitulationsurkunde
KAPITULATIONSERKLAERUNG
1. Wir, die hier Unterzeichneten, handelnd in Vollmacht für und im Namen des Oberkommandos der Deutschen Wehrmacht, erklaeren hiermit die bedingungslose Kapitulation aller am gegenwaertigen Zeitpunkt unter deutschem Befehl stehenden oder von Deutschland beherrschten Streitkraefte auf dem Lande, auf der See und in der Luft gleichzeitig gegenueber dem Obersten Befehlshaber der Alliierten Expeditions-Streitkraefte und dem Oberkommando der Roten Armee.[12]
2. Das Oberkommando der Deutschen Wehrmacht wird unverzueglich allen Behoerden der deutschen Land-, See- und Luftstreitkraefte und allen von Deutschland beherrschten Streitkraeften den Befehl geben, die Kampfhandlungen um 23:01 Uhr Mitteleuropaeischer Zeit am 8. Mai einzustellen und in den Stellungen zu verbleiben, die sie an diesem Zeitpunkt innehaben und sich vollstaendig zu entwaffnen, indem sie Waffen und Geraete an die oertlichen Alliierten Befehlshaber beziehungsweise an die von den Alliierten Vertretern zu bestimmenden Offiziere abliefern. Kein Schiff, Boot oder Flugzeug irgendeiner Art darf versenkt werden, noch duerfen Schiffsruempfe, maschinelle Einrichtungen, Ausruestungsgegenstaende, Maschinen irgendwelcher Art, Waffen, Apparaturen, technische Gegenstaende, die Kriegszwecken im Allgemeinen dienlich sein koennen, beschaedigt werden.
3. Das Oberkommando der Deutschen Wehrmacht wird unverzueglich den zustaendigen Befehlshabern alle von dem Obersten Befehlshaber der Alliierten Expeditions Streitkraefte und Oberkommando der Roten Armee erlassenen zusaetzlichen Befehle weitergeben und deren Durchfuehrung sicherstellen.
4. Diese Kapitulationserklaerung ist ohne Praejudiz fuer irgendwelche an ihre Stelle tretenden allgemeinen Kapitulationsbestimmungen, die durch die Vereinten Nationen und in deren Namen Deutschland und der Deutschen Wehrmacht auferlegt werden moegen.
5. Falls das Oberkommando der Deutschen Wehrmacht oder irgendwelche ihm unterstehenden oder von ihm beherrschte Streitkraefte es versaeumen sollten, sich gemaess den Bestimmungen dieser Kapitulations-Erklaerung zu verhalten, werden das Oberkommando der Roten Armee und der Oberste Befehlshaber der Alliierten Expeditions Streitkraefte alle diejenigen Straf- und anderen Massnahmen ergreifen, die sie als zweckmaessig erachten.
6. Diese Erklaerung ist in englischer, russischer und deutscher Sprache abgefasst. Allein massgebend sind die englische und die russische Fassung.
Unterzeichnet zu Berlin am 8. Mai 1945
- gez. v. Friedeburg gez. Keitel gez. Stumpff
- für das Oberkommando der deutschen Wehrmacht
- […][13]
Literatur
- Jörg Hillmann, John Zimmermann (Hrsg.): Kriegsende 1945 in Deutschland (= Beiträge zur Militärgeschichte, Band 55). Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, Oldenbourg, München 2002, ISBN 3-486-56649-0.
Weblinks
- Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst
- Die deutsche Kapitulation 1945 beim LeMO
- Armin Nolzen: Das Kriegsende 1945 in Deutschland (Tagungsbericht eines Workshop des MGFA in Zusammenarbeit mit dem Wehrgeschichtlichen Ausbildungszentrum der Marineschule Mürwik im November 2000)
- Die deutsche Kapitulation 1945 beim Bundesarchiv (mit Fotos sämtlicher Originaldokumente)
- Erklärung in Anbetracht der Niederlage Deutschlands und der Übernahme der obersten „Regierungsgewalt hinsichtlich Deutschlands“ vom 5. Juni 1945
- Gerhard Keiderling: Schlussakt in der Rheinsteinstraße. In: Berlinische Monatsschrift, Heft 12/2000
Film
- Zu Lande, zu Wasser und in der Luft – Filmdokumentation WDR (8. Mai 2005)
- Unterschriften unter die Kapitulationsurkunde am 8. Mai 1945, Deutsch-Russisches Museum in Berlin-Karlshorst (ab 2:20 min)
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. Karl Strupp/Hans-Jürgen Schlochauer/Herbert Krüger/Hermann Mosler/Ulrich Scheuner: Wörterbuch des Völkerrechts, Band II: Ibero-Amerikanismus bis Quirin-Fall. 3 Bde., de Gruyter, 2. Aufl. 1961, S. 193.
- ↑ Zum einseitigen Charakter der Kapitulation s. Theodor Schweisfurth, Völkerrecht, Mohr Siebeck, Tübingen 2006, S. 193 Rn 155.
- ↑ Erklärung in Anbetracht der Niederlage Deutschlands und der Übernahme der obersten „Regierungsgewalt hinsichtlich Deutschlands“
- ↑ Matthias Etzel, Die Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen durch den Alliierten Kontrollrat (1945–1948) (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts, Bd. 7), Mohr Siebeck, 1992, ISBN 3-16-145994-6.
- ↑ Hinweis auf den Artikel Rechtslage des Deutschen Reiches nach 1945 zu den Fragen der Wirksamkeit der dt. Erklärungen
- ↑ German Surrender Documents of WWII, Zweites Dokument (fälschlich mit „{Reichspresident Donitz’s authorization to Colonel General Jodl} {to conclude a general surrender:}“ betitelt)
- ↑ Katja Gerhartz: Protokoll der letzten Momente, Die Welt vom 7. Mai 2005.
- ↑ ACT OF MILITARY SURRENDER: Seite 1 mit Punkt 1 bis 4 und Seite 2 mit Punkt 5 sowie Datum und Unterschriften (Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst). Bekanntgabe durch die Alliierten im Amtsblatt des Kontrollrates in Deutschland, Ergänzungsblatt 1, S. 6.
- ↑ UNDERTAKING (Museum Karlshorst)
- ↑ KAPITULATIONSERKLAERUNG. Seite 1, Seite 2 mit den Unterschriften (Museum Karlshorst)
- ↑ Nach Stephan Hobe, Otto Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, UTB, 9., aktualisierte und erweiterte Auflage 2008, S. 587.
- ↑ Alternativ: „Wir, die hier Unterzeichneten, die wir im Auftrage des Oberkommandos der Deutschen Wehrmacht handeln, übergeben hiermit bedingungslos dem Obersten Befehlshaber der Alliierten Expeditionsstreitkräfte und gleichzeitig dem Oberkommando der Roten Armee alle gegenwärtig unter deutschem Befehl stehenden Streitkräfte zu Lande, zu Wasser und in der Luft.“ Siehe z. B. in Klaus Richter, … bis zum Endsieg!, BoD – Books on Demand, 2000, ISBN 3-8311-0872-2, S. 237.
- ↑ Militärische Kapitulationsurkunde (8. Mai 1945), in: documentArchiv.de
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