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Gottbegnadeten-Liste

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Die Gottbegnadeten-Liste war eine 1944, in der Endphase des Zweiten Weltkrieges, vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels und Adolf Hitler zusammengestellte, 36 Seiten umfassende Liste, in der 1041 Künstler aufgeführt waren, die dem NS-Regime wichtig erschienen. Der Name beruht auf dem Aktentitel der Liste[1][2] und ist folglich der offizielle, vom Reichsministerium verwendete Ausdruck.

Allgemeines

Schon zu Beginn der Zeit des Nationalsozialismus gab es Listen verfemter oder erwünschter Künstler. Kurz vor dem mit dem Polenfeldzug beginnenden Zweiten Weltkrieg hatte Joseph Goebbels eine Liste von für den NS-Staat unverzichtbaren Kulturschaffenden angelegt, um sie von einem Einzug zur Wehrmacht zu befreien. Auf Anordnung Hitlers wurden erwünschte Künstler wie Schriftsteller, Bildhauer, Architekten, Maler, Sänger, Musiker und Schauspieler im Oktober 1939 als unabkömmlich vom Fronteinsatz freigestellt, um sich hauptsächlich der NS-Propaganda widmen zu können. Dies galt aber nur bis auf Widerruf und wurde daher von Zeit zu Zeit überprüft.[3]

Ernst Lothar von Knorr erstellte 1941 in seiner Rolle als Musikreferent des Oberkommandos des Heeres zusammen mit dem General und späteren Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 Eduard Wagner eine weitere Liste, die von Hitler unterschrieben wurde und eine Freistellung von 360 Musikern bedeutete.[4] Ebenso setzte Knorr verschiedene Musikschaffende als Lehrkräfte an den Heeresmusikschulen ein, wodurch sie vom aktiven Kriegsdienst freigestellt waren.[5] 1941 erstellte auch Hans Severus Ziegler eine eigene Liste für den „Hochbegnadeten Nachwuchs“.[5]

Auswahlkriterien

Als Auswirkung des 1943 verkündeten totalen Krieges wurden in der Endphase des Zweiten Weltkriegs zum 1. September 1944 die Theater geschlossen.[6] Viele Künstler wurden zum Kriegsdienst eingezogen oder an der Heimatfront in der Rüstungsindustrie beschäftigt. Nur eine Minderheit von 1.041 Personen unter den etwa 140.000 Mitgliedern der Reichskulturkammer war davon ausgenommen und wurde auf der Gottbegnadeten-Liste genannt.[7][8] Diese ausgewählten „Gottbegnadeten“ galten zwar trotzdem als dienstverpflichtet, sollten aber nur zu Veranstaltungen im Sinne der Kulturpropaganda und zur Truppenbetreuung herangezogen werden.[9] Hiervon völlig ausgenommen waren die Personen, die „überragendes nationales Kapital“ darstellten und auf Sonderlisten genannt wurden.[10]

Bei der Erstellung der Listen benannte Goebbels vor allem Schauspieler, die er für seine Propagandafilme benötigte. Dies waren insgesamt 280 Schauspieler, 227 Schauspielerinnen, 78 Filmautoren, 18 Filmautorinnen und 35 Filmregisseure.[11]

Hitler wählte für seine „Führerliste“ die in seinen Augen unverzichtbaren Schriftsteller, Komponisten, Musiker, bildenden Künstler und weitere Schauspieler.[12] Darauf aufbauend erstellte Hitler mehrere Sonderlisten, in denen er die unverzichtbaren und in seinen Augen bedeutendsten Künstler unter den „Gottbegnadeten“ nannte.[13][14]

Die vom Kriegseinsatz ausgenommenen Kulturschaffenden erhielten ein Anschreiben mit dem Inhalt, dass der „Herr Reichsminister Sie in seiner Eigenschaft als Präsident der Reichskulturkammer auf Grund Ihrer künstlerischen Leistung vom Wehrmacht- und Arbeitseinsatz freigestellt hat. […] Diese Freistellung, die in Würdigung Ihrer besonderen künstlerischen Fähigkeiten ausgesprochen wurde, geschah unter der selbstverständlichen Voraussetzung, daß Sie sich vorbehaltlos einer umfassenden künstlerischen Betreuung zur Verfügung stellen. […] Ich bitte, dieses Schreiben im Sinne der Maßnahmen des totalen Kriegseinsatzes als Ihre Dienstverpflichtung für die von mir geleitete Künstler-Kriegseinsatzstelle aufzufassen.“[15]

Dieses Anschreiben galt als amtliche Mitteilung, die dem „zuständigen Arbeitsamt vorzulegen“ war.[16]

Regelungen ab Dezember 1944

Als die Niederlage des Deutschen Reiches voraussehbar war, sollten auch die letzten Reserven mobilisiert werden. Aus einem Schreiben des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda vom 30. November 1944 geht hervor, dass die vom Kriegsdienst freigestellten Künstler und sogar die auf den Sonderlisten genannten „Unersetzlichen Künstler“, wie Wilhelm Furtwängler, zum Volkssturm herangezogen werden sollten.[17]

Sonderlisten der „Unersetzlichen Künstler“

Auf der Sonderliste der zwölf wichtigsten bildenden Künstler standen

Auf der Sonderliste der sechs wichtigsten Schriftsteller standen

Auf der Sonderliste mit den drei wichtigsten Musikern des Dritten Reiches standen

Als Bleistifteintragung befanden sich zusätzlich vier Theaterschauspieler auf der Liste:[23]

Weitere „Gottbegnadete“

Abgesehen von den auf den Sonderlisten aufgeführten Personen, standen die übrigen Gottbegnadeten nach Oliver Rathkolb im „Künstlerkriegseinsatz“, sollten aber nicht zum Kriegsdienst herangezogen werden. Auf der sogenannten Führerliste waren neben bildenden Künstlern, Musikern und einigen Schauspielern 15 Schriftsteller, 16 Komponisten und 15 Dirigenten aufgeführt.[25]

Schriftsteller

Zusätzlich zu den Schriftstellern auf der Sonderliste wurden folgende Namen genannt: [25]

  1. Hans Friedrich Blunck (1888–1961)
  2. Bruno Brehm (1892-1974)[26]
  3. Hermann Burte (1879–1960)
  4. Friedrich Griese (1890–1975)
  5. Gustav Frenssen (1863–1945)
  6. Hans Grimm (1875–1959)
  7. Max Halbe (1865–1944)
  8. Heinrich Lilienfein (1879–1952)
  9. Börries Freiherr von Münchhausen (1874–1945)
  10. Wilhelm Schäfer (1868–1952)
  11. Wilhelm von Scholz (1874–1969)
  12. Emil Strauss (1866–1960)
  13. Lulu von Strauss und Torney (1873–1956)
  14. Helene Voigt-Diederichs (1865–1961)
  15. Josef Weinheber (1892–1945)
  16. Heinrich Zillich (1898–1988)

Komponisten

Hierzu gehörten nach Angabe von Rathkolb neben den auf den Sonderlisten genannten Komponisten Richard Strauss und Hans Pfitzner nur 16 Personen:[25]

  1. Johann Nepomuk David (1895–1977)
  2. Werner Egk (1901–1983)
  3. Gerhard Frommel (1906–1984)
  4. Harald Genzmer (1909–2007)
  5. Ottmar Gerster (1897–1969) [27]
  6. Kurt Hessenberg (1908–1994)
  7. Paul Höffer (1895–1949)
  8. Karl Höller (1907–1987)
  9. Mark Lothar (1902–1985)
  10. Josef Marx (1882–1964)
  11. Gottfried Müller (1914–1993)
  12. Carl Orff (1895–1982) [28]
  13. Ernst Pepping (1901–1981)[29]
  14. Max Trapp (1887–1971)
  15. Fried Walter (1907–1996)
  16. Hermann Zilcher (1881–1948)

Dirigenten

Zusätzlich zu Wilhelm Furtwängler, der in die Sonderliste der unersetzlichen Künstler aufgenommen wurde, standen auf den Listen folgende 15 Namen: [25]

  1. Hermann Abendroth (1883–1956)
  2. Karl Böhm (1894–1981)
  3. Karl Elmendorff (1891–1962)
  4. Robert Heger (1886–1978)
  5. Eugen Jochum (1902–1987)
  6. Oswald Kabasta (1896–1946)
  7. Herbert von Karajan (1908–1989)
  8. Hans Knappertsbusch (1888–1965)
  9. Joseph Keilberth (1908–1968)
  10. Rudolf Krasselt (1879–1954)
  11. Clemens Krauss (1893–1954)
  12. Hans Schmidt-Isserstedt (1900–1973) [30]
  13. Paul Schmitz (1898–1992)
  14. Johannes Schüler (1894–1966)
  15. Carl Schuricht (1880–1967)

Sonstige Künstler wie Architekten, Maler und Musiker, Theaterschauspieler

Abgesehen von den oben genannten Schriftstellern, Komponisten und Dirigenten standen nach Angaben von Rathkolb auf Hitlers Liste der „Bildenden Kunst“ 34 Bildhauer, 73 Maler, 51 Architekten sowie 23 Gebrauchsgraphiker und Entwerfer. Unter den Musikern waren 17 Pianisten, 9 Geiger, 4 Cellisten, 2 Organisten, 3 Quartette und 9 Konzertsänger/innen vertreten,[25] ferner standen verschiedene Theaterschauspieler und Opernsänger auf der Liste.[31]

Ferner wurden auf der Gottbegnadeten-Liste neun Orchester genannt, die Berliner Philharmoniker, die Wiener Philharmoniker, die Preußische, Bayerische und Sächsische Staatskapelle, das Gewandhausorchester, das Bruckner Orchester Linz, die Hamburger Philharmoniker und das Deutsche Philharmonische Orchester Prag,[37] das sich 1946 als Bamberger Symphoniker neu formierte.

Schauspieler auf der von Goebbels initiierten Film-Liste

Auf dieser Liste standen 280 Schauspieler, 227 Schauspielerinnen, 78 Filmautoren, 18 Filmautorinnen und 35 Filmregisseure,[38] darunter:[39]

Beispiele für die Nichtaufnahme von zuvor freigestellten Künstlern

Diese Künstler waren zuvor vom Dienst an der Waffe freigestellt, wurden aber nicht in die Gottbegnadetenliste aufgenommen:

Literatur

Edition

  • Maximilian Haas: Die ,Gottbegnadeten-Liste' (BArch R 55/20252a), in: Juri Giannini, Maximilian Haas und Erwin Strouhal (Hrsg.): Eine Institution zwischen Repräsentation und Macht. Die Universität für Musik und darstellende Kunst Wien im Kulturleben des Nationalsozialismus. Mille Tre Verlag, Wien 2014, S. 239-276. ISBN 978-3-900198-36-7 (= "Musikkontext 7").

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Oliver Rathkolb: Führertreu und gottbegnadet, S. 173.
  2. vgl. Schreiben Martin Schönicke (Stellvertreter des Reichssendeleiters) an Ministerialdirektor Fritzsche vom 30. August 1944, vgl. Prieberg: Handbuch, S. 6296.
  3. Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945, CD-Rom-Lexikon, Kiel 2004, S. 5180.
  4. Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945, CD-Rom-Lexikon, Kiel 2004, S. 3.784, zum Datum siehe Ernst Lothar von Knorr: Lebenserinnerungen, P. J. Tonger Musikverlag Köln-Rodenkirchen 1996, ISBN 3-920950-25-9, S. 82.
  5. 5,0 5,1 Fred K. Prieberg: Musik im NS-Staat, Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main, 1982, S. 308–309.
  6. Oliver Rathkolb: Führertreu und gottbegnadet, S. 146 und S. 175.
  7. Oliver Rathkolb: Führertreu und gottbegnadet, S. 174.
  8. Artikel in der Zeit vom 17. November 2005
  9. Oliver Rathkolb: Führertreu und gottbegnadet, S. 173.
  10. Oliver Rathkolb: Führertreu und gottbegnadet, S. 173-174.
  11. Oliver Rathkolb: Führertreu und gottbegnadet, S. 178.
  12. Namen bei Ernst Klee: Kulturlexikon.
  13. Siehe beispielsweise Ernst Klee: Kulturlexikon, Ausgabe 2007, S. 171.
  14. Oliver Rathkolb: Führertreu und gottbegnadet, S. 178.
  15. Zitat bei Oliver Rathkolb: Führertreu und gottbegnadet, S. 174, sowie Fußnote 473, S. 282: ZSt., Promi. T 6400, M68-12, 1944 („Gottbegnadeten-Liste“), S. 63f.
  16. Oliver Rathkolb: Führertreu und gottbegnadet, S. 174.
  17. Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945, CD-Rom-Lexikon, Kiel 2004, Stichwort: Goebbels, Joseph, S. 2393 mit Bezug auf die Quelle BA R 55/20616, Blatt 81.
  18. Ernst Klee: Kulturlexikon, Ausgabe 2007, S. 77, S. 311, S. 326 und S. 613.
  19. Ernst Klee: Kulturlexikon, Ausgabe 2007, S. 194, S. 294, S. 338 und S. 452.
  20. Ernst Klee: Kulturlexikon, Ausgabe 2007, S. 172, S. 183, S. 337 und S. 554.
  21. Namen bei Ernst Klee: Kulturlexikon, Ausgabe 2007, S. 94, S. 222, S. 285, S, 326, S. 409 und S. 564.
  22. Ernst Klee: Kulturlexikon, Ausgabe 2007, S. 171, 456 und 598.
  23. 23,0 23,1 Viktor Reimann: Dr. Joseph Goebbels. Molden Taschenbuch Verlag, Wien, München 1976, ISBN 3-217-05018-5, S. 216
  24. Ernst Klee: Kulturlexikon, Ausgabe 2007, S. 145, S. 299 und S. 324.
  25. 25,0 25,1 25,2 25,3 25,4 Namen bei Oliver Rathkolb: Führertreu und gottbegnadet. Künstlereliten im Dritten Reich, Österreichischer Bundesverlag Wien 1991, S. 176.
  26. Ernst Klee: Kulturlexikon, Ausgabe 2007, S. 76, nicht bei Rathkolb genannt.
  27. siehe auch Prieberg: Handbuch, S. 2060.
  28. Siehe auch Prieberg: Handbuch, S. 5029.
  29. Ernst Klee: Kulturlexikon, Ausgabe 2007, S. 452.
  30. Siehe auch Prieberg: Handbuch, S. 6233.
  31. Namen bei Ernst Klee: Kulturlexikon zum Dritten Reich, beim jeweiligen Namenseintrag.
  32. Zur UK-Stellung bis 1944 siehe Prieberg: Handbuch, S. 369.
  33. Siehe auch Prieberg: Handbuch, S. 5950.
  34. Siehe auch Prieberg: Handbuch, S. 3120
  35. Zitat Ernst Klee: Kulturlexikon, Ausgabe 2007, S. 157.
  36. Ernst Klee: Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Überarbeitete Ausgabe, S. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-596-17153-8, S. 241
  37. Viktor Reimann: Dr. Joseph Goebbels. Molden Taschenbuch Verlag, Wien, München 1976, ISBN 3-217-05018-5, S. 217
  38. Rathkolb: Führertreu und gottbegnadet, S. 178.
  39. Angaben laut Ernst Klee: Kulturlexikon, beim jeweiligen Namenseintrag.
  40. Ernst Klee: Kulturlexikon, Ausgabe 2007, S. 227.
  41. Prieberg: Handbuch, S. 376.
  42. Prieberg: Handbuch, S. 396.
  43. Prieberg: Handbuch, S. 666.
  44. Prieberg: Handbuch, S. 704.
  45. Prieberg: Handbuch, S. 1158.
  46. Prieberg: Handbuch, S. 1237.
  47. Prieberg: Handbuch, S. 1269.
  48. Prieberg: Handbuch, S. 1284.
  49. Prieberg: Handbuch, S. 1291.
  50. Prieberg: Handbuch, S. 1605.
  51. 51,0 51,1 Lücke: Jazz im Totalitarismus, S. 98ff.
  52. Prieberg: Handbuch, S. 2324. und Lücke: Jazz im Totalitarismus, S. 98ff.
  53. Prieberg: Handbuch, S. 3426.
  54. Prieberg: Handbuch, S. 3650.
  55. Prieberg: Handbuch, S. 3659.
  56. Prieberg: Handbuch, S. 3969.
  57. Prieberg: Handbuch, S. 4378.
  58. Prieberg: Handbuch, S. 4497.
  59. Prieberg: Handbuch, S. 4531.
  60. Prieberg: Handbuch, S. 4608.
  61. Prieberg: Handbuch, S. 5170.
  62. Prieberg: Handbuch, S. 5772.
  63. Prieberg: Handbuch, S. 2390.
  64. Prieberg: Handbuch, S. 6721; S. 6745.
  65. Prieberg: Handbuch, S. 4694.
  66. Prieberg: Handbuch, S. 8652.
  67. Prieberg: Handbuch, S. 7061.
  68. Prieberg: Handbuch, S. 9282.
  69. Prieberg: Handbuch, S. 7426.
  70. Prieberg: Handbuch, S. 7444.
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