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Feindstaatenklausel

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Die Feindstaatenklausel ist ein Passus in den Artikeln 53 und 107 sowie ein Halbsatz in Artikel 77 der Charta (oder Satzung) der Vereinten Nationen (SVN), wonach gegen Feindstaaten des Zweiten Weltkrieges von den Unterzeichnerstaaten Zwangsmaßnahmen ohne besondere Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat verhängt werden könnten, falls die Feindstaaten erneut eine aggressive Politik verfolgen sollten. Dies schließt auch militärische Interventionen mit ein. Als „Feindstaaten“ werden in Artikel 53 jene Staaten definiert, die während des Zweiten Weltkrieges Feind eines Signatarstaates der UN-Charta waren (also primär Deutschland und Japan – genau genommen das Deutsche Reich und das japanische Kaiserreich).

In der heutigen internationalen Politik spielt die Feindstaatenklausel keine Rolle. Nach ganz herrschender Meinung in der Völkerrechtswissenschaft ist sie (längst[1]) obsolet.[2]

Entstehung und weitere Entwicklung

Die Artikel 53 (Kapitel „Regionale Abmachungen“), 77 (Kapitel „Das internationale Treuhandsystem“) und 107 (Kapitel „Übergangsbestimmungen betreffend die Sicherheit“) SVN entstanden im Jahr 1945 bei der Formulierung der Urfassung der Charta in der Endphase des Krieges, sind jedoch auch noch in der aktuell gültigen Fassung enthalten.

Die 50. Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete 1995 eine Resolution zu Charta-Fragen (Res. 50/52),[3] in der die Feindstaatenklausel aus den Artikeln 53, 77 und 107 als obsolet bezeichnet wurde.[4] Einer Streichung der Klausel käme daher nur noch deklaratorische Wirkung zu.[5] In der 1995 verabschiedeten Resolution war festgelegt, dass die Streichung in einer der nächsten Sitzungen bzw. so früh wie möglich erfolgen sollte („… by the deletion of the ‚enemy State‘ clauses from Articles 53, 77 and 107 at its earliest appropriate future session“). Gleichwohl ist die Situation weiterhin unverändert.

Nach Abschluss des Atomwaffensperrvertrages von 1969 hatten die Vereinigten Staaten von Amerika, das Vereinigte Königreich und Frankreich erklärt, dass Art. 53 und 107 der UN-Charta kein Recht zur gewaltsamen Intervention in Deutschland gewähren.[6] Mit der Sowjetunion und damit auch mit Russland[7] wurde Ähnliches in den Ostverträgen vereinbart.[8] 1994 betonte die Generalversammlung der UNO bereits „wiederholt die Bedeutung der ehemaligen Feindstaaten für die Vereinten Nationen als aktive Träger der VN-Friedensbemühungen.“[9] Das Auswärtige Amt vertritt darüber hinaus die Ansicht, Artikel 53 und 107 seien hinfällig,[10] weil die Alliierten im Zwei-plus-Vier-Vertrag ein Weiterwirken ihrer Besatzungsrechte völkerrechtlich ausgeschlossen haben (Art. 7 Abs. 1).[11]

Da die Feindstaatenklauseln die Anrufung des UN-Sicherheitsrates nicht verbieten, stehen auch bilaterale Vereinbarungen, ehemalige Feindstaaten nicht mehr als solche anzusehen, nicht im Widerspruch zur Satzung der Vereinten Nationen. Aufgrund der völkerrechtlichen Übung und der Übereinkunft mit den früheren Siegermächten ist daher mittlerweile allgemein anerkannt, dass nach dem Verfahren des opinio iuris nunmehr die Grundzüge der Klausel eine andere sind.

Es ist jetzt nur noch die Aufgabe, dieses durch die Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen auszuarbeiten, was gleichwohl zwar noch nicht passierte, aber auch nicht relevant ist.[12]

Nach allgemein gültiger Auffassung ist die Ahndung vor dem Weltsicherheitsrat also durchaus angebracht, denn ohne weitere völkerrechtliche Rechtfertigung kann ein Staat demnach heute nicht mehr die Feindstaaten in der Klausel angreifen, es bedarf daher (neben anderen Hindernissen für einen direkten Angriff) immer der Anrufung des Sicherheitsrates.

Völkerrechtliche Interpretation

Anders als etwa das Recht der Europäischen Union oder anderer supranationaler Organisationen bricht das Völkervertragsrecht nicht das Völkergewohnheitsrecht.[13] Der Internationale Gerichtshof bezieht in seinen Entscheidungen das Gewohnheitsrecht als eine mögliche Quelle ein.[14] Dies ist auch dann der Fall, wenn in Art. 53 der UN-Charta noch etwas anderes oder sogar Gegensätzliches stand. Die betroffenen Staaten haben im Rahmen des Atomwaffensperrvertrages auf die Klauseln verzichtet und bezeichnen sich mittlerweile als befreundete Staaten.

Einzelnachweise

  1. Clemens E. Ziegler: Kosovo-Krieg der Nato 1999 und Irak-Krieg 2003. Völkerrechtliche Untersuchung zum universellen Gewaltverbot und seinen Ausnahmen. Peter Lang, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-631-58021-9, S. 191, Anm. 338.
  2. Christina Binder: Die Grenzen der Vertragstreue im Völkerrecht am Beispiel der nachträglichen Änderung der Umstände (= Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, Band 245). Springer, Heidelberg 2013, ISBN 978-3-642-35093-1, S. 268 f., 298–300 m.w.N.
  3. Resolution 50/52 zu Charta-Fragen (Memento vom 24. August 2011 im Internet Archive)
  4. Die Reformkommission in ihrem Bericht zur UN-Vollversammlung, 5. Dezember 1995.
  5. Josef Isensee/Paul Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII. Die Einheit Deutschlands – Entwicklung und Grundlagen, C.F. Müller, Heidelberg 1995, S. 218.
  6. Vgl. hierzu die Stellungnahme der Außenminister der Westmächte anlässlich der Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages am 28. November 1969, wörtlich in: Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 1970, S. 182, Anm. 15; Werner Trützschler von Falkenstein, Die sich ändernde Bedeutung der Feindstaatenartikel (Artikel 53 und 107 der Satzung der Vereinten Nationen) für Deutschland (= Augsburger Schriften zum Staats- und Völkerrecht; Bd. 5), Herbert Lang, 1975.
  7. Vgl. Wolfgang Graf Vitzthum/Alexander Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 7. Aufl., 2016, Rn. 187.
  8. Näher dazu Gregor Schöllgen, Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 2004, S. 96–108, hier S. 103 ff. A. A. Wilhelm Wengler, in: Juristenzeitung 1970, S. 633.
  9. So Christina Binder, Die Grenzen der Vertragstreue im Völkerrecht, Heidelberg 2013, S. 298. Auch bezeichnete sie die UN-Feindstaatenklauseln in ihrer Resolution 49/58 als gegenstandslos, s. hierzu Binder (2013), S. 300.
  10. Vgl. dazu insbesondere den Wortlaut der offiziellen Übersetzung des Berichts des Sonderausschusses für die Charta und die Stärkung der Rolle der Vereinten Nationen (A/50/642 und Korr. 1) vom 11. Dezember 1995 (Memento vom 24. August 2011 im Internet Archive): „Die Generalversammlung […], in der Erwägung, daß die ‚Feindstaaten‘-Klauseln in den Artikeln 53, 77 und 107 der Charta in Anbetracht der weitreichenden Veränderungen, die in der Welt eingetreten sind, hinfällig geworden sind, […] unter Berücksichtigung des komplexen Prozesses, der mit einer Änderung der Charta verbunden ist, […] bringt ihre Absicht zum Ausdruck, […] das in Artikel 108 der Charta der Vereinten Nationen vorgesehene Verfahren für eine Änderung der Charta, mit in die Zukunft gerichteter Wirkung, durch Streichung der ‚Feindstaaten‘-Klauseln in den Artikeln 53, 77 und 107 einzuleiten […].“ Siehe auch Offizielles Protokoll der Generalversammlung, Fünfzigste Tagung, Beilage 52VIII. Resolutionen aufgrund der Berichte des Sechsten Ausschusses, S. 419–421, hier S. 420 (PDF).
  11. Drei Briefe und ein Staatsgeheimnis, in: Die Zeit, Nr. 21/2009 vom 8. September 2009.
  12. Ausarbeitung eines Fragenkatalogs zum Völkerrecht von Thomas Wana (PDF), abgerufen am 31. März 2014.
  13. Hanspeter Neuhold, Waldemar Hummer, Christoph Schreuer: Österreichisches Handbuch des Völkerrechts. 4. Aufl., Wien 2005, ISBN 3-214-14913-X.
  14. IGH-Statut (Memento vom 29. Juni 2011 im Internet Archive)

Weblinks

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Feindstaatenklausel aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.