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Hammelsprung
Der Hammelsprung ist eine Form der Abstimmung in Parlamenten, beispielsweise dem Deutschen Bundestag.
Procedere
Für den Hammelsprung im Deutschen Bundestag verlassen die Abgeordneten den Plenarsaal und betreten ihn nach Eröffnung des Zählvorgangs durch den Präsidenten wieder durch eine von drei Türen, die jeweils für „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“ stehen. Für die Zählung stehen an jeder Tür zwei Schriftführer, die die Abgeordneten beim Durchschreiten der Tür laut zählen. Der Präsident gibt das Ende des Zählvorganges bekannt. Möglicherweise danach eintreffende Abgeordnete werden nicht mehr gezählt und es wird das Ergebnis bekannt gegeben. Das Verfahren ist in § 51 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages geregelt.
Wird die Beschlussfähigkeit angezweifelt, so kann gemäß § 45 Abs. 2 GOBT per Hammelsprung überprüft werden, ob sich mehr als die Hälfte der Mitglieder im Sitzungssaal befinden; ist dies nicht der Fall, muss der Präsident die Sitzung sofort aufheben. Nach § 20 Abs. 5 der Geschäftsordnung kann die aufgrund einer Beschlussunfähigkeit geschlossene Sitzung am selben Tag einmal wiederholt werden, dem kann allerdings von einer Fraktion oder von fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages widersprochen werden.
Politische Bedeutung
In der Regel wird im Deutschen Bundestag durch Handzeichen oder durch „Aufstehen oder Sitzenbleiben“ abgestimmt. Der Hammelsprung kommt zum Einsatz, wenn sich z. B. der Sitzungsvorstand über das Ergebnis einer Abstimmung auch nach der Gegenprobe nicht einig ist. Im Deutschen Bundestag sind andere Auszählarten nicht vorgesehen. Ein elektronisches Zählverfahren, wie es z. B. in Russland, Italien, Frankreich oder der Schweiz Verwendung findet, ist nach einer kurzen Testphase im Deutschen Bundestag bisher mit der Begründung von Manipulationsmöglichkeiten abgelehnt worden.
In den ersten elf Bundestagen (1949–1990) kam es zu insgesamt 534 Hammelsprüngen.[1]
In anderen Ländern
Gleichartige Verfahren zur Feststellung von Abstimmungsergebnissen werden in vielen Demokratien angewandt, beispielsweise im britischen House of Commons und House of Lords. Der englische Begriff dafür ist division (of the assembly / of the house). Es wird in seltenen Fällen auch in der Schweizer Landsgemeinde des Kantons Appenzell Innerrhoden angewandt. Bei mehreren tausend Anwesenden kann es dort vorkommen, dass das Ergebnis zweifelhaft bleibt.
Geschichte
Ein solches Abstimmungsverfahren wurde bereits von der römischen Volksversammlung, der Concilium Plebis, angewandt. Hierbei wurden zwei Brücken aufgebaut, durch die Volksmassen in dem Abstimmungsverfahren gezählt wurden. Das im Deutschen als „Hammelsprung“ bezeichnete Abstimmungsverfahren wurde auf Antrag des Vizepräsidenten des Deutschen Reichstages, Hans Victor von Unruh, am 9. April 1874 in die Geschäftsordnung des Reichstags eingeführt und im November 1874 auch in die Geschäftsordnung des Preußischen Abgeordnetenhauses.
Der Begriff Hammelsprung ist eine Wortschöpfung der parlamentarischen Alltagssprache, wie z. B. Stimmvieh, Leithammel oder Arbeitspferd. Ein Beleg dafür, dass das Zählen von Schafen so genannt wurde, ist bisher nicht gefunden worden.
Der Architekt des Reichstagsgebäudes Paul Wallot nahm in einem Intarsienbild den Begriff „Hammelsprung“ auf. Er stellte 1894 über einer der Abstimmungstüren – der Ja-Tür – im Berliner Reichstagsgebäude dar, wie der von Odysseus geblendete Zyklop Polyphem seinen Widdern über den Rücken streicht, weil er glaubt, auf ihrem Rücken sitzend würden Odysseus und seine Gefährten aus der Gefangenschaft fliehen wollen. Tatsächlich hielten sie sich unter dem Bauch hängend im Fell der Widder fest. Die Nein-Tür zeigte die schlesische Märchen- und Sagengestalt Rübezahl. Im Reichstag der Kaiserzeit waren lediglich zwei Türen vorhanden, eine für die Zählung der Ja- und eine für die Zählung der Nein-Stimmen.
Bei der Sitzung am 9. April 1874 wurde auch schon einmal die Idee verworfen, eine „elektrische Abstimmungsmaschine“ in Gebrauch zu nehmen. Ein solches Gerät war dem Reichstag von der Firma Siemens & Halske angeboten worden, seine Installation wurde aber nach längerer Diskussion mit dem Hinweis abgelehnt, dass diese Abstimmungsform nicht mit der Würde des Reichstags vereinbar sei.[2]
Literatur
- Kai Zähle, Der „Hammelsprung“ im Deutschen Bundestag, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 38 (2007), S. 276–286.
- Michael F. Feldkamp, „Hammelsprung“ und Parlamentssymbolik im Reichstagsgebäude der Kaiserzeit. Ergänzungen zum Beitrag von Kai Zähle, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 39 (2008), S. 35–41.
- Joachim Riecker, Der Hammelsprung im Parlament – Auf Odysseus´ Spuren, in: Blickpunkt Bundestag November 2008, S. 28 f. – online: [1]
- Gerhard Müller, Woher stammt der Hammelsprung?, in: Der Sprachdienst, Heft 1/2010, S. 16 bis 19. Die vom Verfasser autorisierte Fassung siehe unter: http://muellers-lesezelt.de/miszellen/hammelsprung.pdf
Weblinks
- arte.tv-Fernsehbeitrag in Karambolage vom 5. Oktober 2008
Einzelnachweise
- ↑ Klaus von Beyme: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland. Eine Einführung. 11. Auflage, Wiesbaden 2010, S. 310.
- ↑ Innsbrucker Nachrichten vom 11. November 1902 mit einer Beschreibung der Abstimmungsmaschine von Siemens & Halske
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Hammelsprung aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |