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Geschichte der Juden in Ronnenberg

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Die Geschichte der Juden in Ronnenberg beginnt im Jahre 1758 mit der Ersterwähnung eines Juden in Ronnenberg.

Geschichte

Früheres Wohnhaus von Siegfried Seligmann, in dem sich im Obergeschoss der jüdische Betsaal befand, heute Standesamt

Aus dem Jahr 1758 ist ein Dokument überliefert, in dem erwähnt wird, dass es in Ronnenberg einen Juden gibt. Er hatte sich über den zunehmenden Handel seiner Glaubensbrüder aus der Synagogengemeinde Gehrden beschwert. Sein Name ist nicht bekannt. Erstmals namentlich überliefert ist der aus Demmelsdorf bei Bamberg stammende Jude Samuel Aron Seligmann (geboren 1764). Er erhielt 1794 einen Schutzbrief und durfte sich um 1800 in Ronnenberg niederlassen. Seligmann hatte mit seiner jüdischen Ehefrau Betty aus Gehrden sechs Kinder. Er war Hausierer und Schlachter und vertrieb Stoffe. Im 19. Jahrhundert waren seine Nachfahren als Viehhändler, Schlachter und Konfektionswarenhändler im Ort tätig. Im Jahr 1816 lebten zehn Juden in Ronnenberg, darunter acht Angehörige der Familie Seligmann. Seit 1833 gehörten die Ronnenberger Juden zur Synagogengemeinde Gehrden. Nachdem ab 1842 Juden im Königreich Hannover keine Schutzbriefe mehr benötigten und sie ab 1848 mit den übrigen Bürgern gesetzlich gleichgestellt waren, integrierten sich die Ronnenberger Juden in die Dorfgemeinschaft. Um 1845 entstand der Jüdische Friedhof Ronnenberg, der bis 1933 belegt wurde. 1871 gab es im Ort 25 jüdische Bewohner. Ein Seligmann-Nachfahre war 1899 Mitbegründer der Freiwilligen Feuerwehr im Ort. Weitere Nachfahren war als Soldaten Teilnehmer des Ersten Weltkriegs. Nach dem Krieg richtete die Synagogengemeinde Ronnenberg eine Synagoge (Betsaal) im Wohnhaus des jüdischen Bewohners Siegfried Seligmann ein.[1] Heute befindet sich darin das Standesamt.[2] 1925 gab es 36 jüdische Bewohner im Ort, die einen Anteil von 1,66 % an der Bevölkerung hatten. Sie lebten größtenteils in eigenen Häusern und waren als Großhändler, Geschäftsleute und Ärzte der gehobenen Mittelschicht zuzurechnen. Insgesamt wird die Zahl der Juden, die zwischen 1790 und bis zum Exodus in den 1930er Jahren in Ronnenberg gelebt haben, auf 150 geschätzt.

Kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 setzten in Ronnenberg Drangsalierungen gegenüber jüdischen Bewohnern und ihren Geschäften ein. Sie begannen am 1. April 1933 mit dem Judenboykott, als auswärtige SA-Posten Kunden am Betreten jüdischer Geschäfte hinderten. Bis zum Erlass der Nürnberger Rassengesetze 1935 blieben die Kunden den Geschäften weitgehend treu. Außerdem gab es wirtschaftliche und gesellschaftliche Sanktionen, in dem Juden Lieferverträge gekündigt und sie aus Vereinen ausgeschlossen wurden sowie das Schwimmbad nicht mehr nutzen durften. Dem jüdischen Arzt im Ort wurden nach der Verordnung über die Zulassung von Ärzten die Kassenzulassung entzogen. Durch die vielfältigen antijüdischen Rechtsvorschriften wurde den Ronnenberger Juden zunehmend die wirtschaftliche Grundlage entzogen, so dass sich viele ab 1937 zur Emigration entschlossen. Vorrangige Ziele waren die USA und Südamerika. Ihr Besitztum mussten die Emigranten größtenteils zurücklassen, weil es eingezogen, eingefroren, zwangsentrichtet oder versteigert wurde (Siehe: Reichsfluchtsteuer).

Bei den Novemberpogromen von 1938 kam es in Ronnenberg, vermutlich auf Weisung des NSDAP-Ortsgruppenleiters, zu keinen materiellen Schäden. Es wurden jedoch fünf jüdische Männer verhaftet und in das KZ Buchenwald deportiert. Nach mehrwöchiger Haft wurden die Betroffenen mit der Androhung entlassen, erneut inhaftiert zu werden, wenn sie Deutschland nicht umgehend verlassen. Das verstärkte die Ausreisebemühungen der 16 verbliebenen Juden in Ronnenberg. Fünf Bewohner waren 1939 bei ihrer Flucht Teilnehmer der Irrfahrt der St. Louis und kamen bei der Rückkehr des Schiffs nach Brüssel. Anschließend gelang drei Personen die Flucht in die USA während zwei Personen nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet wurden. Die letzte jüdische Bewohnerin emigrierte 1939 aus Ronnenberg. Insgesamt kamen drei jüdische Bewohner aus Ronnenberg im Holocaust ums Leben. Weitere 10 Personen, die in Ronnenberg geboren wurden, aber nicht mehr im Ort lebten, kamen ebenfalls im Holocaust ums Leben.

Erinnerung

Gedenkort in Ronnenberg, im Hintergrund der Jüdische Friedhof Ronnenberg
Gedenktafel am früheren Wohnhaus von Siegfried Seligmann

Das Heimatmuseum Ronnenberg präsentiert in einem Ausstellungsbereich die jüdische Geschichte des Ortes und zeigt das damalige jüdische Familienleben in Ronnenberg.[3]

Der Förderverein Erinnerungsarbeit Ronnenberg (FER) führt regelmäßig Kulturveranstaltungen zum Judentum und einen Rundgang durch das jüdische Ronnenberg durch. Dazu erstellte er im Jahr 2014 einen Faltplan mit dem Titel „Rundgang durch das Jüdische Ronnenberg“.[4]

Im Gedenken an die Ronnenberger Juden wurden 25 Stolpersteine seit 2005 verlegt (Siehe: Liste der Stolpersteine in Ronnenberg). Ronnenberg war die erste Kommune in der Region Hannover, in der Stolpersteine verlegt wurden.

2008 verlieh die Stadt Ronnenberg dem Holocaust-Überlebenden Fritz G. Cohen (Chicago) wegen seiner Verdienste zur Verständigung die Ehrenbürgerwürde.

Im Jahr 2013 richtete die Stadt für die ermordeten und vertriebenen Jüdinnen und Juden aus Ronnenberg einen Gedenkort mit einer Stele und einer erläuternden Texttafel ein. Die Stele wurde am 9. November 2013, dem Jahrestag der Novemberpogrome von 1938, aufgestellt. Der Gedenkort befindet sich gegenüber dem jüdischen Friedhof auf dem Areal des früheren Ronnenberger Friedhofs. Die Stele nennt die Namen der 22 Bewohner, die zwischen 1937 und 1939 vertrieben wurden und die Namen der 13 jüdischen Bürgerinnen und Bürger, die zwischen 1941 und 1944 im Holocaust umkamen.

Der Journalist Peter Hertel und seine Frau Christiane Buddenberg-Hertel konzipierten im Jahr 2013 eine Wanderausstellung mit dem Titel „Eingeprägt in unser Gedächtnis – Die Juden von Ronnenberg“.[5] Die Ausstellung zeigt als Fallbeispiel die komplette Vertreibung einer jüdischen Gemeinschaft aus einer deutschen Gemeinde mittlerer Größe. Gezeigt wurde sie bisher in Schulen im Calenberger Land und im angrenzenden Westfalen.[6]

Peter Hertel und Christiane Buddenberg-Hertel pflegen Kontakt mit den aus Ronnenberg vertriebenen jüdischen Bewohnern und ihren Nachkommen. 2017 und 2018 besuchten sie die letzten drei noch lebenden Bewohner in Brasilien, Israel sowie den USA und führten Zeitzeugen-Videogespräche mit ihnen. Dabei erhielten sie über 200 Gegenstände und Dokumente der Vertriebenen, die in einem vom Rat der Stadt Ronnenberg beschlossenen Lern- und Gedenkort ausgestellt werden sollten. Es handelt sich unter anderem um einen Reisekoffer aus Sperrholz, eine Schreibmaschine, Likörgläser sowie schriftliche Dokumente und Fotos.[7]

Im Jahr 2022 nahmen 17 Jüdinnen und Juden aus Deutschland, England, Israel und den USA als Nachfahren der verfolgten Ronnenberger Juden an einer Kulturveranstaltung in der Marie-Curie-Schule teil.[8] Unter dem Motto „180 Jahre jüdisches Leben in Ronnenberg“ wurde an das Schicksal ihrer Familien erinnert.[9]

Literatur

  • Claus Füllberg-Stolberg: Die Rolle der Oberfinanzbehörden bei der Vertreibung der Juden: Familie Seligmann aus Ronnenberg bei Hannover. In: zeitenblicke. 3, 2004, Nr. 2 vom 13. September 2004 (zeitenblicke.historicum.net).
  • Peter Hertel: Die Juden von Ronnenberg. In: Peter Hertel u. a. (Hrsg.): Ronnenberg. Sieben Traditionen – Eine Stadt. Ronnenberg 2010, S. 155–165
  • Peter Hertel: Die Juden von Ronnenberg – Teil 1: 1700–1933. Hrsg.: Stadt Ronnenberg, Schriften zur Stadtentwicklung, Band 4, Ronnenberg 2012.
  • Peter Hertel: Die Juden von Ronnenberg – Teil 2: 1933–1939. Hrsg.: Stadt Ronnenberg, Schriften zur Stadtentwicklung, Ronnenberg 2012.
  • Peter Hertel, Christiane Buddenberg-Hertel: Die Juden von Ronnenberg. Eine Stadt bekennt sich zu ihrer Vergangenheit. Hrsg.: Region Hannover, Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2016, ISBN 978-3-7752-4903-4.
  • Förderverein Erinnerungsarbeit Ronnenberg (FER): Stolpersteine in Ronnenberg, Ronnenberg 2019 (Hrsg: Christiane Buddenberg-Hertel/Peter Hertel).
  • Peter Hertel/Christiane Buddenberg-Hertel: 180 Years of Jewish Life in Ronnenberg - Bebilderte Übersicht zum Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, Hrsg.: Förderverein Erinnerungsarbeit Ronnenberg (FER), Ronnenberg 2022.

Weblinks

 Commons: Geschichte der Juden in Ronnenberg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Uwe Kranz: Naziterror: Koffer von Heinz Seligmann kehrt zurück In: Hannoversche Allgemeine Zeitung. 5. April 2018.
  2. „Ronnenberger Synagoge“ im heutigen Standesamt con-nect.de, 15. Oktober 2018.
  3. 6. Sitzung des Ausschusses für Finanzen, Steuerung, Stadtentwicklung und Gebäudewirtschaft am 18. Oktober 2017 im Ratsinformationssystem Stadt Ronnenberg.
  4. Uwe Kranz: Besucher wandeln auf jüdischen Spuren In: Hannoversche Allgemeine Zeitung. 15. Oktober 2018.
  5. Das Schicksal der Juden von Ronnenberg bei synagoge-petershagen.de vom 20. Januar 2015.
  6. Förderverein Erinnerungsarbeit Ronnenberg: Die Ronnenberger Juden (1758-1939). Festjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«. von 2021 (PDF; 2,2 MB).
  7. Ronnenberger Juden: 200 Exponate für die Wanderausstellung bei con-nect.de vom 18. Oktober 2018.
  8. „180 Jahre jüdisches Leben in Ronnenberg“ – Kulturveranstaltung in der Marie-Curie-Schule bei con-nect.de vom 5. Mai 2022.
  9. Besuch von Nachkommen Ronnenberger Jüdinnen und Juden bei Marie-Curie-Schule vom 17. Mai 2022.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Geschichte der Juden in Ronnenberg aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.