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Herbie Hancock
Herbert Jeffrey „Herbie“ Hancock (* 12. April 1940 in Chicago, Illinois) ist ein US-amerikanischer Jazz-Pianist und Komponist sowie Oscar- und Grammy-Preisträger. Die Improvisation Hancocks ist geprägt von einer perlenden „Funky-Spielweise“ und der Verwendung expressiver Kreuzrhythmen. Viele seiner Kompositionen sind Klassiker geworden und dienen anderen Jazz-Musikern als Improvisationsgrundlage. Dazu gehören Watermelon Man, Cantaloupe Island und Maiden Voyage, die allesamt in den 1960er Jahren auf dem Blue-Note-Label erschienen sind.
Leben
Die frühen Jahre
Hancock ist der Sohn von Wayman Edward Hancock, dem Besitzer eines Lebensmittelladens, und dessen Frau Winnie Belle, geb. Griffin, einer Sekretärin. Als sein Vater im Zweiten Weltkrieg eingezogen werden sollte, verkaufte dieser seinen Laden übereilt und weit unter Wert, wurde doch nicht eingezogen und musste sich dann mit Taxi- und Busfahren, Postaustragen und als Fleischinspekteur der Regierungsbehörde sein Geld verdienen.[1]
Seine Eltern brachten ihm schon von Anfang an die Liebe zur Musik nahe. Mit sieben Jahren kauften sie ihm ein Klavier, auf dem er ausdauernd übte – anstelle der üblichen sportlichen Freizeitbeschäftigungen in seinem Alter. Die übrige freie Zeit widmete er wissenschaftlichen und elektronischen Themen. Dennoch litten darunter nicht seine schulischen Leistungen, tatsächlich konnte er sogar zwei Klassen überspringen. Seine Lehrer und seine Mutter ermunterten ihn, Opernübertragungen im Rundfunk anzuhören, womit er sein Verständnis von Musik und dem Klavierspiel vertiefen konnte.
Mit elf Jahren trat Hancock mit dem 5. Klavierkonzert in D-Dur von Mozart zusammen mit dem Chicago Symphony Orchestra auf. Daneben spielte er auch Jazz, dem er sich schließlich ganz zuwendete. Während seiner High School-Zeit hörte er sich stundenlang Aufnahmen von Oscar Peterson und George Shearing an, übertrug deren Noten auf Papier und spielte sie dann nach. Diese langwierige Übung verbesserte seine Fähigkeit, harmonische Strukturen, rhythmische Muster und Instrumentierungsweisen zu analysieren und zu zergliedern. Nach der High School schrieb er sich 1956 am Grinnell College in Iowa ein, um Elektrotechnik zu studieren. Er erlernte dort die Grundlagen der Elektronik, dennoch wechselte er nach zwei Jahren in das Fach Musikkomposition, in dem er 1960 abschloss. Danach kehrte er zurück nach Chicago und spielte u. a. mit Coleman Hawkins zusammen. Wegen eines verheerenden Schneesturms konnte der Pianist von Donald Byrds Gruppe nicht rechtzeitig nach Chicago gelangen, so dass Hancock für ihn einspringen konnte. Byrd war so beeindruckt, dass er ihn mit nach New York City nahm und ihn dort mit seinen Jazz-Kollegen bekannt machte.
Durchbruch
So konnte er 1962 sein Debütalbum Takin' Off mit so bekannten Musikern wie Dexter Gordon und Freddie Hubbard beim Label «Blue Note» einspielen. Auf dieser Platte war auch Watermelon Man, eines seiner populärsten Stücke überhaupt, das in der Version des Perkussionisten Mongo Santamaria zu einem Hit wurde. Bis heute (2007) wurde das Stück von mehr als 200 Musikern aufgenommen. 1963 wurde Hancock neben George Coleman (später durch Wayne Shorter ersetzt), Ron Carter und Tony Williams Mitglied des berühmten zweiten Quintetts von Miles Davis, in dem er bis zum Sommer 1968 blieb. Erstmals war er 1963 auf dem Album Seven Steps to Heaven zu hören. Zu seiner Zusammenarbeit mit Davis meinte er rückblickend:
- „Ich war dreiundzwanzig. Und Miles machte mir Angst. Große Angst. Wir mussten uns selbst übertreffen, unser Möglichstes immer weiter vorantreiben. Miles verlangte sehr viel, leitete aber kaum. Er ließ uns die Freiheit zu tun, was wir wollten. Mein Leben hat er verändert und mir viel Mut gegeben.“[2]
Hancock wirkte Mitte der 60er Jahre an den Alben des Quintetts wie E.S.P., Miles Smiles, Nefertiti und Sorcerer mit. Für das Album Miles in the Sky (1968) kaufte Davis seinem Pianisten ein Fender Rhodes und leitete damit die Ära des Jazzrock ein.[2]
Er nahm aber auch weiterhin regelmäßig viel beachtete Platten unter eigenem Namen auf, darunter der Klassiker Maiden Voyage. Außerdem war er als Begleiter vieler anderer Musiker tätig, wie etwa von Wayne Shorter (Speak No Evil, 1964), Lee Morgan (Search for the New Land, 1964) oder Bobby Hutcherson (Happenings, 1966). Danach bildete er ein eigenes Sextett, das jedoch kommerziell nicht erfolgreich war und von Hancock teilweise durch Tantiemen für seine Kompositionen gegenfinanziert wurde. In den späten 1960er Jahren ließ das allgemeine Interesse an Jazz nach, so dass Hancock nun auch Werbejingles für Chevrolet, Standard Oil und Eastern Air Lines komponierte. Der Filmregisseur und Jazzkenner Michelangelo Antonioni bat ihn erfolgreich, die Filmmusik für seinen Spielfilm Blow Up zu komponieren. 1969 endete die Zusammenarbeit mit Davis in dem Werk Bitches Brew.
Hancock ist seit 1972 praktizierender Buddhist und Mitglied der buddhistischen Religionsgemeinschaft Sōka Gakkai International.
»Fusion«-Musik
1969 legte Hancock sich den Kisuaheli-Namen Mwandishi (dt. „Komponist“) zu; Ende des Jahres entstand das Album Kawaida, das zunächst unter dem Namen des Schlagzeugers Tootie Heath erschien. Auch war er an Miroslav Vitouš’ Album Infinite Search beteiigt. In den 1970er Jahren setzte Herbie Hancock – zur Erweiterung seines Sound-Spektrums – zunehmend elektrische und elektronische Instrumente ein, wie das Fender-Rhodes Piano, das Hohner D6 und verschiedene Synthesizer, wie z. B. den ARP 2600. Hancock ist ein ausgesprochener Technik-Freak, der stets die aktuelle verfügbare Technologie adaptierte – vom Vocoder über die ersten Moog- und Korg-Synthesizer bis zum aktuellen Laptop.
Zu dieser Zeit erklärte Hancock auch, dass er Funk-Musik liebte, vor allem die von Sly Stone, und formierte ein Sextett, das finanziell jedoch ein Desaster war; er finanzierte die Band vier Jahre aus den Tantiemen an seinem Hit „Watermelon Man“. Seinem Album Fat Albert Rotunda (1970), einem ersten Versuch auf der Funky-Welle für ein TV-Special von Bill Cosby, folgten maßstabsetzende Alben wie Mwandishi (1971) und in Oktett-Besetzung Sextant (1973). 1973 rief er seine Funk-Band The Headhunters ins Leben, bei der auch Bennie Maupin von seinem früheren Sextett sowie Bassist Paul Jackson, Percussionist Bill Summers und Schlagzeuger Harvey Mason mitwirkten. Am bekanntesten aus dieser Zeit ist das 1973 erschienene Album Head Hunters, das zu den erfolgreichsten Alben in der Geschichte des Jazz zählt. Weitere Beispiele sind Thrust, Sunlight, Monster, Mr. Hands (mit Jaco Pastorius) und Man-Child.
1983 arbeitete Hancock mit Bill Laswell für das Album Future Shock zusammen. Mit der Auskopplung Rockit hatte er einen weltweiten Hit (den größten Instrumental-Hit der 1980er Jahre); er bekam einen Grammy für die Single, die das Scratchen allgemein bekannt machte. 1985 nahm er das Duo-Album Village Life mit Foday Musa Suso, einem afrikanischen Kora-Spieler, auf.
Parallel-Entwicklungen
Parallel zu den zunehmend elektronisch dominierten Alben und Bands fand sich Mitte der 1970er Jahre um Herbie Hancock die Formation des zweiten Miles Davis Quintett unter dem Namen V.S.O.P. wieder zusammen, wobei Freddie Hubbard Miles Davis als Trompeter ersetzte. 1986 war er zusammen mit Dexter Gordon in Bertrand Taverniers Jazz-Film Um Mitternacht zu sehen, für welchen er auch den Oscar-prämierten Soundtrack schrieb. In den 1990er Jahren entstanden verschiedene akustische Aufnahmen, unter anderem ein Tribut-Album zu Ehren von Miles Davis (A Tribute to Miles), eine Duo-Aufnahme mit Wayne Shorter (1 + 1) und ein Album, auf dem er mit einem akustischen Quintett Pophits zu neuen Jazzstandards umdeutete (New Standards). 2005 erschien das Album Possibilities, auf dem er gemeinsam mit Pop-Künstlern wie Sting, Paul Simon, Carlos Santana, Damien Rice und Annie Lennox zu hören ist. Im selben Jahr spielte er auch das Stück Spanish Suite mit Stephen Stills ein. Es enthält eine sieben Minuten lange Piano/Gitarre-Improvisation und wurde auf Stills' Album Man Alive! veröffentlicht.
Ein neues Publikum erreichte er 1994 aufgrund des Erfolgs seines Titels Cantaloupe Island, der von Us3 gecovert bzw. remixed wurde. Für sein Album The New Standard von 1996 verwendete Hancock Popsongs von Peter Gabriel, Kurt Cobain und Joni Mitchell. Im Jahr 2008 gewann er mit dem Album River: The Joni Letters, einer Hommage an die jazzliebende Liedermacherin Joni Mitchell, zwei Grammy Awards; neben der Kategorie Bestes Jazz-Album auch den Preis als Bestes Album des Jahres. „Sextant“ wurde in die legendäre Wireliste The Wire’s “100 Records That Set the World on Fire (While No One Was Listening)” aufgenommen.
Familie
Hancock ist seit 31. August 1968 mit der deutschen Dekorateurin und Kunstsammlerin Gudrun Meixner[3] (* Stendal) verheiratet; sie haben eine Tochter. Hancocks Schwester Jean, eine Liedermacherin, ist mittlerweile verstorben.
Diskografie (Auswahl)
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Soundtracks
- 1966: Blow Up – Regie: Michelangelo Antonioni
- 1973: The Spook Who Sat by the Door – Regie: Ivan Dixon
- 1974: Ein Mann sieht rot (Death Wish) – Regie: Michael Winner
- 1984: Sergeant Waters – Eine Soldatengeschichte (A Soldier’s Story) – Regie: Norman Jewison
- 1986: Jo Jo Dancer – Dein Leben ruft (Jo Jo Dancer, Your Life Is Calling) – Regie: Richard Pryor
- 1986: The George McKenna Story (Fernsehfilm)
- 1986: Um Mitternacht (Round Midnight) – Regie: Bertrand Tavernier
- 1988: Colors – Farben der Gewalt (Colors) – Regie: Dennis Hopper
- 1988: Action Jackson – Regie: Craig R. Baxley
- 1989: Harlem Nights – Regie: Eddie Murphy
- 1991: Livin’ Large! – Regie: Michael Schultz
Auszeichnungen (Auszug)
- 1986: Oscar für die Beste Filmmusik in Um Mitternacht
- 1984: Best R&B Instrumental Performance: Rockit
- 1985: Best R&B Instrumental Performance: Sound-System
- 1988: Best Instrumental Composition: Call Sheet Blues
- 1995: Best Jazz Instrumental Performance, Individual Or Group: A Tribute to Miles
- 1997: Best Instrumental Composition: Manhattan (Island Of Lights And Love)
- 1999: Best Instrumental Arrangement Accompanying Vocal(s): St. Louis Blues
- 1999: Best Jazz Instrumental Performance, Individual Or Group: Gershwin's World
- 2003: Best Jazz Instrumental Album, Individual or Group: Directions in Music: Live at Massey Hall (mit Michael Brecker und Roy Hargrove)
- 2003: Best Jazz Instrumental Solo: My Ship
- 2005: Best Jazz Instrumental Solo: Speak Like A Child
- 2008: Album of the Year: River: The Joni Letters
- 2008: Best Contemporary Jazz Album: River: The Joni Letters
Literatur
- Ian Carr u. a.: Jazz Rough Guide. Metzler, Stuttgart 1999, ISBN 3-476-01584-X
- Christian Broecking: Herbie Hancock. Interviews. Broecking Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-938763-12-4, Besprechung:[4]
- Leonard Feather und Ira Gitler: The Biographical Encyclopedia of Jazz. Oxford University Press, Oxford/New York 1999, ISBN 978-0-19-532000-8, Besprechung:[5]
- Wolf Kampmann: Reclams Jazzlexikon. Reclam, Stuttgart 2003, ISBN 3-15-010528-5
- Franz Krieger: Herbie Hancocks Harmonik in The Sorcerer in Jazzforschung / Jazz Research 37(2005)
- Franz Krieger Musikalische Übernahmen und Originalität bei Herbie Hancock in Jazzforschung / Jazz Research 38(2006)
- Martin Kunzler: Jazz-Lexikon, Bd. 1. rororo, Reinbek 2002, ISBN 3-499-16512-0
- Stephen F. Pond: Head Hunters: The Making of Jazz's First Platinum Album. University of Michigan Press, Ann Arbor 2005.
Weblinks
- Literatur von und über Herbie Hancock im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Offizielle Website von Herbie Hancock
- Herbie Hancock Biography, musicianguide.com
- Biografie von der NEA-Stiftung (englisch)
- Biografie, Diskografie und News bei JazzEcho (deutsch)
- Diskografien
- Hancock Discography von Christian Genzel
- Filmmusik und Diskografie, filmreference.com
- Artikel
- „Herbie Hancock über Erleuchtung. Ein einziges Wunder“, Süddeutsche Zeitung, 14. September 2007, Interview
- Karl Lippegaus Herbie Hancock wird 70: „Nennen Sie mich Herbie“, Süddeutsche Zeitung , 12. April 2010
- Hancock-Dossier der New York Times
Einzelnachweise
- ↑ „Man kann als Junkie keinen Jazz spielen“, Spiegel Online, 22. Februar 2008, Interview
- ↑ 2,0 2,1 Karl Lippegaus: „Nennen Sie mich Herbie - Herbie Hancock zum 70. Geburtstag.“ In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 83 vom 12. April 2010, S. 13.
- ↑ Bild von Hancock und Meixner
- ↑ «Herbie Hancock» - Ein Lebenskünstler über sich, dpa / Die Zeit, 11. April 2010
- ↑ Besprechung von Leonard Feather and Ira Gitler. The Biographical Encyclopedia of Jazz, JazzTimes, April 2000
Personendaten | |
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NAME | Hancock, Herbie |
ALTERNATIVNAMEN | Hancock, Herbert Jeffrey (wirklicher Name) |
KURZBESCHREIBUNG | US-amerikanischer Jazz-Pianist und Komponist |
GEBURTSDATUM | 12. April 1940 |
GEBURTSORT | Chicago, Illinois |
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Herbie Hancock aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |