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Jacob Taubes

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Jacob Taubes
Der junge Jacob Taubes
J. Taubes in seinen letzten Lebensjahren

Jacob Taubes (geb. 25. Februar 1923 in Wien; gest. 21. März 1987 in Berlin) war ein Religionssoziologe, Philosoph und Judaist.

Leben

Taubes stammte aus einer rabbinischen Gelehrtenfamilie. Gemeinsam mit seiner Familie zog er 1936 nach Zürich, wo sein Vater Zwi Taubes zum Großrabbiner berufen worden war. Bereits 1943 schloss Jacob Taubes die Ausbildung zum Rabbiner ab. Anschließend studierte er an den Universitäten in Basel und Zürich Philosophie und Geschichte. Während seines Studiums hatte Taubes Kontakte zum katholischen Theologen Hans Urs von Balthasar sowie zum evangelischen Theologen Karl Barth.[1] In Zürich 1947 wurde Taubes mit der Dissertation über die Abendländische Eschatologie promoviert. Zur selben Zeit war er mit Armin Mohler, dem späteren Privatsekretär von Ernst Jünger befreundet. Taubes charakterisierte sich und Mohler: „Er war der Rechtsradikale, ich der Linksradikale“.

Ab 1949 lehrte Taubes als Dozent für Religionsphilosophie am Jewish Theological Seminary in New York. Hier erhielt er Privatunterricht beim Philosophen Leo Strauss, außerdem war er bekannt mit Hannah Arendt und Paul Tillich.[1]

Auf Einladung von Gershom Scholem war Taubes von 1951 bis 1953 als Lehrstuhlassistent und Dozent für Religionssoziologie an der Hebräischen Universität Jerusalem tätig. Nach einem Konflikt zwischen ihm und seinem akademischen Lehrer Scholem kehrte Taubes in die USA zurück, wo er für zwei Jahre als Rockefeller-Stipendiat an der Harvard University und als Gastprofessor an der Princeton University lehrte. In dieser Zeit befreundete er sich mit Herbert Marcuse.[1] 1956 erhielt Taubes einen Ruf als Professor für Religionsgeschichte und Religionsphilosophie an die Columbia University in New York, wo er zehn Jahre lehrte. Ab 1966 war er Ordinarius für Judaistik und Hermeneutik an der Freien Universität Berlin. Ende der 1970er Jahre übernahm er gleichzeitig eine ständige Gastdozentur an der Maison des Sciences de l'Homme in Paris.

Jacob Taubes war in erster Ehe mit Susan Taubes (1928-1969) verheiratet; sie hatte bei Paul Tillich promoviert. Der Ehe entstammen der Sohn Ethan (* 1953) und die Tochter Tania (* 1956). Susan Taubes verfasste den Roman Divorcing, der im Herbst 1969 in den USA in englischer Sprache erschienen. Eine Woche nach dem Erscheinen des Romans beging sie am 6. November 1969 Suizid. Das Werk wurde ins Deutsche übersetzt und 1995 unter dem Titel Scheiden tut weh veröffentlicht. Es handelt von der Ehe mit Taubes und vom Leben der Autorin. Ihr umfangreicher schriftlicher Nachlass wird vom Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in Berlin seit dem Jahr 2003 archiviert und erforscht.

In zweiter Ehe war Jacob Taubes mit Margherita von Brentano verheiratet. Ein im Jahr 2005 postum veröffentlichter Brief aus dem Jahr 1981 dokumentiert ein längeres Liebesverhältnis mit der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann.[2] Eine manisch-depressive Erkrankung zwang ihn zu häufigen Klinikaufenthalten.[3]

Philosophie

Taubes bezeichnete sich selbst als „Erzjude“ und „Pauliner“ zugleich[4] oder auch „Judenchrist“. Charakteristisch für ihn ist ein Denken in polemischer Spannung, in Antinomien. Mit Carl Schmitt traf er sich in der apokalyptischen Überzeugung, das eschatologische Ende der Geschichte eröffne die Möglichkeit einer neuen politischen Praxis. Israel steht für ihn als „Ort der Revolution“, als „unruhiges Element in der Weltgeschichte“, das erst eigentlich einen Geschichtsbegriff erschaffen habe. Wie Nietzsche und Max Weber betont er die weltgeschichtliche Bedeutung Israels als „axiologischen“ Anfang der abendländischen Eschatologie. Gegen Carl Schmitt will Taubes die Perspektive einer Erlösung von der Gebundenheit an diese Welt aufrechterhalten; ohne die notwendige Unterscheidung zwischen weltlich und geistlich sei der Mensch Herrschern und Gewalten ausgeliefert, die in einem „monistischen Kosmos kein Jenseits mehr kennen würden“.[5]

Literatur

Eigene Schriften

  • Studien zur Geschichte und System der abendländischen Eschatologie. Verlag Rösch. Bern (Schweiz) 1947. 62 Seiten. Philosophische Dissertation an der Universität zu Zürich 1947.
  • Abendländische Eschatologie. 1. Auflage 1947. In der Buchreihe: Beiträge zur Soziologie und Sozialphilosophie: Band 3. Francke. Bern 1947
    • Abendländische Eschatologie. Mit einem Anhang. 2. Auflage 1991. In der Buchreihe »Batterien«: Band 45. Matthes & Seitz. München 1991
    • Abendländische Eschatologie. Mit einem Anhang. 3. Auflage 2007. Mit einem Nachwort von Martin Treml. In der Buchreihe »Batterien«: Band 45. Matthes & Seitz. ISBN 3-88221-256-X, (italienische Ausgabe 1997, ungarische 2004, kroatische 2009, französische 2009, englische 2009, spanische 2010).
  • Ad Carl Schmitt. Gegenstrebige Fügung. Merve Verlag, Berlin 1987, ISBN 3-88396-054-3
  • Die politische Theologie des Paulus. Vorträge, gehalten an der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft in Heidelberg, 23. – 27. Februar 1987, nach Tonbandaufzeichnungen redigierte Fassung von Aleida Assmann. Herausgegeben von Aleida Assmann und Jan Assmann in Verbindung mit Horst Folkers, Wolf-Daniel Hartwich und Christoph Schulte. Wilhelm Fink. München 1993. 2. Auflage 1995. 3., verbesserte Auflage 2003, ISBN 3-7705-2844-1 (englische Ausgabe: Stanford 2004 ISBN 0-8047-3344-9)
  • Vom Kult zur Kultur. Bausteine zu einer Kritik der historischen Vernunft. Gesammelte Aufsätze zur Religions- und Geistesgeschichte. Herausgegeben von Aleida Assmann und Jan Assmann. Wilhelm Fink. München 1996. 2. Auflage 2007, ISBN 3-7705-3027-6

Als Herausgeber

  • Religionstheorie und Politische Theologie; 3 Bde., Fink, München und Schöningh, Paderborn:
    • I Der Fürst dieser Welt. Carl Schmitt und die Folgen, 1983
    • II Gnosis und Politik, 1984
    • III Theokratie, 1987

Briefwechsel

  • Jacob Taubes an Aharon Agus, Berlin, 11. November 1981. Aus einem Non-Lieux des Archivs. Herausgegeben von Sigrid Weigel. In: Trajekte. Zeitschrift des Zentrums für Literatur- und Kulturforschung Berlin, Nr. 10/April 2005
  • Der Preis des Messianismus. Briefe von Jacob Taubes an Gerschom Scholem und andere Materialien. Herausgegeben von Elettra Stimuli. Aus dem Italienischen übersetzt von Astrida Ment. Redaktionelle Mitarbeit an der deutschen Ausgabe Astrida Ment. Mit einem Text von Elettra Stimuli: Der Messianismus als politisches Problem. Königshausen & Neumann, Würzburg 2006
  • "Creation is always violent". Susan Taubes an Jacob Taubes, Zürich, 4. April 1952. Herausgegeben von Christina Pareigis. In: Trajekte. Zeitschrift des Zentrums für Literatur-und Kulturforschung Berlin, Nr. 15/Oktober 2007
  • Briefwechsel Carl Schmitt – Jacob Taubes. Herausgegeben von Thorsten Palzhoff und Martin Treml. Wilhelm Fink. München 2009
  • Susan Taubes. Die Korrespondenz mit Jacob Taubes 1950-1951. Herausgegeben und kommentiert von Christina Pareigis. Fink, Paderborn 2011, ISBN 3-7705-5181-8

Interview

  • Taubes im Gespräch mit Florian Rötzer. In: Florian Rötzer (Hrsg.): Denken, das an der Zeit ist. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987

Sekundärliteratur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Henning Ritter: Der Mann, der zuviel wußte. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 16 v. 19. Januar 2008, S. Z 1.
  2. In: Trajekte (Zeitschrift des Zentrums für Literaturforschung Berlin). Nr. 10. 5.Jg., April 2005; siehe auch den Pressespiegel im Ingeborg-Bachmann-Forum[1]
  3. Richard Faber, Eveline Goodman-Thau, Thomas Macho (Hrsg.): Abendländische Eschatologie. Ad Jacob Taubes. Würzburg 2001, S. 24
  4. vgl. Art. „Jacob Taubes“, in: Metzler Lexikon jüdischer Philosophen, Stuttgart 2003, S. 445-447
  5. Jacob Taubes: Ad Carl Schmitt. Gegenstrebige Fügung. Berlin 1987, ISBN 3-88396-054-3

Andere Wikis

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Jacob Taubes aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.