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Benzodiazepine

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Benzodiazepine (umgangssprachliche Kurzform Benzos) sind polycyclische organische Verbindungen auf Basis eines bicyclischen Grundkörpers, in dem ein Benzol- mit einem Diazepinring verbunden ist. Benzodiazepine sind Arzneistoffe, die anxiolytisch (angstlösend), sedierend (beruhigend), muskelrelaxierend (muskelentspannend) und hypnotisch (schlaffördernd) wirken.[1] Manche Benzodiazepine weisen zudem antikonvulsive (krampflösende) Eigenschaften auf und werden daher als Antiepileptika verwendet. Aufgrund ihrer zentralnervösen Wirkungen zählt diese Substanzgruppe zu den psychoaktiven Substanzen; einige ihrer Vertreter werden in der Medizin daher als Psychopharmaka eingesetzt. Die Benzodiazepine Diazepam, Lorazepam und Midazolam sind in der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation aufgeführt.[2][3]

Alle Benzodiazepine binden an GABA-Rezeptoren, die wichtigsten inhibitorischen Rezeptoren im Zentralnervensystem. Benzodiazepine haben nicht zuletzt auch aufgrund ihrer Einwirkung auf den GABA-Haushalt (ähnlich Ethanol und Barbituraten) sowie wegen ihrer hohen Effektivität und des für gewöhnlich schnellen Wirkungseintritts (je nach Applikationsform) ein hohes Abhängigkeitspotential. Auch schnelle Toleranzbildung ist nicht unüblich, weswegen eine Langzeittherapie im Normalfall eher vermieden wird.

Geschichte

Die erste auf den Markt gebrachte Verbindung aus dieser Gruppe war Chlordiazepoxid.[1] Es wurde von Leo Sternbach für das Pharmaunternehmen Hoffmann-La Roche entwickelt und 1960 unter dem Handelsnamen Librium auf den Markt gebracht. Im weiteren Verlauf der Forschung sind vor allem Verbindungen mit Lactamstruktur eingeführt worden (R2 = O).

So auch das ebenfalls von Leo Sternbach entwickelte Diazepam. Es wurde 1963 unter dem Handelsnamen Valium durch Hoffmann-La Roche auf den Markt gebracht. Bereits 1977 wurde Diazepam in die Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation aufgenommen. In Deutschland war Diazepam noch 2005 das am häufigsten verordnete Benzodiazepin.[4]

Chemie und Struktur

Benzodiazepine Structural Formula V1.svg
Benzodiazepin-Gerüst
Thienodiazepine General Formula V1.svg
Thienodiazepin-Gerüst
Strukturunterschiede von Benzodiazepinen
R1 R2 R7 R2’ Name
H O NO2 Cl Clonazepam
H O Cl Cl Delorazepam
CH3 O Cl H Diazepam
CH3 O NO2 F Flunitrazepam
H O Br Cl Phenazepam
C2H4N(C2H5)2 O Cl F Flurazepam
CH3 H Cl H Medazepam
H O NO2 H Nitrazepam
C4H7 O Cl H Prazepam
CH3 O Cl Cl Diclazepam
H O Cl H Nordazepam

Alle Benzodiazepine enthalten namensgebend ein System aus zwei miteinander verbundenen ringförmigen Strukturen: Benzol- und Diazepinring sind hier zu einem bicyclischen Ringsystem kondensiert. Dessen größerer siebengliedriger ungesättigter Ring enthält zwei Stickstoffatome und gehört somit zu den heterocyclischen Verbindungen. Gemäß der Hantzsch-Widman-Nomenklatur für heterocyclische Systeme wird solch ein Ring als Diazepin bezeichnet.[5] Im Falle der Benzodiazepine ist an den Diazepinring ein Benzolring anelliert.

Als Arzneistoffe kommen überwiegend Benzo-1,4-diazepine zum Einsatz, die außerdem in 5-Position einen weiteren sechsgliedrigen Ring wie Benzol (siehe obenstehende Strukturformel, in der 2'-Position der Phenylgruppe eventuell ein Halogen als Substituent), Cyclohexen oder Pyridin tragen.[6] Dieser dritte Ring ist bei Clobazam, dem einzig verwendeten Vertreter der Benzo-1,5-diazepine, gebunden an dessen N-Atom in 5-Position.[1]

Den Benzodiazepinen ähnlich aufgebaut sind die Thienodiazepine als Heterocyclen, die einen Diazepin-Ring enthalten;[7] an diesen ist jedoch in ihrem Fall ein Thiophen-Ring[8] statt eines Benzolrings anelliert.

Pharmakologie

Wirkungsmechanismus

Schematische Darstellung des GABAA-Rezeptors in Draufsicht. Die fünf Untereinheiten – im hiesigen Beispiel aus α1β2γ2 bestehend – sind um eine Achse herum gleichmäßig angeordnet und weisen in ihrer Mitte eine Pore, das Kanallumen, auf. Die Bindungsstelle für Benzodiazepine befindet sich zwischen der alpha- und gamma-Untereinheit.[9]

Benzodiazepine wirken als allosterische Modulatoren am GABAA-Rezeptor, sie komplexieren mit der Benzodiazepin-(BzD)-Bindungsstelle dieses ionotropen Rezeptors. Diese Anbindung ändert die Rezeptorgestalt und führt so zu einer Modulation der Aktivierung des Rezeptors. Die durch klassische Benzodiazepine hervorgerufene positive Modulation erhöht die Affinität des inhibitorisch wirkenden Neurotransmitters GABA an seiner orthosterischen Bindungsstelle. Dadurch nimmt die Öffnungswahrscheinlichkeit des Chlorid-Kanals zu und der Einstrom der Chlorid-Ionen in die Nervenzelle wird verstärkt, was wiederum zu einer geringeren Erregbarkeit der Neuronenmembran führt (durch Hyperpolarisation und Kurzschluss von EPSPs).[1]

Klassische Benzodiazepine binden an GABAA-Rezeptoren mit den alpha-Untereinheiten α1, α2, α3 und α5, keine Affinität haben sie an α4 und α6.

Benzodiazepine unterscheiden sich in ihrer Wirkung von Barbituraten.[10] Dafür sind folgende Mechanismen verantwortlich:

  • Benzodiazepine wirken nur zusammen mit GABA und sind allein nicht in der Lage, den GABAA-Rezeptor zu öffnen. Sie werden korrekt als positive, negative oder in seltenen Fällen als stille/neutrale allosterische Modulatoren bezeichnet. Die Ausdrücke Agonist, Antagonist und Invers-Agonist tauchen zwar in der Literatur als Bezeichnung dieser Wirkstoffe auf, sind aber missverständlich und bei reinen Modulatoren zu vermeiden.[6]
  • Benzodiazepine wirken an Synapsen, die wenig GABA enthalten, stärker als an solchen, die viel GABA enthalten.
  • Schwache Transmitter-Antworten werden mehr verstärkt als starke Transmitter-Antworten. Man spricht von einer aktivitätsabhängigen Wirkung (engl.: use dependence). Dieser Effekt könnte auch verantwortlich sein für eine relativ spezifische Wirkung der Benzodiazepine (anxiolytisch, antikonvulsiv, zentral muskelrelaxierend, sedativ/hypnotisch, amnestisch s. u.), trotz der ubiquitären Verteilung der GABA-Rezeptoren im Gehirn und Rückenmark.

Auch hohe Dosen von Benzodiazepinen verstärken die Maximalwirkung (die theoretisch auch durch GABA allein erreicht werden könnte) nicht. Sie setzen lediglich die GABA-Dosis herab, die zu einer Maximalwirkung führt. Pharmakologisch ausgedrückt führen sie zu einer Linksverschiebung der Dosis-Wirkungs-Kurve.

Wirkungen

Benzodiazepine wirken

Sie finden in der Psychiatrie Anwendung bei der Behandlung von Angst- und Unruhezuständen, als Notfallmedikation bei epileptischen Krampfanfällen und als Ein- und Durchschlafmittel. Ferner werden sie als Prämedikation vor Operationen verordnet, damit der Patient möglichst entspannt und angstfrei ist.[12] Auch werden Benzodiazepine, unter anderem aufgrund ihrer relativ geringen Auswirkungen auf das kardiovaskuläre System, bei der Narkoseeinleitung und zur Ergänzung während von mit anderen Narkotika durchgeführten Operationen eingesetzt.[13]

Während im Tierversuch bereits nach einer Woche kontinuierlicher Gabe der Höchstdosis ein Entzugssyndrom ausgelöst werden kann, ist dies beim Menschen in therapeutischen Dosierungen wohl erst nach mindestens 8 Wochen Expositionsdauer möglich.[14] In der Regel wird empfohlen, eine Einnahmedauer von 4 Wochen[15] nicht zu überschreiten, um die Gefahr einer Abhängigkeitsentwicklung zu minimieren. Zusammenfassend muss die Indikation zur Verordnung von Benzodiazepinen somit kritisch gestellt werden und die Anwendung so kurz wie möglich und die Dosis so gering wie möglich gehalten werden. Bei einer Dauerbehandlung sind die Gefahren gegen den therapeutischen Nutzen sorgfältig abzuwägen. Die meisten Benzodiazepine sind grundsätzlich nicht zur Dauerbehandlung zugelassen. Ausnahmen bilden die antiepileptisch wirksamen Benzodiazepine, die bei entsprechender Indikationsstellung nicht selten lebenslang eingenommen werden müssen.

Benzodiazepinpräparate sind dosisabhängig und je nach Substanz unterschiedlich stark atemdepressiv, d. h., sie dämpfen das Atemzentrum. Lebensbedrohliche Intoxikationen sind bei alleiniger BZD-Einnahme selten, allerdings potenziert sich das Risiko bei gleichzeitigem Alkoholkonsum oder bei gleichzeitiger Gabe anderer ZNS-wirksamer Präparate, hier besonders zu erwähnen die Opioide, da diese selbst stark atemdepressiv wirken. Außerdem wird bei gleichzeitiger Einnahme von Opioiden und Benzodiazepinen deren sedierende Wirkung gegenseitig verstärkt. Zwischen Benzodiazepinen und Alkohol besteht zudem eine sogenannte Kreuztoleranz. Benzodiazepine beeinträchtigen die Reaktionszeit. Zumindest während der ersten Tage einer Einnahme von benzodiazepinhaltigen Arzneimitteln besteht Fahruntüchtigkeit. Im Verlaufe einer fortgesetzten Therapie entscheidet der behandelnde Arzt von Fall zu Fall, ob das Führen eines Kraftfahrzeuges oder das Bedienen gefährlicher Maschinen wieder möglich ist.[16]

Benzodiazepine gelten weltweit als die Medikamente mit der höchsten Missbrauchsrate.[17]

Es gibt klare Hinweise für Risiken des menschlichen Fötus in Verbindung mit Benzodiazepin-Verabreichung während der Schwangerschaft. Im Tierversuch gab es zudem Hinweise auf Verhaltensstörungen der Nachkommen, wenn den Muttertieren während der Trächtigkeit Benzodiazepine verabreicht wurden.[18]

Kontraindikationen

Kontraindikationen bei der Anwendung von Benzodiazepinen:[19]

Gegenmittel

Flumazenil, ein reversibler kompetitiver Antagonist, hebt nach intravenöser Gabe vorübergehend die Wirkung von Benzodiazepinen auf (HWZ etwa 45 min). Im Behandlungsverlauf einer akuten Überdosierung ist unbedingt auf die etwaige Notwendigkeit einer fortgesetzten Gabe weiterer Flumazenil-Dosen zu achten, da dessen HWZ mit etwa 45 min wesentlich kürzer ist als jene der allermeisten Benzodiazepine (HWZ etwa 60 min bis 120 h).

Einzelstoffe

Wirkstoff Handelsname(n) Wirkungstyp Chemische Bezeichnung Plasmahalbwertszeit
(Metaboliten-HWZ)
Äquivalenzdosis zu 10 mg Diazepam[20] Jahr der
Markteinführung
Alprazolam Tafil (D),
Xanax (CH, USA),
Xanax retard (CH, USA),
Xanor (A),
diverse Generika (D, A)
Tranquilizer, Anxiolytikum 8-Chlor-1-methyl-6-phenyl- 4H-[1,2,4]-triazolo[4,3-a][1,4]benzodiazepin 12–15 h 1,5 mg[21] 1984
Bromazepam Bromazanil (D),
Gityl (D),
Lexostad (D),
Lexotanil (D, A, CH),
Bromazepam OPT (D),
Normoc (D),
diverse Generika (D, A)
Tranquilizer, Anxiolytikum 7-Brom-2,3-dihydro-5-(2-pyridyl)- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 15–28 h 6 mg[21] 1977
Chlordiazepoxid Librax (CH),
Librocol (CH),
Limbitrol (A, CH)
Tranquilizer 7-Chlor-2-methylamino-5-phenyl- 3H-1,4-benzodiazepin-4-oxid 5–30 h (48–96 h) 20 mg[21] 1960
Clobazam Frisium (D, A),
Urbanyl (CH)
Tranquilizer, Anxiolytikum, Antiepileptikum 7-Chlor-1-methyl-5-phenyl- 1H-1,5-benzodiazepin-2,4(3H,5H)-dion 18 h (36–80–120 h) 20 mg[21]
Clonazepam Rivotril (D, CH),
Antelepsin (D)
Antiepileptikum 5-(2-Chlorphenyl)-2,3-dihydro-7-nitro- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 30–40 h 2 mg[21]
Clonazolam Antiepileptikum 6-(2-Chlorphenyl)-1-methyl-8-nitro-4H-s-triazolo(4,3-a)-1,4-benzodiazepin 16 h 0,5 mg
Clorazepat Tranxene (internationaler Handelsname),
Tranxilium (D, A, CH)
Tranquilizer 7-Chlor-2,3-dihydro-2,2-dihydroxy-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin-3-carbonsäure 2 h [ca. 30–90 h für den aktiven Metaboliten Nordazepam (N-Desmethyldiazepam)][22] 20 mg
Clotiazepam Anxiolytikum, Myotonolytikum (Muskelrelaxans) 2-(2-Chlorphenyl)-9-ethyl-6-methyl-8-thia-3,6-diazabicyclo[5.3.0]deca-2,9,11-trien-5-on 4 h 5 mg[21]
Delorazepam Anxiolytikum, Prämedikation 7-Chlor-5-(2-chlorphenyl)-1,3-dihydro-1,4-benzodiazepin-2(2H)-on 80–115 h 1 mg
Diazepam Diazep-CT (D),
Faustan (D),
Gewacalm (A),
Paceum (CH),
Psychopax (A, CH),
Stesolid (D, A, CH),
Valiquid (D),
Valium (D, A, CH, L),
Valocordin-Diazepam (D),
diverse Generika (D, CH)
Tranquilizer, Antiepileptikum, Anxiolytikum 7-Chlor-2,3-dihydro-1-methyl-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 24–48 h [ca. 30–90 h für den aktiven Metaboliten Nordazepam (N-Desmethyldiazepam)][22] 10 mg 1963
Diclazepam Tranquilizer, Anxiolytikum, Muskelrelaxans 7-Chlor-1-methyl-5-phenyl-1,3-dihydro-1,4-benzodiazepin-2-on 42 h[23] 1 mg
Flubromazepam Hypnotikum, Anxiolytikum, Tranquilizer, Muskelrelaxans, Antiepileptikum 7-Brom-5-(2-fluorphenyl)-1,3-dihydro-1,4-benzodiazepin-2-on 106 h[24] 4 mg
Flubromazolam 8-Brom-6-(2-fluorphenyl)-1-methyl-4H-[1,2,4]triazolo[4,3-a][1,4]benzodiazepin 20 h[24] 0,25 mg
Flunitrazepam Fluninoc (D),
Rohypnol (D, A, CH),
einige Generika (D)
Hypnotikum 5-(2-Fluorphenyl)-2,3-dihydro-1-methyl-7-nitro- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 16–35 h 0,5–1 mg 1975
Flunitrazolam 6-(2-Fluorophenyl)-1-methyl-8-nitro-4H-benzo[f][1,2,4]triazolo[4,3-a][1,4]diazepin 0,5 mg
Flurazepam Dalmadorm (D, CH),
Staurodorm (D),
Flurazepam Real (D)
Hypnotikum 7-Chlor-1-(2-diethylaminoethyl)-5-(2-fluorphenyl)-2,3-dihydro- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 1,5 h [ca. 30–90 h für den aktiven Metaboliten Nordazepam (N-Desmethyldiazepam)][22] 15–30 mg
Loprazolam Tranquilizer 6-(2-Chlorphenyl)-2,4-dihydro-2-[(4-methyl-1-piperazinyl)methylen]-8-nitro- 1H-imidazo[1,2-a][1,4]benzodiazepin-1-on 8–9 h 1–1,5 mg
Lorazepam Ativan (USA, GB),
Lorazepam dura (D),
Merlit (A),
Tavor (D),
Temesta (CH, A, L, B),
Tolid (D),
diverse Generika
Tranquilizer, Hypnotikum, Antiepileptikum (RS)-7-Chlor-5-(2-chlorphenyl)-2,3-dihydro-3-hydroxy- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 12,9–16,2 h 2 mg[21] 1963
Lormetazepam Ergocalm (D),
Loramet (CH),
Loretam (D),
Noctamid (A, D, CH),
Sedalam (D),
diverse Generika (D)
Hypnotikum (RS)-7-Chlor-5-(2-chlorphenyl)-2,3-dihydro-3-hydroxy-1-methyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 10–14 h 1 mg
Ketazolam Unakalm,
Ansieten,
Anxon,
Loftran,
Anseren
Tranquilizer, Antiepileptikum, Anxiolytikum 11-Chlor-8,12b-dihydro-2,8-dimethyl-12b-phenyl-4H-[1,3]oxazino[3,2-d][1,4]benzodiazepin-4,7(6H)-dion 50 h (36–200 h, Nordazepam)[25] 15–20 mg[26]
Meclonazepam (3S)-5-(2-Chlorphenyl)-3-methyl-7-nitro-1,3-dihydro-2H-1,4-benzodiazepin-2-on 1 mg
Medazepam Rudotel (D) Tranquilizer 7-Chlor-2,3-dihydro-1-methyl-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin 2–5 h [ca. 30–90 h für den aktiven Metaboliten Nordazepam (N-Desmethyldiazepam)][27] 20 mg
Midazolam Buccolam (D, CH),
Dormicum (D, CH),
diverse Generika (CH)
Kurzhypnotikum 8-Chlor-6-(2-fluorphenyl)-1-methyl- 4H-imidazo[1,5-a][1,4]benzodiazepin 1,5–2,5 h 7,5 mg oral[21] (1 mg i. v.) 1985
Nifoxipam 5-(2-Fluorphenyl)-3-hydroxy-7-nitro-1,3-dihydro-2H-1,4-benzodiazepin-2-on
Nimetazepam Hypnotikum 2,3-Dihydro-7-nitro-5-phenyl-1-methyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 18–30 h 5 mg
Nitrazepam Dormo-Puren (D),
Imeson (D),
Mogadan (D),
Mogadon (A, CH),
Novanox (D),
Radedorm (D)
Hypnotikum, Antiepileptikum 2,3-Dihydro-7-nitro-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 18–30 h 5 mg[21] 1965
Nordazepam Tranquilizer 7-Chlor-2,3-dihydro-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 50–90 h (8 h) 20 mg[21]
Oxazepam Adumbran (D, A),
Anxiolit (A, CH),
Durazepam (D),
Praxiten (D, A),
Seresta (CH),
diverse Generika (D)
Tranquilizer (RS)-7-Chlor-2,3-dihydro-3-hydroxy-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 5–15 h 30 mg[21] 1965
Phenazepam Tranquilizer 7-Brom-5-(2-chlorphenyl)-1,3-dihydro-1,4-benzodiazepin-2-on (60 h) 1 mg
Prazepam Demetrin (CH) Tranquilizer 7-Chlor-1-(cyclopropylmethyl)-2,3-dihydro-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 1,5 h [ca. 30–90 h für den aktiven Metaboliten Nordazepam (N-Desmethyldiazepam)][27] 20 mg[21]
Pyrazolam Anxiolytikum 8-Brom-1-methyl-6-(pyridin-2-yl)-4H-[1,2,4]triazolo[4,3-a][1,4]benzodiazepin 16–18 h 1 mg
Temazepam Normison (CH),
Planum (D),
Remestan (D),
Temazep (D),
diverse Generika
Hypnotikum (RS)-7-Chlor-3-hydroxy-1-methyl-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2(3H)-on 5–13 h 20 mg 1969
Tetrazepam Musaril (D),
Myolastan (A),
Rilex (D),
diverse Generika (D, A)
Myotonolytikum (Muskelrelaxans) 7-Chlor-5-(1-cyclohexenyl)-1-methyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2(3H)-on 18 h 20 mg[21]
Triazolam Halcion (D, A, CH) Hypnotikum 8-Chlor-6-(2-chlorphenyl)-1-methyl- 4H-1,2,4-triazolo[4,3-a][1,4]benzodiazepin 1,4–4,6 h 0,5 mg[21] 1982

Ein nicht-psychoaktives Benzodiazepin ist Sograzepid, das zur Behandlung von Tumoren eingesetzt wird. Tifluadom wird aufgrund der unerwünschten Arzneimittelwirkungen nicht mehr verwendet.

Analytik

Aufgrund der toxikologischen Eigenschaften der Benzodiazepine besteht großes Interesse an der rechtssicheren qualitativen und quantitativen Bestimmung in den unterschiedlichsten Untersuchungsgütern.[28][29][30] Als analytische Methoden werden in der Regel nach adäquater Probenvorbereitung die Kopplung zwischen der Gaschromatographie, HPLC und Massenspektrometrie eingesetzt.[31][32] Zum Nachweis natürlich vorkommender Benzodiazepine in biologischen Materialien, wie z. B. Nahrungsmitteln, Pflanzen, menschlichen Gehirngewebeproben von vor 1960 u. a., liegt eine umfangreiche Untersuchung unter Anwendung von GC/MS-Kopplung und Radiorezeptorassays vor.[33]

Verordnungspraxis in Deutschland und Kritik

Die Verordnung von Benzodiazepinen in Deutschland ging von 228 Millionen definierten Tagestherapiedosen (DDD) im Jahr 1995 auf 68 Millionen DDD im Jahr 2004 zurück.[34]

Allerdings hat die Anzahl der Verordnungen auf Privatrezepten zugenommen, gemäß der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN):

„Die Verordnung von Benzodiazepinen zulasten der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) ging von 11 Mio. (1993) auf 2,5 Mio. Packungen (2004) zurück, während laut Einkaufsstatistik die Abgabe durch Apotheken nur von 12,7 Mio. auf 5,6 Mio. Packungen zurückging. Z-Drugs (Zaleplon, Zopiclon, Zolpidem) nahmen in der GKV von 2,1 Mio.(1993) auf 3,8 Mio. Packungen (2004) zu, die Abgabe durch Apotheken laut Einkaufsstatistik aber wesentlich ausgeprägter von 2,2 Mio. auf 7,4 Mio. Packungen. Dies interpretieren die Autoren Hoffmann, Glaeske, Scharffetter[35] wohl zutreffend als vermehrte Verordnung auf Privatrezept. Die Datenbasis erlaubt nicht den Versicherungsstatus (GKV/PKV) der Patienten festzustellen. Es erscheint aber plausibel anzunehmen, dass die steigende Zahl von Verordnungen von Benzodiazepinhypnotika auf Privatrezept auch GKV-Versicherten gilt. Letztendlich basieren die Empfehlungen der AkdÄ auf der Vermutung, dass die Verordnung von Benzodiazepinhypnotika auf Privatrezept bei Kassenpatienten auf einen Missbrauch dieser Substanzgruppe hinweise, der durch eine solche Verordnungsweise weniger transparent und nachvollziehbar gemacht werden solle.“

Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN): Stellungnahme zu den „Empfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zur Verordnung von benzodiazepinhaltigen Hypnotika“ vom 11. September 2008[36]

Aufgrund des hohen Suchtpotenzials (welches zu Zeiten der Markteinführung der ersten Benzodiazepine fast gänzlich unbekannt war), aber ebenso kritischer (Fach-)Presseberichte, insbesondere über empirische Studien, welche ein möglicherweise erhöhtes Demenzrisiko aufzeigten,[37] sind die Verschreibungen von benzodiazepinhaltigen Arzneimitteln in Deutschland in den letzten Jahren bis 2018 immer weiter zurückgegangen. Besonders deutlich wird dies bei Lorazepam, welches 2007 den zweiten Platz der meistverschriebenen Psychopharmaka in Deutschland belegte, bis in das Jahr 2013 jedoch auf Platz 15 abgerutscht ist.

Der vermutet seltener werdende Einsatz ist auch darauf zurückzuführen, dass Benzodiazepine heute zunehmend durch vermeintlich 'sicherere' Psychopharmaka ersetzt werden, im Besonderen neuartige Antidepressiva (wie SSRI und SNRI) und Neuroleptika.[38]

Bitte Belege für diesen Artikel bzw. den nachfolgenden Abschnitt nachreichen!

Nicht zuletzt erfordert die Entwicklung neuer Arzneimittel seitens der forschenden Pharmaindustrie einen enormen Zeitaufwand (durchschnittlich mindestens 14 Jahre von der Entwicklung bis zur Markteinführung eines Medikaments) und sehr hohe finanzielle Investitionen. Daher ist es nahe liegend, dass forschende Pharmakonzerne meist alles daran setzen, die teuren, neuen Präparate möglichst breitflächig einzugliedern, und weitaus weniger profitable, ältere Arzneistoffe aus dem Rennen zu schicken (wie die meisten Benzodiazepine, da bei diesen der Markenschutz häufig schon seit Jahrzehnten abgelaufen ist), teils systematisch; wie etwa mit anzweifelbaren Studien (s. o.) untermauert. So liegen die Kosten pro Einzeldosis Duloxetin (Antidepressivum) oder Quetiapin (Neuroleptikum), im Jahr 2018 um meist dreistellige Prozentualsätze höher, verglichen mit altbewährten Benzodiazepinen - wie Alprazolam, Diazepam, Lorazepam oder Bromazepam.

Martin Keck und andere Mediziner sehen diese Entwicklung kritisch, und raten von einer generellen Verteufelung und dezidierten Nichtrezeptierung ab. Vielmehr wird der Ärzteschaft zu einer adäquat differenzierten Sicht und Begutachtung, unter passender Abwägung des Risiko-Nutzen-Faktors geraten. Benzodiazepinhaltige Arzneimittel sind in vielen medizinischen Bereichen - auch außerhalb der Psychiatrie, Neurologie und Notfallmedizin - unentbehrlich und besitzen vielmals eine beachtliche therapeutische Breite.

Rechtslage

Die Rechtslage zu den einzelnen Benzodiazepinen ist vom jeweiligen Benzodiazepin und von der jeweiligen Gesetzgebung des Landes abhängig. Im Jahr 1984 wurden 33 Benzodiazepine als Schedule IV drug durch die United Nations Convention on Psychotropic Substances eingestuft. Midazolam (1990) und Brotizolam (1995) wurden später hinzugefügt. Flunitrazepam wurde 1995 in die Schedule III umgruppiert.[39] Phenazepam (auch Fenazepam) wird außerhalb der Europäischen Union verwendet und befindet sich nicht in der UN-Konvention.[39]

Deutschland

Bis auf wenige Ausnahmen unterliegen therapeutisch verwendete Benzodiazepine nicht dem BTMG.[40] Eines des unter die Anlage des BTMG fallenden Benzodiazepin ist Flunitrazepam,[41] benzodiazepinhaltige Arzneimittel bis zu bestimmten Höchstmengen von den Regelungen der Betäubungsmittel-Verschreibungs-Verordnung ausgenommen („ausgenommene Zubereitungen“) und können auf einem normalen Rezept verordnet werden. Der Gesetzgeber hat hierzu Höchstmengen pro abgeteilter Form (Tablette, Suppositorium, Ampulle, Volumeneinheit bei Tropfen) und/oder Höchstmengen pro Packung festgelegt. Diese Höchstmengen sind für jeden einzelnen Wirkstoff einzeln festgelegt (z. B. 10 mg pro abgeteilter Tabletten-Einheit für Diazepam) und ergeben sich aus der Anlage IIIVorlage:§§/Wartung/juris-seite zum BtMG. Mengen darüber hinaus erfordern ein BtM-Rezept.

Nordamerika

In den USA sind Benzodiazepine verschreibungspflichtig und als Schedule IV drugs nach dem Federal Controlled Substances Act eingestuft. Die am häufigsten verwendeten Benzodiazepine in den USA und Kanada sind Alprazolam und Diazepam, gefolgt von Clonazepam und Lorazepam.[42] Bei rund 1,25 Millionen Fällen, in denen Personen im Jahr 2011 in den USA aufgrund von Medikamentenmissbrauch in eine Notaufnahme kamen, waren in etwa 358.000 Fällen Benzodiazepine beteiligt, vorwiegend Alprazolam (123.750), Clonazepam (61.000), Lorazepam (43.000) und Diazepam (24.000).[43]

Singapur

In Singapur ist Nimetazepam als Class C controlled drug eingestuft.[44]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Wissenschaft-Online-Lexika: Eintrag zu Benzodiazepinen im Lexikon der Neurologie. abgerufen am 28. Mai 2009.
  2. WHO Model List (April 2013). Abgerufen am 5. April 2018.
  3. [PDF] Schweizer Empfehlungen für die Angsttherapie - Free Download PDF. (https://nanopdf.com/download/schweizer-empfehlungen-fr-die-angsttherapie_pdf).
  4. ePsy.de Psychopharmaka in der Praxis 2005.
  5. D. Hellwinkel: Die systematische Nomenklatur der Organischen Chemie. 4. Auflage. Springer Verlag, Berlin, 1998, ISBN 3-540-63221-2.
  6. 6,0 6,1 American Psychiatric Association: Task Force on Benzodiazepine Dependency: Benzodiazepine dependence, toxicity, and abuse: a task force report of the American Psychiatric Association. American Psychiatric Pub, 1990, ISBN 0-89042-228-1.
  7. Otto-Albrecht Neumüller (Hrsg.): Römpps Chemie-Lexikon. Band 2: Cm–G. 8. neubearbeitete und erweiterte Auflage. Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart 1981, ISBN 3-440-04512-9, S. 930.
  8. Otto-Albrecht Neumüller (Hrsg.): Römpps Chemie-Lexikon. Band 6: T–Z. 8. neubearbeitete und erweiterte Auflage. Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart 1988, ISBN 3-440-04516-1, S. 4234.
  9. E. Sigel, B. P. Lüscher: A closer look at the high affinity benzodiazepine binding site on GABAA receptors. In: Curr Top Med Chem. 11, Nr. 2, 2011 S. 241–246, PMID 21189125.
  10. Hans Walter Striebel: Die Anästhesie: Grundlagen und Praxis. Schattauer Verlag, 2003, ISBN 3-7945-1985-X, S. 36–37.
  11. Claus-Jürgen Estler, Harald Schmidt: Pharmakologie und Toxikologie. 6. Auflage. Schattauer Verlag, 2007, ISBN 978-3-7945-2295-8, S. 201–206.
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