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Diuretikum
Ein Diuretikum (Mehrzahl: Diuretika; altgriechisch δι-ουρητικός di-uretikós „den Urin befördernd“, von di[o]ureîn „harnen“; zu οὖρον uron „Urin, Harn“) ist ein Arzneimittel, das eine vermehrte Ausschwemmung von Urin (Diurese) aus dem menschlichen oder tierischen Körper durch eine verstärkte Harnerzeugung in den Nieren bewirkt. Alle Diuretika hemmen die tubuläre Reabsorption.[1][2] Wenn diese tubuläre Rückresorptionsquote zum Beispiel von 99 % auf 98 % verkleinert wird, dann verdoppelt sich die Urinproduktion von 1 auf 2 Prozent des Primärharns.[3]
Die meisten Diuretika sind Saluretika; sie wirken durch Hemmung der Rückresorption von Natrium im Tubulus; der resultierende Salzverlust (Salurese) ist dabei als Eingriff in den Volumenhaushalt therapeutisch gewünscht. Zur Therapie von osmotischen Störungen existieren daneben mit den Aquaretika (Vasopressin-Antagonisten) Diuretika, die allein die Ausscheidung von Wasser (Aquarese) fördern. Umgangssprachlich werden Diuretika in Tablettenform auch Entwässerungstabletten oder kurz Wassertabletten genannt. Pflanzliche Arzneimittel[4] haben neben den chemisch-synthetisch hergestellten Arzneistoffen nur eine untergeordnete therapeutische Bedeutung.
Geschichte
Als die ersten wirksamen Diuretika waren die Purine bekannt. Zu diesen gehören Coffein, Theophyllin und Theobromin. Letzteres wurde zum ersten Mal von Albert Knoll aus Kakaoschalen extrahiert. Daraus entwickelte dessen Firma 1889 das Theobrominpräparat Diuretin. Nachfolgend synthetisierte 1902 Byk Gulden das Theophyllin-haltige Theocin, welches 1908 mit Ethylendiamin zusammen versetzt wurde (Euphyllin).
Fast zeitgleich entdeckte man die Quecksilber-Diuretika: Das erste industriell bedeutsame Präparat war das von der Bayer AG im Jahre 1917 eingeführte Novasurol (Merbaphen). Von 1920 bis 1961 wurden zahlreiche Quecksilberpräparate auf ihre diuretische Wirkung untersucht. Einige davon wurden in die Therapie eingeführt, zum Teil auch in Kombination mit den Purinen.
Als erstes Sulfonamid-Diuretikum gilt der Carboanhydrasehemmer Acetazolamid. Dieses wurde ab 1950 von der Firma Lederle vertrieben. Der Nachweis des Diuretikums Acetazolamid bei einem Eisschnellläufer aus Japan stellte den ersten Dopingfall bei der Winterolympiade 2018 dar.[5] 1957 entdeckten die Chemiker Frederick Novello und John Baer sowie der Pharmakologe Karl Heinz Beyer die neue Klasse der Thiaziddiuretika. Das erste gelangte schon 1959 als Chlorthiazid auf den Markt. Im selben Jahr veröffentlichte die Ciba AG das potentere Hydrochlorothiazid (Esidrix). Bei der Forschung weiterer Thiaziddiuretika entdeckten Roman Muschaweck und der Chemiker Paul Hajdu das Schleifendiuretikum Furosemid (Lasix), das bis heute noch der Goldstandard der Diuretika-Therapie ist.
Nachfolgend wurden zwischen 1959 und 1966 als kaliumsparende Diuretika der Aldosteronantagonist Spironolacton und die zyklischen Amidinderivate Triamteren und Amilorid entwickelt.[6]
Ein besonderes diuretisches Therapieprinzip ist seit etwa 1985 die sequenzielle Nephronblockade.
Einteilung der Diuretika
Je nach Angriffsort und Wirkungsmechanismus lassen sich die Diuretika in verschiedenen Gruppen einteilen:
- Schleifendiuretika hemmen reversibel den Na+/2Cl−/K+-Carrier am dicken Teil der aufsteigenden Henleschen Schleife und dadurch die tubuläre Rückresorption dieser Ionen. Substanzbeispiele: Furosemid, Torasemid, Bumetanid, Etacrynsäure, Piretanid.
- Thiaziddiuretika wirken über mehrere Mechanismen wie die reversible Hemmung des Na-Cl-Cotransports am frühdistalen, luminalen Tubulus, wie die Hemmung der Carboanhydrase und wie die Verminderung der glomerulären Filtrationsrate. Substanzbeispiele: Hydrochlorothiazid (HCT), Chlorthalidon, Xipamid, Indapamid. Hydrochlorothiazid wird oft als Fixkombination mit anderen Antihypertonika eingesetzt.
- Kaliumsparende Diuretika: solche mit Cycloamidinstruktur blockieren die Na-Kanäle am spätdistalen Tubulus und am Sammelrohr und bewirken dadurch eine Hemmung der Na+-Rückresorption, wodurch es zu einer verminderten K+-Sekretion kommt. Substanzbeispiele: Amilorid, Triamteren. Kaliumsparende Diuretika aus der Gruppe der Aldosteronantagonisten hingegen binden kompetitiv am Aldosteronrezeptor und hemmen dadurch die Na+-Rückresorption und K+-Sekretion. Aldosteronantagonisten sind vor allem angezeigt bei Ödemen, die mit Aszites in Zusammenhang mit Leberzirrhose einhergehen, sowie als Zusatztherapeutikum bei chronischer Herzinsuffizienz. Substanzbeispiele: Spironolacton, Kaliumcanrenoat, Eplerenon.
So gut wie nicht mehr als Diuretika verwendet werden Carboanhydrasehemmstoffe, die die Protonensekretion und die Natriumhydrogencarbonat-Rückresorption blockieren, überwiegend an den proximalen Tubuluszellen. Sie werden noch in der Augenheilkunde zur Glaukombehandlung eingesetzt. Substanzbeispiel: Acetazolamid.
Nur in speziellen Fällen kommen osmotische Diuretika wie Mannit und Sorbit zum Einsatz. In hyperosmolarer Lösung binden sie freies Wasser intravasal. Sie werden intravenös bei drohendem Nierenversagen verwendet.
Pflanzen mit diuretisch wirksamen Inhaltsstoffen
Es gibt eine Reihe von Pflanzen mit diuretisch wirksamen Inhaltsstoffen. Solche sind etwa:
- Acker-Schachtelhalm (Equisetum arvense)
- Dornige Hauhechel (Ononis spinosa)
- Große Brennnessel (Urtica dioica) und die Kleine Brennnessel (Urtica urens)
- Gewöhnliche Goldrute (Solidago virgaurea) und die Riesen-Goldrute (Solidago gigantea)
- Birkenblätter (Betula), hauptsächlich die Hänge-Birke (Betula pendula; Syn.: Betula alba)
- Löwenzahn (Taraxacum)
- Orthosiphonblätter (Orthosiphon stamineus, bzw. aristatus)
Die genannten Pflanzen werden in getrockneter Form (Teedroge) als Bestandteil in Teemischungen zur Bereitung von Heißwasseraufgüssen (Entwässerungs-„Tees“) verwendet. Eine weitere Anwendungsform stellen Fertigextrakte dar, die zu Aufgusspulvern, Tabletten oder Tropfen verarbeitet werden. Die Wirkung ist mild und beruht auf dem Gehalt bestimmter Flavonoide und/oder ätherischer Öle.
Anwendungsgebiete (Indikationen)
Diuretika werden verwendet in der Behandlung von:
- bestimmten Formen der Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
- bestimmten Formen des Bluthochdrucks
- Ödemen (z. B. Lungenödem)
- Wassereinlagerungen bei Leberzirrhose
- bestimmten Formen der Niereninsuffizienz
- Vergiftungen (Ausschwemmung der Giftstoffe über den Harn)
Nebenwirkungen
Diuretika sind im Allgemeinen gut verträglich und haben eine hohe therapeutische Breite. Als mögliche Nebenwirkungen können auftreten:
- Austrocknung durch zu hohen Wasserverlust (Exsikkose)
- Salzmangel
- Hyponatriämie mit Krampfanfällen, Verwirrtheit (selten) und Wadenkrämpfen
- Hypokaliämie mit Herzrhythmusstörungen (gilt nicht für kaliumsparende Diuretika, diese können eine Hyperkaliämie hervorrufen)
- Vermehrte Thromboseneigung bei eingedicktem Blut
- zu niedriger Blutdruck (Hypotonie)
Diuretika stehen auf der Dopingliste.[7]
Weitere Stoffe mit harntreibender Wirkung
Xanthine erhöhen durch Blockade der Adenosinrezeptoren die Durchblutung des Nierenmarks, wodurch es zu einer gesteigerten Bildung von Primärharn kommt. Trotz der harntreibenden Wirkung bewirkt Coffein (enthalten etwa in Kaffee, Tee) keine dauerhafte Entwässerung, da der Körper entsprechend gegensteuert (Rebound-Effekt).[8][9] Der Rebound-Effekt tritt auch bei einigen Diuretika auf, wenn sie als Dauertherapie gegeben werden.[10]
Literatur
- Theodor Dingermann, K. Hiller, G. Schneider, I. Zündorf: Schneider Arzneidrogen. 5. Auflage. Elsevier, 2004, ISBN 3-8274-1481-4.
- Ernst Mutschler, G. Geisslinger, Heyo K. Kroemer, P. Ruth, M. Schäfer-Korting: Arzneimittelwirkungen. Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie, 9. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2008, ISBN 3-80-471952-X.
Einzelnachweise
- ↑ Heinrich Knauf, Ernst Mutschler: "Diuretika", Urban & Schwarzenberg, 2. Auflage, München, Wien, Baltimore 1992, ISBN 3-541-11392-8, Seite 53.
- ↑ Andere Ansicht: Josef Heinzler: "Kurzgefaßte Darstellung der Pharmakologie und Toxikologie mit Arzneiverordnungslehre", 9. Auflage, Eigenverlag Dr. J. Heinzler, München 1973, Seiten 206 bis 212. Er beschreibt die einzelnen Diuretika und unterscheidet dabei die Digitaliswirkstoffe, die Nierendurchblutungsförderer, die Gewebsdiuretika und die Tubulus-Diuretika.
- ↑ Dietrich Höffler: "Diuretika-Therapie in der Praxis", Aesopus Verlag, Basel, Wiesbaden 1982, ISBN 3-87949-080-5, Seite 7.
- ↑ Vgl. dazu Markus Veit: Probleme bei der Bewertung pflanzlicher Diuretika. In: Zeitschrift für Phytotherapie. Band 16, 1994, S. 331–341; und derselbe: Qualitätssicherung pflanzlicher Arzneimittel. In: Deutsche Apotheker-Zeitung. Band 135, Nr. 2, 1995, S. 159–165.
- ↑ Dopingsünder verlässt Olympisches Dorf (Memento vom 19. Februar 2018 im Internet Archive) orf.at, 19. Februar 2018, abgerufen 19. Februar 2018.
- ↑ Wolf-Dieter Müller-Jahncke, Christoph Friedrich, Ulrich Meyer: Arzneimittelgeschichte. 2., überarb. und erw. Aufl Auflage. Wiss. Verl.-Ges, Stuttgart 2005-01-01, ISBN 9783804721135, S. 177f.
- ↑ Diuretika; Maskierungsmittel; Doping; verbotene Substanzen (Memento vom 22. Mai 2012 im Internet Archive), unabhängiges Informationsangebot der Nationalen Anti-Doping Agentur (NADA).
- ↑ Kaffee ist besser als sein Ruf: Neue Ergebnisse entlasten den beliebten Muntermacher, wissenschaft.de (www.wissenschaft.de) (Memento vom 18. Juni 2009 im Internet Archive)
- ↑ Studie: Kaffee entzieht dem Körper kein Wasser (Memento vom 27. Januar 2007 im Internet Archive).
- ↑ Klaus Aktories, Ulrich Förstermann, Franz Hofmann, Klaus Starke: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie, 10, München; Jena: Elsevier, Urban & Fischer 2009, ISBN 978-3-437-42522-6
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