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Carfentanyl

Aus Jewiki
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Strukturformel
Strukturformel von Carfentanyl
Allgemeines
Freiname Carfentanil
Andere Namen
  • 4[(1-Oxopropyl)-phenylamino]-1-(2-phenylethyl)-4-piperidin-carbonsäuremethylester
Summenformel C24H30N2O3
CAS-Nummer
  • 59708-52-0 (Carfentanyl)
  • 61380-27-6 (Carfentanilcitrat)
PubChem 62156
DrugBank DB01535
Eigenschaften
Molare Masse 394,51 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [1]
keine Einstufung verfügbar
H- und P-Sätze H: siehe oben
P: siehe oben
Toxikologische Daten

3,39 mg·kg−1 (LD50Rattei.v.)[2][3]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Carfentanyl (auch Carfentanil) ist eine chemische Verbindung, die sich von dem Opioid Fentanyl ableitet. Die Substanz wird im Gegensatz zu anderen Fentanyl-Derivaten nicht in der (Human-)Anästhesie eingesetzt, sondern in der Veterinäranästhesie (unter dem Handelsnamen Wildnil) zur Betäubung großer Wildtiere wie z. B. Löwen, Elchen, Eisbären usw.

Wirksame Antidote sind Diprenorphin und Naloxon, mit denen die Narkose schnell wieder aufgehoben werden kann.

Einem Bericht der Associated Press zufolge wird Carfentanil in China legal hergestellt und trotz seiner tödlichen Wirkung online in alle Welt verkauft.[4]

Eigenschaften

Carfentanyl gehört mit Fentanyl, Alfentanil, Sufentanil und Remifentanil chemisch zu der Gruppe der 4-Anilinopiperidin-Derivate. Zu letzteren zählen auch eine Reihe von sogenannten Designerdrogen. Carfentanyl zeichnet sich durch eine große therapeutische Breite aus. Sein therapeutischer Quotient (therap. Index) beträgt etwa 10.000 (im Vergleich zu 700 bei Fentanyl). Überdosierungen sind daher prinzipiell leichter zu vermeiden. Es muss dabei wenig Carfentanyl in einer ausreichenden Menge anderer Flüssigkeiten gelöst werden.

Die 4-Anilinopideridin-Derivate sind sogenannte µ- oder OP3-Rezeptoragonisten (Opioidrezeptoren). Als Agonisten sind sie Liganden, die aufgrund ihrer sterischen Struktur an den µ- oder OP3-Rezeptor binden und einen Effekt auslösen.

Die Wirksamkeit von Carfentanyl übersteigt die von Fentanyl erheblich und beträgt je nach Testmethode das 2206-fache (Maus, Hot Plate, i.p.)[5], 7682–10.031-fache (Ratte, Tail Withdrawal, i.v.)[6] bis zum 25.000-fachen (opioidabhängiger Affe)[7] der Potenz des Morphins. Da mit Alfentanil und Sufentanil gut steuerbare hochwirksame Analgetika für die Anästhesie verfügbar waren und die Toxizität von Carfentanyl trotz der großen therapeutischen Breite verhältnismäßig hoch ist, fand die Substanz keine Verwendung in der Humanmedizin.

Carfentanyl wirkt unter analgetisch äquivalenten Dosen stärker hypnosedativ als Fentanyl. Die Schwellendosis von Carfentanyl beim Menschen, bei der erste Effekte wie Analgesie und Sedierung sichtbar werden, liegt im Bereich von etwa 1–2 Mikrogramm, als effektive Dosis können 8–15 Mikrogramm angesehen werden, höhere Dosen wirken stark sedierend und schlafinduzierend. Bei Dosen im Bereich von 50–100 Mikrogramm kommt es zum Bewusstseinsverlust.

Anwendung zur Wildtierbetäubung

Carfentanyl wird vorwiegend zur Betäubung von Wildtieren, meist als Carfentanilcitrat, eingesetzt. Bei Wildziegen etwa bewirkte eine intramuskuläre Dosis von 40 μg/kg ein Einschlafen der Tiere nach 22 ± 4,3 Minuten; die Eliminationshalbwertszeit betrug 5,5 Stunden. Carfentanil besitzt eine bei verschiedenen Tierarten unterschiedlich stark auftretende atemdepressive Wirkung. Sehr empfindlich sind Nashörner und Strauße. Bei der Narkose wird fast generell ein Zweitwirkstoff eingesetzt, um die notwendige Dosis zu verringern und der Atemdepression entgegenzuwirken.[8]

Verwendung als Kampfstoff zur Beendigung der Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater

Carfentanyl war (im Gemisch mit Remifentanil) – vermutlich in Kombination mit dem Inhalationsanästhetikum Halothan – der hauptsächlich wirksame Teil jenes vermeintlichen „Gases“, das zur Befreiung der 800 Geiseln im Moskauer Dubrowka-Theater im Oktober 2002 eingesetzt wurde, wobei 129 Geiseln den Tod fanden.

Bei Aufnahme narkotisch wirkender Dosen Carfentanyl über Schleimhäute oder durch Einatmen von staubförmiger Substanz setzt die Wirkung beim Menschen im Zeitraum von etwa 10–30 Sekunden ein. Erste Symptome sind Schwindel- und Ohnmachtsgefühl und eine weitgehende Bewegungsunfähigkeit auf Grund einer ausgelösten Muskelrigidität, wenige Sekunden später erlischt das Bewusstsein.

Ein Labor in Porton Down, Großbritannien, konnte an der Kleidung von Betroffenen Spuren von Carfentanyl und Remifentanil nachweisen sowie einen Metaboliten (nor-Carfentanil) in Urinproben.[9] Das ultrakurzwirkende Remifentanil diente vermutlich eher als Verdünnungsmittel.

Aerosolisierte Form

Aufgrund des hohen Siedepunktes von Carfentanyl muss es sich eher um ein Aerosol-Gas-Gemisch gehandelt haben als um eine „echte“ gasförmige Verbindung. Dieser Unterschied hat Konsequenzen für die Verteilung der Substanz: Die Konzentration von Carfentanyl und Halothan in den Räumen dürfte sehr unterschiedlich gewesen sein. Außerdem steht zu vermuten, dass die Sicherheitskräfte während der Vorbereitung des Angriffs zu einer eher hohen Dosis griffen, auch im Vertrauen auf die therapeutische Breite und gute Antagonisierbarkeit.

Gründe für Carfentanyl-Verwendung

  • Gründe für die Verwendung von Carfentanyl sind die hohe Potenz und vor allem der schnelle Wirkungseintritt (10–30 Sekunden nach Einatmen).
  • Nach Bekanntwerden der hohen Opferzahlen behaupteten russische Behördenvertreter zur Verteidigung ihres Vorgehens, die verwendete Substanz habe keinesfalls die Todesfälle verursachen können. Dies spricht für ein irrtümlich starkes Vertrauen in die bekannt hohe therapeutische Breite von Carfentanyl, die es gemeinsam mit der hohen Potenz anscheinend zum Mittel der Wahl machte.

Ursachen der Todesfälle

Entgegen der russischen Behördenmeinung ist anzunehmen, dass die meisten der Todesfälle doch auf den Einsatz von Carfentanyl zurückzuführen sind. Als Schädigungsmechanismen kommen u. a. in Frage:

  • schwankende Konzentration: Die individuell aufgenommenen Dosen unterschieden sich erheblich. Dazu trägt der Umstand bei, dass selbst bei gleicher Exposition die aufgenommene Dosis etwa um den Faktor 5 schwanken kann (bei allen Opioiden ähnlich).
  • Atemdepression: Die Hypoxie durch die nach Carfentanyl-Aufnahme verminderte Atmung verschlechtert generell die Chancen auf eine unbeschadete Restitution und schafft eine schlechtere Ausgangslage für eine intensivmedizinische Behandlung auch dann, wenn angemessene Hilfe schnell erfolgt. Die Zeit bis zur Krankenhauseinlieferung betrug im Schnitt jedoch über 20 Minuten nach der Narkotisierung, und die Notärzte waren nicht hinreichend vorbereitet (s.u.). Zudem zeigten Fernsehbilder, dass die Bewusstlosen zum Teil sitzend (statt korrekt gelagert) in Bussen in die Kliniken transportiert wurden.
  • mangelnde Vorbereitung/Information der Kliniken: Die Krankenhäuser in Moskau waren auf Schuss- und Sprengverletzungen vorbereitet, nicht auf Vergiftungsfälle mit einer unbekannten Substanz. Es gab zwar einzelne Informationen an leitende Mitarbeiter von Kliniken, jedoch keine ausreichende Transparenz um eine konsequente Antagonisierung mit Naloxon bei einer derart großen Opferzahl durchführen zu können.

Außerdem muss bedacht werden, dass die große therapeutische Breite bei den verwendeten Versuchstieren nicht ohne Weiteres auf Menschen übertragen werden kann. Das Atemzentrum des Menschen reagiert auf Opioide wesentlich empfindlicher, so dass die therapeutische Breite bei Menschen deutlich geringer ausfällt.

Rechtsstatus

Carfentanyl ist (als Carfentanil) in der Bundesrepublik Deutschland in der Anlage 1 des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt und ist damit ein „nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel“;[10] die Substanz fällt jedoch nicht unter die internationale Konvention über psychotrope Substanzen.[11]

In Deutschland ist kein Tierarzneimittel auf der Basis von Carfentanyl zugelassen.[12]

Literatur

  • Wax P.M., Becker C.E., Curry S.C.: Unexpected „gas“ casualties in Moscow: a medical toxicology perspective. In: Ann Emerg Med. 41. 2003, 700–705. PMID 12712038.
  • Freye E.: Opioide in der Medizin. 6. Aufl. Berlin, Heidelberg, New York, 2004, ISBN 3-540-40812-6.

Einzelnachweise

  1. Diese Substanz wurde in Bezug auf ihre Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  2. Arzneimittel-Forschung / Drug Research. Vol. 26, S. 1548, 1976.
  3. Eintrag zu Carfentanyl in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM).
  4. Chemical weapon for sale: China's unregulated narcotic. AP, 7. Oktober 2016.
  5. ZY Lu et al.: Synthesis and Analgesic Activity of 4-N-Propionyl-Analogs of 4-Methoxycarbonylfentanyl, Acta Pharm. Sinica 1990, 25, 253,
  6. P.G.H. Van Dale et al.: Synthetic Analgesics: N-(1-[2-Arylethyl]-4-substituted 4-Piperidinyl) N-Arylalkanamides Arzneim.-Forsch.1976, 26, 1521; W.F.M. Van Bever et al.: N-4-Substituted 1-(2-Arylethyl)-4-piperidinyl-N-phenylpropanamides, a Novel Series of Extremely Potent Analgesics with Unusually High Safety Margin; De Vos V.: Immobilisation of free-ranging wild animals using a new drug, Vet Rec. 1978 July 22; 103(4): 64–68.
  7. NIDA Res. Mon. 1988, 90, 512.
  8. Eintrag zu Carfentanil bei Vetpharm, abgerufen am 5. August 2012.
  9. J. R. Riches, R. W. Read, R. M. Black, N. J. Cooper, C. M. Timperley: Analysis of clothing and urine from Moscow theatre siege casualties reveals carfentanil and remifentanil use. In: Journal of analytical toxicology. Band 36, Nummer 9, 2012 Nov–Dec, S. 647–656, doi:10.1093/jat/bks078, PMID 23002178.
  10. BtMG Anlage I (zu § 1 Abs. 1) nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel, gesetze-im-internet.de
  11. International Narcotics Control Board: List of psychotropic substances under international control (Memento vom 31. August 2012 im Internet Archive), 23. Ausgabe, August 2003.
  12. vetidata (Stand Februar 2012).
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