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Code civil

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Dieser Artikel behandelt ein französisches Gesetzeswerk. Zum belgischen Code civil siehe Recht Belgiens.
Erstausgabe des Code civil von 1804, erste Seite

Der Code civil (Abkürzung CC oder C. civ.), oft auch Code Napoléon genannt, ist das französische Gesetzbuch zum Zivilrecht,[1] das von Napoleon Bonaparte am 21. März 1804 eingeführt wurde. Mit dem Code civil schuf Napoleon ein bedeutendes Gesetzeswerk der Neuzeit. In Frankreich ist es in wesentlichen Teilen noch heute gültig.

Der Titel lautete ursprünglich Code civil des Français („Zivilgesetzbuch der Franzosen“). Zu Ehren des Kaisers war zwischen 1807 und 1815 Code Napoléon die offizielle Bezeichnung, dann nochmals zwischen 1853 und 1871 unter Napoleon III.

Der Code civil darf nicht mit dem in 1810 erschienenen Code pénal verwechselt werden, in dem das Strafrecht kodifiziert ist. In den von Napoleon besetzten oder beeinflussten Gebieten wurden meist beide und auch die anderen der Cinq codes („fünf Gesetzbücher“) eingeführt, auch wenn meist nur der Code civil erwähnt wird.

Geschichte

Die ersten Entwürfe zu einem Code civil entstanden in Frankreich bereits in den Revolutionsjahren 1793 bis 1797. Im Jahr 1800 berief Napoleon eine vierköpfige Kommission unter der Leitung von Jean-Jacques Régis de Cambacérès, die eine Rechtsvereinheitlichung schaffen sollte. An der Ausarbeitung des Code civil waren insbesondere Jean-Étienne-Marie Portalis (1746–1807), François Denis Tronchet, Félix-Julien-Jean Bigot de Preameneu (1747–1825) und Jacques de Maleville (1741–1824) maßgeblich beteiligt.

Bis dahin galt im Süden Frankreichs das römisch-französische Recht (als droit écrit genannt), das gemeine Recht französischer Prägung mit manchem Zopf, im Norden überliefertes Gewohnheitsrecht (droit coutumier), sowie für wenige Jahre ein Übergangsrecht der Französischen Revolution. Ziel der Kommission war es, eine Verbindung von kodifiziertem Recht und Gewohnheitsrecht und – vor allem – dem revolutionären Recht herzustellen. Das Gedankengut der Französischen Revolution zeigt sich vor allem im Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz, dem Schutz und der Freiheit des Individuums und des Eigentums und der strikten Trennung von Kirche und Staat. Ein fünfbändiges Werk des Anwalts Jean Domat gilt als wichtige Quelle für den Code civil. Neben dem Einfluss von Domat ist aber auch der von Robert-Joseph Pothier nicht zu unterschätzen, dessen Werk zeitlich näher an der Entstehung des Code civil liegt als das von Domat.

Geltungsbereich

Das Gesetzbuch wurde auch in anderen durch Frankreich in der Zeit von 1807 bis 1814 dominierten Staaten eingeführt (z. B. dem Königreich Westphalen, dem Herzogtum Warschau, im Königreich der Niederlande und dem Königreich Italien).

In Deutschland galt der Code unmittelbar in den von Frankreich mit dem Frieden von Lunéville 1801 annektierten linksrheinischen Gebieten (Département de la Roer, Département de la Sarre, Département de Rhin-et-Moselle, Département du Mont-Tonnerre) und in den 1811 in das Imperium einverleibten nordwestdeutschen Gebieten (Département des Bouches de l’Elbe, Département des Bouches du Weser, Lippe-Département und Département Ems-Oriental). In einigen Rheinbundstaaten (Königreich Westphalen, Herzogtum Arenberg-Meppen, Großherzogtum Frankfurt, Großherzogtum Berg, Herzogtum Anhalt-Köthen) wurde er ohne große Änderung eingeführt; in anderen teilweise in veränderter Gestalt, wie etwa im Großherzogtum Baden als „Badisches Landrecht“. In wieder anderen Staaten blieb es bei Entwürfen, so im Königreich Bayern und im Herzogtum Nassau.

In den seit dem Frieden von Campo Formio 1797 zu Frankreich gehörenden Gebieten Luxemburg und Belgien[2] blieb der Code auch nach deren späterer Unabhängigkeit in Geltung.

In der Schweiz galt der Code civil im Gebiet des Kanton Genf (bis 1912) und im Berner Jura zunächst unmittelbar. Er lag oder liegt auch den Zivilgesetzbüchern der Kantone Neuenburg, Waadt, Freiburg, Wallis und Tessin zugrunde.

Binnen weniger Jahre galt er von Lissabon bis Warschau und von Holland bis zur Küste der Adria. Mit der Niederlage Napoleons bei Waterloo wurde seine erfolgreiche Verbreitung keineswegs gebremst: Vor allem in West- und Südeuropa (1865 Rumänien), aber auch in Nord- und Südamerika (1808/1825/1870 Louisiana, 1825 Haiti, 1830 Bolivien, 1845 Dominikanische Republik, 1866 Niederkanada, 1867 Québec, 1869 Argentinien, 1870 Mexiko, 1876 Paraguay) oder Afrika (1875 Ägypten, auch im Magreb und den ehemaligen französischen Kolonien) orientierten sich die Gesetzbücher am Code civil. Zwar stellten einige auf revolutionären Wurzeln beruhende Regelungen zugleich auch Schwächen dar: Der gleiche Erbanspruch aller Kinder führte in vielen Gegenden zur Teilung des Grundbesitzes in unrentable Parzellen; Frauen wurden einem männlichen Vormund unterstellt und damit schlechter gestellt als zuvor; die (nun staatlich garantierte) Ehescheidung bevorteilte einseitig den Mann. Dennoch war ein besseres, im Geist der Aufklärung geschriebenes, Gesetzeswerk in Deutschland lange nicht in Sicht – auch das Preußische Allgemeine Landrecht (ALR) war dem Code civil nicht ebenbürtig.

Weitergeltung als „Rheinisches Recht“ in deutschen Ländern

Räumlicher Geltungsbereich in Deutschland zum Ende des 19. Jahrhunderts (violett gefärbt)

Nach der Niederlage Napoleons galt der Code in vielen deutschen Gebieten (insbesondere am linken Rheinufer) zunächst fort. In Preußen wurde das ALR lediglich in den rechtsrheinischen altpreußischen Gebieten zum 1. Januar 1815 wieder eingeführt (nicht jedoch im linksrheinischen altpreußischen Teil des Herzogtums Kleve und in der altpreußischen Grafschaft Moers). Aufgrund der Empfehlung einer sog. Rheinischen Immediat-Justiz-Kommission verordnete 1818 Friedrich Wilhelm III., dass die in den Rheinprovinzen bestehende Gesetzgebung im Wesentlichen beibehalten werden sollte.

Deutsche Ausgabe des Code civil, Museum Hambacher Schloss

Während des 19. Jahrhunderts galt der Code in Deutschland als sogenanntes „Rheinisches Recht“ daher weiter, insbesondere:

Als 1843 eine preußische Strafrechtsreform anstand, vereinigten sich Bürger der Rheinprovinz im Köln-Düsseldorfer Verbrüderungsfest und demonstrierten ihr Interesse an der Beibehaltung des Rheinischen Rechts.

Ab 1871 kam als Geltungsgebiet das Reichsland Elsass-Lothringen (Obergericht Colmar) hinzu.

Nach 1871 gehörte etwa ein Sechstel des Reichsgebiets zum Anwendungsbereich des „rheinischen Rechts“. Beim Reichsgericht in Leipzig galt ab 1879 der zweite Zivilsenat als „Rheinischer Senat“.

Ablösung durch das BGB

Erst 1900 wurde der Code civil dort, wo er im Deutschen Reich noch galt, vom Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) abgelöst.

Als Partikularrecht konnten Teile des Code civil in einigen deutschen Gebieten fortgelten. So galt bis zum Erlass der Nachbarrechtsgesetze in Nordrhein-Westfalen vom 15. April 1969 und in Rheinland-Pfalz vom 1. Januar 1971 gebietsweise weiter das Nachbarschaftsrecht des Code civil. Auf alte Rechtsverhältnisse ist manchmal heute noch das im Zeitpunkt ihrer Entstehung geltende frühere Recht anzuwenden, so griff etwa noch 2008 das OLG Zweibrücken in einem Wegerechtsstreit in der ehemaligen bayerischen Pfalz auf altrechtliche Regelungen des Code civil zurück.[3]

Am längsten – bis zum Ersten Weltkrieg – blieb der Code civil in Neutral-Moresnet (der heutigen belgischen Gemeinde Kelmis) in Kraft, das nach dem Wiener Kongress wegen seiner Erzlagerstätte zwischen Preußen und Belgien umstritten war. Hier galt eine provisorische Regelung, die erst mit dem Einmarsch der deutschen Truppen 1914 endete.

Inhalt

Maximen

Gemäß den wesentlichen Forderungen der Französischen Revolution (Liberté, Egalité, FraternitéFreiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) – garantierte der Code civil allen männlichen Bürgern:

Aufteilung und Gliederung

Der Code civil war bei seinem Inkrafttreten 1804 in drei Bücher unterteilt:

  • Livre Ier: Des personnes / Über die Personen (Art. 7–515-8 Code civil)
  • Livre II: Des biens et des différentes modifications de la propriété / Von den Sachen und den verschiedenen Beschränkungen des Eigentums (Art. 516–710 Code civil)
  • Livre III: Des différentes manières dont on acquiert la propriété / Von den verschiedenen Arten, das Eigentum zu erwerben (Art. 711–2283 Code civil)

Den drei Büchern ist ein titre préliminaire ("De la publication, des effets et de l’application des lois en général / Von der Veröffentlichung, der Wirkung und der Anwendung der Gesetze", Art. 1–6 Code civil) vorangestellt, der das Inkrafttreten, grundlegende Prinzipien (Rückwirkungsverbot, Justizverweigerungsverbot, Unwirksamkeit sittenwidriger Rechtsgeschäfte) und Kollisionsnormen (Internationales Privatrecht) enthält. Im Jahr 2002 wurde, systematisch an fragwürdiger Stelle, ein viertes Buch ("Dispositions applicables à Mayotte / Auf Mayotte anwendbare Vorschriften", Art. 2284–2285 Code civil) angehängt, welches die Anwendung des Code civil auf das Übersee-Territorium Mayotte regelt. Durch ordonnance vom 23. März 2006 wurde dieses Buch durch ein neues viertes Buch über Sicherheiten (sûretés) ersetzt, so dass der Code heute aus folgenden fünf Büchern besteht:

  • Titre préliminaire: Art. 1 bis 6
  • Livre premier. Des personnes: Art. 7 bis 515-8 (enthält das Familienrecht und einige nicht klassische Zivilrechtsbereiche wie das Staatsangehörigkeitsrecht)
  • Livre deuxième. Des biens et des différentes modifications de la propriété: Art. 516 bis 710 (enthält das Sachenrecht)
  • Livre troisième. Des différentes manières dont on acquiert la propriété: Art. 711 bis 2283 (enthält das Erbrecht, Teile des Eherechts und Schuldrecht)
  • Livre quatrième. Des sûretés: Art. 2284 bis 2488
  • Livre cinquième. Dispositions applicables à Mayotte: Art. 2489 bis 2534

Diverses

In Frankreich sind von den jetzt gültigen 2.285 Artikeln des Code civil noch 1.200 in Übereinstimmung mit dem Urwerk. Eine umfassende Reform des Gesetzbuches ist aber schon seit einigen Jahren im Gespräch. Der Grund der Verzögerung war die Hoffnung der Schaffung eines europäischen Zivilgesetzbuches.

In 22 Staaten wurde im Jahr 2004 das 200-jährige Jubiläum des Code civil öffentlich gefeiert.

Zitate

„Ich gebe Ihnen sechs Monate; macht mir einen Code civil!“

Napoleon Bonaparte: Arrêté consulaire vom 24. Thermidor des Jahres VIII (13. August 1800)

„Mein Ruhm ist nicht der Sieg in vierzig Schlachten […] Waterloo wird die Erinnerung an so viele Siege auslöschen. Was aber durch nichts ausgelöscht werden wird, was ewig leben wird, das ist mein Code civil.“

Napoleon Bonaparte: Ausspruch auf St. Helena im September 1816[4]

„Als ich Die Kartause von Parma schrieb, las ich jeden Morgen zwei oder drei Seiten des Code civil, um mich einzustimmen.“

Stendhal: Brief an Honoré de Balzac vom 30. Oktober 1840

Siehe auch

Literatur

  • Kodex Napoleon, übersetzt von F. Lassaulx, Pauli und Comp., Koblenz 1807, (Digitalisat der ULB Düsseldorf)
  • Alfons Bürge: Das französische Privatrecht im 19. Jahrhundert – zwischen Tradition und Pandektenwissenschaft, Liberalismus und Etatismus, 2. Auflage, Klostermann, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-465-02815-5
  • Elisabeth Fehrenbach: Der Einfluß des "Code Napoléon" auf das Rechtsbewußtsein in den Ländern des rheinischen Rechts. In: Joseph Jurt (Hrsg.): Wandel von Recht und Rechtsbewußtsein in Frankreich und Deutschland. Berlin-Verlag, Berlin 1999, ISBN 3-87061-806-X, S. 133-141.
  • Barbara Dölemeyer, Heinz Mohnhaupt und Alessandro Somma (Hrsg): Richterliche Anwendung des Code civil in seinen europäischen Geltungsbereichen außerhalb Frankreichs. Klostermann, Frankfurt am Main 2006, ISBN 978-346-503456-8 (= Rechtsprechung, Band 21).
  • Elisabeth Fehrenbach: Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht – die Einführung des Code Napoléon in den Rheinbundstaaten. Göttingen 1974, ISBN 3-525-35964-0
  • Murad Ferid, Hans Jürgen Sonnenberger: Das französische Zivilrecht, Band 1–4, 2. Aufl., Heidelberg 1993 ff.
  • Thomas Gergen: Le Code civil en Allemagne: genèse et rôle du Code civil en Bade (1809), in: C. Witz: Le Bicentenaire du Code civil – 200 Jahre Code civil. Saarbrücker Kolloquium zum 50-jährigen Bestehen des CJFA, Baden-Baden 2006, S. 39-55, ISBN 3-8329-1749-7
  • Jan Jelle Kähler: Französisches Zivilrecht und französische Justizverfassung in den Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815). Lang, Frankfurt am Main 2007, ISBN 3-631-55876-7.
  • Laurent Pfister: Zweihundertjähriges Jubiläum des Code civil. Skizze einer strukturierten rechtshistorischen Bibliographie. In: Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte 31 (2011), S. 241-283. ISSN 0250-6459.
  • Hans-Jürgen Puttfarken, Judith Schnier: Der Code Napoléon damals und heute – eine Betrachtung aus deutscher Sicht. In: Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft (ZVglRWiss), 105. Bd. (2006), S. 223-242
  • Werner Schubert (Hrsg.): 200 Jahre Code civil. Die napoleonische Kodifikation in Deutschland und Europa. Böhlau, Köln 2005. ISBN 3-412-35105-9.
  • Werner Schubert (Hrsg.): Französisches Recht in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Zivilrecht, Gerichtsverfassungsrecht und Zivilprozessrecht. Böhlau, Köln 1977, ISBN 3-412-04976-X
  • Eckhard Maria Theewen: Napoleons Anteil am Code civil, Duncker & Humblot, Berlin 1991, ISBN 3-428-07048-8 In: Schriften zur europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte. Band 2 (Zugleich Dissertation an der Universität zu Köln, 1989)
  • Hans-Joachim Vergau: Der Ersatz immateriellen Schadens in der Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts zum französischen und zum deutschen Deliktsrecht, Universitätsverlag Potsdam 2006 ISBN 3-939469-38-6
  • Karl D. Wolff (Hrsg.): Code Napoléon – Napoleons Gesetzbuch. Stroemfeld Verlag, Frankfurt/M. 2001, ISBN 3-87877-573-3, (Faksimile der Ausgabe Straßburg 1808).

Weblinks

Wiktionary: Code civil – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Zur Bedeutung in anderen Ländern

Einzelnachweise

  1. Duden online: Code civil
  2. Der französische Code civil wurde in Belgien am 21. März 1804 eingeführt (Publikation am 3. September 1807, in-Kraft-treten am 13. September 1807), Gesetz No: 1804032150. Der Belgische Code civil hat im flämischen Teil Belgiens die Bezeichnung: "Burgerlijke Wetboek". Der belgische Code civil hat bis heute einen, dem französischen Code civil sehr ähnlichen, Aufbau.
  3. OLG Zweibrücken, Az.: 7 U 9/08; ähnlich OLG Zweibrücken, Az.: 3 W 79/03; vgl. auch OLG Köln Az.: 27 U 223/92 u. a.
  4. Vgl. Charles-Tristan de Montholon: Récits de la captivité de l’empereur Napoléon à Sainte-Hélène, Bd. I, Paris: Paulin 1847, S. 401
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