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Jüdischer Friedhof Rauischholzhausen

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Jüdischer Friedhof Rauischholzhausen (Teilansicht)
Verschiedene Grabsteine

Der Jüdische Friedhof Rauischholzhausen ist ein jüdischer Friedhof am Waldrand oberhalb des Schlossparks und ca. 250 m südwestlich von Rauischholzhausen, einem Ortsteil der Gemeinde Ebsdorfergrund im mittelhessischen Landkreis Marburg-Biedenkopf. Er hatte zentrale Bedeutung und diente als Begräbnisplatz für die jüdische Bevölkerung von Rauischholzhausen, Wittelsberg, Roßdorf, Mardorf, Ebsdorf, Leidenhofen und anfangs auch Schweinsberg. Mit seinen 2445 m² und 129 Grabsteinen ist er einer der größeren jüdischen Friedhöfe in Oberhessen.

Geschichte

In Rauischholzhausen, bis 1934 Holzhausen genannt, kann nach dem Dreißigjährigen Krieg von ersten Ansiedlungen von Juden ausgegangen werden. Die ortsadeligen Grundherren Rau von Holzhausen besaßen das Judenregal und legten den Friedhof an. 1749 hatte Rauischholzhausen 22 jüdische Bewohnerinnen und Bewohner, ihre Zahl stieg kontinuierlich an und stellte mit 81 Personen 1850 zwischenzeitlich 12 % der Ortsbevölkerung. 1850 waren unter 12 jüdischen Familien ein Arzt und Lehrer, sowie 10 Viehhändler und ein Handwerker. 1843 wurde im Dorf eine jüdische Elementarschule eröffnet, die auch von Kindern der Nachbarorte Roßdorf und Mardorf besucht wurde. Wegen Schülermangels wurde die Schule 1921 aufgelöst. Spätestens 1860 wurde ein neues Synagogengebäude zwischen zwei bäuerlichen Anwesen errichtet. Die Gemeinde, der auch die wenigen Familien aus Wittelsberg angeschlossen waren, gehörte zum Provinzial-Rabbinat in Marburg. In den 1920er Jahren wurde in der Synagoge eine Gedenktafel für die sechs im 1. Weltkrieg gefallenen jüdischen Bewohner aus Rauischholzhausen und Wittelsberg angebracht, weil ein gemeinsames Denkmal mit den nichtjüdischen Gefallenen nicht zustande kam.

Die Familie Rülf war eine der ältesten und weitverzweigten Familien in Rauischholzhausen. Sie lebte dort seit Ende des 18. Jahrhunderts. Angehörige dieser Familie erlangten im 19. Jahrhundert als Rabbiner Bedeutung. Weit über die Grenzen der Region hinaus wurde der 1831 geborene Isaak Rülf bekannt.

Die meisten jüdischen Bewohner hatten Rauischholzhausen schon vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten verlassen. 1933 lebten nur noch 26 Jüdinnen und Juden im Dorf. Bereits im Juni 1935 wurde der Innenraum der Synagoge durch „unbekannte Täter“ verwüstet. Ein halbes Jahr später, in der Silvesternacht 1935/36 wurde die Synagoge ausgeplündert und völlig verwüstet, die Thorarollen wurden gestohlen und verbrannt. Die Täter sollten auch hier nicht gefunden werden. Die Gemeinde schloss sich dann der Jüdischen Gemeinde in Mardorf-Roßdorf an und besuchte fortan die Mardorfer Synagoge. Das Synagogengebäude wurde seitdem als Heu- und Strohspeicher eines Dorfbewohners verwendet. Im Sommer 1938 gab es Kaufverhandlungen mit den beiden Grundstücksanliegern, die sich schließlich das Grundstück teilten. Während der Novemberpogrome 1938 kam es zu weiteren Beschädigungen des Gebäudes, das vermutlich im Herbst 1939 abgebrochen wurde. Seitdem wird das Grundstück als Gartenland der beiden nachbarlichen Parteien verwendet.

Zu Beschädigungen kam es auch am Friedhof und an den Häusern jüdischer Mitbürger. So wurden im Sommer 1937 bei mehreren Häusern Fensterscheiben eingeworfen, zum Teil nachts aber auch tagsüber von Schulkindern, die von ihrem Lehrer und dem Bürgermeister dazu aufgefordert worden waren. Auf dem jüdischen Friedhof wurden in derselben Zeit zwölf Grabsteine umgeworfen und abgebrochen, nachdem dies bereits im Herbst 1936 bei fünf Grabsteinen schon einmal geschehen war.[1]

Am 6. September 1942 wurden die letzten 18 verbliebenen jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus Rauischholzhausen, Kirchhain, Mardorf, Niederklein und Schweinsberg in der 3. Deportation vom Hauptbahnhof Marburg nach Kassel und von dort am nächsten Tag ins Ghetto Theresienstadt verschleppt. Nur drei von ihnen überlebten die Shoah und kehrten 1945 in ihren Heimatort Rauischholzhausen zurück. Dies waren die Brüder Martin und Walter Spier, die zusammen mit ihren Eltern nach Theresienstadt und im Mai 1944 von dort in das KZ Auschwitz deportiert wurden, wo die Eltern bald nach der Ankunft mit Giftgas ermordet wurden. Die Brüder wurden in unterschiedliche Zwangsarbeitslager verschleppt, überlebten und trafen sich in Rauischholzhausen wieder. Dort blieben sie ein Jahr lang bevor sie 1946 zu ihrer Schwester nach New York emigrierten. Die dritte Rückkehrerin war Sara Mendel, deren Ehemann Hermann im April 1943 in Theresienstadt gestorben war und die nach ihrer Befreiung als 69-jährige gebrechliche Witwe nach 2 Jahren und 8 Monaten im Ghetto in ihr Heimatdorf zurückkehren konnte. In zahlreichen Anträgen und Briefen kämpfte sie jahrelang um ihre Entschädigungsansprüche, die nur zögerlich und in geringem Umfang gewährt wurden. 1954 starb sie im Dorf isoliert und verarmt mit 78 Jahren. Ihr Begräbnis war die letzte Bestattung auf dem jüdischen Friedhof in Rauischholzhausen.

Literatur

Weblinks

 Commons: Jüdischer Friedhof Rauischholzhausen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Annamaria Junge: „Niemand mehr da“. Antisemitische Ausgrenzung und Verfolgung in Rauischholzhausen 1933–1942., S. 75 f.
50.75658.8783
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Jüdischer Friedhof Rauischholzhausen aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.